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Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung von Arzneiformen mit neuartigen, auf der Mechanik des GIT basierenden Freisetzungsmechanismen. Für die Herstellung dieser Arzneiformen sollten additive Fertigungsprozesse entwickelt und etabliert werden. Für die Herstellung von Arzneiformen wurden 3D-Drucker modifiziert, sodass es möglich war, pharmazeutische Polymere als Ausgangsstoff nutzen zu können. Die Polymere wurden mittels eines eigens zu diesem Zweck entworfenen und gebauten Extruders in Filamente überführt. Die Mechanik der verwendeten 3D-Drucker wurde an die Materialeigenschaften der Polymere angepasst. Insbesondere die geringe Flexibilität und erhöhte Sprödigkeit machten Modifikationen notwendig. Mit Eudragit® RS konnte ein Prozess etabliert werden, der die Herstellung von drucksensitiven Arzneiformen ermöglicht. Eine speziell für den Druck dieser Objekte entwickelte Software wurde angewendet, um den Steuercode für den 3D-Drucker zu erzeugen und die Freisetzungsparameter der Arzneiform einstellen zu können. Vorversuche mit technischem PLA Filament dienten der Entwicklung der Herstel- lungsmethode. Aus Eudragit® RS wurden anschließend Arzneiformen hergestellt und auf ihr Bruchverhalten untersucht. Drei Chargen wurden in der Stresstest- apparatur für orale Arzneiformen einer Freisetzungprüfung unterzogen. Es konnte gezeigt werden, dass der entwickelte Prozess Arzneiformen mit verschiedenen Bruchdrücken produzieren kann. Alle Chargen wiesen allerdings geringere Belastbarkeiten auf, als für eine Anwendung am Menschen notwendig wäre. Freisetzungssysteme dieser Art könnten auch verwendet werden, um wirkstoffhaltige Filme gezielt auf die Dünndarmschleimhaut aufzubringen. Die Geometrie von Objekten, die mittels additiver Verfahren gefertigt werden, ist in weiten Bereichen variabel. Der Einfluss der äußeren Form auf die Freisetzungsrate ist bereits Gegenstand der Forschung. Wie sich von bekannten Arzneiformen abweichende Geometrien auf die Schluckbarkeit auswirken, war ein weiterer Bestandteil der Untersuchungen
dieser Arbeit. Zur Beurteilung der Schluckbarkeit wurde eine Humanstudie durcheführt, in der gesunde Probanden Schluckvorgänge von verschiedenen Objekten bewerteten. Die untersuchten Geometrien orientierten sich zum Teil an bekannten Arzneiformen. Zusätzlich wurden neuartige Geometrien untersucht, die aufgrund ihrer Eigenschaften interessant für die Entwicklung von Arzneiformen erschienen und durch additive Fertigungsverfahren zugänglich sind. Die Herstellung der Arzneiformen aus Isomalt erfolgte mittels eines modifizierten 3D-Druckers. Dieser als Lebensmittelzusatzstoff zugelassene Stoff eignet sich zum Einsatz in Fused Deposition Modelling Prozessen aufgrund der hohen Viskosität bei Temperaturen im Schmelzbereich. Das 3D-Drucksystem zur Verarbeitung spröder Filamente wurde im Rahmen dieser Arbeit entwickelt und bot die Möglichkeit, vier identische Objekte zur gleichen Zeit zu produzieren. Auf diese Weise konnte der Herstellungsprozess der für die Studie benötigten Testkörper verkürzt werden. Neben einem mechanisch stark überarbeiteten Düsensystem kam an diesem Drucker auch eine modifizierte elektronische Steuereinheit zum Einsatz, die den Einsatz der höheren Düsenanzahl zuließ und Funktionen für die komfortable Einrichtung und Reinigung des Druckers bereitstellte.
In der Humanstudie wurde gezeigt, dass die Geometrie einen starken Einfluss auf die Schluckbarkeit der Testkörper und das Empfinden während des Schluckvorgangs hat. Als negativ haben sich Geometrien erwiesen, deren Kanten in spitzen Winkeln zulaufen und keine längliche Form aufweisen, die eine parallele Orientierung im Rachenbereich zulässt. Vorteilhaft hingegen sind Formen, die sich in Schluckrichtung ausrichten können und in einer Schnittebene einen deutlich kleineren Querschnitt aufweisen, als in den rechtwinklig dazu angeordneten Schnittebenen. Neben der Einwirkung von Druck durch den GIT wurde auch die Bewegung einer oralen Arzneiform in Relation zur Oberfläche des Lumens des GIT für das drug targeting genutzt. Die entwickelte Arzneiform sollte die gezielte Arzneistoffapplikation auf der Mukosa des Ösophagus ermöglichen. Erkrankungen in diesem Bereich des GIT können bislang lokal kaum behandelt werden, da die Kontaktzeit eines oral verabreichten Arzneistoffes sehr kurz ist. Die aus diesem Grund notwendige systemische Behandlung ist mit einer hohen Arzneistoffbelastung des Organismus und damit einhergehenden unerwünschten Wirkungen verbunden. Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein schluckbares mechanisches System entwickelt, welches die gesteuerte Applikation eines Films über die gesamte Länge des Ösophagus auf dessen Schleimhaut ermöglicht. Die mukoadhäsiven Eigenschaften des Films können zu einer erhöhten Kontaktzeit führen, wodurch lokale Erkrankungen des Ösophagus einer topischen Therapie zugänglich gemacht werden könnten. Die entwickelte Arzneiform besteht aus einem Film, der mit Wirkstoff beladen werden kann und einer Hülle, die gleichzeitig das orale Applikationssystem dar- stellt. Mittels eines speziellen Applikators wird die Arzneiform geschluckt. Der Film ist in seiner Hülle so gelagert, dass er durch den Transport durch Mund- und Rachenraum sowie den Ösophagus aus dem Applikationssystem gezogen wird. Bei Kontakt mit dem kollabierenden Ösophagus verweilt der Film aufgrund seiner mu- koadhäsiven Eigenschaften auf der Schleimhaut, während das Applikationssystem den Magen erreicht und rasch disintegriert. Der Film quillt auf der Schleimhaut und kann den Arzneistoff über längere Zeit freisetzen. Es konnte gezeigt werden, dass neben den etablierten Freisetzungsmechanismen zur Steuerung oraler arznei- stoffbeladener Systeme auch die Mechanik des GIT für das drug targeting genutzt werden kann. In Verbindung mit additiven Fertigungsverfahren lassen sich orale Arzneiformen entwickeln, deren Freisetzungsparameter ausschließlich mittels digitaler Informationen variiert werden können.
Die Verlängerung des Aufenthalts einer Arzneiform im Magen kann enorme Vorteile insbesondere für Arzneistoffe mit einem Absorptionsfenster im oberen Dünndarm oder schlechter Bioverfügbarkeit bieten. Bei gleichzeitig kontrollierter Freisetzung eines enthaltenen Wirkstoffs können Plasmaspitzen und Fluktuationen im Blutplasma vermieden werden. Ziel der Arbeit war die Entwicklung und Charakterisierung solcher potentiell gastroretentiver Darreichungsformen in vitro und in vivo. Der Hauptteil der Arbeit umfasste die Entwicklung einer neuartigen Arzneiform, die bei nüchterner und postprandialer Gabe eine zuverlässige Gastroretention über mehrere Stunden zeigen und den Wirkstoff kontrolliert im Magen freigeben sollte. Das System bestand aus einer wirkstoffhaltigen Kerntablette und einem den Kern umgebenden, quellenden Mantel, welcher durch Expansion die angestrebte Gastroretention ermöglichen sollte. Im Rahmen der Formulierungsentwicklung erwies sich die Mischung aus einem hoch- und niedrigmolekularen Polyethylenoxid als geeignet für die Kontrolle der Wirkstofffreisetzung aus dem Kern. Die Ergänzung wasserlöslicher, osmotischer Hilfsstoffe ermöglichte eine weitgehend pH-unabhängige und vollständige Wirkstofffreigabe. In vitro-Quellungsstudien mit den entwickelten Manteltabletten ergaben eine schnelle und ausgeprägte Größenzunahme bei Testung in einfachen Freisetzungsmedien. Zur Prüfung des tatsächlichen gastroretentiven Potentials der entwickelten Manteltabletten mit dem Diuretikum Furosemid wurde eine Magnetic Marker Monitoring (MMM)-Studie durchgeführt. Das MMM basiert auf der magnetischen Markierung einer Arzneiform und der Bestimmung ihrer Lokalisation im Gastrointestinaltrakt mittels empfindlicher Sensoren. Nach Nüchterneinnahme wurden die Manteltabletten innerhalb von 38 ± 12 min aus dem Magen der Probanden entleert. Bei Applikation der Manteltabletten nach Einnahme einer hochkalorischen, standardisierten Mahlzeit konnte eine durchschnittliche Gastroretentionszeit von 8 ± 3 h erzielt werden. Die AUC(0-24 h) konnte im Studienarm mit Nahrung im Vergleich zur Nüchterneinnahme von 89 ± 56 ng·h/mL auf 708 ± 304 ng·h/mL gesteigert werden. Weiterhin wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit ein neuartiges mechanisches Antrummodell entwickelt, mit dem der Einfluss antraler Kontraktionswellen auf die Tendenz zur Entleerung von Objekten untersucht wurde. Große, starre Objekte wie eine Glaskugel wurden aufgrund ihrer geringen Reibung vor der Welle hergeschoben und aus dem Modell entleert. Auch die reibungsverminderte Oberfläche eines Cryogel-Schaums erhöhte die Tendenz zur Entleerung aus dem Modell. Vielversprechend war dagegen die unter allen variablen Testbedingungen beobachtete Gastroretention eines Trichobezoars. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass weiterhin eine große Herausforderung in der Entwicklung von Arzneiformen besteht, die eine nachweisliche Gastroretention beim Menschen in Abwesenheit von Nahrung zeigen.