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Ein Großteil der Menschen mit psychischen Erkrankungen sucht keine professionelle Hilfe auf. Sowohl Ursachenvorstellungen als auch stigmatisierende Einstellungen scheinen relevante Einflussfaktoren auf den Prozess der Inanspruchnahme von Hilfe zu sein. Ziel dieser Arbeit war es zu untersuchen, inwieweit Ursachenvorstellungen und stigmatisierende Einstellungen mit dem Prozess der Inanspruchnahme bei Menschen mit unbehandelten psychischen Erkrankungen assoziiert sind. Außerdem sollte untersucht werden, inwieweit in dieser Zielgruppe Ursachenvorstellungen und Stigma miteinander assoziiert sind.
Wir interviewten dazu 207 Probanden mit einem unbehandelten psychischen Problem. Dabei erhoben wir als Teil des Prozesses der Inanspruchnahme von Hilfe die Symptomwahrnehmung und -bewertung, die Selbstidentifikation als psychisch krank, das Selbstlabeling als psychisch krank, die wahrgenommene Behandlungsbedürftigkeit, sowie die Intention professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Weiterhin wurden Ursachenvorstellungen, stigmatisierende Einstellungen, Depressivität, Depressionswissen, Behandlungserfahrungen sowie soziodemografische Variablen erfasst und ein diagnostisches Interview durchgeführt (M.I.N.I.).
Der überwiegende Teil der Probanden erfüllte die diagnostischen Kriterien (ICD-10) einer affektiven Störung (n=181, 87.4%) und/oder einer neurotischen, Belastungs- und somatoforme Störung (n=120, 58.0%). Eine explorative Faktorenanalyse von 25 verschiedenen Ursachen ergab fünf Ursachenfaktoren: biomedizinische Ursachen, personenbezogene Ursachen, Kindheitstraumata, aktueller Stress und ungesundes Verhalten. Die Attributionen eigener Beschwerden auf biomedizinische Ursachen, personenbezogene Ursachen, Kindheitstraumata und Stress waren mit stärkerer Selbstidentifikation als psychisch krank assoziiert. Jedoch waren bei Personen ohne Behandlungserfahrung nur biomedizinische Ursachen mit dem wahrgenommenen Behandlungsbedarf sowie der Intention verbunden, professionelle Hilfe aufzusuchen. Weiterhin waren biomedizinische Ursachen, Kindheitstraumata und ungesundes Verhalten mit stärkeren stigmatisierenden Einstellungen und wahrgenommenen Stigma-Stress verbunden. Stigmatisierende Einstellungen waren sowohl mit weniger Selbstidentifikation als auch mit geringerer Wahrscheinlichkeit assoziiert, eigene Beschwerden mit einer psychischen Erkrankung zu bezeichnen (Selbstlabeling).
Ableitend aus den Ergebnissen wurden Implikationen für die Zukunft hinsichtlich der Förderung der Inanspruchnahme von professioneller Hilfe bei psychischen Problemen, sowie weiterer Forschungsbedarf diskutiert.