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In der heutigen Arzneimitteltherapie stellt die orale Verabreichung die bevorzugte Applikationsart dar, folglich ist die orale Bioverfügbarkeit der Wirkstoffe für den Therapieerfolg von großer Bedeutung. Eine Vielzahl der neuen Arzneistoffe ist lipophil und schlecht wasserlöslich, somit weisen sie oft schlechte Voraussetzungen für die orale Therapie auf. Gleichermaßen können intestinaler Metabolismus und Efflux-Transporter die systemische Verfügbarkeit von Arzneistoffen vermindern. Nichtionische Tenside beeinflussen die orale Bioverfügbarkeit von Arzneistoffen auf unterschiedliche Weise. Lange Zeit herrschte die Annahme, dass Hilfsstoffe wie Tenside pharmakologisch inert sind, und sie wurden hauptsächlich in klassisch technologischem Sinn als Solubilisatoren eingesetzt. Diese Annahme ist widerlegt, jedoch sind derzeit nur wenige Studien publiziert, in denen die Stabilität von nichtionischen Tensiden im Gastrointestinaltrakt oder Interaktionen mit Enzymen untersucht wurde. Ein Ziel dieser Arbeit war es, pharmazeutisch genutzte nichtionische Tenside unterschiedlicher Struktur hinsichtlich ihrer Stabilität unter physiologischen Bedingungen zu untersuchen. Ausgewählt wurden die ethoxylierten Verbindungen Polysorbat 80 und D-α-Tocopherol Polyethylenglykol (1000) Succinat (TPGS) sowie der Saccharosefettsäureester Surfhope® SE D 1216 (Saccharoselaurat). Kapitel 1 und 2 beschreiben die Entwicklung analytischer Methoden für diese sehr heterogen zusammengesetzten Verbindungen, die auf chromatographischer Trennung mittels HPLC (High Performance Liquid Chromatography) und Detektion mit einem Charged Aerosol-Detektor (CAD), massenselektiven Detektor (MSD) und UV-Detektor basieren. Die Inkubation von Polysorbat 80 und TPGS in HCl-Lösung (pH 1,0) bei 37°C, wodurch die physiologischen Bedingungen im Magen dargestellt werden sollten, ergab einen geringfügigen Abbau von 9,5% (± 3,0%) bzw. 3,4% (± 0,4%) innerhalb von 8 h. Saccharoselaurat unterlag einem Abbau von über 50% innerhalb von 8 h, während sich alle drei Verbindungen in Wasser stabil zeigten. In den letzten Jahren erlangten neue Technologien, die schlecht wasserlösliche Wirkstoffe oral verfügbar machen sollen, immer mehr an Bedeutung. Umfassende Entwicklungsarbeit kommt dabei selbst-emulgierenden Lipidsystemen zu. SEDDS (Self-emulsifying Drug Delivery Systems) enthalten mitunter große Mengen an nichtionischen Tensiden. Da der Erfolg dieser Formulierungen maßgeblich vom Ausmaß des Triglyceridabbaus sowie Entstehung und Art der Abbauprodukte abhängt, wurde ein Einfluss durch diese amphiphilen Verbindungen getestet. In Kapitel 3 wird die inhibitorische Wirkung von nichtionischen Tensiden auf den Triglyceridabbau durch die Pankreaslipase untersucht. Als weitere Tenside wurden die Macrogolglycerolfettsäureester Cremophor® EL und Cremophor® RH 40 hinzugezogen. Alle Verbindugen hemmen den Triglyceridabbau konzentrationsabhängig bereits unterhalb der kritischen Mizellbildungskonzentration. Weiterhin wurde die Stabilität der Tenside selbst gegenüber Pankreasenzymen getestet, da ein Abbau ebenfalls die Solubilisierungskapazität der gastrointestinalen Flüssigkeit vermindern kann. Die Fettsäureester von Polysorbat 80 sind zu 14,0% (± 1,0%) hydrolysiert worden. Im Fall von Cremophor EL wurden 14,4% (± 3,3%) hydrolysiert, während sie bei Cremophor RH 40 zu einem geringeren Anteil von 6,1% (± 2,8%) abgebaut wurden. TPGS und Saccharoselaurat zeigten sich stabil gegenüber Pankreasenzymen. Gegenstand neuester Forschung ist ferner die Möglichkeit der Beeinflussung intestinaler arzneistoffmetabolisierender Enzyme durch nichtionische Tenside. In Kapitel 4 werden Wechselwirkungen mit dem Arzneistoffmetabolismus durch die Cytochrom P450 Isoenzyme CYP 3A4 und CYP 2C9, die beim intestinalen Metabolismus die bedeutendste Rolle spielen, untersucht. Bei allen Tensiden konnte eine konzentrationsabhängige Inhibition hinsichtlich des Metabolismus eines Modellsubstrats bereits unterhalb der kritischen Mizellbildungskonzentration festgestellt werden. Aus diesen Ergebnissen lässt sich folgern, dass das Kriterium der pharmakologischen Indifferenz von Hilfsstoffen in vielen Fällen nicht gegeben ist. Des Weiteren verdeutlichen sie die Notwendigkeit, im Rahmen der Entwicklung von komplex zusammengesetzten Formulierungen zunächst eine Untersuchung und quantitative Bewertung des Stabilitätsverhaltens durchzuführen. Insbesondere bei selbst-emulgierenden Lipidsystemen muss berücksichtigt werden, dass sowohl der Abbau der Tenside als auch die inhibitorische Aktivität dieser gegenüber der triglyceridabbauenden Pankreaslipase maßgeblichen Einfluss auf die Arzneistoffsolubilisierung haben. Die Fähigkeit, intestinale CYP450 Enzymen zu inhibieren, eröffnet die Möglichkeit, diese nichtionenschen Tenside zur gezielten Metabolismushemmung einzusetzen. Dadurch kann die Bioverfügbarkeit von „Problemarzneistoffen“, sofern sie Substrate dieser Enzyme darstellen, erhöht werden.
Biorelevante In-vitro-Freisetzungsmodelle werden u. a. für das Screening neuartiger Formulierungen, zur Etablierung von In-vitro-/In-vivo-Korrelationen und zur Vorhersage des In-vivo-Verhaltens einer applizierten Darreichungsform angewendet. Die Entwicklung von In-vitro-Freisetzungsmodellen für peroral verabreichte Arzneiformen fokussierte bisher vorwiegend auf die Abbildung der gastrointestinalen Physiologie eines gesunden, „durchschnittlichen“ Erwachsenen. Patientenspezifische Faktoren, wie z. B. das Alter, Erkrankungen oder Geschlecht sowie individuelle Unterschiede, die die gastrointestinalen Verhältnisse und folglich auch das Freisetzungsverhalten einer peroral applizierten Arzneiform beeinflussen können, wurden bisher kaum berücksichtigt. Der Fokus dieser Arbeit lag auf der Entwicklung und Etablierung von patientenspezifischen, bioprädiktiven In-vitro-Freisetzungsmodellen für perorale Darreichungs-formen unter Berücksichtigung der gastrointestinalen Gegebenheiten zweier unterschiedlicher Patientenpopulationen: pädiatrische Patienten und Parkinson-Patienten.
Eine wichtige Voraussetzung für eine sichere und wirksame perorale Arzneimitteltherapie bei pädiatrischen Patienten sind altersgerechte Darreichungsformen sowie eine geeignete Einnahmepraxis. Peroral applizierte Arzneimittel werden pädiatrischen Patienten häufig zusammen mit Applikationsvehikeln verabreicht, um die Einnahme der Arzneimittel zu erleichtern. Es muss jedoch bei einer solchen Anwendungspraxis sichergestellt werden, dass die eingenommene Arzneiform mit dem jeweiligen Applikationsvehikel kompatibel ist. Die Beurteilung der Kompatibilität ist anhand klinischer In-vivo-Studien an gesunden Kindern jedoch aufgrund ethischer Bedenken kaum möglich. Zur Evaluierung der Kompatibilität könnten In-vitro-Freisetzungsmethoden als eine mögliche Alternative eingesetzt werden. Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit wurden pädiatrische In-vitro-Freisetzungsmodelle entwickelt, um zu evaluieren, ob die Stabilität und das In-vivo-Freisetzungsverhalten der neuartigen Alkindi®-Formulierung durch Co-Verabreichung mit alterstypischen Applikationsvehikeln beeinträchtigt werden. Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurden im Anschluss an eine intensive Literaturrecherche Physiologie-basierte In-vitro-Modelle auf Basis der Mini-Paddle-Apparatur entwickelt. In der ersten Studie wurde die In-vitro-Wirkstofffreisetzung nach simulierter Applikation der Alkindi®-Formulierung mit typischen Applikationsvehikeln für Kinder unter 6 Jahren, d. h. Muttermilch, Formulamilch und Vollmilch, untersucht. In der zweiten In-vitro-Studie wurde der Altersbereich der adressierten Patientenpopulation auf 2 - 16 Jahre verändert und eine Reihe weiterer flüssiger sowie halbfester Applikationsvehikel, wie z. B. Orangensaft und Joghurt, verwendet. In beiden Studien konnte deutlich gezeigt werden, dass die Alkindi®-Formulierung ein robustes Freisetzungsverhalten aufwies und kompatibel mit den untersuchten Matrices war. Auf Grundlage der Ergebnisse der In-vitro-Untersuchungen wurde geschlussfolgert, dass die In-vivo-Freisetzung und die Bioverfügbarkeit der untersuchten Arzneiform nicht durch die untersuchten Applikationsvehikel beeinflusst werden und folglich diese Vehikel zur gemeinsamen Einnahme mit der Alkindi®-Formulierung geeignet sind. Diese Beobachtungen wurden darüber hinaus durch publizierte Ergebnisse einer korrespondierenden In-vivo-Studie in Erwachsenen bestätigt.
Der zweite Teil der Arbeit befasste sich mit der Entwicklung eines neuartigen, Parkinson-spezifischen und Physiologie-basierten In-vitro-Freisetzungsmodells. Für die Entwicklung von biorelevanten In-vitro-Modellen zur Simulation der luminalen Bedingungen im Gastrointestinal-trakt einer spezifischen Patientenpopulation sind umfangreiche Kenntnisse über die jeweiligen gastrointestinalen In-vivo-Bedingungen und deren Variabilität unerlässlich. Im Rahmen einer Literaturrecherche wurde der aktuelle Wissensstand zu den gastrointestinalen Gegebenheiten in Parkinson-Patienten recherchiert, ausgewertet und zusammengefasst. Die Ergebnisse der Literaturstudie machen deutlich, dass sich die gastrointestinalen Bedingungen von Parkinson-Patienten teilweise erheblich von gesunden Erwachsenen unterscheiden. Das bedeutendste gastrointestinale Merkmal von Parkinson-Patienten ist die beeinträchtigte Motilität des Gastrointestinaltrakts, was sich u. a. in einer Verlangsamung der Magenentleerung sowie der intestinalen Passage äußert. Demgegenüber steht jedoch ein großer Mangel an Daten für eine Reihe von gastrointestinalen Parametern. Dies betrifft z. B. die Zusammensetzung und physiko-chemischen Eigenschaften der luminalen Flüssigkeiten des Gastrointestinaltrakts.
Als geeignete In-vitro-Testplattform wurde die USP-3-Apparatur – auch als Eintauchender Zylinder (Europäisches Arzneibuch, Ph. Eur.) und Reciprocating cylinder (Ph. Eur. und US-amerikanisches Arzneibuch, USP) bezeichnet – ausgewählt, da sich diese Testplattform insbesondere zur Untersuchung von Darreichungsformen mit modifizierter Wirkstofffreisetzung eignet und bereits in einer Vielzahl von analytischen Laboren etabliert ist. Die Nutzung der kompendialen USP-3-Apparatur ließ aufgrund der geringen Variationsmöglichkeiten keine Simulation typischer Motilitätsmuster im humanen Gastrointestinaltrakt zu und eignete sich noch weniger für die Entwicklung und Etablierung von individuellen, patientenspezifischen Motilitätsprofilen. Um diese technischen Limitationen zu überwinden, wurde für die Weiterentwicklung des arzneibuchkonformen Modells ein Lastenheft erstellt, welches detaillierte Anforderungen für die Entwicklung der neuen Testapparatur enthielt. Auf Grundlage des beschriebenen Übersichtsartikels und unter Anwendung einer auf Basis des Lastenheftes modifizierten USP-3-Apparatur wurden unter besonderer Berücksichtigung von Motilität, Passagezeiten und Flüssigkeitsvolumina Parkinson-spezifische In-vitro-Freisetzungsmodelle entwickelt. Für ausgewählte modifiziert freisetzende Levodopa-Fertigarzneimittel wurde anschließend eine vergleichende Serie von In-vitro-Freisetzungsuntersuchungen unter Anwendung von Parkinson-spezifischen- oder „standardmäßigen“ Testmodellen durchgeführt, wobei letztere die gastrointestinalen Gegebenheiten eines „durchschnittlichen“, gesunden Erwachsenen simulierten. Für eine Beurteilung der Aussagekraft der entwickelten Parkinson-spezifischen Testmodelle wurden die generierten In-vitro-Freisetzungsdaten aus den Parkinson-spezifischen- und den „standardmäßigen“ Freisetzungsuntersuchungen in ein In-silico-PBPK-Modell implementiert und die jeweiligen simulierten Plasmakonzentrations-Zeit-Profile von Levodopa anschließend mit klinischen, durchschnittlichen In-vivo-Daten korreliert. Für PBPK-Modelle mit integrierten Parkinson-spezifischen In-vitro-Freisetzungsdaten wurde eine höhere Prädiktivität des In-vivo-Verhaltens der untersuchten Levodopa-Darreichungsformen beobachtet. Es konnte gezeigt werden, dass die entwickelten Parkinson-spezifischen In-vitro-Modelle ein vielversprechendes und prädiktives Instrument zur Vorhersage der In-vivo-Wirkstofffreisetzung von modifiziert freisetzenden Levodopa-Darreichungsformen darstellen. Der diskutierte methodische Ansatz der vorliegenden Studie könnte zukünftig das Screening neuartiger Formulierungen deutlich optimieren und somit zu einer verbesserten Arzneimitteltherapie für Parkinson-Patienten, aber auch für andere spezifische Patientengruppen beitragen
Die Applikation von Arzneistoffen erfolgt sehr häufig über die orale Gabe. Die Kenntnis der Arzneistoffkonzentration im humanen Darm ist somit essentiell für das Verständnis der oralen Arzneimitteltherapie. Die intestinale Absorption wird von verschiedenen Faktoren bestimmt. Dazu gehören die anatomischen und physiologischen Gegebenheiten des Gastrointestinaltraktes sowie die Eigenschaften des Arzneistoffes und der Arzneiform. Das komplexe Zusammenspiel dieser Faktoren kann die intestinale Konzentration des Arzneistoffes und folglich dessen Absorption und daraus abgeleitet Wirkung und Nebenwirkung beeinflussen. Zur Bestimmung der intraluminalen Arzneistoffkonzentration und zur Charakterisierung des zugehörigen Absorptionsprozesses werden bisher Systeme und Methoden verwendet, welche die Physiologie des Darmes beeinflussen können oder die im Rahmen einer chirurgischen Intervention angewendet werden. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war die Entwicklung und Charakterisierung eines Mikrodialysesystems zur Bestimmung intraluminaler Arzneistoffkonzentrationen im humanen Dünndarm. Dabei sollte das System die positiven Eigenschaften der bisher verwendeten Methoden und Systeme kombinieren. Die verwendeten Materialien wurden so ausgewählt, dass ein flexibles aber dennoch robustes System aus biokompatiblen Bestandteilen erhalten wurde. Das entwickelte System kann zudem mit bildgebenden Verfahren, wie der MRT, kombiniert werden. Das neu entwickelte Mikrodialysesystem besteht letztendlich aus einer Mikrodialyseeinheit sowie einem Zufluss- und Ablaufschlauch. Die finale Mikrodialyseeinheit ist aus 30 semipermeablen Kapillaren mit einer Austauschlänge von 10 cm zusammengesetzt, über die der Stoffaustausch zwischen dem Perfusat als Akzeptor-Kompartiment und dem Medium als Donor-Kompartiment erfolgt. Das System kann hierbei kontinuierlich oder diskontinuierlich perfundiert werden. Für den diskontinuierlichen Perfusatfluss war es hierbei nötig, einen zusätzlichen Schlauch in das System zu integrieren, der ein Abtrennen der gewonnenen Proben im Ablaufschlauch mittels Luftblasen ermöglicht. Die vorgesehene Anwendung des Mikrodialysesystems in klinischen Studien am Menschen wurde bei dessen Entwicklung stets berücksichtigt. Die Einbettung der Mikrodialyseeinheit in ein Schlauchsystem ermöglicht die orale Applikation und vereinfacht damit die Anwendung des Mikrodialysesystems im Menschen. Mit der Kombination von zwei Mikrodialysesystemen in einem Set kann weiterhin die gleichzeitige Erfassung von intraluminalen Arzneistoffkonzentrationen in unterschiedlichen Abschnitten des humanen Darmes erfolgen. Nach der erfolgreichen Entwicklung des Mikrodialysesystems erfolgte zunächst die Charakterisierung der Funktionalität des Systems anhand der relativen Wiederfindung des Arzneistoffes in den Dialysatproben. Die Untersuchungen wurden mit den Arzneistoffen Paracetamol, Amoxicillin-Trihydrat und Valsartan, die aufgrund ihres spezifischen Absorptionsverhaltens im Gastrointestinaltrakt ausgewählt wurden, und verschiedenen biorelevanten Donor-Medien sowie Perfusaten durchgeführt. Das Mikrodialysesystem wurde dabei kontinuierlich oder diskontinuierlich vom Perfusat durchströmt. Bei Verwendung des kontinuierlichen Perfusatflusses wurden jedoch vergleichsweise geringere Werte für die relative Wiederfindung bestimmt. Die Verwendung des diskontinuierlichen Perfusatflusses resultierte dagegen in einer Equilibrierzeit von 1 bis 60 min, welches einen verlängerten Stoffaustausch zwischen dem Donor-Kompartiment und dem Perfusat ermöglichte und somit zu deutlich höheren relativen Wiederfindungen führte. Außerdem wurden die Proben im Ablaufschlauch unverzüglich durch die Zufuhr von Luft, die über den zusätzlich enthaltenen Schlauch zugeführt wurde, separiert. Ein Anstieg der Equilibrierzeit von 1 auf 5 oder 60 min resultierte hierbei allerdings nicht in einer deutlichen Erhöhung der relativen Wiederfindung. Für Amoxicillin und Valsartan wurden ähnliche Werte für die relative Wiederfindung bestimmt, während für Paracetamol höhere Werte ermittelt wurden, die mit dem geringeren Molekulargewicht und der damit verbundenen erhöhten Diffusionsgeschwindigkeit erklärt werden können. Nachdem ein deutlicher Einfluss der Temperatur auf die relative Wiederfindung nachgewiesen wurde, erfolgte die Durchführung der In vitro-Untersuchungen ausschließlich bei Körpertemperatur. Die Sensitivität des Mikrodialysesystems wurde untersucht, um dessen Eignung für In vivo-Untersuchungen zu bestimmen. Dabei sollte geprüft werden, ob und wie schnell Änderungen der Arzneistoffkonzentration im Donor-Kompartiment in den Dialysatproben nachweisbar sind. Bei Anwendung des kontinuierlichen Perfusatflusses erfolgte die Detektion der Erhöhung und Verringerung der Stoffkonzentration im Donor-Kompartiment verzögert. Im Gegensatz dazu konnte bei Nutzung des diskontinuierlichen Perfusatflusses mit einer Equilibrierzeit von 1 min eine Konzentrationsänderung im Donor-Kompartiment sofort in der nachfolgend gewonnenen Dialysatprobe nachgewiesen werden. Dies wurde für alle verwendeten Arzneistoffe bestätigt, sodass alle nachfolgenden Untersuchungen mit dem diskontinuierlichen Perfusatfluss und einer Equilibrierzeit von 1 min durchgeführt wurden. In den folgenden Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass das Mikrodialysesystem mehrmalig für In vitro-Untersuchungen genutzt werden konnte. Anhand von acht untersuchten Mikrodialysesystemen für Paracetamol und jeweils vier Mikrodialysesystemen für Amoxicillin und Valsartan konnte die reproduzierbare Herstellung der Mikrodialyse¬systeme nachgewiesen werden. Die Verwendung unterschiedlicher Donor-Medien und Perfusate führte zu ähnlichen Ergebnissen. Die anatomischen Gegebenheiten des Dünndarms wurden durch Untersuchungen in einem Röhrenmodell simuliert. Erhöhungen oder Verringerungen der Konzentration im Donor-Kompartiment wurden auch bei dieser Versuchsanordnung ohne zeitliche Verzögerung in der darauffolgenden Dialysatprobe nachgewiesen. In Zusammenarbeit mit dem Medizinproduktehersteller RoweMed erfolgte anschließend die Adaption des Mikrodialysesystems an die humane Anwendung. Dabei wurden modifizierte Bestandteile, wie zum Beispiel Schläuche mit verringerten Durchmessern verbaut, um die Anwendung für den Probanden möglichst angenehm zu gestalten. Die Möglichkeit, die Lokalisation der Mikrodialyseeinheit im Gastrointestinaltrakt über die pH-metrische Analyse der Dialysatproben zu bestimmen, wurde anschließend untersucht. Bis zu einem pH-Wert von pH 3 kann über den erniedrigten pH-Wert in den Dialysatproben der Rückschluss auf die Lage im Magen gezogen werden. Dies entspricht dem üblicherweise ermittelten pH-Wert im Magen von pH 2,7 bei nüchternen jungen, gesunden Probanden. Abschließend wurde die Eignung der Braun Infusomat® und Perfusor® Space Pumpen, die zur humanen Anwendung zugelassen sind, für die Nutzung in Kombination mit dem Mikrodialysesystem überprüft, um in einer Studie am Menschen CE-zertifizierte Geräte einsetzten zu können. Die beschränkte Programmierbarkeit beider Pumpen bei der Anwendung des diskontinuierlichen Perfusatflusses erforderte eine erneute Modifikation des Versuchsablaufes. Durch die Reduktion der Pump- und Equilibrierzeiten konnte ein Versuchsablauf ermittelt werden, der ähnliche Ergebnisse wie mit den bisher verwendeten Pumpen lieferte. Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein Mikrodialysesystem zur Bestimmung intestinaler Arzneistoffkonzentrationen entwickelt und in vitro charakterisiert. Die mit dem Mikrodialysesystem gewonnenen Daten könnten genutzt werden, um zukünftig das komplexe Zusammenspiel verschiedener Faktoren während der Arzneistoffabsorption besser zu verstehen. Mit diesem Wissen könnten Nebenwirkungen und Wechselwirkungen oral applizierter Arzneistoffe verringert und deren Bioverfügbarkeit erhöht werden.
Biorelevante In-vitro-Freisetzungsmethoden sind im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einem unverzichtbaren Hilfsmittel in der Entwicklung von innovativen und generischen oralen Formulierungen geworden. Sie dienen in einer frühen Phase der Produktentwicklung u.a. zur Selektion von geeigneten Formulierungskandidaten im Vorfeld von Bioverfügbarkeits- und Bioäquivalenzuntersuchungen. Mithilfe biorelevanter Freisetzungsmethoden sollen dabei der menschliche Gastrointestinaltrakt (GIT) oder Teile davon simuliert werden, um somit Aussagen zum In-vivo-Freisetzungsverhalten der untersuchten Formulierung treffen zu können. Im Zuge der Entwicklung biorelevanter In-vitro-Testmethoden lag der Fokus bisher vorrangig in der Abbildung der gastrointestinalen Physiologie eines gesunden Erwachsenen. Inter- und intraindividuelle Unterschiede und andere Faktoren, die das Freisetzungsverhalten im GIT beeinflussen können, wie beispielsweise das Alter des Patienten oder zusätzliche Erkrankungen, blieben hingegen größtenteils unberücksichtigt. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollten daher individualisierte In-vitro-Freisetzungsmodelle entwickelt werden, welche die In-vivo-Variabilität des gastrointestinalen Transitverhaltens von Darreichungsformen und die variablen pH-Bedingungen des GIT nach Nüchterneinnahme widerspiegeln sollen. Auf Grundlage der zu entwickelnden Modelle sollte es demnach möglich sein, die Robustheit des Freisetzungsverhaltens von modifiziert freisetzenden Arzneiformen gegenüber inter- und intraindividuellen Unterschieden im Passageverhalten und den vorherrschenden pH-Bedingungen zu untersuchen. Am Beispiel von magensaftresistenten Acetylsalicylsäure (ASS)-Formulierungen wurde zunächst im Rahmen eines systematischen Screenings der Einfluss der Zusammensetzung des Freisetzungsmediums auf die Wirkstofffreisetzung untersucht. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf dem Vergleich phosphatgepufferter Medien mit dem physiologisch für den nüchternen Dünndarm relevanten Kohlensäure (H2CO3)/Hydrogencarbonat (HCO3-)-Puffersystem. Auf Basis von Literaturdaten zur Elektrolytzusammensetzung der intestinalen Flüssigkeiten wurde als Resultat des systematischen Screenings mit Carbonate-based Fasted State Simulated Intestinal Fluid (CarbFaSSIF) ein Freisetzungsmedium entwickelt, welches die Elektrolytzusammensetzung der luminalen Flüssigkeiten des nüchternen Dünndarms widerspiegelt und auf dem H2CO3/HCO3--Puffersystem basiert. Der Einsatz eines automatischen pH-Regulationssystem (pHysio-grad®) zur Stabilisierung von thermodynamisch instabilen HCO3--basierten Freisetzungsmedien ermöglichte es, mit CarbFaSSIF dynamische intestinale pH- und Transitprofile in hoher zeitlicher Auflösung in einer kompendialen Blattrührerapparatur zu simulieren. Am Beispiel von magensaftresistenten Mesalazin- und Natriumvalproatformulierungen wurde die Robustheit des Freisetzungsverhaltens gegenüber der Variabilität gastrointestinaler pH- und Passagebedingungen untersucht. Mit dem lokal im GIT wirkenden Mesalazin und dem systemisch wirkenden Natriumvalproat wurden zwei Arzneistoffe mit unterschiedlichen Wirkprinzipien ausgewählt, die aufgrund eines individuell variablen Freisetzungsverhaltens zu teils schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen oder zu einem Therapieversagen führen könnten. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden beispielhaft individuelle pH- und Transit-Bedingungen von vier individuellen Probanden einer in der Literatur beschriebenen In-vivo-Studie für die In-vitro-Simulationen ausgewählt, welche einerseits den Durchschnitt der In-vivo-Studie widerspiegelten, aber auch extreme Passage- und pH-Bedingungen aufwiesen. Die untersuchten Formulierungen zeigten abhängig von der Art der magensaftresistenten Überzüge eine unterschiedliche Sensitivität gegenüber den individuellen simulierten pH- und Transit-Profilen. Für die Mesalazinformulierungen war es möglich, den Ort und das Ausmaß der Wirkstofffreisetzung, die für eine erfolgreiche Therapie ausschlaggebend sind, in individuellen Probanden in vitro zu bestimmen. Im Gegensatz zu den lokal im GIT wirkenden Mesalazinformulierungen sind für die antiepileptische Therapie mit magensaftresistenten Natriumvalproatformulierungen neben dem Ausmaß insbesondere der Zeitpunkt der Wirkstofffreisetzung für konstante Plasmaspiegel von entscheidender Bedeutung. Darauf basierend wurden unter Verwendung der ermittelten Freisetzungsdaten und mithilfe von individuellen pharmakokinetischen Parametern für die natriumvalproathaltigen Darreichungsformen In-silico-Simulationen mit einem neuen Simulationsprogramm (BioavailabilityDesign expert) zur Vorhersage von Natriumvalproatplasmaprofilen durchgeführt. Die ermittelten In-silico-Plasmaprofile wurden dabei mit dem mathematischen Verfahren des durchschnittlichen Euklidischen Abstands mit In-vivo-Daten aus der Literatur verglichen, um die In-vivo-Vorhersagekraft des Freisetzungsmodells beurteilen zu können. Abhängig von der Art des magensaftresistenten Überzugs und dem daraus resultierenden unterschiedlichen Ansprechen auf die Bedingungen der In-vitro-Freisetzungstests konnten für zwei der drei untersuchten Natriumvalproatformulierungen vielversprechende Vorhersagen zu den resultierenden Plasmaspiegeln getroffen werden. Ein weiterer Aspekt der vorliegenden Arbeit lag in der Implementierung des pHysio-grad®-Systems und der neu entwickelten HCO3--basierten Medien in prädiktiven Freisetzungstestmethoden für pädiatrische Darreichungsformen. Um vor allem das im GIT von Kindern, insbesondere bei Neugeborenen und Kleinkindern, im Vergleich zum Erwachsenen für die Wirkstofffreisetzung zur Verfügung stehende geringere Flüssigkeitsvolumen in einem In-vitro-Test hinreichend wiedergeben zu können, wurde für diesen Zweck eine neue Freisetzungsapparatur entwickelt. Das konstruierte System basierte auf standardisierten Prüfgefäßen und ermöglichte Freisetzungsuntersuchungen in einem Volumen von 30 bis 110 mL. Durch die Einbindung von miniaturisierten Komponenten des pHysio-grad®-Systems konnten zur Simulation der intestinalen Bedingungen von Kindern unterschiedlicher Altersgruppen auch physiologisch-relevante HCO3--Medien eingesetzt werden. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit verdeutlichen, dass individualisierte Freisetzungsmethoden basierend auf physiologischen HCO3--Medien einen vielversprechenden Ansatz zur Beurteilung der Robustheit der Wirkstofffreisetzung von modifiziert freisetzenden Arzneiformen hinsichtlich der Variabilität von gastrointestinalen Transit und pH-Bedingungen darstellen. Darüber hinaus wurde mit einem Freisetzungsmodell für pädiatrische Arzneiformen ein erster Ansatz entwickelt, um die Besonderheiten, die mit der Arzneimittelapplikation an Kindern in Verbindung stehen, in einem In-vitro-Maßstab wiederzugeben. Die im Rahmen dieser Arbeit entwickelten In-Vitro-Methoden basieren auf physiologischen Daten von gesunden erwachsenen Probanden, stellen aber eine universelle Plattform dar, die perspektivisch auch zur Simulation von individuellen Patienten eingesetzt werden kann. Die neu konzipierten Freisetzungsmodelle würden daher zukünftig sehr von systematischen In-vivo-Studien an Patienten profitieren, die Einflussfaktoren, wie Alter oder Erkrankungen, auf die Eigenschaften der luminalen Flüssigkeiten und das gastrointestinale Passageverhalten von Arzneiformen untersuchen.
Die Magen-Darm-Passage von Arzneiformen ist ein komplexer Vorgang, der durch starke Variabilität gekennzeichnet ist. Die Inhomogenität der Passagebedingungen betrifft sowohl die physiko-chemischen Eigenschaften des Milieus der einzelnen Abschnitte des Magen-Darm-Traktes als auch deren spezifische Motorik und kann das Wirkstoffabgabeverhalten fester peroraler Arzneiformen beeinflussen. Die Komplexität der Gegebenheiten in vivo macht es notwendig, die peroralen Arzneiformen hinsichtlich der Applikationsbedingungen zu optimieren, um ein gezieltes Wirkstoffabgabeverhalten und somit die therapeutische Wirkung bei Patienten zu erzielen. Dies gilt besonders für Arzneiformen mit modifizierter Wirkstofffreisetzung, die gewöhnlich hohe Dosen von Arzneistoffen enthalten. Die Wirkstoffabgabe und somit die Anflutung in die systemische Zirkulation werden bei solchen Präparaten von der Arzneiform determiniert. Deswegen erscheint die zuverlässige Funktion der Arzneiform von essentieller Bedeutung für die Sicherheit und Optimierung der Therapie. Die Untersuchung des Wirkstoffabgabeverhaltens einer Zubereitung wird vor Anwendung am Menschen laut Arzneibüchern in so genannten Freisetzungstests überprüft. Basierend auf den physiologischen Erkenntnissen wurde versucht die Freisetzungstests an die physiologischen Verhältnisse stärker anzupassen. In zahlreichen Studien wurde der Einfluss der Freisetzungsmedien auf das Freisetzungsverhalten der Arzneiformen erforscht. Diese Adaptation der Freisetzungsuntersuchung an die physiologischen Verhältnisse wurde bereits im Arzneibuch in Form von „biorelevanten Freisetzungsmedien“ berücksichtigt. Die Relevanz des Einflusses der Hydrodynamik und der Mechanik des Magen-Darm-Traktes auf das Freisetzungsverhalten der Arzneiformen ist zwar akzeptiert aber unzureichend untersucht. Zum Anfang dieser Arbeit wurde eine Hypothese formuliert die besagt, dass vor allem die mechanischen Aspekte der Magen-Darm Passage, aber auch der unterbrochene Medienkontakt das Freisetzungsverhalten fester peroralen Arzneiformen mit modifizierter Wirkstofffreisetzung beeinflussen können. Die Stressfaktoren konnten in den bisher entworfenen Testverfahren und Arzneibuchmethoden nicht auf biorelevante Weise simuliert werden. Deswegen wurde in dieser Arbeit ein Freisetzungstestgerät entwickelt, das vermag, die mechanischen Aspekte der GI-Passage monolithischer Arzneiformen realistisch nachzubilden. Die Konstruktion ermöglicht eine parallele Simulation von GI-spezifischen Druckverhältnissen, Diskontinuität und Intensität der physiologischen Transportvorgänge und des unterbrochenen Kontaktes der Arzneiformen zu den Freisetzungsmedien. Das Gerät ist geeignet, vor allem die monolithischen Arzneiformen wie zum Beispiel Tabletten oder Kapseln mit modifizierter Wirkstofffreisetzung zu testen. Im Laufe der Arbeit wurden entsprechende Testprogramme etabliert, die die kritischen Momente der GI-Passage von Arzneiformen simulieren. Die Programme sind Kombinationen aus Ruhephasen, die durch kurze Stressereignisse unterbrochen werden. Die zeitliche Abfolge der Stressphasen wurde so programmiert, dass die physiologischen Passagezeiten der Arzneiformen realistisch imitiert werden. Die Intensität der Stressereignisse wurde dabei so definiert, dass die Maxima der physiologisch relevanten Belastungswerte nachgebildet werden können. Gezeigt wurde, dass die Simulation des biorelevanten Stresses der Magen-Darm-Passage sowohl in Form von Transportvorgängen als auch variablen Druckverhältnissen die Freisetzungscharakteristika der getesteten Retardarzneiformen bedeutend beeinflusste. Die Ergebnisse belegen, dass die mechanische Beständigkeit der hydrophilen Matrixtabletten von entscheidender Bedeutung für deren Freisetzungsverhalten in vitro und in vivo ist. Ferner wurde gezeigt, dass durch Simulation nüchterner Passagebedingungen das In vivo-Freisetzungsverhalten einer Modellarzneiform nachgebildet werden kann. Die Testergebnisse weisen darauf hin, dass die starken Fluktuationen der Plasmaspiegel durch die Anfälligkeit der Arzneiform auf den biorelevanten Stress hervorgerufen werden. Diese Anfälligkeit scheint eine der wichtigsten Ursachen für arzneiformbedingte Interaktionen darzustellen, besonders für dose dumping in vivo, und kann unter Anwendung der offiziellen Methoden nicht erfasst werden. Gezeigt wurde, dass durch den Einsatz des biorelevanten Freisetzungs-Testgerätes die risikobehafteten Formulierungen mit unerwünschter Wirkstoffsfreisetzungscharakteristik in einem einfachen Testverfahren identifiziert werden können. Nachgewiesen wurde, dass die Veränderungen der Freisetzungscharakteristika der Arzneiformen, die durch die Stressereignisse biorelevanter Intensität ausgelöst werden, eine klinische Relevanz aufweisen. Nunmehr wurde die Einsetzbarkeit des Gerätes in den Screeninganalysen von bioäquivalenten Produkten bestätigt.
Diese Arbeit war Teil eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten interdisziplinären Forschungsnetzwerks (#1HealthPREVENT) und stellte eine einmalige peri-operative antibiotische (Penicillin/Gentamicin (P/G)) Prophylaxe (PAP) im Zuge eines operativen Eingriffs nach diagnostizierter Kolik beim Pferd der bislang üblichen fünf-Tage-Antibiose gegenüber, mit dem Ziel den Einfluss der PAP auf die Häufigkeit von (engl.) Extended Spectrum β-Lactamase produzierenden Escherichia coli (ESBL-EC) und die Veränderungen im enteralen Mikrobiom der Pferde zu untersuchen und zur Verbesserung des sorgfältigen Einsatzes von Antibiotika in der Veterinärmedizin beizutragen. Die per Los jeweils einer der zwei Gruppen („single shot“ Gruppe (SSG); „5 days“ Gruppe (5DG)) zugeordneten Pferde wurden dafür jeweils an drei verschiedenen Zeitpunkten (Klinikaufnahme (t0), Tag 3 (t1) und Tag 10 (t2) postoperativ) beprobt (Kotproben und Nüsternabstriche). Zusätzlich zur Gruppe der hospitalisierten Pferde wurde auch eine nicht-hospitalisierte Kontrollgruppe ohne klinische Auffälligkeiten einbezogen. Alle Proben wurden hinsichtlich positiver ESBL-EC untersucht und die identifizierten Isolate phänotypisch (durchgeführt vom Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen, Freie Universität Berlin) und genotypisch charakterisiert. Unabhängig vom P/G PAP-Schema stieg für die Pferde die Wahrscheinlichkeit von t0 zu t1 sowie von t0 zu t2 an, positiv für ESBL-EC zu sein. Die Ganzgenom-Sequenzierung der Isolate ergab außerdem eine enge räumliche und zeitliche Beziehung zwischen Isolaten mit gemeinsamen Sequenztypen, was auf eine lokale Ausbreitung hindeutete. Die 16S rRNA-Gen Sequenzierung der Kotproben (durchgeführt vom Institut für Klinische Molekularbiologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel) zur Untersuchung der Veränderungen im enteralen Mikrobiom zeigte nach der bioinformatischen Aufbereitung (durchgeführt von Silver Anthony Wolf, Robert Koch-Institut) und Fach-übergreifenden Analyse eine Beeinträchtigung in der Zusammensetzung der fäkalen Mikrobiota (Alpha-Diversität) für Pferde mit akuter Kolik im Vergleich zur Kontrollgruppe, welche jedoch nicht signifikant war. Die mikrobielle Gesamtkomposition der untersuchten Proben (Beta-Diversität) wies vor allem für die 5DG an t1 erhebliche Einschränkungen auf, was höchstwahrscheinlich auf die fortlaufende Verabreichung von Antibiotika zurückzuführen war. In beiden Studiengruppen wurde zudem an t1 eine erhöhte Abundanz von Enterobacteriaceae, insbesondere Escherichia, festgestellt. Insgesamt wiesen die Ergebnisse dieser Arbeit einen starken Einfluss des Krankenhausaufenthaltes an sich auf, vor allem auf die ESBL-EC-Isolationsraten, wodurch möglicherweise Unterschiede zwischen den verschiedenen PAP-Behandlungen überdeckt wurden. Trotzdem stellen die in dieser Studie gesammelten Ergebnisse und gewonnenen Erkenntnisse einen ersten wichtigen Schritt in der Etablierung von Antibiotic Stewardship-Programmen in Pferdekliniken dar und könnten somit einen langfristigen Einfluss auf die lokale Verbreitung von ESBL-EC haben.
Für die orale Pharmakotherapie stellen die gastrointestinalen Flüssigkeiten einen der relevantesten Einflussfaktoren dar, da es sich bei ihnen um das Medium für Zerfallsprozesse der Arzneiform und zur Auflösung des Arzneistoffs handelt. Neben den physikochemischen Eigenschaften wie dem pH-Wert ist es vor allem auch die vorliegende Medienmenge, die für die konzentrationsabhängigen Auflösungs- und Absorptionsprozesse oraler Arzneistoffe von entscheidender Bedeutung ist. Auch der Transport der Flüssigkeiten im Gastrointestinaltrakt ist aufgrund des Cotransports von Arzneiform und Arzneistoff für das Anflutungsverhalten oral eingenommener Arzneimittel relevant. Insbesondere die Magenentleerung stellt hier bekanntermaßen einen essenziellen Parameter dar. Das Wissen zu welchem Zeitpunkt, an welchem Ort im Gastrointestinaltrakt, welches Volumen mit den bestimmten Eigenschaften vorliegt ist aber in vielen Fällen nur relevant, wenn man zum selben Zeitpunkt auch die Position und das Zerfalls- oder Freisetzungsverhalten der oralen Arzneiform kennt. Das Verhalten oraler Arzneiformen in vivo kann sich unter Umständen deutlich von dem Verhalten in vitro unterscheiden. Zudem sind die Transitbedingungen im Gastrointestinaltrakt vielfältigen Abhängigkeiten, sowie Schwankungen unterworfen und unterliegen daher einer relevanten Variabilität. Die Verbindung der Untersuchungen von gastrointestinalen Flüssigkeitsmengen und ihren Verteilungskinetiken zusammen mit der Untersuchung von Transit, Freisetzung und Zerfall oraler Arzneiformen ist umfangreich und komplex, daher wurden im Rahmen dieser Arbeit verschiedene Einzelfragestellungen zu dem übergeordneten Themenbereich bearbeitet.
So wurden relevante Aspekte der Interaktionen von gastrointestinalen Volumina, dem Transport und oral verabreichten Arzneimitteln durch Mitarbeit an einem Review umfassend ausgearbeitet und einige unzureichend geklärte Zusammenhänge identifiziert. Zusätzlich wurden verschiedene in vivo Studien unter Zuhilfenahme der MRT Bildgebung durchgeführt. Um die Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit sicherzustellen, entsprachen die Protokolle und Designs dieser Studien weitgehend den Bedingungen Klinischer Studien der Phase I.
Eine wichtige Fragestellung im Bereich der oralen Biopharmazie ist dabei immer die Interaktion mit Nahrung. So wurde in der ersten Studie die spezifische Nahrungsmittel-interaktion mit Grapefruitsaft untersucht. So weisen viele oral verabreichte Arzneistoffe gleichgerichtete Effekte nach Einnahme von Nahrung und nach Einnahme von Grapefruitsaft auf, sodass neben der bekannten Enzym- und Transporterwirkung des Grapefruitsaftes auch ein Volumeneinfluss vermutet wurde. Für einige Arzneimittel ist dieser Volumeneffekt möglicherwiese sogar maßgeblich. In der durchgeführten Studie wurden jeweils 240 mL Grapefruitsaft, isokalorische Fruktose- und Glukoselösung, sowie Wasser von 6 Probanden eingenommen und die gastrointestinalen Volumina über mehr als 90 min quantifiziert. Neben einer verlangsamten Magenentleerung ergab sich durch den Grapefruitsaft dabei vor allem ein vergrößertes Flüssigkeitsvolumen im Dünndarm. So war 80 min nach Einnahme des Grapefruitsafts das Dünndarmvolumen im Mittel doppelt so hoch wie nach Einnahme von Wasser. Die Verlangsamung der Magenentleerung des Grapefruitsafts war dabei vor allem durch Glukose vermittelt, während die Veränderungen im Dünndarmvolumen vor allem auf den Fruktosegehalt zurückzuführen sind. Insbesondere die Volumenvergrößerung kann über den Effekt auf die Arzneistoffkonzentration sowohl zu verbesserter als auch verschlechterter Bioverfügbarkeit führen. Auflösungsprozesse insbesondere von BCS II Stoffen werden zwar verbessert, die Absorption von BCS III Stoffen wird durch den verringerten Konzentrationsgradienten allerdings verschlechtert. Sowohl die positiven als auch die negativen Effekte von Grapefruitsaft auf die Bioverfügbarkeit verschiedener Arzneistoffe können demnach auch kalorische Effekte der enthaltenen Kohlenhydrate sein und lassen sich damit auch auf andere Fruchtsäfte übertragen. Inwieweit insbesondere intestinale Volumina wirklich eine relevante Rolle für die Arzneistoffabsorption spielen bleibt jedoch unklar.
Ein weiteres ausgesprochen relevantes Phänomen bei der postprandialen Arzneimitteleinnahme stellt die Magenstraße dar, die eine schnelle Wasserentleerung am Speisebrei vorbei beschreibt und auch Arzneistoffe aus dem Magen mitreißen kann. In einer weiteren Studie wurde daher die Entleerung von 240 mL Wasser nach Einnahme verschiedener Mahlzeiten mit der Wasserentleerung im nüchternen Zustand verglichen. Bei den Mahlzeiten handelte es sich um ein feststoffbasiertes fettreiches Standardfrühstück, ein feststoffbasiertes fettarmes leichtes Frühstück und eine homogene fettreiche Cremespeise mit je 500 kcal. Der ursprünglich vermutete Zusammenhang zwischen Fettgehalt und Auftreten der Magenstraße konnte widerlegt werden. Bei beiden festen Mahlzeiten kam es unabhängig vom Fettgehalt und im Gegensatz zur fettreichen Cremespeise auch 60 min nach der ersten Wassergabe zu einer ausgeprägten Magenstraße. Dieses Auftreten zu späteren Zeitpunkten nach Nahrungseinnahme ist so relevant, da es durch das Ausspülen von Arzneistoff aus dem postprandialen Magen Dose Dumping-ähnliche Effekte herbeiführen kann. Dies geschieht nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, was zu einer kritischen Erhöhung der Variabilität im Real Life, aber auch in Studien führt. Dieser Effekt ließe sich auch für die schnelle Anflutung im postprandialen Zustand zum Beispiel mithilfe von Arzneistofflösungen ausnutzen. Für klinische Studien erscheint vor allem die Standardisierung und Dokumentation der Flüssigkeitsgabe über längere Zeiträume als bisher zur Vermeidung unerwünschter Variabilitäten essenziell.
Die Variabilität der Volumina und ihrer Transportvorgänge stellt bekanntermaßen eine Quelle für die pharmakokinetische Variabilität dar und sollte daher ebenfalls charakterisiert werden. Dazu wurden die pseudonymisierten Daten eigens durchgeführter und vergleichbarer Studien gepoolt und die nüchternen Residualvolumina des Magens, sowie die Entleerung von 240 mL Wasser nach nüchterner Applikation untersucht. Dabei wurde die interindividuelle Variabilität zwischen Probanden mit der intraindividuellen Variabilität einzelner Probanden verglichen. Die Magenentleerung stellt unbestritten einen Kernparameter dar und die Menge des Residualvolumens bestimmt maßgeblich die physikochemischen Eigenschaften des Freisetzungsmediums nach nüchterner Applikation. Selbst unter den hochstandardisierten Bedingungen klinischer Studien mit 10 stündigem Fasten über Nacht, ergaben sich dabei deutliche Unterschiede im nüchternen Residualvolumen des Magens. Im interindividuellen Mittel innerhalb der Studienkollektive betrug das nüchterne Residualvolumen 49 ± 19 mL mit einer Spannbreite von 17 mL bis 93 mL. Dies unterschied sich kaum vom intraindividuellen Mittel innerhalb der wiederholten Messungen eines Probanden mit 44 ± 18 mL und einer Spannbreite von 22 mL bis 77 mL. Auch die Magenentleerung war sowohl interindividuell als auch intraindividuell vergleichbaren Schwankungen unterworfen. So stellte sich sowohl bei den nüchternen Residualvolumen als auch bei der Magenentleerung heraus, dass die intraindividuelle Variabilität vergleichbar mit der interindividuellen Variabilität ist. Diesem Fakt wurde bisher zu wenig Bedeutung beigemessen, denn das bedeutet, dass ein Proband nach Mehrfachgabe die gleiche Variabilität zeigen kann, wie ein ganzes Studienkollektiv aus mehreren Probanden. Bei oraler Gabe stellt die gleiche Person demnach keineswegs eine reproduzierbare Referenz für sich selbst dar. Es zeigt auch, dass der Einnahmezeitpunkt in Relation zum MMC eine große Bedeutung für die Menge und physikochemische Zusammensetzung des gastrischen Freisetzungsmediums hat.
Um über die Untersuchung der gastrointestinalen Flüssigkeiten hinaus auch den Arzneiformentransit und -zerfall und das Zusammenspiel mit dem Flüssigkeitstransport zu untersuchen, wurden bekannte Kontrastierungsmethoden für die MRT adaptiert und neue Methoden unter Nutzung von Lebensmitteln entwickelt. Mithilfe einer auf getrockneten Ananasstücken basierenden Methode konnte unter anderem der Transit und Zerfall von DRcapsTM als Cap in-Cap Formulierung im Zusammenspiel mit der Magenentleerung des eingenommenen Wassers untersucht werden. Der Produktclaim einer verzögerten Desintegration, die zeitgesteuert die Freisetzung im Magen verhindert und erst im Dünndarm zu einer Freisetzung führen soll wurde ebenfalls überprüft. Dazu wurden im nüchternen Zustand eine schwimmende und sinkende Formulierung getestet. Hartkapseln haben aufgrund ihrer Pulverfüllung in der Regel eine relativ niedrige Dichte. Dies könnte die Vergleichbarkeit des Transits mit etablierten magensaftresistenten Tabletten einschränken. Bekanntermaßen stellen schwimmende Monolithen auch ein Konzept der Gastroretention dar, was für die Funktion der DRcapsTM aufgrund der Gefahr einer Desintegration im Magen nachteilig wäre und daher in dieser Studie ebenfalls überprüft wurde. Die Magenentleerungszeitpunkte lagen im Mittel bei 45 ± 35 min für die schwimmenden Kapseln und 36 ± 18 min für die sinkenden Kapseln. Demnach sind schwimmende Monolithen entgegen verbreiteter Meinung nach nüchterner Applikation nicht gastroretentiv. Für die Vergleichbarkeit des Transits schwimmender modifiziert freisetzender Kapseln ist dies jedoch vorteilhaft. Die Zerfallszeiten konnten ebenfalls bestimmt werden und die Desintegration fand ausschließlich im Dünndarm statt. Des Weiteren wurde unabhängig von der Dichte in mehreren Fällen eine Magenentleerung der Kapseln lange vor abgeschlossener Wasserentleerung beobachtet. Dieser schnellen Entleerung wird in Modellen bisher möglicherweise zu wenig Bedeutung beigemessen.
Um auch schnell freisetzende Hartkapseln besser untersuchen zu können, wurde die Methodik angepasst und der Lebensmittelfarbstoff Eisenoxid als MRT-Kontrastmittel und Koffein als pharmakokinetischer Marker im Speichel verwendet. In einer Pilotstudie ergab sich eine deutliche Abhängigkeit vom Zerfallsort der Kapseln und der Geschwindigkeit der pharmakokinetischen Anflutung. Vom visuellen Zerfall der Kapsel vergingen nach Desintegration im Fundus 6,5 ± 2,5 min, im Antrum 3 ± 2 min, wohingegen in dem Einzelfall des Zerfalls im Dünndarm ein unmittelbares Auftauchen des Koffeins beobachtet wurde. Die Studie lieferte wertvolle erste Einblicke und bestätigte den Nutzen der Kombination von MRT Bildgebung und der Untersuchung der Pharmakokinetik von Koffein im Speichel. Es liegen nun mehrere etablierte Methodiken vor, um zu untersuchen wann und wo konventionelle, aber auch magensaftresistente oder zeitlich verzögert freisetzende Kapseln freisetzen und welchen pharmakokinetischen Effekt dies gegebenenfalls hat.
Über die Kernthemen der Arbeit hinaus wurden diverse andere Projekte insbesondere mithilfe Telemetrischer Kapseln in Human- und Tierstudien erfolgreich mitbearbeitet. Darüber hinaus fanden die im Rahmen dieser Arbeit erhobenen Daten bereits Eingang in verschiedene biorelevante Freisetzungsapparaturen und PBPK Modelle. Bisher sind jedoch weder der Einfluss der gastrointestinalen Volumina noch des Transits abschließend geklärt. Die hoch wirkstoffabhängigen Einflüsse, werden in weiteren Studien weiter wirkstoffspezifisch zu untersuchen sein, oder können mithilfe der Implementierung der gewonnenen Daten in in vitro und in silico Tools simuliert werden.