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Neben verschiedenen gesundheitsfördernden Eigenschaften hat das Flavonoid Phloretin eine süßkraftverstärkende Wirkung. Es ist nicht nur in der Pharma- und Kosmetikindustrie, sondern auch als Aromastoff für die Lebensmittelproduktion von Interesse. Bislang gab es kein vielversprechendes, biotechnologisches System zur Herstellung von Phloretin. Die Extraktion aus Pflanzen führt aufgrund niedriger und schwankender Konzentrationen zu einer schlechten Verfügbarkeit. Chemisch synthetisiertes Phloretin hingegen kann aufgrund der „Europäischen Aromenverordnung“ nicht als „natürlicher Aromastoff“ deklariert werden. Daher ist Phloretin als „natürlicher Aromastoff“ relativ teuer und für die Aromenindustrie kaum nutzbar. Ziel dieser Arbeit war es, einen effizienten Weg zur biotechnologischen Produktion von Phloretin zu finden. Als Substrat sollte bevorzugt Naringenin eingesetzt werden. Obwohl ähnliche Reaktionswege in der Literatur beschrieben wurden, konnte mit ausgewählten filamentösen Pilzen in Ganzzellbiokatalysen keine Phloretinbildung beobachtet werden. Es gibt jedoch auch Bakterien, die in der Lage sind, die Zielreaktion auszuführen. Da es sich hierbei ausschließlich um obligate Anaerobier handelt, eignen sich diese Stämme kaum für die biotechnologische Produktion von Phloretin. Außerdem erfolgt in diesen Bakterien die Zielreaktion als Teil des Naringeninabbaus, das entstehende Phloretin wird abgebaut. Über die Zielreaktion im anaeroben Bakterium Eubacterium ramulus lagen bereits Informationen aus anderen Forschungsarbeiten vor, darunter auch ein Sequenzfragment vom N-Terminus der Chalconisomerase (CHI). Die CHI katalysiert die Isomerisierung von Naringenin zu Naringeninchalcon. Aus der Literatur ging hervor, dass E. ramulus die Zielreaktion von Naringenin über Naringeninchalcon zum Phloretin durchführen kann, aber dass außer der CHI ein weiteres Enzym beteiligt ist. Das genetische Potential von E. ramulus sollte genutzt werden, um einen rekombinanten Mikroorganismus zu generieren. Nach der Sequenzierung des Genoms von E. ramulus konnte die N-terminale Sequenz in der vorliegenden Arbeit genutzt werden, um in silico das Gen der CHI zu identifizieren. Da vermutet wurde, dass für die Reduktion von Naringeninchalcon zu Phloretin eine Enoatreduktase (ERED) verantwortlich ist, wurde über eine BLAST-Analyse ein konserviertes Motiv für Enoatreduktasen ermittelt, mit dem im Genom von E. ramulus das Gen einer ERED in silico identifiziert wurde. Die Gene wurden anschließend in E. coli kloniert. Für die CHI konnte eine sehr gute Überexpression und enzymatische Aktivität in zellfreien Biokatalysen nachgewiesen werden. Der Aktivitätsnachweis ermöglichte auch die Aufreinigung der CHI aus dem Proteinrohextrakt. In der Diplomarbeit von M. Thomsen wurde die Aufreinigung optimiert. Der Aufreinigungsprozess beinhaltete eine Anionenaustauschchromatographie, hydrophobe Interaktionschromatographie und Gelfiltration und führte zu einer sehr hohen Reinheit der CHI. Das aufgereinigte Enzym wurde anschließend biochemisch charakterisiert. Außerdem wurden mit dem rekombinanten Stamm (mit Genen für CHI und ERED) Versuche im Ganzzellsystem mit Naringenin durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass die Reaktion zum Zielprodukt Phloretin empfindlich gegenüber Sauerstoff ist. Unter anaerober Atmosphäre konnte in diesem System eine höhere Phloretinbildung beobachtet werden. Da die CHI in vorherigen Untersuchungen keine Sensitivität gegenüber Sauerstoff gezeigt hatte, wurden in der Diplomarbeit von C. Peters Expression und Aktivität der ERED unter diesem Aspekt näher untersucht. Es konnte festgestellt werden, dass die Expression der ERED unter anaeroben Bedingungen erfolgen sollte, das Enzym ist jedoch auch unter Anwesenheit von Sauerstoff aktiv. Die in der Literatur beschriebenen Ansätze zur Entwicklung von biotechnologischen Verfahren zur Phloretinproduktion basieren vor allem auf dem Einsatz pflanzlicher Gene und führten bisher nur zu geringen Produktkonzentrationen. In der vorliegenden Arbeit ist es gelungen, ein neues System zur biotechnologischen Produktion von Phloretin zu entwickeln, mit dem eine höhere Ausbeute erzielt werden kann. Basierend auf den neu identifizierten Genen aus E. ramulus, die erfolgreich in E. coli exprimiert wurden, wird das Problem der rekombinanten Expression eukaryotischer Gene in Prokaryoten umgangen. Im Vergleich zu E. ramulus ist E. coli in der Biotechnologie bereits etabliert und relativ unempfindlich gegenüber Sauerstoff. Außerdem findet der Phloretinabbau, wie er in E. ramulus und in verwandten Bakterien ablaufen würde, in E. coli nicht statt. In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass es für die Weiterentwicklung der industriellen Biotechnologie vorteilhaft ist, das enorme Potential des bakteriellen Stoffwechsels durch Gentechnik nutzbar zu machen. Durch diese Strategie wird „nachhaltige Biokatalyse auf neuen Wegen“ in der Flavonoidbiotechnologie ermöglicht.
Der gesamte Zellmetabolismus besteht aus einem effektiven System an Enzymkaskaden, um das Leben zu ermöglichen. Hier werden Stoffe ohne Abtrennung oder Aufarbeitung über verschiedene Intermediate selektiv zum Produkt umgesetzt. Die Ersparnis an Zeit, Kosten und Abfall durch den Wegfall von Reinigungen der Zwischenprodukte und der direkte Umsatz von toxischen oder instabilen Intermediaten zum Produkt machen Kaskadenreaktionen zu einem aktuellen und interessanten Anwendungsbereich der Biotechnologie. Im Rahmen dieser Doktorarbeit konnte erfolgreich eine in vivo Enzymkaskade aus drei Oxidoreduktasen etabliert, untersucht und mit Fusionsproteinen verbessert werden. Zur Etablierung der in vivo Enzymkaskade aus Alkoholdehydrogenase, Enoatreduktase und Baeyer-Villiger-Monooxygenase im Rahmen eines DFG-Projekts (Bo1862/6-1) in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Wien wurde zunächst nach den geeigneten Enzyme gesucht. Mit einer Alkoholdehydrogenase aus Laktobacillus kefir und einer Alkoholdehydrogenase aus Rhodococcus ruber konnte eine Oxidation von chiralen Cyclohexenol-Derivaten und Carveolen zu den entsprechenden prochiralen Ketonen erfolgen. Im Rahmen der Suche nach geeigneten Enzymen für die Kaskade wurde von drei neuen Enoatreduktasen aus Pseudomonas putida ATCC 17453 das Substratspektrum untersucht. Die xenobiotische Reduktase A (XenA), die xenobiotische Reduktase B (XenB) und die N-Ethylmaleimid-Reduktase (NemA) akzeptierten sowohl aliphatische als auch cyclische Ketone und Aldehyde. Sehr gute Umsätze konnten mit Imiden und Carvonen nachgewiesen werden. Besonders die XenA und XenB zeigten mit über 99 % Enantiomerenüberschuss in der Bildung von Dihydrocarvonen exzellente Stereoselektivitäten. In der Enzymkaskade setzten dann die XenB oder das Old yellow enzyme (OYEI) die α,β-ungesättigen Ketone selektiv zu den chiralen Ketonen um. Diese wurde dann von der Cyclohexanon-monooxygenase (CHMO) aus Acinetobacter species in die gewünschten chirale Laktone umgesetzt. Nach erfolgreichen Klonierungen konnten alle vier Enzymkombinationen der Enzymkaskade löslich und aktiv in einem E. coli-Stamm kultiviert werden. Mit der Kombination verschiedener nicht-natürlich verbundener Biokatalysatoren konnten in vivo Cyclohexenol und einfach Methyl-substituierte Cyclohexenol-Derivate selektiv zu chiralen Laktonen umgesetzt werden. Wir konnten durch Auswahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Alkoholdehydrogenasen und Enoat-reduktasen modular agieren und so zum Beispiel innerhalb von 20 Stunden die Reaktion von 4 Methyl-2-cyclohexenol zu 100 % in das optisch reine Lakton in E. coli katalysieren. Auch die für die Polymerindustrie interessanten Dihydrochalconlaktone konnten mit sehr guten Umsätzen und mit über 99 %ee hergestellt werden. Nach der erfolgreichen Etablierung der Enzymkaskade wurde die Umsatzgeschwindigkeit mit Hilfe von Fusionsproteinen noch einmal gesteigert. Dafür wurde die Auswirkung von verschiedenen Linkern und die Abfolge der Enzymdomänen im Fusionsprotein aus XenB-Domäne und CHMO-Domäne untersucht. Mit dem Fusionsproteine CHMO_G_XenB konnte nach einer Stabilisierung der CHMO-Domäne ein sehr guter Biokatalysator hergestellt werden. Anwendungen in der in vivo Enzymkaskade zeigten schnellere Umsätze für Cyclohexenol und Carveol. Ein aktives Fusionsprotein aus Alkoholdehydrogenase, XenB und CHMO konnte nicht etabliert werden, da beide Alkoholdehydrogenasen aus der Enzymkaskade bei der Fusionierung inaktiviert wurden. Auch wenn kein aktives Fusionsprotein aus drei verschiedenen Enzymdomänen hergestellt werden konnte, ist mit der erstmaligen Fusion einer Enoatreduktase und einer Baeyer-Villiger-Monooxygenase die neue in vivo Enzymkaskade verbessert worden. Somit konnte in dieser Doktorarbeit die erfolgreiche Anwendung von einer modularen in vivo Enzymkaskaden für die Herstellung chiraler Laktone für die Polymerchemie gezeigt werden.