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Die Atemwege sind mögliche Eintrittspforten für Staphylococcus aureus in den menschlichen Organismus. Inhalierte Bakterien oder Bakteriencluster kommen initial vermutlich nicht direkt mit den Epithelzellen der Atemwege in Kontakt, sondern nur mit der aufgelagerten Mukusschicht. Die Mikroorganismen nehmen in dieser Situation möglicherweise über sekretorische lösliche Virulenzfaktoren auf die Funktion der Epithelzellen Einfluss und können dadurch das Infektionsgeschehen für sich günstig beeinflussen. Die Behandlung einer Infektion ist oft schwierig, da viele S. aureus-Stämme resistent gegenüber Antibiotika sind. Es ist daher von großem Interesse, mehr über die vielfältigen Interaktionen dieser Bakterien mit ihren eukaryotischen Wirtszellen in Erfahrung zu bringen. Bisher ist nur wenig über die Reaktionen humaner Atemwegsepithelzellen auf Kontakt mit S. aureus-Sekretionsprodukten bekannt, deswegen wurden in dieser Arbeit die Effekte der löslichen Virulenzfaktoren, Hämolysin A und B, auf die Zellmorphologie, Zytokinsezernierung und Ca2+-Signaltransduktion in verschiedenen humanen Atemwegsepithelzellen (16HBE14o-, S9, A549) genauer charakterisiert. Unter rHla-Einwirkung konnte in konfluenten Zellrasen die Bildung parazellulärer Lücken beobachtet werden, wobei die Stärke der Reaktion zelltypspezifisch war. Für die in vivo-Situation könnte der Verlust des stabilen Zellverbands bedeuten, dass das Bakterium dadurch die Möglichkeit erhielte, in den Wirtsorganismus einzudringen. Die Untersuchungen an primären Nasenepithelzellen unterstützen diese Schlussfolgerung. Hingegen zeigten Hämolysin B und die bakteriellen Zellwandbestandteile Lipoteichonsäure und Peptidoglykan kaum Effekte auf die Morphologie der Zellen. Durch fluorometrische Messung mit Indo1-beladenen Zellen wurde deutlich, dass die rHla-Behandlung und der daraus resultierende Einbau von Hla-Poren in die Membran der Atemwegsepithelzellen zu einem Ca2+-Einstrom in die Zellen führen. Wurden die A549-Zellen mit höheren Hla-Konzentrationen behandelt, war der Ca2+-Einstrom sehr stark und konnte nicht durch den zelleigenen Ca2+-Auswärtstransport kompensiert werden, so dass die intrazelluläre Ca2+-Konzentration [Ca2+]i stetig anstieg. Diese Ca2+-Überladung könnte zur Schädigung der Zellen oder gar zum Absterben einiger Zellen beigetragen haben, was in den Experimenten mit dem Time lapse-Mikroskop beobachtet wurde. Auch die Behandlung der A549-Zellen mit rHlb, durch dessen Sphingomyelinase-Aktivität Spaltprodukte entstehen können, die selbst als Signalmoleküle fungieren, führte zu einer leicht veränderten [Ca2+]i in den A549-Zellen. Ob dieses durch Sphingosin-1-Phosphat erfolgt, das in A549-Zellen tatsächlich ein deutliches Ca2+-Signal erzeugt, oder durch andere Hlb-bedingte Effekte auf die Zellen, wurde nicht abschließend geklärt. Auch der direkte Einfluss der beiden Hämolysine auf die Freisetzung von pro-inflammatorischen Zyto- und Chemokinen aus den Atemwegsepithelzellen unter rHla und rHlb wurde quantitativ bestimmt. Mit Hilfe von FlowCytomix-Kits konnte ebenfalls gezeigt werden, dass beide Hämolysine die Sekretion von IL-6 und IL-8 aus den Zellen bewirken. Um die physiologischen Vorgänge im respiratorischen Gewebe nach Kontakt mit S. aureus bzw. dessen Virulenzfaktoren zu ergründen, wurden in dieser Arbeit verschiedene endogene Proteinkinasen und Signalmoleküle der Atemwegsepithelzellen pharmakologisch inhibiert und untersucht, wie sich die selektive Hemmung der Signaltransduktion auf die Lückenbildung im Zellrasen unter der Stimulation mit rHla auswirkt. Da die intrazelluläre Konzentration von Ca2+-Ionen für die Steuerung der Salz- und Wassersekretion im respiratorischen Gewebe und somit für die Abwehr potentieller Pathogene wichtig ist, wurden für diese Arbeit einige Schlüsselelemente dieses Systems analysiert. Die Resultate weisen auf eine komplexe Verbindung der Signalwege hin, wobei die Zellantworten häufig Zelltyp-spezifisch waren. Es konnte durch Time lapse-Beobachtungen gezeigt werden, dass Calmodulin, c-Src, Calpaine, die Proteinkinasen A, G, B und C sowie NF-κB den Zellen tendenziell helfen, ihre Zellform unter rHla-Einwirkung zu bewahren. Für Calmodulin, die Ca2+/CaM abhängige Kinase II, ERK1/2, p38 und NF-κB wurde eine Beteiligung an der Erhöhung der Sekretionsraten von IL-8 und IL-6 durch rHla sowie rHlb festgestellt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die untersuchten Signalwege, je nach Intensität der Einwirkung der bakteriellen Faktoren auf die Atemwegsepithelzellen, sowohl zellprotektive als auch Epithel-beeinträchtigende Prozesse beeinflussen, jedenfalls aber in die Produktion von Signalen (Freisetzung von Zyto- und Chemokinen) eingebunden sind, die solcherart Epithelzellen in vivo an das Immunsystem eines Wirts senden.
Staphylococcus aureus, einer der häufigsten Erreger von Pneumonien, Endokardien und Sepsen (Frank et al. 2010), gehört bei nahezu einem Drittel der Bevölkerung zur normalen Nasenschleimhautflora (van Belkum et al. 2009) und kann unter bestimmten Risikobedingungen, vor allem in nosokomialer Umgebung, weiter in die unteren Atemwege vordringen und sich dort vermehren (van Belkum et al. 2009, Ahmed et al. 2015). Da das respiratorische Epithel von einer dicken, viskösen Mukusschicht bedeckt ist (Knowles & Boucher 2002), die Bakterien aufgrund ihrer Größe kaum durchdringen können, liegt die Hypothese nahe, dass es die sehr viel kleineren, löslichen Virulenzfaktoren der Bakterien sind, die den Mukus überqueren und einen ersten Pathogen-Wirt-Kontakt herstellen können. Das lösliche, porenbildende α-Hämolysin (Hämolysin a, Hla) ist einer der Haupt-Virulenzfaktor von S. aureus (Spaulding 2012). Studien hatten gezeigt, dass Hla auch in sublytischer Konzentration zu einer Auflösung der Zell-Zell- (Inoshima et al 2012) und Zell-Matrix-Kontakte (Hermann et al. 2015) humaner Atemwegsepithelzellen führte und so eine Lückenbildung im Zellverband induzierte. In vivo könnten solche Hla-vermittelten Prozesse dazu beitragen, dass eine erste Schädigung des Epithels erfolgt und die Überwindung der epithelialen Barriere für S. aures erleichtert wird. Die vorliegende Arbeit konnte in einem ersten Teil zeigen, dass diese Unfähigkeit von humanen Atemwegsepithelzellen (16HBE14o- und S9), nach Inkubation mit rHla den epithelialen Zusammenhalt aufrecht zu erhalten und entstandene parazelluläre Lücken durch aktive Migration zu schließen, auf eine rHla-induzierte Hyperphosphorylierung des fokalen Kontaktproteins Paxillin an Tyrosin 118 (und damit erhöhten Turnover der fokalen Kontakte) und Hypophosphorylierung des Actin-depolymerisierenden Faktors Cofilin an Serin 3 (und damit verstärkten Abbau von Stressfasern) zurückzuführen war. Der Hla-Effekt konnte so in fünf Prüfgrößen quantifizierbar erfasst werden: (1) Verlust des epithelialen Zusammenhalts, (2) Reorganisation des Actinzytoskeletts, (3) Auflösung fokaler Kontakte, (4) Hyperphosphorylierung von Paxillin und (5) Hypophosphorylierung von Cofilin. Im zweiten Teil der Arbeit wurden diese Prüfgrößen herangezogen, um den Mechanismus der Hla-Wirkung genauer aufzuklären. Durch Einsatz einer nichtporenbildenden Mutante rHla-H35L und dem Porenblocker IB201 konnte zunächst gezeigt werden, dass für die schädigenden Effekte auf den epithelialen Zusammenhalt der Zellen Ausbildung einer funktionellen Hla-Pore notwendig war und nicht Bindungsereignisse der Monomere, der Vorpore oder der Pore allein den Hla-Effekt auslösen konnten. Um die porenabhängigen Ereignisse zu untersuchen, wurden Ionenströme durch die Hla-Pore identifiziert und mit Ionomycin (erzeugt einen Calciumeinstrom) und Gramicidin (erzeugt einen Natriumeinstrom und Membrandepolarisierung) nachgebildet. Beide Ionenströme zusammen konnten den Hla-Effekt nahezu vollständig erzeugen. Die Ergebnisse wiesen darüber hinaus darauf hin, dass die Hla-erzeugten ionalen Veränderungen an der Membran unterschiedliche Signalveränderungen in der Zelle vermittelten: Calciumaktivierte Signalwege schienen vor allem für die beobachtete Paxillin-Phosphorylierung verantwortlich zu sein, während ein Natriumeinstrom zu einer Cofilin-Dephosphorylierung führte. Die genaue Signaltransduktion zwischen Einstrom der Ionen und (De-)Phosphorylierungsereignissen erfordert jedoch noch eine genauere Aufklärung. Des Weiteren konnte die Modellierung der Ionenströme den Hla-Effekt nicht komplett nachbilden, sodass wahrscheinlich zusätzliche porenabhängige Signalwege nach Hla-Behandlung (z.B. Verlust von ATP, Baaske & Richter et al. 2016) aktiviert werden.
Das Gram-positive Bakterium Staphylococcus aureus besiedelt die menschliche Haut und die oberen Atemwege, z.B. die Nase. Aus noch unbekannten Gründen können die Bakterien gelegentlich einen pathogenen Charakter entwickeln und Krankheiten wie Furunkulose, Pneumonien oder Sepsis verursachen. Dieses pathogene Potenzial in Verbindung mit dem Auftreten von zahlreichen Antibiotika-Resistenzen in vielen klinisch relevanten S. aureus-Stämmen stellt ein Risiko für die menschliche Gesundheit dar. Deshalb ist es notwendig, potenzielle Effekte der bakteriellen Produkte, die die eukaryotischen Wirtszellen relevanter Organsysteme beeinflussen könnten, zu erforschen. Ziel dieser Arbeit war es deshalb, spezifische Elemente der frühen Signaltransduktion, der Genregulation und der physiologischen Antworten von humanen immortalisierten Atemwegsepithelzellen (S9) auf Kontakt mit Staphylococcus aureus-Zellkulturüberständen sowie rekombinant hergestellten individuellen Virulenzfaktoren (Hämolysin A (Hla, ein porenformendes Toxin) und Hämolysin B (Hlb, ein Enzym mit Sphingomyelinase-Aktivität)) zu untersuchen. Diese Ansätze dienen dazu, Hinweise auf die Identität sezernierter Stoffwechselprodukte von S. aureus zu erhalten, die in den eukaryotischen Wirtszellen zu direkten Abwehr- oder Vermeidungsreaktionen (angeborene Immunität) oder zu Bakterien-induziertem „Fehlverhalten“ führen, das möglicherweise (Mit-)Ursache der Pathogenität einiger Stämme des Bakteriums ist. Quantitative Western-Blot-Analysen mit löslichen Proteinextrakten von S9-Zellen offenbarten dabei eine Aktivierung der Erk-Typ-MAPK, der p38 MAPK und der Akt1/3, aber keine Aktivierung der c-Jun N-terminalen Kinase (JNK) oder Akt2 infolge der Behandlung mit steril-filtrierten S. aureus-Überständen aus der exponentiellen Wachstumsphase (OD540nm = 1), der stationären Wachstumsphase (OD540nm = 10) bzw. nach der Behandlung mit rekombinant hergestellten S. aureus Hämolysinen (rHla, rHlb). Analysen der Produkte sogenannter „früher Gene“ zeigten eine moderate Erhöhung der Expression von c-Jun und Egr-1, und eine stärkere Erhöhung der Expression von c-Fos nach der Behandlung der S9-Zellen mit den bakteriellen Überständen oder rekombinanten Toxinen (rHla, rHlb). Da Atemwegsepithelzellen bei Kontakt mit potenziell pathogenen Bakterien bzw. sekretorischen Faktoren dieser Bakterien Chemokine zur Rekrutierung von Neutrophilen sekretieren, (speziell IL-8), wurde ein Multiplex-Assay-System eingesetzt, mit dem es möglich war, 11 verschiedene Zytokine im Kulturüberstand der S9-Zellen nach Behandlung der Zellen mit den bakteriellen OD10-Überständen bzw. rekombinanten Hla oder Hlb zu analysieren. Die S9-Zellen reagierten dabei auf die Behandlung mit dem Überstand, Hla oder Hlb mit der Sekretion der pro-inflammatorischen Zytokine IL-8, IFN-γ und IL-6, und diese Zytokin-Expression wurde teilweise vermittelt über die Signalwege der Erk-Typ-MAPK und der p38 MAPK. Weiter konnte gezeigt werden, dass Atemwegsepithelzellen infolge der Behandlung mit bakteriellem Überstand bzw. Hla Zellformveränderungen unterliegen und ihre Integrität verlieren. Dieses könnte parazelluläre Wege im Epithel öffnen, und so den Bakterien ermöglichen, ins Innere des Wirtskörpers vorzudringen.