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Polyelektrolyt-Multischichtfilme (PEMs) werden durch schichtweise (eng. Layer by Layer, LbL)
sequentielle Ablagerung von entgegengesetzt geladenen Polyelektrolyten auf einer
geladenen Oberfläche hergestellt. Die LbL Methode kann auf verschiedene Weise zur
Herstellung von PEM eingesetzt werden, z.B. durch Tauchen, Rotation, Sprühen oder
Beschichten mit elektromagnetischen und fluidischen Methoden. In allen Artikeln dieser
Dissertation wurde die Tauchmethode verwendet. Durch zyklische Wiederholung der
Abscheidungsschritte kann die Dicke der PEM leicht gesteuert werden. Die Oberflächen und
Grenzflächen des Films können mit der LbL Technik auch durch die elektrostatische
Wechselwirkung zwischen positiv und negativ geladenen Polyelektrolyten modifiziert werden.
Auf diese Weise lassen sich einige Eigenschaften des Films optimieren, beispielsweise
Oberflächenadhäsion und Biokompatibilität, z. B. in der Gewebezüchtung oder es kann
eine Monoschicht als Barriere an der Grenzfläche des Films adsorbiert werden, um die
Diffusion von Molekülen im Film zu begrenzen z.B. bei Aufnahme oder Freisetzen von
Medikamenten.
Daher wurde die Rolle einiger Faktoren, wie die molare Masse der Polyelektrolyte und das
Vorhandensein von Salzionen in der Präparationslösung auf die interne Struktur sowie die
Oberfläche der PEMs untersucht.
Für alle Untersuchungen dieser Dissertation wurde das häufig verwendete Modell-System aus
dem positiv geladenen Polyelektrolyten Polydimethyldiallylammonium (PDADMA), und dem
negativ geladenen Polyelektrolyten Polystyrolsulfonat (PSS), verwendet. Die Dicke der Filme
wurde mit Röntgenreflektometrie, Ellipsometrie, UV-Vis-NIR-Spektrometrie bestimmt die
interne Struktur mit Neutronenreflektometrie und die Oberflächentopografie mit Rasterkraftmikroskopie
(eng. AFM) und Rasterelektronenmikroskopie (eng. SEM).
In Artikel 1 wurde mit Hilfe der Neutronenreflektometrie die Struktur des Filmes und die
Diffusion des Polyanions PSS (DPSS) senkrecht zur PEM Oberfläche untersucht. Variiert wurde
die molare Masse des Polykations PDADMA und die Salzkonzentration der
Präparationslösung. PEMs wurden aus drei verschiedenen NaCl-Konzentrationen in der
Abscheidelösung hergestellt: 10 mmol/L, 100 mmol/L und 200 mmol/L. Die Salzkonzentration
in der Polyelektrolytlösung bestimmt die Konformation der Polyelektrolyte während der
Adsorption. Die Ketten werden weniger flach adsorbiert, wenn mehr Salzionen in der
Adsorptionslösung vorhanden sind und die Filme werden dicker.
Die Diffusion nahm mit zunehmender molarer Masse von PDADMA in Filmen, die aus 10
mmol/L, 100 mmol/L und 200 mmol/L hergestellt wurden, um mindestens drei Größenordnungen
ab, denn die Zunahme der Kettenlänge, erhöht den Vernetzungsgrad im Film. Dabei zeigten Filme aus 10 mmol/L (NaCl) mit einer niedrigen molaren Masse von PDADMA
die größte Diffusion (DPSS = 4.9 × 10−20 m2/s). Der Diffusionskoeffizient DPSS als Funktion des
Polymerisationsgrades folgt zwei Potenzgesetzen mit einem Übergang bei einem
Polymerisationsgrad von 288. Bei kürzeren Ketten stimmt der Exponent des Potenzgesetzes
gut mit dem Modell der Sticky Reptation überein. Bei längeren Ketten war der Exponent viel
größer, was vermuten lässt, dass die PSS-Ketten in einem zunehmend komplexen
Polymernetzwerk gefangen sind. Wir verstehen den Übergang als Verschränkungsgrenze für
das untersuchte System.
Bei PEMs, die aus 100 mmol/L hergestellt wurden, konnte kein Potenzgesetz festgestellt
werden. DPSS nahm sprunghaft um drei Größenordnungen ab, wenn die molare Masse von
PDADMA von 45 kDa auf 72 kDa erhöht wurde.
In Artikel 2 wurden die Oberfläche von PEMs aus Polyelektrolyten unterschiedlicher molarer
Massen untersucht. Die Oberflächenrauhigkeit und die Dicke des Films wurden mit
Röntgenreflektometrie und Ellipsometrie bestimmt. Die Oberflächentopografie wurde mit AFM
und SEM aufgenommen. Alle PEMs wurden aus PE-Lösungen mit 0,1 mol/L NaCl hergestellt.
Die Oberfläche der PEM, präpariert aus langem PSS und kurzem PDADMA oder langem PSS
und langem PDADMA, war immer flach. Bei einer Filmzusammensetzung aus langen
Polykationen (Mw (PDADMAlang) = 322 kDa) und kurzen PSS Molekülen (Mw (PSSkurz) = 10,7
kDa) wurden drei Wachstumsregime identifiziert: exponentiell, parabolisch und linear. Im
exponentiellen Wachstumsregime bildet sich nach etwa sieben Beschichtungsschritten von
PDADMA/PSS (eng. bilayers, bl) eine granulare Oberflächenstruktur aus mit einer
Oberflächenrauigkeit von 1,6 nm und einer lateralen Periodizität von 70 nm. Mit zunehmender
Schichtzahl nimmt die Oberflächenrauhigkeit sowie die laterale Periodizität zu. Im
parabolischen Wachstumsbereich aggregieren die Strukturen zu Säulen, mit einer
Oberflächenrauigkeit bis zu 23 nm und einer lateralen Periodizität bis zu 210 nm. Im linearen
Wachstumsregime sind die säulenförmigen Domänen vollständig ausgebildet und die
Oberflächenstruktur ändert sich nicht mehr. Diese Strukturen wurden schon während der
Präparation, bereits vor dem Trocknen beobachtet. Dies zeigt, dass sich die Strukturen
während der Abscheidung von PDADMA/PSS bilden.
Bei Beobachtungen im Vakuum (SEM) war im linearen Bereich die Säulenstruktur bei der
PDADMA terminierten PEM ausgeprägter als bei der PSS terminierten.
Diese Strukturen bilden sich nur im Film mit anfänglichem exponentiellem Wachstum, d.h.
wenn kurzen Ketten durch den ganzen Film diffundieren können. Das legt nahe, dass es für
die Strukturbildung nicht ausreicht, dass der Polyelektrolyt kurz ist, sondern dass es auch
beweglich sein muss. Um dies näher zu untersuchen wurde in Manuskript 1 die molare Masse des PSS variiert. Es
wurden PEMs aus langem 322 kDa PDADMA und kurzem 6,5 kDa und 3,9 kDa PSS
hergestellt und mit den Messungen von PEMs aus 10,7 kDa PSS verglichen.
Die Verkürzung von PSS hat subtile Auswirkungen auf den Filmaufbau und die
Selbststrukturierung. Für PEM aus PSS mit einer molaren Masse von 6,5 kDa konnten nur
zwei Wachstumsregime ermittelt werden: ein exponentielles und ein lineares Wachstumsregime.
Der Übergang vom exponentiellen zum linearen Wachstum erfolgte bei 28
Doppelschichten. Bei PEMs, die aus 3,9 kDa PSS hergestellt wurden, wurde bis zu 29 bl nur
ein exponentielles Wachstum beobachtet. Dies zeigt, dass eine Verringerung der molaren
Masse von PSS das exponentielle Wachstum auf eine größere Anzahl von abgeschiedenen
Doppelschichten ausdehnt. Dies ist auf die zunehmende PSS-Diffusion zurückzuführen.
In allen Filmen wurden Selbststrukturierungen beobachtet. Der Abstand und die Höhe der
säulenartigen Domänen nehmen mit jeder abgeschiedenen PDADMA/PSS-Doppelschicht
deutlich zu. Der durchschnittliche Domänenabstand ändert sich weniger und korreliert mit den
vertikalen Wachstumsregimen. Der Domänenabstand schwankt zwischen 70 nm und 750 nm.
Die größten lateralen Abstände und ein längeres exponentielles Wachstumsregime wurden
mit dem kürzesten PSS (3,9 kDa) erreicht, was auf die hohe Mobilität des PSS zurückgeführt
wird. Die Domänenhöhe ist immer kleiner als der Domänenabstand. Wenn die PEM mit
PDADMA terminiert ist, sind die Oberflächenrauhigkeit und der durchschnittliche Abstand
größer als bei PSS terminierten Filme in Wasser und nach dem Trocknen.
Darüber hinaus wurden zwischen den Domänen Filamente beobachtet. Die Filamente
bestehen aus PDADMA/PSS-Komplexen. Eine mögliche Vermutung ist, dass diese Komplexe
zwischen den Domänen diffundieren und ihren Abstand anpassen.
Die Oberflächenstruktur des Films aus PSS 10,7 kDa zeigt eine symmetrische gaußförmige
Höhenverteilung in allen drei Wachstumsregimen von 5 bis 40 bl. Für die kurze PSS war eine
solche Verteilung nur bis 15 bl (6,5 kDa) bzw. 20 bl (3,9 kDa) zu beobachten. Danach wurde
für 6,5 kDa schiefe Verteilung mit Ausläufern zu größeren Höhen beobachtet. 3,9 kDa PSS
zeigte dann sogar eine bimodale Höhenverteilung.
Die lineare Ladungsdichte von PDADMA ist etwa halb so groß wie die von PSS. Folglich
adsorbiert PDADMA in einer bürstenartigen Konformation. Wenn die oberste Schicht
PDADMA ist, dann ist das PDADMA-Molekül nicht fest an die Oberfläche gebunden. Daher ist
die durch die Oberflächenspannung erzeugte Kraft für PDADMA groß genug, um zu einer
Veränderung der Oberflächenmorphologie und folglich zu einer kleineren Gesamtoberfläche
zu führen.Außerdem sind die Domänen in 1 M NaCl-Lösung stabil, schrumpfen aber in 2 M NaCl enorm,
während ihr Abstand leicht zunimmt.
Diese Untersuchungen zeigten, dass die Mobilität des Polyelektrolyten PSS die
Voraussetzung für den Aufbau einer strukturierten Oberfläche in einem PEM-System aus
PDADMA/PSS ist. Diese Ergebnisse zeigten auch, dass die Verkürzung der Kette der PSS Moleküle
die Herstellung von Filmen erleichtert, deren Dicke und Selbststrukturierung je nach
dem gewünschten Zweck angepasst werden kann. Solche Filme können in der Medizin und
Biologie als geeignetes Substrat zur Optimierung der Adsorption von Zellen und anderen
Molekülen oder als Nanofilter effektiv eingesetzt werden.
In dieser Dissertation konnte ich zeigen, wie die Verkürzung der Kette der PSS-Moleküle zur
Bildung einer lateralen selbststrukturierten Oberfläche führt und wie die zunehmende Mobilität
der PSS-Moleküle die Oberflächenmorphologie signifikant beeinflusst.