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Kinetik der Ladungsträger und neutralen Spezies in anisothermen, molekularen Entladungsplasmen
(2009)
In dieser Arbeit wurde die Kinetik geladener und neutraler Spezies in anisothermen, molekularen Niederdruckentladungsplasmen untersucht. Als Arbeitsgas wurde Sauerstoff gewählt, da es noch eine Reihe grundlegender Fragen zu beantworten gibt und da Sauerstoff für viele technische Anwendungen von Interesse ist. Für eine adäquate Beschreibung des Elektronensubsystems wurde die stationäre, räumlich inhomogene kinetische Gleichung der Elektronen gelöst und die Elektronengeschwindigkeitsverteilungsfunktion (EVDF) bestimmt. Auf der Grundlage einer Legendre-Polynomentwicklung wurde eine strikte Multiterm-Beschreibung entwickelt, mit deren Hilfe die EVDF unter Vorgabe realistischer Potentialverläufe zwischen den Elektroden und der Plasmazusammensetzung im Druckbereich von 1 bis ~100 Pa bestimmt wurde. Es konnte der wesentliche Einfluß der dissipativen Stoßterme zur räumlichen Relaxation der EVDF erstmals für Sauerstoff gezeigt werden. In Bereichen kleiner Drücke ist ein Verhalten zu finden, welches typisch für Strahlelektronen ist, d.h. die an der Kathode eingestreute Elektronengruppe wandert praktisch ohne Dämpfung bis zur Anode. Dies spiegelt sich auch in den makroskopischen Größen wider, die im gesamten Entladungsgebiet eine starke räumliche Struktur aufweisen. Bei einer Druckerhöhung ist eine schnelle räumliche Relaxation der EVDF zu beobachten, die bereits beim Verlassen des Kathodenfallgebiets annähernd abgeschlossen ist. Damit in Verbindung stehen räumlich konstante Transportgrößen für die Elektronen oder deren mittlere kinetische Energie. Weiterhin wurde ein System hydrodynamischer Bilanzgleichungen für die betrachteten Spezies in Sauerstoff-Glimmentladungen abgeleitet, welches gekoppelt mit der Poisson-Gleichung gelöst wurde. Somit konnten die Dichten und Ströme der Spezies sowie das elektrische Potential selbstkonsistent bestimmt werden. Für die Analysen wurde ein reaktionskinetisches Modell für Sauerstoff entwickelt, welches alle relevanten Spezies und die zugehörigen Reaktionskanäle enthält. Insbesondere können in den hier betrachteten Plasmen mit Drücken um 100 Pa O2(b 1Σg+), O3 sowie O+ und O2- vernachlässigt werden. Somit war es möglich, sowohl das Startverhalten als auch den stationären Zustand der betrachteten Sauerstoff-Entladungen zu charakterisieren. Dabei konnte festgestellt werden, daß die metastabilen Moleküle O2(a 1Δg) keinen Einfluß auf kurze anormale Glimmentladungen haben, da ihre Dichte im Vergleich zum Bereich der positiven Säule äußerst gering ist. Dagegen wirken sich die negativen Ionen O- merklich auf die Formierung des Raumladungsfelds aus und müssen Berücksichtigung finden. Anhand einer Radiofrequenzentladung konnte zudem der Einfluß der Lokalen-Feld-Näherung (LFA) als auch der Lokalen-Mittleren-Energie-Näherung (LMEA) für die elektronischen Größen auf das Entladungsverhalten gezeigt werden. Hierbei konnte in Übereinstimmung mit der kinetischen Analyse der Elektronen festgestellt werden, daß die LFA zu einer erheblichen Überschätzung der entsprechenden Größen führt und zur nichtlokalen Beschreibung ungeeignet ist. Daher ist die Anwendung der LMEA im Rahmen einer hydrodynamischen Beschreibung zu empfehlen. Weiterhin wurde ein Hybrid-Verfahren entwickelt, welches eine kinetische Beschreibung der Elektronenkomponente sowie eine hydrodynamische Beschreibung der Spezies beinhaltet. Diese Methode wurde angewendet, um den stationären Zustand einer anormalen Sauerstoff-Glimmentladung zu bestimmen. Dabei wurden die Ratenkoeffizienten der Elektronenstoßprozesse auf einem kinetischen Niveau bestimmt und in der hydrodynamischen Beschreibung verwendet, so daß die Qualität der theoretischen Beschreibung wesentlich verbessert wurde. Dieses Verfahren wurde für einen direkten Vergleich mit den bisher durchgeführten rein hydrodynamischen Rechnungen genutzt. Dabei konnte wiederum festgestellt werden, daß die Ratenkoeffizienten in der Lokalen-Feld-Näherung überschätzt werden, was zum einen zu hohe Raten und Teilchendichten zur Folge hat und zum anderen auch die Entladungsparameter für einen erfolgreichen Durchbruch nicht korrekt charakterisiert.