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Die dynamische Bevölkerungsentwicklung Ostdeutschlands seit 1990 zeigt am Beispiel der Entstehung einer Residualbevölkerung die unterschiedlichen Variationen der Selektivität von Wanderungen: Einer Bevölkerung, die aufgrund langfristig wirkender selektiven Wanderungsverluste im ländlich-peripheren Raum ein spezifisches demographisches Verhalten aufweist.
Der Wanderungsverlust Ostdeutschlands mit über 2,5 Millionen Menschen hat tiefgreifende Auswirkungen auf die alters-, geschlechts- und bildungsspezifische Bevölkerungsstruktur der neuen Bundesländer hinterlassen. Auch wenn die jungen Generationen zumeist das politisch geeinte Deutschland leben, existieren mit Blick auf die vorliegenden demographischen Prozesse und Strukturen bis heute nahezu zwei deutsche Staaten.
Die Entwicklungen sowie die Auswirkungen insbesondere der räumlichen Bevölkerungsbewegung wurden entsprechend dem Stand der Forschung vor dem Hintergrund der Situation Ostdeutschlands vorgestellt und die darauf aufbauenden Forschungsthesen benannt. Das bisher nur theoretische Konstrukt der Residualbevölkerung, die Interdependenz aus natürlicher und räumlicher Bevölkerungsbewegung, wurde anhand von unterschiedlichen demographischen Parametern (u. a. hohe Fertilität, hohe Mortalität, starke Wanderungsverluste, großes Frauendefizit, Überalterung) eingeordnet und damit als messbar definiert.
Am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns konnte anschließend gezeigt werden, wie sich die Bevölkerungsstruktur des ehemals jüngsten Bundeslandes aufgrund der selektiven Migration innerhalb eines Vierteljahrhunderts in das älteste umkehrte. Um diesen Verlauf nachzuvollziehen, wurden auf Gemeindeebene die unterschiedlichen Bewegungsentwicklungen ab 1990 dargestellt: Der Rückgang der Sterblichkeit, der Wiederanstieg der Fertilität sowie der sich manifestierende Wanderungsverlust junger Frauen. Daran anschließend zeigten Strukturberechnungen, wie sowohl das Billeter-Maß als auch Geschlechterproportionen, die umfassenden Auswirkungen der Bewegungen auf den Bevölkerungsstand und dessen Struktur Mecklenburg-Vorpommerns: Einen stetigen Rückgang der Bevölkerungszahlen, ein über-proportionales Frauendefizit in jüngeren Altersjahren und eine fortlaufend beschleunigte Alterung der Bevölkerung.
Vor dem Hintergrund dieser Rahmenbedingungen wurde für die Zeiträume 1990-2001 und 2002-2013 jeweils eine Clusteranalyse durchgeführt, die als Ergebnis eine Typisierung von Gemeinden hinsichtlich einer messbaren Residualbevölkerung ermöglichten. Entsprechend der Vordefinition eines solchen migrationellen Konstruktes konnte für etwa jede fünfte Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern solcherart demographische Bedingungen identifiziert werden. Diese Gemeinden liegen tendenziell im Binnenland und fern der Zentren – eine zentrale Verortung konnte nicht festgestellt werden. Von Gemeinde zu Gemeinde unterschieden sich die demographischen Parameter teils stark, so dass von einflussreichen lokalen (nicht betrachteten) Rahmenbedingungen ausgegangen werden muss.
Dagegen konnten auch Gemeinden ohne residuale Züge identifiziert werden. Etwa jede dritte Gemeinde Mecklenburg-Vorpommerns wies keine Parameter einer Residualbevölkerung auf. Diese Regionen waren vor allem in der Nähe der Zentren und der Küste zu finden. Die verbliebenen Gemeinden zeigten nur kurzfristig oder nur im geringfügigem Maße Indizien für eine solche Bevölkerung – das betraf etwa die Hälfte aller Gemeinden im Land.
Nach der gesamtgemeindlichen Analyse wurde die Bevölkerungs- und Sozialstruktur der dabei betroffenen Gemeinden Strasburg (Um.) im Landkreis Vorpommern-Greifswald und Dargun im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte detailliert analysiert. Die Bevölkerungsentwicklung beider Betrachtungsgemeinden entsprach der vieler ostdeutscher Kleinstädte im ländlichen Raum nach der politischen Wende: Während die Gemeinden in der DDR Bevölkerungswachstum erfuhren oder zumindest gleichbleibende Bevölkerungszahlen als regionales Zentrum aufwiesen, verursachte die Abwanderung vor allem junger Menschen und ein manifestierter Sterbeüberschuss nach 1990 stetig rückläufige Zahlen.
In diesen beiden Gemeinden wurden dann nicht gesamtgemeindliche Bevölkerungszahlen analysiert, sondern vielmehr die Zusammensetzung einer Gemeindebevölkerung vor dem Hintergrund ihres Migrationsstatus differenziert. Für den Zeitraum 1979-2014 wurden deshalb anhand dieses Status die Bevölkerungen beider Gemeinden in Sesshafte und Zugezogene unterteilt. Aufgrund der sowohl vorhandenen Sterbe- als auch Geburtsstatistik war es möglich, die natürliche und räumliche Bevölkerungsbewegung der insgesamt fast 22.000 Men-schen direkt herauszuarbeiten. Die sesshafte Bevölkerung repräsentiert dabei die Menschen, die am ehesten dem Typus „Residualbevölkerung“ entsprechen.
Nach Berechnung der Mortalitäten für unterschiedliche Zeiträume ergab sich tendenziell eine höhere Sterblichkeit bzw. geringere Lebenserwartung der Sesshaften gegenüber den Zuzüglern bei Frauen wie Männern. Wurden darüber hinaus die Zugezogenen nach Lebensdauer in den Betrachtungsgemeinden differenziert, ergab bei beiden Geschlechtern eine längere Zugehörigkeit zu den Gemeinden auch eine höhere Sterblichkeit. Damit wurde einerseits die generell höhere Mortalität des ländlich-peripheren Raums gegenüber dem urbanen Raum bestätigt. Andererseits entspricht die höhere Sterblichkeit der sesshaften gegenüber der der nichtsesshaften Bevölkerung den Vorüberlegungen zur Residualbevölkerung.
Darüber hinaus wurde zusätzlich der Parameter „Bedürftigkeit“ berücksichtigt. Hier konnte erwartungsgemäß für beide Betrachtungsgemeinden die höchste Sterblichkeit der von Sozial-leistungen betroffenen Menschen festgestellt werden. Je länger dabei die Bezugsdauer, umso höher war die aufgezeigte Mortalität – dies sogar zumeist vor der sesshaften Bevölkerung. Bezieher von Sozialhilfe waren im Vergleich zu Beziehern von Wohngeld am stärksten betroffen; Unterschiede bei Männern besonders stark vertreten. Die Nichtbezieher wiesen bei beiden Geschlechtern die geringste Sterblichkeit auf.
Neben der Mortalität wurde als zweite Variable der natürlichen Bevölkerungsbewegung die Fertilität der beiden Bevölkerungsgruppen untersucht. Hier ergaben sich jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Bevölkerungsgruppen
Im Bereich der Periodenfertilität wiesen Zuzügler gegenüber den Sesshaften eine erhöhte Fertilität auf. Berechnungen der Kohortenfertilität ergaben wiederrum eine leicht höhere Fertilität der Sesshaften. Auch eine detaillierte Analyse der Zuzüglerinnen offenbarte kein einheitliches Bild. Mit Blick auf die Bedürftigkeit war festzustellen, dass die Bezieherinnen eine deutlich höhere Fertilität gegenüber Nichtbezieherinnen – unabhängig von der Bezugsdauer – aufwiesen. Im Ergebnis wurde damit zwar die generell höhere Fertilität des ländlich-peripheren Raums gegenüber dem urbanen Raum bestätigt. Die entsprechenden Vorüberlegungen zur Fertilität der sesshaften gegenüber der nichtsesshaften Bevölkerung konnten aber nicht eindeutig verifiziert werden.
Die gesamtheitliche Betrachtung der Gemeindeberechnungen zeigte demzufolge ein zweitgeteiltes Bild: Die Ergebnisse der Mortalität bestätigen die Annahmen zur Residualbevölkerung, die Ergebnisse der Fertilität nur in Teilen. Auch wenn die festgestellten Fertilitäts- und Morta-litätsunterschiede ortsbehaftet sind – sei es durch Umwelteinflüsse vor Ort oder die Art der Menschen zu leben: Je länger die Menschen in Regionen mit einem bestimmten Fertilitäts- und Mortalitätsniveau leben, umso stärker passen sie sich diesem an – in beide Richtungen.
Vor dem Hintergrund sowohl der Typisierung aller Gemeinden als auch der beiden Betrach-tungsgemeinden ist zu konstatieren, dass beide Variablen der natürlichen Bevölkerungsbewegung nichtgleichberechtigt nebeneinander zur Erklärung einer Residualbevölkerung fungieren müssen. Unter der Beibehaltung der theoretischen Annahmen ist dementsprechend zukünftig von einer Residualbevölkerung mit Schwerpunkt einer hohen Mortalität einerseits und mit Schwerpunkt einer hohen Fertilität andererseits auszugehen. Das bisher in der Literatur benannte Frauendefizit stellt darüber hinaus nur einen Parameter unter mehreren dar und sollte bei nachfolgenden Betrachtungen nicht als alleiniger Indikator dienen.
Unter Berücksichtigung der Ergebnisse sowohl aus beiden Gemeinden als auch aus den Clus-teranalysen wurde ein Modell einerseits zur Entstehung der Residualbevölkerung, andererseits zum Wirken der selektiven Migration generell erstellt. In Abhängigkeit von Alter und Geschlecht und unter Voraussetzung einer langfristig konstanten Wanderungsbewegung konnte so der theoretische Einfluss der räumlichen Bevölkerungsbewegung auf die Bevölkerungsstruktur – und damit indirekt auch auf die natürliche Bevölkerungsbewegung – vereinfacht projiziert werden.
Der ostdeutsche ländlich-periphere Raum ist abschließend als Sonderform des ländlich-peripheren Raums einzuordnen. Die hier gezeigte Residualbevölkerung kann als ein Indikator für – den gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Verwerfungen geschuldeten – langfristige Wanderungsverluste eingeordnet werden. Die überproportional ausgeprägte Bedürftigkeit im ländlich-peripheren Raum kann deshalb auch als ein Merkmal der Sesshaftigkeit eingeordnet werden.
Insofern ist die Residualbevölkerung, vor dem Hintergrund der darüber hinaus als perspektivisch ungünstig erachteten Zukunftsaussicht, als Bevölkerungsgruppe eines Raumes abnehmender Entwicklungsstufe zu verstehen. Es ist daher ratsam, einerseits eine Verbesserung der Lebenssituation betroffener Menschen in ländlich-peripheren Räumen zu erwirken und andererseits diesen Herausforderungen raumplanerisch stärkeres Gewicht zu verleihen. Die zukünftige dahingehende Gestaltung ländlich-peripherer Räume in Ostdeutschland bedarf aus Sicht des Autors deshalb mehr an Autarkie sowie flexibler Kreativität.
Zooanthroponosen, d.h. von Tieren auf den Menschen übertragene Erkrankungen, spielen in der Humanmedizin eine wichtige Rolle. Um die Gefährdung der Bevölkerung durch Zecken- und Nagetier-assoziierte Infektionskrankheiten einschätzen zu können, ist es von entscheidender Bedeutung, das räumliche und zeitliche Auftreten der Erreger in deren Reservoirwirten zu kennen. Puumala-Virus (PUUV), Leptospira spp. und Rickettsia spp. stellen wichtige, aber teilweise „vernachlässigte“ Zoonoseerreger in Deutschland dar.
Ziel der Studie war die Validierung eines für Rötelmäuse in Finnland entwickelten PUUV-Schnelltests für die Anwendung in Deutschland und die Aufklärung der Wirtsassoziation von Leptospiren und Rickettsien in Rötelmäusen und anderen Kleinsäugern in Deutschland. Dazu wurde die Prävalenz von Leptospiren und Rickettsien in wildlebenden Kleinsäugern von Wald- und Grünlandhabitaten und in mit Menschen assoziierten Wanderratten unter Berücksichtigung der Wirtsspezifität, Saisonalität und mehrjährigen Oszillation sowie der möglichen Einflüsse von Habitat- und demographischen Faktoren ermittelt.
Für den serologischen Nachweis des PUUV in Rötelmäusen wurde ein Schnelltest validiert, der auf der Basis eines rekombinanten Antigens eines finnischen PUUV-Stammes (Sotkamo, SOT) entwickelt worden ist. Die vergleichende Validierung des Schnelltests erfolgte anhand von Rötelmausseren aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, zwei PUUV-Endemiegebieten in Deutschland, und wurde unter Verwendung von in-house ELISAs auf der Basis rekombinanter Antigene eines deutschen, eines schwedischen und des SOT-PUUV-Stammes durchgeführt. Im Ergebnis der Untersuchungen wurden sowohl mit dem Schnelltest als auch mittels der ELISAs 10% der Rötelmausproben PUUV-seropositiv. Die Validierung des Schnelltests für Rötelmausseren aus Deutschland ergab eine Testeffektivität von 93%-95%.
Durch Anwendung der lipl32-Gen spezifischen PCR wurde in Nierenproben von 17,2% der Ratten und 13,3% der anderen Nagetiere und Spitzmäuse DNA pathogener Leptospiren nachgewiesen. Durch die secY-Gen spezifische PCR wurden drei Genomospezies, Leptospira kirschneri, Leptospira interrogans und Leptospira borgpetersenii detektiert. Das anschließende multi locus sequencing typing (MLST) führte zur Identifizierung von einem Sequenztyp (ST) in Ratten, L. interrogans, ST 17, während in anderen Nagetieren und Spitzmäusen sieben verschiedene Sequenztypen, L. kirschneri, ST 110, 117, 136 und 230; L. borgpetersenii, ST 146 und 197; L. interrogans, ST 24 nachgewiesen werden konnten. Darüber hinaus scheint L. interrogans ST 24 spezifisch für das Habitat Wald, da ausschließlich mit diesem Habitat assoziierte Nagetiere mit diesem Erreger infiziert sind. Feld- und Erdmäuse besitzen eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit L. kirschneri ST 110 (Prävalenz von 30%). Auf einer Fangfläche in Baden-Württemberg wurde im Sommer und Herbst 2014 ein neuer L. kirschneri-Sequenztyp (ST 230) entdeckt.
Ohrhaut-DNA-Proben wurde mittels einer Citrat-Synthase (gltA) Gen-spezifischen real-time PCR auf Rickettsien-DNA getestet. Die Prävalenz in Ratten lag bei 1,1%, während eine durchschnittliche Prävalenz von 8.0% in anderen Kleinsäugern nachgewiesen wurde. Die anschließend durchgeführten ompA4- und ompB-PCRs führten zur Identifizierung von Rickettsia helvetica, Rickettsia felis und Rickettsia raoultii. Rickettsien-positive Ratten (R. helvetica) stammten ausschließlich aus zoologischen Gärten. Die dominante Rickettsienart in anderen Nagetieren und Spitzmäusen stellt Rickettsia helvetica dar. Auch hier zeigt das Habitat Wald die höchsten Prävalenzen für Rickettsien-DNA. Mäuse der Gattung Apodemus besitzen eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit Rickettsien (Prävalenz von 14,2%).
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit belegen die große geographische Verbreitung von Leptospiren und Rickettsien in Kleinsäugern in Deutschland und den Einfluss von demographischen Faktoren auf die Prävalenz für diese Erreger. Die erfolgreiche Validierung des Schnelltests für Rötelmausseren aus Deutschland erlaubt dessen zukünftige Anwendung für die zeitnahe Ermittlung von PUUV-Seroprävalenzen in Rötelmauspopulationen und deren Nutzung in Frühwarnsystemen für die Bevölkerung und entsprechende Risikogruppen. Zukünftige Untersuchungen müssen sich insbesondere den Zusammenhängen zwischen dem Nachweis der Erreger in potentiellen Reservoiren und dem Auftreten humaner Infektionen und Erkrankungen und den damit im Zusammenhang stehenden abiotischen und biotischen Faktoren widmen.