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Die Therapie von Erkrankungen des hinteren Auges erfolgt heute hauptsächlich durch die intravitreale Injektion von Lösungen, Suspensionen oder Implantaten. Um neue intravitreale Arzneiformen zu entwickeln werden in der präklinischen Phase neben In vitro-Untersuchungen zur Wirkstofffreisetzung auch In vivo-Studien an Tieren verwendet. Die Physiologie des Auges der verwendeten Tiere weicht jedoch von denen des humanen Glaskörpers ab, weshalb die Übertragbarkeit der Ergebnisse teilweise kontrovers diskutiert wird. Durch eine Kombination dieser in vivo-Studien mit biorelevanteren In vitro-Freisetzungsmodellen könnte ein besseres Verständnis für das Verhalten von intravitrealen Arzneiformen erhalten werden.
In dieser Arbeit wurde die EyeFlowCell entwickelt, bei der zentral der humane Glaskörper durch ein künstliches Gel simuliert wird. In dieses Glaskörpersubstitut injizierte Arzneiformen können hinsichtlich ihrer Wirkstofffreisetzung unter verschiedenen Aspekten charakterisiert werden…
Die Magen-Darm-Passage von Arzneiformen ist ein komplexer Vorgang, der durch starke Variabilität gekennzeichnet ist. Die Inhomogenität der Passagebedingungen betrifft sowohl die physiko-chemischen Eigenschaften des Milieus der einzelnen Abschnitte des Magen-Darm-Traktes als auch deren spezifische Motorik und kann das Wirkstoffabgabeverhalten fester peroraler Arzneiformen beeinflussen. Die Komplexität der Gegebenheiten in vivo macht es notwendig, die peroralen Arzneiformen hinsichtlich der Applikationsbedingungen zu optimieren, um ein gezieltes Wirkstoffabgabeverhalten und somit die therapeutische Wirkung bei Patienten zu erzielen. Dies gilt besonders für Arzneiformen mit modifizierter Wirkstofffreisetzung, die gewöhnlich hohe Dosen von Arzneistoffen enthalten. Die Wirkstoffabgabe und somit die Anflutung in die systemische Zirkulation werden bei solchen Präparaten von der Arzneiform determiniert. Deswegen erscheint die zuverlässige Funktion der Arzneiform von essentieller Bedeutung für die Sicherheit und Optimierung der Therapie. Die Untersuchung des Wirkstoffabgabeverhaltens einer Zubereitung wird vor Anwendung am Menschen laut Arzneibüchern in so genannten Freisetzungstests überprüft. Basierend auf den physiologischen Erkenntnissen wurde versucht die Freisetzungstests an die physiologischen Verhältnisse stärker anzupassen. In zahlreichen Studien wurde der Einfluss der Freisetzungsmedien auf das Freisetzungsverhalten der Arzneiformen erforscht. Diese Adaptation der Freisetzungsuntersuchung an die physiologischen Verhältnisse wurde bereits im Arzneibuch in Form von „biorelevanten Freisetzungsmedien“ berücksichtigt. Die Relevanz des Einflusses der Hydrodynamik und der Mechanik des Magen-Darm-Traktes auf das Freisetzungsverhalten der Arzneiformen ist zwar akzeptiert aber unzureichend untersucht. Zum Anfang dieser Arbeit wurde eine Hypothese formuliert die besagt, dass vor allem die mechanischen Aspekte der Magen-Darm Passage, aber auch der unterbrochene Medienkontakt das Freisetzungsverhalten fester peroralen Arzneiformen mit modifizierter Wirkstofffreisetzung beeinflussen können. Die Stressfaktoren konnten in den bisher entworfenen Testverfahren und Arzneibuchmethoden nicht auf biorelevante Weise simuliert werden. Deswegen wurde in dieser Arbeit ein Freisetzungstestgerät entwickelt, das vermag, die mechanischen Aspekte der GI-Passage monolithischer Arzneiformen realistisch nachzubilden. Die Konstruktion ermöglicht eine parallele Simulation von GI-spezifischen Druckverhältnissen, Diskontinuität und Intensität der physiologischen Transportvorgänge und des unterbrochenen Kontaktes der Arzneiformen zu den Freisetzungsmedien. Das Gerät ist geeignet, vor allem die monolithischen Arzneiformen wie zum Beispiel Tabletten oder Kapseln mit modifizierter Wirkstofffreisetzung zu testen. Im Laufe der Arbeit wurden entsprechende Testprogramme etabliert, die die kritischen Momente der GI-Passage von Arzneiformen simulieren. Die Programme sind Kombinationen aus Ruhephasen, die durch kurze Stressereignisse unterbrochen werden. Die zeitliche Abfolge der Stressphasen wurde so programmiert, dass die physiologischen Passagezeiten der Arzneiformen realistisch imitiert werden. Die Intensität der Stressereignisse wurde dabei so definiert, dass die Maxima der physiologisch relevanten Belastungswerte nachgebildet werden können. Gezeigt wurde, dass die Simulation des biorelevanten Stresses der Magen-Darm-Passage sowohl in Form von Transportvorgängen als auch variablen Druckverhältnissen die Freisetzungscharakteristika der getesteten Retardarzneiformen bedeutend beeinflusste. Die Ergebnisse belegen, dass die mechanische Beständigkeit der hydrophilen Matrixtabletten von entscheidender Bedeutung für deren Freisetzungsverhalten in vitro und in vivo ist. Ferner wurde gezeigt, dass durch Simulation nüchterner Passagebedingungen das In vivo-Freisetzungsverhalten einer Modellarzneiform nachgebildet werden kann. Die Testergebnisse weisen darauf hin, dass die starken Fluktuationen der Plasmaspiegel durch die Anfälligkeit der Arzneiform auf den biorelevanten Stress hervorgerufen werden. Diese Anfälligkeit scheint eine der wichtigsten Ursachen für arzneiformbedingte Interaktionen darzustellen, besonders für dose dumping in vivo, und kann unter Anwendung der offiziellen Methoden nicht erfasst werden. Gezeigt wurde, dass durch den Einsatz des biorelevanten Freisetzungs-Testgerätes die risikobehafteten Formulierungen mit unerwünschter Wirkstoffsfreisetzungscharakteristik in einem einfachen Testverfahren identifiziert werden können. Nachgewiesen wurde, dass die Veränderungen der Freisetzungscharakteristika der Arzneiformen, die durch die Stressereignisse biorelevanter Intensität ausgelöst werden, eine klinische Relevanz aufweisen. Nunmehr wurde die Einsetzbarkeit des Gerätes in den Screeninganalysen von bioäquivalenten Produkten bestätigt.
Biorelevante In-vitro-Freisetzungsmethoden sind im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einem unverzichtbaren Hilfsmittel in der Entwicklung von innovativen und generischen oralen Formulierungen geworden. Sie dienen in einer frühen Phase der Produktentwicklung u.a. zur Selektion von geeigneten Formulierungskandidaten im Vorfeld von Bioverfügbarkeits- und Bioäquivalenzuntersuchungen. Mithilfe biorelevanter Freisetzungsmethoden sollen dabei der menschliche Gastrointestinaltrakt (GIT) oder Teile davon simuliert werden, um somit Aussagen zum In-vivo-Freisetzungsverhalten der untersuchten Formulierung treffen zu können. Im Zuge der Entwicklung biorelevanter In-vitro-Testmethoden lag der Fokus bisher vorrangig in der Abbildung der gastrointestinalen Physiologie eines gesunden Erwachsenen. Inter- und intraindividuelle Unterschiede und andere Faktoren, die das Freisetzungsverhalten im GIT beeinflussen können, wie beispielsweise das Alter des Patienten oder zusätzliche Erkrankungen, blieben hingegen größtenteils unberücksichtigt. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollten daher individualisierte In-vitro-Freisetzungsmodelle entwickelt werden, welche die In-vivo-Variabilität des gastrointestinalen Transitverhaltens von Darreichungsformen und die variablen pH-Bedingungen des GIT nach Nüchterneinnahme widerspiegeln sollen. Auf Grundlage der zu entwickelnden Modelle sollte es demnach möglich sein, die Robustheit des Freisetzungsverhaltens von modifiziert freisetzenden Arzneiformen gegenüber inter- und intraindividuellen Unterschieden im Passageverhalten und den vorherrschenden pH-Bedingungen zu untersuchen. Am Beispiel von magensaftresistenten Acetylsalicylsäure (ASS)-Formulierungen wurde zunächst im Rahmen eines systematischen Screenings der Einfluss der Zusammensetzung des Freisetzungsmediums auf die Wirkstofffreisetzung untersucht. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf dem Vergleich phosphatgepufferter Medien mit dem physiologisch für den nüchternen Dünndarm relevanten Kohlensäure (H2CO3)/Hydrogencarbonat (HCO3-)-Puffersystem. Auf Basis von Literaturdaten zur Elektrolytzusammensetzung der intestinalen Flüssigkeiten wurde als Resultat des systematischen Screenings mit Carbonate-based Fasted State Simulated Intestinal Fluid (CarbFaSSIF) ein Freisetzungsmedium entwickelt, welches die Elektrolytzusammensetzung der luminalen Flüssigkeiten des nüchternen Dünndarms widerspiegelt und auf dem H2CO3/HCO3--Puffersystem basiert. Der Einsatz eines automatischen pH-Regulationssystem (pHysio-grad®) zur Stabilisierung von thermodynamisch instabilen HCO3--basierten Freisetzungsmedien ermöglichte es, mit CarbFaSSIF dynamische intestinale pH- und Transitprofile in hoher zeitlicher Auflösung in einer kompendialen Blattrührerapparatur zu simulieren. Am Beispiel von magensaftresistenten Mesalazin- und Natriumvalproatformulierungen wurde die Robustheit des Freisetzungsverhaltens gegenüber der Variabilität gastrointestinaler pH- und Passagebedingungen untersucht. Mit dem lokal im GIT wirkenden Mesalazin und dem systemisch wirkenden Natriumvalproat wurden zwei Arzneistoffe mit unterschiedlichen Wirkprinzipien ausgewählt, die aufgrund eines individuell variablen Freisetzungsverhaltens zu teils schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen oder zu einem Therapieversagen führen könnten. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden beispielhaft individuelle pH- und Transit-Bedingungen von vier individuellen Probanden einer in der Literatur beschriebenen In-vivo-Studie für die In-vitro-Simulationen ausgewählt, welche einerseits den Durchschnitt der In-vivo-Studie widerspiegelten, aber auch extreme Passage- und pH-Bedingungen aufwiesen. Die untersuchten Formulierungen zeigten abhängig von der Art der magensaftresistenten Überzüge eine unterschiedliche Sensitivität gegenüber den individuellen simulierten pH- und Transit-Profilen. Für die Mesalazinformulierungen war es möglich, den Ort und das Ausmaß der Wirkstofffreisetzung, die für eine erfolgreiche Therapie ausschlaggebend sind, in individuellen Probanden in vitro zu bestimmen. Im Gegensatz zu den lokal im GIT wirkenden Mesalazinformulierungen sind für die antiepileptische Therapie mit magensaftresistenten Natriumvalproatformulierungen neben dem Ausmaß insbesondere der Zeitpunkt der Wirkstofffreisetzung für konstante Plasmaspiegel von entscheidender Bedeutung. Darauf basierend wurden unter Verwendung der ermittelten Freisetzungsdaten und mithilfe von individuellen pharmakokinetischen Parametern für die natriumvalproathaltigen Darreichungsformen In-silico-Simulationen mit einem neuen Simulationsprogramm (BioavailabilityDesign expert) zur Vorhersage von Natriumvalproatplasmaprofilen durchgeführt. Die ermittelten In-silico-Plasmaprofile wurden dabei mit dem mathematischen Verfahren des durchschnittlichen Euklidischen Abstands mit In-vivo-Daten aus der Literatur verglichen, um die In-vivo-Vorhersagekraft des Freisetzungsmodells beurteilen zu können. Abhängig von der Art des magensaftresistenten Überzugs und dem daraus resultierenden unterschiedlichen Ansprechen auf die Bedingungen der In-vitro-Freisetzungstests konnten für zwei der drei untersuchten Natriumvalproatformulierungen vielversprechende Vorhersagen zu den resultierenden Plasmaspiegeln getroffen werden. Ein weiterer Aspekt der vorliegenden Arbeit lag in der Implementierung des pHysio-grad®-Systems und der neu entwickelten HCO3--basierten Medien in prädiktiven Freisetzungstestmethoden für pädiatrische Darreichungsformen. Um vor allem das im GIT von Kindern, insbesondere bei Neugeborenen und Kleinkindern, im Vergleich zum Erwachsenen für die Wirkstofffreisetzung zur Verfügung stehende geringere Flüssigkeitsvolumen in einem In-vitro-Test hinreichend wiedergeben zu können, wurde für diesen Zweck eine neue Freisetzungsapparatur entwickelt. Das konstruierte System basierte auf standardisierten Prüfgefäßen und ermöglichte Freisetzungsuntersuchungen in einem Volumen von 30 bis 110 mL. Durch die Einbindung von miniaturisierten Komponenten des pHysio-grad®-Systems konnten zur Simulation der intestinalen Bedingungen von Kindern unterschiedlicher Altersgruppen auch physiologisch-relevante HCO3--Medien eingesetzt werden. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit verdeutlichen, dass individualisierte Freisetzungsmethoden basierend auf physiologischen HCO3--Medien einen vielversprechenden Ansatz zur Beurteilung der Robustheit der Wirkstofffreisetzung von modifiziert freisetzenden Arzneiformen hinsichtlich der Variabilität von gastrointestinalen Transit und pH-Bedingungen darstellen. Darüber hinaus wurde mit einem Freisetzungsmodell für pädiatrische Arzneiformen ein erster Ansatz entwickelt, um die Besonderheiten, die mit der Arzneimittelapplikation an Kindern in Verbindung stehen, in einem In-vitro-Maßstab wiederzugeben. Die im Rahmen dieser Arbeit entwickelten In-Vitro-Methoden basieren auf physiologischen Daten von gesunden erwachsenen Probanden, stellen aber eine universelle Plattform dar, die perspektivisch auch zur Simulation von individuellen Patienten eingesetzt werden kann. Die neu konzipierten Freisetzungsmodelle würden daher zukünftig sehr von systematischen In-vivo-Studien an Patienten profitieren, die Einflussfaktoren, wie Alter oder Erkrankungen, auf die Eigenschaften der luminalen Flüssigkeiten und das gastrointestinale Passageverhalten von Arzneiformen untersuchen.
Der Einsatz von 3D-Druckverfahren für die Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten stellt eines der größten neu entstandenen Forschungsgebiete dieses Jahrzehnts dar und gilt als ein technologischer Meilenstein im Bereich der personalisierten Medizin. Neben der Formindividualisierung von Implantaten können durch 3D-Druckverfahren wie dem in dieser Arbeit untersuchten Fused deposition modeling (FDM) auch die Wirkstoffdosis angepasst, deren Freisetzung gesteuert oder mehrere Wirkstoffe und/oder Freisetzungsprofile in einer Darreichungsform patientenindividuell kombiniert werden. Voraussetzung für diese Formulierungsentwicklungen sind geeignete pharmazeutische Polymere und eine genaue Kenntnis ihrer Extrudier- und Druckbarkeit und ihrer Wirkstofffreisetzung, die im Rahmen dieser Arbeit untersucht werden sollten. Neben der Identifikation und Evaluation von druckbaren Polymeren sollte auch das Potenzial des FDMs für die Produktion von wirkstoffhaltigen Darreichungsformen sowohl für die parenterale als auch die perorale Applikation mit besonderem Augenmerk auf anspruchsvolle Wirkstoffe geprüft werden. Mit der Aufnahme dieser Arbeit belief sich die Auswahl an druckbaren Materialien für pharmazeutische Anwendungen primär auf die auch im technischen FDM verwendeten Polymere Polylactid und Polyvinylalkohol. Das zunächst begrenzte Spektrum möglicher Freisetzungsprofile der inkorporierten Arzneistoffe konnte unter anderem durch die in dieser Arbeit dargelegten Untersuchungen erweitert werden. Im Bereich des FDMs von Implantaten ergaben das bei nur 53 °C gedruckte Polycaprolacton eine vielversprechende Freisetzung des im Polymer komplett gelösten Modellarzneistoffs Chinin über einen Zeitraum von etwa 7 Wochen mit einer initial schnelleren Freisetzung, die sich sowohl durch die Wirkstoffbeladung als auch durch wasserlösliche Zusätze steuern ließ. Als Alternative zum klassischen FDM wurde darüber hinaus eine Spritzenextrusionsmethode zur Herstellung von flexibleren Hydrogel-Implantaten untersucht. Es konnten erfolgreich wirkstoffhaltige Glycerol-Gelatine-Modellimplantate gedruckt und anschließend quervernetzt werden. Abgesehen von ihrer guten Komprimierbarkeit für eine mögliche endoskopische Applikation sind jedoch die sehr schnelle Wirkstofffreisetzung innerhalb von 6 h und die beobachteten lagerungsabhängigen Volumenveränderungen nur schwer mit einer Anwendung als patientenindividuell angepasstes Implantat vereinbar. Im Bereich des FDMs von oralen Darreichungsformen lag der Fokus dieser Arbeit auf einer sehr schnellen Wirkstofffreisetzung aus der Polymermatrix und der Entwicklung von Lösungsstrategien für das FDM von anspruchsvollen Wirkstoffen, mit denen Forscher auch bei zukünftigen FDM-Anwendungen umgehen werden müssen. Eine der größten Limitationen der thermischen Verfahren Schmelzextrusion und FDM lag bis dato in der Notwendigkeit thermisch stabile Wirkstoffe einzusetzen. Durch ein ausführliches Screening von wasserlöslichen, pharmazeutischen Polymeren bei gleichzeitigem Einsatz des thermolabilen Modellarzneistoffs Pantoprazol-Natrium konnten in dieser Arbeit erfolgreich Formulierungen entwickelt werden, die bei Temperaturen unter 100 °C extrudier- und druckbar sind und eine schnelle Wirkstofffreisetzung aufweisen. Zu den vielversprechendsten Kandidaten gehören die amorphen festen Lösung des Polymers Polyethylenglycol 6000 mit einer sehr niedrigen Drucktemperatur von 54 °C und einer abgeschlossenen Freisetzung innerhalb von 30 min und die Formulierung des Polyvinylpyrrolidons K12, die neben den 10 % Pantoprazol auch 15 % Triethylcitrat enthielt und den kompletten Wirkstoff in etwa 10 min freisetzte. Durch Änderung des Druckdesigns der biplanen Tablette durch Senkung der Füllungsrate und Erhöhung der Tablettenporosität konnte diese Freisetzungszeit noch weiter auf sehr schnelle 3 min reduziert werden. Da das verwendete Pantoprazol zusätzlich säurelabil ist, erfolgte in einem nächsten Schritt eine magensaftresistente Ummantelung dieser schnell freisetzenden Tablettenkerne mittels Zweidüsen-FDM. Aufgrund der hohen Drucktemperatur des dafür verwendeten Celluloseacetatphthalats ergab sich ein zweigeteiltes Manteldesign, das jedoch in anschließenden Freisetzungsuntersuchungen keine komplette Magensaftresistenz erzielen konnte. Für eine ausreichende Dichtigkeit sollte für zukünftige Untersuchungen eine Veränderung im Düsenwechsel und/oder der Druck eines dickeren Mantels in Betracht gezogen werden, der wiederum eine weitere Verzögerung der Arzneistofffreisetzung nach dem pH-Anstieg bei Übertritt der Tablette in den Darm bedingen würde. Zusammenfassend betrachtet, liefert die vorliegende Arbeit wertvolle Erkenntnisse über den Einsatz von verschiedenen Polymeren für das FDM von Tabletten und Implantaten, die für eine gezielte Freisetzung - auch von anspruchsvollen Arzneistoffen – für kommende FDM-Anwendungen genutzt werden können.
Das Ziel biorelevanter Freisetzungsmethoden ist es, bereits in vitro prädiktive Aussagen zu treffen, wie die Freisetzung einer Arzneiform in vivo aussehen wird. Während basierend auf den physiologischen Gegebenheiten des Gastro-Intestinal-Traktes von Erwachsenen in den vergangenen 15 Jahren bereits viele solcher Methoden etabliert worden sind, fehlen sie für Kinder verschiedenster Altersklassen. Im Fokus dieser Arbeit stand deswegen, die Grundlagen sowohl der gastro-intestinalen Physiologie als auch der Ernährung der pädiatrischen Population zu legen und erste biorelevante Freisetzungskonzepte und –medien für diese Altersgruppen zu entwickeln. Entwickelt wurden verschiedene Methoden und Medien zur Simulation des Magens, sowohl unter nüchternen als auch unter postprandialen Bedingungen, von Neugeborenen (Kinder im ersten Lebensmonat) sowie Kleinkindern (2. bis einschließlich 24. Lebensmonat). Der Magensaft eines Neugeborenen hat kurz nach der Geburt oft einen neutralen pH. Der pH-Wert im Magen wird schrittweise immer saurer, doch diese Entwicklung ist sehr inkonsistent. Somit muss für einen Freisetzungstest von einer großen, möglichen pH-Spanne ausgegangen werden. In dem entwickelten Testszenario werden sechs pH-Werte zwischen 1,8 und 7,0 mit verschiedenen Medien dargestellt. Die untersuchten Wirkstoffe wiesen eine pH-abhängige Löslichkeit auf und zeigten deswegen auch sehr unterschiedliche Freisetzungsverläufe in den verschiedenen Medien. Die Ernährung in den ersten Lebensmonaten basiert ausschließlich auf Milch, so dass darauf als Freisetzungsmedium für postprandiale Bedingungen zurückgegriffen wurde. Es wurden verschiedene Formulamilcharten sowie Kuhmilch (3,5 % Fettgehalt) getestet, wobei sich Unterschiede zwischen den einzelnen Milcharten gezeigt haben. Außerdem wurde ein Testszenario etabliert, das mit einer Mischung aus Magensaft und zur Arzneiform co-administrierten Flüssigkeiten arbeitet. Hier zeigte sich, dass die Gabe von Milch die unterschiedlichen pH-Werte des Magensafts nivellieren kann und die Freisetzung maßgeblich von den Eigenschaften der Milch dominiert wird. Für Kleinkinder wurde in die Entwicklung von Freisetzungsszenarien miteinbezogen, dass bei Einnahme einer Arzneiform unter nüchternen Bedingungen unterschiedliche Mengen Flüssigkeit dazu getrunken werden. In allen Testverfahren wurde neben der Variabilität des Trinkvolumens außerdem noch die Variabilität des pH-Wertes des Magensaftes zwischen pH 1,8 und 4,0 berücksichtigt. Hierbei zeigte sich, dass die variable Magenphysiologie als auch unterschiedliche, dazu eingenommene Flüssigkeiten bzw. -volumina das Ausmaß der Freisetzung beeinflussen können. Für die Entwicklung eines Freisetzungstests zur Simulation der postprandialen Bedingungen im Magen eines Kleinkindes wurden drei Frühstücksmahlzeiten von einjährigen Kindern ausgesucht. Aus den pürierten Mahlzeiten wurden verschiedene physikochemische Eigenschaften sowie deren Nährstoffgehalt bestimmt. Diese Informationen wurden genutzt, um neue Medien zu entwickeln, die die Eigenschaften der homogenisierten Mahlzeiten zum großen Teil imitieren, aber einfacher und einheitlicher herzustellen sind. Die Freisetzung in diesen neu entwickelten Medien wurde mit dem Standardmedium für die Freisetzung im postprandialen Magen von Erwachsenen sowie wässrigen Medien verglichen. Weder das bisherige Standardmedium noch die wässrigen Medien wiesen die gleichen Freisetzungsverläufe wie die neu entwickelten Medien auf.
Der Einfluss der Nahrungsaufnahme auf die Wirkstofffreisetzung aus oral applizierten Darreichungsformen ist eine der zentralen Fragestellungen der Biopharmazie. In der vorliegenden Arbeit wurden die physiologischen Faktoren, die die Wirkstofffreisetzung aus festen oralen Darreichungsformen im postprandialen Magen beeinflussen können, näher charakterisiert. Zu diesem Zweck wurde ein biorelevantes In vitro-Freisetzungsmodell (Fed Stomach Model, FSM) entwickelt, das die Simulation mechanischer Beanspruchungen bei der Passage des postprandialen Magens ermöglicht. In speziellen Durchflusszellen konnten die Bewegungen der Arzneiform im Magen, intragastral auftretende Drücke sowie der Mediendurchfluss individuell kontrolliert und in physiologischen Größenordnungen simuliert werden. Die Eignung des FSM wurde anhand einer Zweischicht-Retardtablette mit dem Wirkstoff Diclofenac-Natrium untersucht. Die regionalen Besonderheiten des Magens hinsichtlich der mechanischen Beanspruchungen wurden dabei in Testprogrammen für den Fundus, das Antrum und die Magenentleerung berücksichtigt. Diese wurden, basierend auf den Ergebnissen einer Magnetic Marker Monitoring-Studie, ferner in drei verschiedenen Testszenarien, die das gastrale Lokalisationsverhalten einer oralen Arzneiform im postprandialen Magen über eine Dauer von 4 h beschreiben, in unterschiedlicher Abfolge miteinander kombiniert. Es konnte in Abhängigkeit der simulierten Testszenarien ein verschiedenartiges Freisetzungsverhalten der untersuchten Arzneiform beobachtet werden. Dabei führte die Simulation der milden Beanspruchungen im Fundus zu relativ geringen Freisetzungsraten. Aus den starken mechanischen Beanspruchungen, die die physiologischen Bedingungen im Antrum und während der Magenentleerung abbildeten, resultierten hingegen höhere Wirkstofffreigaberaten. Der Physiologie des Magens entsprechend, vermag das FSM die mechanischen Beanspruchungen, die potentiell auf eine feste orale Arzneiform einwirken, mit geringen Scherraten, aber mit kurzzeitig hohen Scherkräften zu simulieren. Das FSM wurde erfolgreich als ein biorelevantes In vitro-Freisetzungsmodell etabliert, das speziell die mechanischen Besonderheiten der Magenpassage einer festen oralen Darreichungsform berücksichtigt. Es kann dementsprechend die Entwicklung robuster Arzneimittel mit minimiertem Nahrungsmitteleffekt unterstützen, indem ein ungewünschtes Wirkstofffreigabeverhalten einer Formulierung frühzeitig identifiziert werden kann. Eine Magnetresonanztomographie (MRT)-Studie mit 12 gesunden Probanden lieferte erstmals Erkenntnisse zu den Volumina und Fettgehalten des Mageninhaltes nach Einnahme der hochkalorischen und fettreichen FDA-Standardmahlzeit. Der Mageninhalt wird gemeinhin als Auflösungsmedium für den in der Arzneiform enthaltenen Wirkstoff betrachtet, weshalb das zur Verfügung stehende Volumen ein entscheidender Faktor bei der Wirkstofffreisetzung ist. Das Mageninhaltsvolumen (gastric content volume, GCV) betrug nüchtern 31 ± 19 mL. Die Einnahme der Standardmahlzeit führte zu einem Anstieg des GCV auf 580 ± 38 mL. Verbunden mit dem nach Nahrungsaufnahme ebenfalls hohen Fettgehalt des Mageninhaltes von durchschnittlich 9,5 ± 1,0 %, kann dies eine Erhöhung der oralen Bioverfügbarkeit schlecht wasserlöslicher Arzneistoffe im Vergleich zur Nüchternapplikation bedingen. Während das GCV aufgrund der sich initial ausgleichenden Sekretions- und Entleerungsraten über 50 - 90 min relativ konstant war, überwog im Anschluss die Magenentleerung. Das GCV nahm dabei mit einer Rate von 1,7 ± 0,3 mL/min ab. Die Gabe von 240 mL Wasser 30 min nach Beginn der Nahrungsaufnahme führte zu einer kurzzeitig veränderten Magenentleerungskinetik. Das zugeführte Wasser wurde jedoch innerhalb kurzer Zeit aus dem Magen entleert. Bei entsprechend schneller Freisetzung eines Wirkstoffes aus der Arzneiform besteht somit die Möglichkeit, dass der Arzneistoff den Magen zügig mit dem parallel eingenommenen Wasser verlässt. Es wurde ferner gezeigt, dass selbst mehr als 6 h nach Nahrungsaufnahme sowohl das GCV als auch der Fettgehalt des Mageninhaltes im Vergleich zum Nüchternzustand signifikant erhöht waren. In klinischen Studien, bei denen die hochkalorische und fettreiche Standardmahlzeit verwendet wird, kann dementsprechend für mindestens 5 - 6 h von postprandialen Bedingungen ausgegangen werden. Die sich daraus ergebenden mechanischen und physikochemischen Besonderheiten müssen bei der Beurteilung der Studienergebnisse unbedingt berücksichtigt werden. Darüber hinaus können diese Erkenntnisse zur Optimierung der Testbedingungen von biorelevanten In vitro-Freisetzungsmodellen beitragen. Die In vitro- und In vivo-Ergebnisse der vorliegenden Arbeit belegten, dass die Bedingungen innerhalb des postprandialen Magens kritisch für die Wirkstofffreisetzung aus festen oralen Darreichungsformen sind. Die genaue Charakterisierung der Magenpassage ist für die Beurteilung von Nahrungsmitteleffekten somit von großer Bedeutung.
Die Implantation von Arzneistoff-freisetzenden (drug-eluting) Stents in durch Ballonangioplastie revaskularisierte Koronararterien stellt heutzutage eine der wichtigsten Methoden zur Prävention von Restenosen der betroffenen Gefäßabschnitte dar. Die Erzielung wirksamer Konzentrationen der hochpotenten Wirkstoffe in der Gefäßwand unter Vermeidung von unerwünschten systemischen Arzneimittelwirkungen soll durch die kontrollierte Arzneistofffreisetzung im stenosierten Gefäßabschnitt gewährleistet werden. Aufgrund der Unzugänglichkeit des Wirkortes für direkte Konzentrationsbestimmungen liegen bis dato jedoch nur wenige Daten bezüglich der Wirkstofffreisetzung und -verteilung aus Humanstudien vor. Da die zur Verfügung stehenden offizinellen und nicht offizinellen Methoden zur Untersuchung des In vitro-Verhaltens von Arzneiformen lediglich ein Akzeptorkompartiment aufweisen, sind sie ebenfalls nur bedingt zur Vorhersage der Freisetzung aus einem Stent am Implantationsort geeignet. Verteilungprozesse können mit diesen Methoden nicht beschrieben werden. Aus diesem Grund war es das Ziel der vorliegenden Arbeit, einen an die In vivo-Bedingungen am Implantationsort adaptierten In vitro-Freisetzungstest für Arzneistoff-freisetzende Stents basierend auf den Methoden des Europäischen oder US-Amerikanischen Arzneibuchs zu entwickeln. Der Freisetzungstest sollte dazu geeignet sein, sowohl die Wirkstofffreisetzung und -verteilung zwischen verschiedenen Kompartimenten als auch räumliche Verteilungsmuster innerhalb eines Gefäßwand-simulierenden Kompartiments zu untersuchen. Als Basis für die Modellentwicklung wurde aufgrund der am Implantationsort in vivo vorliegenden Bedingungen die Durchflusszellen-Apparatur ausgewählt, die die einzige offizinelle Methode darstellt, bei der ein gerichteter Fluss erzeugt wird. Zur Simulation der Gefäßwand sollte ein zusätzliches Akzeptorkompartiment in die Durchflusszelle eingebracht werden. Da das Kompartiment einerseits formstabil sein sollte und andererseits die Aufnahme und den Transport des Arzneistoffs durch Diffusion ermöglichen sollte, wurden verschiedene Hydrogele hinsichtlich ihrer Eignung zur Integration in die Durchflusszelle untersucht. Calciumalginat wurde als geeignetes Hydrogel für das zusätzliche Akzeptorkompartiment identifiziert und durch Veränderungen an der Durchflusszellen-Apparatur erfolgreich in den Freisetzungstest integriert. Es wurde eine zentrale Aussparung im Hydrogel geschaffen, die im Modell das Gefäßlumen simuliert und in die ein Stent mittels Ballonkatheter implantiert werden kann. Nach der Implantation des Stents kann die Öffnung im Hydrogel mit dem Freisetzungsmedium mit einer Flussrate von 35 ml/min, die dem Blutfluss in Koronarien entspricht, perfundiert werden. Durch Einsatz geeigneter Medienvolumina kann die Einhaltung von Sinkbedingungen, die als das größte Problem der häufig eingesetzten nicht offizinellen Testsysteme gilt, sichergestellt werden. Nach erfolgter Entwicklung wurde die Eignung des Modells durch die Testung verschiedener Stentmodelle geprüft werden. Neben der Bestimmung der Freisetzung der Modellsubstanzen ins Durchflussmedium während der Perfusion und der am Versuchsendpunkt in der Stentbeschichtung verbliebenen Modellsubstanz-Anteile wurden verschiedene Methoden zur Untersuchung des Hydrogels nach Beendigung der Perfusion entwickelt. Zur direkten Quantifizierung der ins Hydrogel diffundierten Modellsubstanz wurde eine geeignete Methode zur Verflüssigung des Gels identifiziert. Zur Untersuchung der räumlichen Verteilung innerhalb des Hydrogels wurden zwei Methoden zur Präparation des Hydrogels entwickelt, die die Untersuchung im Fluoreszenzmikroskop ermöglichten. Einerseits wurde anhand von Mikrotomschnitten die Diffusionstiefe im Querschnitt untersucht. Unter Verwendung von Alginatfilmen war andererseits die Untersuchung der Innenseite des simulierten Gefäßlumens parallel zur Flussrichtung möglich. Unter Verwendung einer Finite-Elemente-Methode konnten zudem ausgewählte Freisetzungsversuche mathematisch modelliert werden. Für die Berechnungen wurden im Rahmen dieser Arbeit experimentell bestimmte Diffusionskoeffizienten zu Grunde gelegt. Die Ergebnisse der Freisetzung mit dem im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Testsystem wiesen im Vergleich zur Testung mit offizinellen Methoden eine Verlangsamung der Entleerung der Stentbeschichtung bei allen Modellsubstanzen durch die an die In vivo-Situation adaptierten Einbettungs- und Flussbedingungen auf. Diese Beeinflussung der Freisetzungsgeschwindigkeit durch die Freisetzungsbedingungen unterstreicht die Notwendigkeit, für die In vitro-Evaluation von Arzneistoff-freisetzenden Stents spezialisierte, an die In vivo-Bedingungen adaptierte Testsysteme einzusetzen. Mit dem im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Freisetzungsmodell steht erstmals ein solches Testsystem zur Verfügung.
Revaskularisierende Maßnahmen wie die perkutane transluminale Angioplastie sowie die Stentimplantation zählen heutzutage zu den Standardtherapieverfahren der koronaren Herzkrankheit. Insbesondere die Einführung der mit proliferationshemmenden Wirkstoffen wie Paclitaxel oder Sirolimus beschichteten drug-eluting stents (DES) konnte die Restenoserate der behandelten Gefäße auf unter 10 % senken. Der Erfolg der kardiovaskulären Intervention ist dabei insbesondere auch von der Freisetzungskinetik der Wirkstoffe aus der Polymerbeschichtung der Stents abhängig. Methoden zur Untersuchung des In vitro-Freisetzungsverhaltens sind jedoch weder im Europäischen noch im US-Amerikanischen Arzneibuch monographiert, meist werden aber offizinelle Methoden wie der Eintauchende Halter oder die Durchflusszelle sowie nicht offizinelle, einfache Shake-Flask-Methoden zur Bestimmung der In vitro-Freisetzung verwendet. Dabei bleiben allerdings Besonderheiten von DES wie die Einbettungsbedingungen in das Gewebe der Gefäßwand oder die Flussbedingungen unberücksichtigt. Mit der Einführung der Gefäßsimulierenden Durchflusszelle (vFTC) mit einem Gewebemodell in Form eines Hydrogels als zweitem Akzeptorkompartiment konnten dagegen Parameter wie der Blutfluss, die Verteilung des Wirkstoffes in die Gefäßwand sowie reine Diffusionsprozesse auf der abluminalen Seite der Stents in vitro simuliert werden. Durch Modifikation des Hydrogels mittels hydrophober Zusätze konnte auch bereits ein Einfluss auf die Freisetzung von Modellarzneistoffen aus schnellfreisetzenden Stents gezeigt werden. Ziel dieser Arbeit war es daher, auch für die tatsächlich in DES eingesetzten Arzneistoffe Sirolimus und Paclitaxel Gewebemodelle auf Basis von Hydrogelen zu entwickeln und den Einfluss dieser Gewebemodelle auf die In vitro-Wirkstofffreisetzung in der vFTC zu untersuchen.
Dazu wurden zunächst analytische Methoden zur Quantifizierung der beiden Wirkstoffe entwickelt und validiert. Zur Identifizierung eines geeigneten Freisetzungsmediums wurde anschließend die Stabilität der Wirkstoffe in verschiedenen pufferbasierten und ungepufferten Medien sowie unter Zusatz von stabilisierenden Additiva untersucht. Eine mit Butylhydroxytoluol und Brij® L23 stabilisierte 0,9 %-ige Kochsalzlösung wurde dabei als geeignet identifiziert, die Stabilität der beiden Wirkstoffe über einen Freisetzungszeitraum von fünf Tagen zu gewährleisten.
Auf Basis vorhergehender Arbeiten wurde für die Entwicklung der Gewebemodelle auf ein 2 %-iges Agarosegel als Grundlage zurückgegriffen. Um die Verteilung der Wirkstoffe in das Gewebemodell zu erhöhen, wurden verschiedene Zusätze wie Lecithin, LiChroprep® RP-18, Lipofundin® MCT/LCT 20 %, mittelkettige Triglyceride und Cholesterol zur Hydrophobisierung beigemischt. Außerdem wurden Elastin und bovines Serumalbumin als Zusätze gewählt, um spezifische Bindungen der Wirkstoffe im Gewebe zu simulieren. Zur Untersuchung der Eignung der entwickelten Hydrogele als Gewebemodell wurde der Verteilungskoeffizient zwischen Hydrogel und Wirkstofflösung ermittelt und mit ex vivo ermittelten Literaturwerten zwischen humanem Aortengewebe und einer Wirkstofflösung verglichen. Zusätze von 10 % Lipofundin®, 0,1 % LiChroprep® + 0,02 % Lecithin sowie 0,1 % Lecithin wurden als geeignet befunden, um die Verteilung von Sirolimus in das Gewebe humaner Aorta mit unterschiedlichem Status zu simulieren und wiesen zudem eine ausreichende Stabilität für Freisetzungsuntersuchungen in der vFTC über einen Zeitraum von fünf Tagen auf.
Die Untersuchung des Einflusses dieser drei Gewebemodelle als Hydrogelkompartiment auf die Wirkstofffreisetzung aus DES in der vFTC wurde mit Sirolimus-beschichteten Stents mit Poly-L-Milchsäure als Beschichtungspolymer über 120 h durchgeführt. Zum Vergleich wurde zusätzlich die Wirkstofffreisetzung in einer einfachen Shake-Flask-Methode sowie in der Durchflusszelle ohne Hydrogelkompartiment beziehungsweise mit einem Agarosegel ohne Zusätze bestimmt. Es konnte ein triphasisches Freisetzungsverhalten mit biphasischem, jeweils nach einer Kinetik 1. Ordnung ablaufenden burst release von 30 - 40 % des Wirkstoffes innerhalb der ersten 12 h sowie nachfolgender langsamer Diffusionsphase beobachtet werden. Ein Vergleich der unterschiedlichen Freisetzungs-methoden zeigte eine langsamere Freisetzung unter Verwendung der Durchflusszelle sowie eine weitere Verringerung des in das Medium freigesetzten Wirkstoffanteils durch die Einführung eines zweiten Akzeptorkompartiments in der vFTC. Statistisch signifikante Unterschiede wurden aber vorrangig in der Verteilung des Wirkstoffes zwischen den Kompartimenten gesehen. So führte die Verwendung von 10 % Lipofundin als Zusatz zu einer Erhöhung des Anteils an Sirolimus im Gewebemodell von etwa 1 % auf fast 14 % der Gesamtfreisetzung nach fünf Tagen (p < 0,05). Im Gegensatz zu vorherigen Untersuchungen mit Modellarzneistoffen ist es für den tatsächlich in DES eingesetzten Wirkstoff Sirolimus also gelungen, ein Gewebemodell mit ausreichend hohem Verteilungskoeffizienten zu entwickeln, mit dem signifikante Unterschiede in der Verteilung zwischen den verschiedenen Kompartimenten der vFTC ermittelt werden konnten. In vitro-Wirkstofffreisetzungsuntersuchungen aus DES mittels der vFTC können somit durch die Verwendung von Gewebemodellen mit einem den In vivo-Bedingungen angepassten Verteilungskoeffizienten für die betreffenden Wirkstoffe eine noch bessere Abschätzung der In vivo-Verteilung eines aus DES freigesetzten Wirkstoffes in die Arterienwand leisten. Auch für biorelevante In vitro-Wirkstofffreisetzungsuntersuchungen aus anderen Implantaten können die in dieser Arbeit entwickelten Gewebemodelle möglicherweise einen wertvollen Beitrag leisten.
Die Bedingungen im Magen sowie der Prozess der Magenentleerung haben großen Einfluss auf das Anflutungsverhalten schnell freisetzender Arzneiformen. Die intra- und interindividuellen Schwankungen, für die hinsichtlich der Wirkstofffreisetzung bedeutenden Parameter, können daher maßgeblich zur Variabilität von Plasmakonzentrations-Zeit-Profilen beitragen. Über geeignete Formulierungen lassen sich solche Schwankungen minimieren. Voraussetzung dafür sind In vitro Modelle, die frühzeitig eine physiologisch relevante Charakterisierung von Formulierungskandidaten ermöglichen. Das Ziel dieser Arbeit war es daher, ein In vitro Freisetzungsmodell zu entwickeln, das für die Wirkstoffanflutung wesentliche physiologische Parameter des humanen Magens auf realistische Weise abbilden kann.
Im Rahmen erster Untersuchungen mit dem bereits etablierten Dynamic Open Flow Through Test Apparatus wurde geklärt, welchen Einfluss die Magenentleerungskinetik des Wassers auf das Anflutungsverhalten zweier N Acetylcystein Formulierungen (Granulat und Tablette) hat. In zuvor durchgeführten klinischen Studien war gezeigt worden, dass es aus pharmakokinetischer Sicht keine Unterschiede zwischen den Formulierungen gibt und beim Granulat selbst die Einnahme ohne Wasser keinen nennenswerten Einfluss auf die Pharmakokinetik hat. Die In vitro-Untersuchungen zeigten, dass diese Effekte vor allem auf die, unter den dynamischen Bedingungen der Magenentleerung, begrenzte Lösungsgeschwindigkeit des ansonsten gut wasserlöslichen Wirkstoffes zurückzuführen waren. Infolge der langsamen Freisetzung hatte die Entleerung des gleichzeitig eingenommenen Wassers nur geringen Einfluss auf die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Arzneistoffentleerung in das Duodenum. Vielmehr ist wahrscheinlich, dass der Migrating Motor Complex über die Entleerung ungelöster Partikel das Anflutungsverhalten dominiert.
Im weiteren Verlauf der Arbeit wurde mit dem GastroDuo ein neues Modell entwickelt, in das Daten aus verschiedenen Humanstudien zur Charakterisierung der gastrointestinalen Parameter implementiert werden konnten. Über die Entwicklung verschiedener Testprogramme konnte die Simulation kritischer Parameter, sowohl des nüchternen als auch des postprandialen Magens, realisiert werden. Dadurch konnten in zwei Fallstudien, die bei postprandialer Applikation auftretenden pharmakokinetischen Besonderheiten verschiedener Fertigarzneimittel auf mechanistische Weise geklärt werden. So erklärten sich die resultierenden individuellen Plasmaspiegelverläufe der Fertigarzneimittel Viagra® und Adenuric® durch deren unterschiedliche Freisetzungs- und Entleerungscharakteristik. In den In vitro-Versuchen erwiesen sich diese Arzneiformen in ihrem Zerfalls- und Freisetzungsverhalten als unterschiedlich sensitiv gegenüber hydrodynamischen beziehungsweise mechanischen Einflüssen. So zeigten sich in den uns zur Verfügung gestellten pharmakokinetischen Daten für Viagra® vor allem Verläufe einer langsamen und kontinuierlichen Anflutung. Für Adenuric® wurde hingegen ein schnelles Anfluten beobachtet, was sich durch die schnelle Entleerung der fein dispergierten Arzneistoffpartikel über die Magenstraße in vitro erklären ließ.
Ähnliche Beobachtungen konnten für eine neu entwickelte Aspirin®-Formulierung gemacht werden. Diese zeigte aufgrund der angewandten Formulierungsstrategie ein, gegenüber der alten Formulierung, stark beschleunigtes Anfluten unter postprandialen Bedingungen. Wie die In vitro-Daten nahelegten, geschah dies aufgrund der zuverlässigen Entleerung über die Magenstraße. Bei der ursprünglichen Formulierung wurden hingegen deutlich niedrigere maximale Plasmakonzentrationen und ein wesentlich späteres Auftreten dieser maximalen Werte beobachtet. Diese Effekte ließen sich durch die langsame und unvollständige Entleerung aus den Magenzellen des GastroDuo bestätigen und erklären. In diesem Projekt konnte dementsprechend die Bedeutung der angewandten Formulierungsparameter und deren Wechselwirkung mit den physiologischen Begebenheiten aufgezeigt werden.
Abschließend wurde durch eine kombinierte In vitro /In vivo Studie die Eignung des GastroDuo für die prospektive Untersuchungen von Arzneiformen evaluiert. Dazu wurden vier verschiedene Darreichungsformen mit dem Modellarzneistoff Coffein mittels GastroDuo, sowie in einer Humanstudie untersucht. Durch den Nachweis von Coffein im Speichel der Probanden war eine Beurteilung des Zerfallsverhaltens in vivo möglich. Die Resultate der In vivo Studie wiesen gewisse Abweichungen von den erzielten In vitro Ergebnissen auf. Dabei wurde deutlich, dass eine Gewichtung der genutzten Testprogramme zwingend erforderlich ist, da die untersuchten Parameter in vivo mit verschiedenen Häufigkeiten und Auswirkungen auftreten.
Die durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass das GastroDuo als vielversprechendes Instrument für die Beurteilungen von schnell freisetzenden Darreichungsformen angesehen werden kann. Der modulare Aufbau ermöglicht die Testung definierter physiologischer Parameter unter kontrollierbaren Bedingungen. Allerdings erfordert dieser Aufbau jeweils einen Satz verschiedener Experimente. Nach unserer Auffassung ist dieser Ansatz jedoch unabdingbar um frühzeitig fundierte Aussagen über die Qualität von Arzneimitteln treffen zu können.
Die Verlängerung des Magenaufenthalts von oralen Arzneiformen steht seit mehr als 30 Jahren im Fokus internationaler Forschungsgruppen. Trotz der Vermarktung diverser Systeme gelang es bislang nicht, eine sichere und reproduzierbare Gastroretention von Arzneiformen zu realisieren. Dies würde jedoch enorme Möglichkeiten für die Therapie mit oral applizierten Arzneimitteln mit sich bringen. Die Reduktion der Einnahmefrequenz, das Vermeiden von Plasmaspiegelspitzen sowie die gesteigerte Patientenadhärenz sind nur einige der denkbaren Vorteile. Die größte Hürde gastroretentiver Systeme ist dabei die Motilität des menschlichen Magens. Starke Kontraktionswellen sind für eine rasche Entleerung insbesondere unter Nüchternbedingungen verantwortlich. Daneben kommt es zu höchsten Belastungen auf Arzneiformen, was wiederum die Wirkstofffreisetzung beschleunigen kann, mit drastischen Folgen für den Patienten. In der präklinischen Testung neu entwickelter Systeme fehlt häufig der Bezug zur Physiologie des Magens und die Vorhersagekraft von Freisetzungstests ist dementsprechend gering. Ziel der Arbeit war daher die Charakterisierung der relevanten Parameter im Magen im Rahmen einer Humanstudie. Die aus dieser Humanstudie gewonnenen Daten zu pH-Werten, Temperaturen und insbesondere Drücken im Magen sollten anschließend genutzt werden, um die im Arbeitskreis verfügbaren, biorelevanten Freisetzungsmodelle weiterzuentwickeln. Abschließend sollten verschiedene, kommerziell erhältliche gastroretentive Arzneiformen unter Berücksichtigung der Magenphysiologie auf ihr Freisetzungsverhalten getestet werden. Die Ergebnisse der Humanstudie zeigten die enorme Abhängigkeit der Magenaufenthaltszeit einer telemetrischen Kapsel vom prandialen Status der Probanden. Nach Einnahme der Standardmahlzeit, wie sie in klinischen Studien zu Nahrungsmitteleffekten Verwendung findet, kam es zu Magentransitzeiten von über 20 h. Dagegen wurde die Kapsel unter Nüchternbedingungen spätestens nach 2,7 h aus dem Magen entleert. Die intragastralen Drücke nach postprandialer Einnahme der Kapsel betrugen mindestens 240 mbar und waren aufgrund des verlängerten Magenaufenthalts deutlich zahlreicher im Vergleich zur Nüchterneinnahme. Die Ergebnisse der In vitro-Untersuchungen zeigten, dass die herkömmlich verwendeten Freisetzungstestgeräte nicht in der Lage sind, biorelevante Belastungen auf eine telemetrische Kapsel auszuüben. Maximale Drücke von 14 mbar waren im eintauchenden Zylinder zu beobachten, welche wir jedoch auf den hydrostatischen Druck beim Eintauchen zurückführen konnten. Im Gegensatz dazu waren wir mit Hilfe unserer neuartigen In vitro-Freisetzungsmodelle in der Lage, vollständige Druckprofile nachzustellen, wie sie auch in vivo beobachtbar waren. Die Freisetzungsuntersuchungen der gastroretentiven Präparate Glumetza® 1000 und Madopar® Depot unter biorelevanten Bedingungen offenbarten die extreme Drucksensitivität dieser Systeme. Hierfür definierten wir auf Basis der In vivo-Daten drei realistische Druckprofile und stellten diese in vitro nach. Früh auftretende, leichte Belastungen während der Freisetzungstests führten bei der flotierenden Arzneiform Madopar® Depot bereits zur vollständigen Wirkstofffreisetzung. Glumetza® 1000 schien abhängig vom Quellungszustand auf die Belastungen zu reagieren, wobei spätestens stärkere Belastungen nach 6 h zur vollständigen Freisetzung des Wirkstoffs führten. Auf Basis dieser Ergebnisse ist anzuzweifeln, dass die bislang erhältlichen gastroretentiven Systeme über einen längeren Zeitraum im Magen intakt bleiben und kontrolliert ihren Wirkstoff freisetzen. Daneben können die entwickelten Testmethoden dazu genutzt werden, um die Entwicklung neuartiger gastroretentiver Systeme voranzutreiben.