Doctoral Thesis
Refine
Year of publication
- 2015 (1)
Document Type
- Doctoral Thesis (1) (remove)
Language
- German (1) (remove)
Has Fulltext
- yes (1)
Is part of the Bibliography
- no (1)
Keywords
- Kognition (1) (remove)
Institute
- Institut für Psychologie (1) (remove)
Kognition bei Motoneuronerkrankungen – Evidenz aus Neuropsychologie und struktureller Bildgebung
(2015)
HINTERGRUND/ZIEL: In den letzten Jahrzehnten hat sich die Sichtweise auf Motoneuronerkrankungen (MNDs) von einer rein motorischen Systemdegeneration hin zu einer Multi-System-Erkrankung grundsätzlich gewandelt, so dass auch nicht-motorische Symptome in den Fokus treten. Inzwischen ist unbestritten, dass ein relevanter Anteil der Patienten Kognitions-, Verhaltens- und affektive Störungen aufweist (Goldstein et al. 2013). Entsprechend dazu finden sich auf hirnstruktureller Ebene neben einer Schädigung des motorischen Systems Hinweise auf beeinträchtigte extra-motorische Areale (Chiò et al. 2014). Eine Stratifizierung nach Kognition und die Untersuchung von Zusammenhängen zwischen Kognitions-/Verhaltensstörungen und strukturellen oder funktionellen zerebralen Eigenschaften erfolgten aber kaum. Das Ziel der Arbeit war eine mehrdimensionale Charakteristik (Neuropsychologie, strukturelle Bildgebung) der Kognition und des Verhaltens bei MNDs am Beispiel der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) und der Spinobulbären Muskelatrophie, Typ Kennedy (SBMA). METHODEN: In Rostock und Magdeburg wurden insgesamt 150 ALS-Patienten sowie 100 gesunde Kontrollpersonen konsekutiv rekrutiert und mehrzeitig untersucht. In Rostock wurden zusätzlich 20 Patienten mit SBMA und 20 gesunde Kontrollpersonen untersucht. Es wurden umfangreiche neuropsychologische Testbatterien entwickelt, im speziellen bei der ALS an die motorischen Beeinträchtigungen adaptiert. Zudem wurden bestehende Kriterien zur kognitiven Kategorisierung von ALS-Patienten weiterentwickelt. Die Analyse-Ebenen enthielten sowohl Gruppenvergleiche von Testvariablen zwischen Patienten und gesunden Probanden bzw. zwischen Subgruppen von Patienten als auch jeweils eine kognitive Kategorisierung im Hinblick auf die klinische Relevanz der Kognitions- und Verhaltensstörungen. Die strukturelle Bildgebung (hochauflösende Kraniale Magnetresonanztomographie, 3-Tesla MRT) erfasste die kortikale Atrophie mittels der Analyse der „Kortikalen Dicke“ sowie Diffusionsgewichteter Bildgebung (DTI). Komplementär zur Neuropsychologie erfolgten Gruppenvergleiche sowie Korrelationsanalysen zwischen kognitiven/ Verhaltensparametern und zerebralen Strukturen. ERGEBNISSE: Auf neuropsychologischer Ebene wurde bei unterschiedlicher Quantität (SBMA: marginal; ALS: relevant) ein qualitativ ähnliches Störungsmuster mit prominenten Beeinträchtigungen exekutiver Funktionen abgebildet. Bei 20 % kognitiv beeinträchtigter ALS-Patienten lag der Störungsschwerpunkt auf basalen exekutiven Regulationsprozessen bei erhaltenen komplex-regulatorischen exekutiven Vorgängen, was die in der klinischen Beobachtung oft erhaltene Alltagskompetenz der Patienten erklärt (Kasper E et al. 2015). Adaptierte Klassifikationskriterien bzgl. der Kognition, weg von der Bewertung von Einzeltests hin zur Interpretation auf Funktionsebene, reduzierten zudem die Rate an falsch positiv als kognitiv beeinträchtigt eingestuften gesunden Kontrollpersonen. Die kognitiven Beeinträchtigungen bei SBMA-Patienten lagen auf subklinischem Niveau (Kasper E et al. 2014). Korrespondierend dazu zeigten ALS-Patienten eine weitreichende Beeinträchtigung extra-motorischer Areale im Vergleich zu Gesunden. Zwischen ALS-Patienten mit und ohne kognitive Beeinträchtigung wurde zudem erstmals eine hirnstrukturelle Diskrimination möglich (Kasper E et al. 2014). Vergleiche zwischen verschiedenen Subgruppen ergaben überlappende fronto-temporale Differenz-Profile grauer Substanz oder Assoziationsfasern der weißen Substanz. Insbesondere die Überlappung des Schädigungsmusters sowohl zwischen kognitiv unbeeinträchtigten, kognitiv beeinträchtigten ALS-Patienten und ALS-FTLD Patienten unterstützt die Koinzidenz der ALS mit der Fronto-temporalen Lobärdegeneration (FTLD) (Schuster C, Kasper E et al. 2014). Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen neurokognitiven Variablen repliziert das insgesamt konsistente Muster zwischen Exekutivfunktionen und weißer Substanz vorherige Einzelbefunde an einer repräsentativen Kohorte. Bei SBMA fanden sich nur marginale strukturelle zerebrale Veränderungen gegenüber Gesunden, was mit den geringen kognitiven Beeinträchtigungen korrespondierte. SCHLUSSFOLGERUNG/ AUSBLICK: Die Studienergebnisse an sehr großen Kohorten untermauern den Multi-System-Charakter der MNDs, konnten klare kognitive Profile identifizieren und eine hirnstrukturelle Charakterisierung vornehmen. Der exzellent charakterisierte Ausgangsstatus bietet die Basis, um in longitudinalen Untersuchungen Verläufe zu analysieren und prognostische Marker zu identifizieren.