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Die Applikation von Arzneistoffen erfolgt sehr häufig über die orale Gabe. Die Kenntnis der Arzneistoffkonzentration im humanen Darm ist somit essentiell für das Verständnis der oralen Arzneimitteltherapie. Die intestinale Absorption wird von verschiedenen Faktoren bestimmt. Dazu gehören die anatomischen und physiologischen Gegebenheiten des Gastrointestinaltraktes sowie die Eigenschaften des Arzneistoffes und der Arzneiform. Das komplexe Zusammenspiel dieser Faktoren kann die intestinale Konzentration des Arzneistoffes und folglich dessen Absorption und daraus abgeleitet Wirkung und Nebenwirkung beeinflussen. Zur Bestimmung der intraluminalen Arzneistoffkonzentration und zur Charakterisierung des zugehörigen Absorptionsprozesses werden bisher Systeme und Methoden verwendet, welche die Physiologie des Darmes beeinflussen können oder die im Rahmen einer chirurgischen Intervention angewendet werden. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war die Entwicklung und Charakterisierung eines Mikrodialysesystems zur Bestimmung intraluminaler Arzneistoffkonzentrationen im humanen Dünndarm. Dabei sollte das System die positiven Eigenschaften der bisher verwendeten Methoden und Systeme kombinieren. Die verwendeten Materialien wurden so ausgewählt, dass ein flexibles aber dennoch robustes System aus biokompatiblen Bestandteilen erhalten wurde. Das entwickelte System kann zudem mit bildgebenden Verfahren, wie der MRT, kombiniert werden. Das neu entwickelte Mikrodialysesystem besteht letztendlich aus einer Mikrodialyseeinheit sowie einem Zufluss- und Ablaufschlauch. Die finale Mikrodialyseeinheit ist aus 30 semipermeablen Kapillaren mit einer Austauschlänge von 10 cm zusammengesetzt, über die der Stoffaustausch zwischen dem Perfusat als Akzeptor-Kompartiment und dem Medium als Donor-Kompartiment erfolgt. Das System kann hierbei kontinuierlich oder diskontinuierlich perfundiert werden. Für den diskontinuierlichen Perfusatfluss war es hierbei nötig, einen zusätzlichen Schlauch in das System zu integrieren, der ein Abtrennen der gewonnenen Proben im Ablaufschlauch mittels Luftblasen ermöglicht. Die vorgesehene Anwendung des Mikrodialysesystems in klinischen Studien am Menschen wurde bei dessen Entwicklung stets berücksichtigt. Die Einbettung der Mikrodialyseeinheit in ein Schlauchsystem ermöglicht die orale Applikation und vereinfacht damit die Anwendung des Mikrodialysesystems im Menschen. Mit der Kombination von zwei Mikrodialysesystemen in einem Set kann weiterhin die gleichzeitige Erfassung von intraluminalen Arzneistoffkonzentrationen in unterschiedlichen Abschnitten des humanen Darmes erfolgen. Nach der erfolgreichen Entwicklung des Mikrodialysesystems erfolgte zunächst die Charakterisierung der Funktionalität des Systems anhand der relativen Wiederfindung des Arzneistoffes in den Dialysatproben. Die Untersuchungen wurden mit den Arzneistoffen Paracetamol, Amoxicillin-Trihydrat und Valsartan, die aufgrund ihres spezifischen Absorptionsverhaltens im Gastrointestinaltrakt ausgewählt wurden, und verschiedenen biorelevanten Donor-Medien sowie Perfusaten durchgeführt. Das Mikrodialysesystem wurde dabei kontinuierlich oder diskontinuierlich vom Perfusat durchströmt. Bei Verwendung des kontinuierlichen Perfusatflusses wurden jedoch vergleichsweise geringere Werte für die relative Wiederfindung bestimmt. Die Verwendung des diskontinuierlichen Perfusatflusses resultierte dagegen in einer Equilibrierzeit von 1 bis 60 min, welches einen verlängerten Stoffaustausch zwischen dem Donor-Kompartiment und dem Perfusat ermöglichte und somit zu deutlich höheren relativen Wiederfindungen führte. Außerdem wurden die Proben im Ablaufschlauch unverzüglich durch die Zufuhr von Luft, die über den zusätzlich enthaltenen Schlauch zugeführt wurde, separiert. Ein Anstieg der Equilibrierzeit von 1 auf 5 oder 60 min resultierte hierbei allerdings nicht in einer deutlichen Erhöhung der relativen Wiederfindung. Für Amoxicillin und Valsartan wurden ähnliche Werte für die relative Wiederfindung bestimmt, während für Paracetamol höhere Werte ermittelt wurden, die mit dem geringeren Molekulargewicht und der damit verbundenen erhöhten Diffusionsgeschwindigkeit erklärt werden können. Nachdem ein deutlicher Einfluss der Temperatur auf die relative Wiederfindung nachgewiesen wurde, erfolgte die Durchführung der In vitro-Untersuchungen ausschließlich bei Körpertemperatur. Die Sensitivität des Mikrodialysesystems wurde untersucht, um dessen Eignung für In vivo-Untersuchungen zu bestimmen. Dabei sollte geprüft werden, ob und wie schnell Änderungen der Arzneistoffkonzentration im Donor-Kompartiment in den Dialysatproben nachweisbar sind. Bei Anwendung des kontinuierlichen Perfusatflusses erfolgte die Detektion der Erhöhung und Verringerung der Stoffkonzentration im Donor-Kompartiment verzögert. Im Gegensatz dazu konnte bei Nutzung des diskontinuierlichen Perfusatflusses mit einer Equilibrierzeit von 1 min eine Konzentrationsänderung im Donor-Kompartiment sofort in der nachfolgend gewonnenen Dialysatprobe nachgewiesen werden. Dies wurde für alle verwendeten Arzneistoffe bestätigt, sodass alle nachfolgenden Untersuchungen mit dem diskontinuierlichen Perfusatfluss und einer Equilibrierzeit von 1 min durchgeführt wurden. In den folgenden Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass das Mikrodialysesystem mehrmalig für In vitro-Untersuchungen genutzt werden konnte. Anhand von acht untersuchten Mikrodialysesystemen für Paracetamol und jeweils vier Mikrodialysesystemen für Amoxicillin und Valsartan konnte die reproduzierbare Herstellung der Mikrodialyse¬systeme nachgewiesen werden. Die Verwendung unterschiedlicher Donor-Medien und Perfusate führte zu ähnlichen Ergebnissen. Die anatomischen Gegebenheiten des Dünndarms wurden durch Untersuchungen in einem Röhrenmodell simuliert. Erhöhungen oder Verringerungen der Konzentration im Donor-Kompartiment wurden auch bei dieser Versuchsanordnung ohne zeitliche Verzögerung in der darauffolgenden Dialysatprobe nachgewiesen. In Zusammenarbeit mit dem Medizinproduktehersteller RoweMed erfolgte anschließend die Adaption des Mikrodialysesystems an die humane Anwendung. Dabei wurden modifizierte Bestandteile, wie zum Beispiel Schläuche mit verringerten Durchmessern verbaut, um die Anwendung für den Probanden möglichst angenehm zu gestalten. Die Möglichkeit, die Lokalisation der Mikrodialyseeinheit im Gastrointestinaltrakt über die pH-metrische Analyse der Dialysatproben zu bestimmen, wurde anschließend untersucht. Bis zu einem pH-Wert von pH 3 kann über den erniedrigten pH-Wert in den Dialysatproben der Rückschluss auf die Lage im Magen gezogen werden. Dies entspricht dem üblicherweise ermittelten pH-Wert im Magen von pH 2,7 bei nüchternen jungen, gesunden Probanden. Abschließend wurde die Eignung der Braun Infusomat® und Perfusor® Space Pumpen, die zur humanen Anwendung zugelassen sind, für die Nutzung in Kombination mit dem Mikrodialysesystem überprüft, um in einer Studie am Menschen CE-zertifizierte Geräte einsetzten zu können. Die beschränkte Programmierbarkeit beider Pumpen bei der Anwendung des diskontinuierlichen Perfusatflusses erforderte eine erneute Modifikation des Versuchsablaufes. Durch die Reduktion der Pump- und Equilibrierzeiten konnte ein Versuchsablauf ermittelt werden, der ähnliche Ergebnisse wie mit den bisher verwendeten Pumpen lieferte. Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein Mikrodialysesystem zur Bestimmung intestinaler Arzneistoffkonzentrationen entwickelt und in vitro charakterisiert. Die mit dem Mikrodialysesystem gewonnenen Daten könnten genutzt werden, um zukünftig das komplexe Zusammenspiel verschiedener Faktoren während der Arzneistoffabsorption besser zu verstehen. Mit diesem Wissen könnten Nebenwirkungen und Wechselwirkungen oral applizierter Arzneistoffe verringert und deren Bioverfügbarkeit erhöht werden.