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Hintergrund:
Die zunehmende Impfkritik in bestimmten Bevölkerungskreisen wird in Zusammenhang mit der zunehmenden Verbreitung von Komplementärmedizin gebracht. Homöopathie ist einer der stärksten Vertreter unter der wachsenden Komplementär-Medizin. Besonders in der Pädiatrie, wo die meisten Impfungen durchgeführt werden, wird Homöopathie vermehrt eingesetzt. Eine Umfrage aus dem Jahre 1996 zeigte erstmals, dass entgegen der öffentlichen Meinung homöopathische Ärzte in Deutschland keine entschiedenen Impfgegner sind, aber durchaus kritischer und individueller beim Impfen vorgehen.
Methodik:
In der vorliegenden Arbeit werden Impfeinstellung und Impfverhalten unter niedergelassenen Pädiatern in ganz Deutschland untersucht. Hierbei werden Pädiater mit und ohne Zusatzbezeichnung Homöopathie gegenübergestellt.
Mittels einer repräsentativen Querschnittuntersuchung wurden im Jahre 2006/2007 50 % (N=3019) aller niedergelassenen Pädiater aus ganz Deutschland per Post (Zufallsstichprobe) zum Thema Impfen befragt. Ergänzend wurden zeitgleich 245 homöopathisch orientierte Pädiater in die anonymisierte Befragung eingeschlossen. Das Instrument wurde zuvor in einer Pilotstudie unter 200 deutschen Pädiatern evaluiert. Die Auswahl der Pädiater erfolgte über Adressverzeichnisse der Kassenärztlichen Vereinigungen und Ärztekammern der verschiedenen Bundesländer, sowie zusätzlich über den Deutschen Zentralverein für homöopathische Ärzte (DZVhÄ) und der Karl und Veronica Carstens (KVC)-Stiftung um eine möglichst große Vergleichsgruppe an homöopathischen Pädiatern zu erhalten. Die Rückläufe der Zufallsziehung, der zusätzlich homöopathischen Pädiater und der Pilotstudie wurden für die Auswertung gepoolt.
Für einen Vergleich wurden mittels 6 (Teil)-Fragen des Erhebungsinstrumentes Pädiater mit und ohne Schwerpunkt-/Zusatzbezeichnung Homöopathie differenziert. Letztere wurden zusätzlich unterschieden in Pädiater, die Homöopathie oder eine andere alternative/komplementäre Medizin anwenden oder rein konventionelle Medizin betreiben.
Das Impfverhalten wurde im Hinblick auf das Einhalten der STIKO-Empfehlungen anhand von 3 Fragen des Erhebungsinstrumentes als Mittelwert-Score operationalisiert:1. Impfen Sie nach dem empfohlenen Impfkalender der STIKO? 2. Wie würden Sie eigene minderjährige Kinder Impfen? 3. Ab welchem Alter empfehlen Sie in der Regel die erste Durchführung von Impfungen?
Um die Impfeinstellung zu operationalisieren, wurden die skalierten Positionierungen zu 8 vorgegebenen Meinungen zum Impfen zu einem Mittelwert-Score verrechnet. Der Einfluss folgender relevanter Variablen auf Impfeinstellung und Impfverhalten wurde mit einer multivariablen linearen Regression untersucht: Alter, Geschlecht, Ort der Niederlassung, Anteil an Privatpatienten und Zusatzbezeichnung Homöopathie. Für einen Vergleich mit den Studienergebnissen von 1996 wurde ein Impfkritiker-Index erstellt.
Ergebnisse und Diskussion:
Mit insgesamt 3464 angeschriebenen niedergelassenen Pädiatern (über 50 % aller niedergelassenen Pädiater aus jedem Bundesland) handelt es sich um die bisher größte bundesweite Studie zum Thema Impfen. Die Responserate ist mit insgesamt ca. 67 % überdurchschnittlich hoch, was ein großes Interesse zum Impfthema vermuten lässt. Vor dem Hintergrund einer weitestgehend vollständigen und aktuellen Praxis-Adress-Datenbasis kann diese Studie als deutschlandweit repräsentativ angesehen werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind trotz leichter methodisch bedingter Einschränkungen in der Konstruktion der Stichprobe einmalig und aussagekräftig.
Pädiater mit und ohne Zusatzbezeichnung Homöopathie unterscheiden sich im Hinblick auf ihre Impfeinstellung und ihr Impfverhalten (orientiert an den STIKO-Empfehlungen) signifikant. Die überwiegend positive, aber kritische Haltung zum Impfen unter homöopathischen Pädiatern ähnelt den Ergebnissen von P. Lehrke von 1996. Das Vorurteil „Homöopathen seien Impfgegner“ konnte für Kinderärzte aussagekräftig widerlegt werden. Mit ca. 70 % hat die Mehrheit der homöopathisch arbeitenden Pädiater in Deutschland eine positive Einstellung zum Impfen. Sie sind aber auch mehrheitlich individuelle Impfkritiker. Die stärkste Impfkritik ist unter rein klassischen Homöopathen zu finden, welche ca. 47 % der Pädiater mit Zusatzbezeichnung Homöopathie ausmachen.
Die Zusatzbezeichnung Homöopathie hat von allen relevanten Variablen den größten Einfluss auf eine impfkritische Einstellung und entsprechendes Verhalten. Abweichungen von den STIKO-Empfehlungen betreffen aber überwiegend spätere Impfungen (überwiegend 1–3 Monate), sowie neuere Impfungen wie gegen Pneumokokken, Varizellen und Meningokokken. Als häufigster Grund für Abweichungen von den STIKO-Richtlinien wurde der Wunsch der Patienten angegeben. Da impfkritische Eltern eher Pädiater mit komplementärmedizinischem Zusatzangebot auswählen, beeinflussen sie auch die Erfahrungen und das Impfverhalten des Arztes. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich das Patientenklientel von Homöopathen und Nicht-Homöopathen systematisch unterscheidet. Unterschiedliche Erfahrungen durch den Umgang mit Ungeimpften und den Möglichkeiten homöopathischer Behandlungen könnten die Veränderungen der Impfeinstellung hin zu mehr Impfkritik im Lebenslauf von Homöopathen erklären. Homöopathen geben mit Abstand am häufigsten (über 60 %) eine Veränderung in ihrer Einstellung zum Impfen im Lebenslauf an, Nicht-Homöopathen in nur ca. 10–22 %. Bezüglich der Impfentscheidung der Patienten hat wiederum die persönliche ärztliche Empfehlung als wichtigste Vertrauensperson einen großen Stellenwert. Erfahrungen und Einstellung beeinflussen sich wechselseitig.
Basierend auf der Zufallsstichprobe haben ca. 10 % aller niedergelassenen Pädiater Deutschlands die Zusatzbezeichnung Homöopathie. Es gibt Hinweise, dass die Zusatzbezeichnung Homöopathie auf Grund der Patientennachfrage zugenommen hat. Das kann die häufige Anwendung von Homöopathie unter Pädiatern ohne Zusatzbezeichnung Homöopathie (ca. 40 %) erklären. Entsprechend dem marktwirtschaftlichen Prinzip des Gesundheitssystems wird die Homöopathie trotz wissenschaftlich strittiger Studienlage zunehmend von den Kassen vergütet, u.a. um konkurrenzfähig zu bleiben und Kosten vor allem im Bereich chronischer Krankheiten zu reduzieren.
Ausblick:
Ein Arzt sollte sich der Wirkung seiner Impf-Einstellung auf seine Patienten bewusst sein und bei seiner Impfberatung die Erwartungen und auch die Impfkritik seiner Patienten berücksichtigen. Die Komplexität und Vielseitigkeit des Impfthemas sollte den Impfentscheidern (Patienten) nicht vorenthalten werden sondern eine eigenverantwortliche Impfentscheidung (wie gesetzlich vorgesehen) fördern. Eine fundierte, neutrale und individualisierte Impf-Beratung sollte daher fester Bestandteil der medizinischen Ausbildung sein und in der Umsetzung auch entsprechend honoriert werden, unabhängig von der Impfentscheidung der Patienten. Damit können Verunsicherungen durch zT. emotionalisierende und polarisierende Informations-Medien (Internet, soziales Umfeld, Hebammen) vorgebeugt werden.
Bei zunehmender Verbreitung von Komplementärmedizin und speziell der Homöopathie sollten das Thema Komplementärmedizin in der medizinischen Ausbildung fest integriert werden und entsprechend den Möglichkeiten zur Heilungsunterstützung in der Forschung und klinischen Anwendung den entsprechenden Stellenwert bekommen.
Die krankhafte Fettleibigkeit (Adipositas) wird in weiten Teilen der Welt zunehmend zum bestimmenden Gesundheitsproblem. Die Datenerhebungen der Weltgesundheits-organisation (WHO) sowie der Organisation zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigen einen deutlichen Anstieg der Adipositasprävalenz über die letzten Jahrzehnte. In vielen OECD Ländern gilt heute über die Hälfte der Bevölkerung als übergewichtig oder adipös (WHO: Website der WHO, zuletzt geprüft am 02.09.2017; OECD: Fettleibigkeit und Übergewicht nehmen in den OECD-Ländern weiter zu, zuletzt geprüft am 02.09.2017). Dies wird zur immer größeren Belastung für das Gesundheitssystem, da Adipositas mit vielen Sekundärkrankheiten wie Herz-Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck und bestimmten Krebsarten assoziiert wird (Bray 2004; Després et al. 2001; Malnick und Knobler 2006). Für das Jahr 2003 wurde für das deutsche Gesundheitssystem dadurch ein finanzieller Aufwand in Höhe von 11 Milliarden Euro für die Behandlung von Adipositas oder durch Adipositas verursachte Komorbiditäten veranschlagt (Knoll 2010). Hinzu kommen „emotionale Kosten“ der Betroffenen, die unter sozialer Ausgrenzung und Stigmatisierung leiden (Latner und Stunkard 2003; Neumark-Sztainer et al. 1998; Sobal et al. 1995; Brewis et al. 2011; Brewis 2014).
Neben diesen klar Adipositas-assoziierten gesundheitlichen Beeinträchtigungen hat es immer wieder Untersuchungen zu einem möglichen Zusammenhang von Adipositas und Kognition gegeben. Dieser wurde in vielen Studien am Menschen untersucht und die bisherigen Ergebnisse sehr anschaulich von Anna Dahl und Linda Hassing 2013 beziehungsweise Christina Prickett und Kollegen 2015 analysiert (Dahl und Hassing 2013; Prickett et al. 2015). Diese Übersichtsarbeiten zeigen auf, dass es durchaus Belege für einen Zusammenhang von Adipositas und Kognition gibt, allerdings ist die Datenlage zu diesem Thema durchaus ambivalent.
In dieser Arbeit sollte deshalb der Einfluss von Adipositas auf die Kognition mithilfe eines etablierten Mausmodells für Adipositas untersucht werden. Zu diesem Zweck wurden adulte, vier bis sechs Monate alte, Leptin-defiziente Mäuse (ob) und deren Wildtypkontrollen (wt) vergleichend untersucht. Unsere Daten zeigen, dass Adipositas im Mausmodell nicht mit einer kognitiven Beeinträchtigung einher geht. Sowohl im Verhaltensexperiment (hippocampusabhängiges Lernen, Morris water maze) als auch auf zellulärer Ebene in der Verbindungsdichte der Nervenzellen untereinander (Dichte dendritischer Dornen) zeigten sich zwischen Leptin-defizienten und Wildtyptieren keine signifikanten Unterschiede.
Allerdings wiesen Leptin-defiziente Tiere ein kleineres Hirnvolumen als Wildtypkontrolltiere auf, ein Ergebnis, das mit anderen Publikationen übereinstimmt (Ahima et al. 1999; Steppan und Swick 1999). Detaillierte Analysen der Volumenverhältnisse im Gehirn von Leptin-defizienten und Wildtypmäusen in dieser Arbeit ergaben, dass sich die relativen Größenverhältnisse im Gehirn von ob‑Tieren zugunsten des Hippocampus verschieben. Diese Ergebnisse widersprechen damit Befunden in adipösen Menschen, die kleinere Hippocampusvolumina aufwiesen (Isaac et al. 2011).
Die adulte hippocampale Neurogenese selbst, also die Bildung neuer, funktionaler Neuronen im adulten Gehirn, war im Gyrus dentatus von Leptin-defizienten Mäusen signifikant vermindert. Zusammen mit den Analysen von Proliferation und Apoptose von Hirnzellen im Gyrus dentatus, konnte diese eingeschränkt Neurogenese auf eine geringere Proliferation neuronaler Vorläuferzellen zurückgeführt werden. Die Überlebens-wahrscheinlichkeit schien dabei nicht beeinflusst, da keine erhöhte Apoptose im Gyrus dentatus ermittelt werden konnte.
Die hier durchgeführten Experimente konnten keine direkte, negative Auswirkung von Adipositas auf Kognition im Mausmodell belegen. Wenngleich ein Einfluss auf Aspekte der neuronalen Plastizität durch eine verminderte adulte Neurogenese sowie das Gehirngesamtvolumen bestätigt werden konnte, waren Veränderungen des Verhaltens der ob‑Tiere unter Berücksichtigung ihrer motorischen Defizite nicht nachweisbar.