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Das bisherige Wissen über den Einfluss von pharmazeutischen Hilfsstoffen auf die Funktion von Arzneistofftransportern ist insbesondere für die pharmakokinetisch bedeutsame Gruppe der Aufnahmetransporter sehr beschränkt. Die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten in vitro Untersuchungen liefern umfangreiche und systematische Daten zu inhibitorischen Effekten von häufig verwendeten pharmazeutischen Hilfsstoffen auf die Transportfunktion der in vielen pharmakologisch bedeutsamen Geweben exprimierten organic cation transporter (OCT) 1-3 sowie H+/peptide cotransporter (PEPT) 1/2. Für viele dieser pharmakokinetisch-relevanten Aufnahmetransporter sind es die erstmals beschriebenen Interaktionen mit pharmazeutischen Hilfsstoffen.
Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass der pharmazeutische Hilfsstoff Cremophor® EL (CrEL) neben der bereits bekannten Hemmung von Phase-I-Metabolismus und Effluxtransport auch die zelluläre Aufnahme von Arzneistoffen beeinflusst, wie am klinisch relevanten Beispiel des Doxorubicin dargestellt wurde. Hierbei beeinflusste der genannte Hilfsstoff die zelluläre Akkumulation von Doxorubicin über die Aufnahmetransporter organic anion transporting polypeptide (OATP) 1A2 sowie OCT1, OCT2 und OCT3 in artifiziellen Zellmodellen und zeigte sich zudem auf funktioneller Ebene anhand einer erheblich veränderten Zytotoxizität in MDA-MB-231 Brustkrebszellen. Auf diesem Wege könnten pharmazeutische Hilfsstoffe zusammen mit Transporter-Polymorphismen wie beispielsweise für OATP1A2, deren Rolle für Doxorubicin in dieser Arbeit auch untersucht wurde, für unaufgeklärte Veränderungen sowie Variabilität der Pharmakokinetik, Effektivität und Sicherheit von Arzneistoffen verantwortlich sein.
Die spezifische Normalisierung von in vitro Transportdaten auf den Transportproteingehalt anstelle des Gesamtproteingehaltes kann dabei zur erheblichen Verbesserung der Beurteilung von Transportaktivitäten einzelner Transportproteine sowie deren Beteiligung am Transportprozess eines Arzneistoffes beitragen, wie für die Aufnahme von Doxorubicin und der damit assozierten Zytotoxizität über die OATP1A2-Varianten gezeigt werden konnte.
In der durchgeführten in vivo Studie zeigten sich durch CrEL hervorgerufene Veränderungen in der systemischen Pharmakokinetik sowie noch weit drastischere Auswirkungen auf die Akkumulation des Modellarzneistoffes Clarithromycin (CLA) am Wirkort in der Lunge. Die Hemmung des Cytochrom P450 (CYP) 3A-Metabolismus und des multidrug resistance protein 1 (ABCB1)-vermittelten Effluxtransportes in Leber, Nieren und alveolären Makrophagen konnte hierbei als möglicher Mechanismus für die erhöhte Exposition von CLA im Blutplasma und in den bronchoalveolären Lavage-Zellen identifiziert werden. Allerdings ist die Interpretation von derartigen in vivo-Befunden aufgrund des komplexen und zum Teil simultan ablaufenden Wechselspiels von zahlreichen Aufnahme- und Effluxtransportern sowie von Metabolisierungsenzymen nicht eindeutig konklusiv.
Derartiges Wissen zur Interaktion pharmazeutischer Hilfsstoffe mit pharmakologisch bedeutsamen Enzymen und Transportern kann dazu beitragen, gewünschte Wirkungen zu verstärken sowie unerwünschte Effekte zu minimieren. Das Zusammenspiel der Einflüsse von pharmazeutischen Hilfsstoffen auf Metabolismus, Efflux und Aufnahme kann somit sowohl zu synergistischen als auch zu antagonistischen Effekten auf die Absorption, Verteilung und Elimination eines Arzneistoffes führen. Weiterhin sollte berücksichtigt werden, dass viele Erkrankungsbilder sowie Polymorbidität nicht selten die Therapie mit mehreren Arzneimitteln erfordern, welches auch mit einem erhöhten Risiko für Arzneistoff-Hilfsstoff-Interaktionen verbunden ist.
Die Erkenntnisse dieser Arbeit zum Einfluss von häufig verwendeten Hilfsstoffen auf die Funktion von Arzneistofftransportern unterstreichen, dass von den zunächst als pharmakologisch inert eingestuften Substanzen in Arzneimitteln durchaus pharmakokinetische Effekte ausgehen können.
Dieses Wissen sollte insbesondere bei der präklinischen Entwicklung von Arzneistoffen berücksichtigt werden. Andernfalls drohen möglicherweise Fehlinterpretationen, wenn neue Entwicklungskandidaten in Anwesenheit von pharmazeutischen Hilfsstoffen (z.B. zur Verbesserung der Löslichkeit) auf ihre Affinität zu Metabolisierungsenzymen und Transportern geprüft werden.
Neben der etablierten Anwendung als pharmazeutischer Hilfsstoff rückt in der letzten Zeit auch vermehrt die Nutzung von beispielsweise Cyclodextrinen wie Hydroxypropyl-β-cyclodextrin als Wirkstoff zur Behandlung von Krankheiten wie Krebs oder Arteriosklerose in den Fokus der Forschung. Weitere Untersuchungen zum Einfluss von pharmazeutischen Hilfsstoffen und deren Potential zur Interaktion mit Arzneistoffen, der Optimierung bestehender Therapien sowie möglicher Anwendungen als Wirkstoff sollten im Fokus künftiger in vitro und in vivo Studien stehen.
Moderne Arzneistoffentwicklungsprogramme erbringen in zunehmendem Maße schwer wasserlösliche Arzneistoffe. Dies bringt pharmazeutisch-technologische und biopharmazeutische Probleme für deren Formulierung mit sich. Eine ausreichende Löslichkeit ist notwendig für die Herstellung von intravenös zu applizierenden Zubereitungen und die Durchführung von in vitro Untersuchungen z.B. im Rahmen der Arzneistoffentwicklung. Eine schlechte Löslichkeit kann die Resorption verzögern und so die Bioverfügbarkeit von oral verabreichten Arzneistoffen beeinträchtigen. Lösungsvermittler bieten eine Möglichkeit, die Wasserlöslichkeit von Arzneistoffen zu verbessern und finden breite Anwendung in vielen zugelassenen Arzneimitteln und v.a. in der präklinischen und klinischen Entwicklung. Trotz des Anspruchs der pharmakologischen Inaktivität wurde in der Literatur für verschiedene Lösungsvermittler jedoch ein Einfluss auf die Pharmakokinetik von Arzneistoffen beschrieben. Die Absorption, Verteilung und Elimination eines Arzneistoffes wird zu großen Teilen von Transportproteinen und metabolisierenden Enzymen bestimmt. Als Ursache für die pharmakokinetischen Veränderungen wurde eine Interaktion der Hilfsstoffe mit dem Effluxtransporter P-Glykoprotein (ABCB1) und dem metabolisierenden Enzym Cytochrom P450 (CYP) 3A4 erkannt. Zum Einfluss auf Aufnahmetransporter gab es bisher nur wenige Erkenntnisse für Cremophor EL. Da sie dem Metabolismus und Efflux vorgelagert sind, spielen Aufnahmetransporter eine besondere Rolle. Daher gab es einen speziellen Bedarf an Wissen über den Einfluss von Lösungsvermittlern auf Aufnahmetransporter. In der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluss der Lösungsvermittler Polyethylenglykol (PEG) 400, Hydroxypropyl-β-cyclodextrin (HPCD), Solutol HS15 (SOL) und Cremophor EL (CrEL) auf die Aufnahmetransporter organic anion transporting polypeptide (OATP) 1A2, OATP1B1, OATP1B3, OATP2B1 und Na+ / taurocholate cotransporting polypeptide (NTCP) an zellulären Transportermodellen untersucht. PEG 400 hemmte selektiv OATP1A2. HPCD hemmte bei allen Transportern nur die Aufnahme von Substraten mit Sterangrundgerüst vermutlich durch Komplexbildung, stimulierte jedoch die NTCP-abhängige Aufnahme von Bromosulfophthalein (kein Steran). SOL und CrEL hemmten alle Transporter. Für OATP1B1 und NTCP (Hemmung oberhalb der kritischen Mizellbildungskonzentration (CMC)) ist ein mizellares trapping als Ursache wahrscheinlich. Für OATP1A2, OATP1B3 und OATP2B1 (Hemmung unterhalb der CMC) müssen spezifische Mechanismen involviert gewesen sein. Pharmakokinetische Interaktionen mit Hilfsstoffen können also auch auf Ebene der Aufnahmetransporter stattfinden. Im zweiten Teil der Arbeit wurde die in vivo Relevanz der Befunde überprüft. In einer Studie wurde der Einfluss von PEG 400, HPCD und SOL auf die Pharmakokinetik der Modellarzneistoffe Paracetamol, Talinolol, Colchicin und Ciclosporin A nach intravenöser Applikation an Ratten untersucht. Dabei erwies sich keiner der Hilfsstoffe als vollständig inert. Es wurde eine Vielzahl unterschiedlicher Effekte beobachtet. Häufig traten Veränderungen in der AUC, der Halbwertzeit und der Verteilung auf. Grundsätzlich schienen alle in Frage kommenden Mechanismen auch in vivo eine Rolle zu spielen. Die in der Literatur beschriebene Hemmung von Effluxtransport und Phase I Metabolismus konnte bestätigt werden. Die in vitro beobachtete Hemmung von Aufnahmetransportern konnte in vivo belegt werden. Auch unspezifische Mechanismen wie Komplexbildung und mizellares trapping schienen in vivo relevant zu sein. Durch die Überlagerung verschiedener Mechanismen ergab sich jedoch ein sehr komplexes Bild, das sowohl von den Eigenschaften des jeweiligen Hilfsstoffes als auch von denen des Arzneistoffes geprägt war. Daher konnten in den meisten Fällen nur allgemeine Hypothesen zu den möglichen Ursachen der Interaktion aufgestellt werden. Aus demselben Grund ist keine Extrapolation der Daten auf andere Lösungsvermittler und Arzneistoffe im Sinne einer Vorhersage möglich, da die wenigsten Substanzen ausreichend gut charakterisiert sind. Dennoch lässt sich schlussfolgern, dass Lösungsvermittler ein gewisses Interaktions-potenzial besitzen, das sich nicht nur auf ABCB1 und CYP3A4 beschränkt. Damit können sie an Arzneimittelinteraktionen beteiligt sein. Diese Effekte sollten somit auch in der Arzneimittelentwicklung berücksichtigt werden.