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Hohe Komorbiditätsraten deuten auf eine Überspezifikation deskriptiver diagnostischer Kategorien psychischer Störungen hin. Angststörungen und depressive Störungen sind mit einer Dysregulation zweier aktivierender körperlicher Regelsystemen, dem autonome Nervensystem und der hormonellen Stressachse assoziiert. In der aktuellen Untersuchung werden Kategorien von Patienten mit Angst- und depressiver Symptomatik hinsichtlich Herzratenvariabilität (HRV) als Marker des autonomen Nervensystems und 24h-Urincortisol als Indikator des hormonellen Systems verglichen. Diagnoseübergreifend werden Biomarker und Psychopathologieselbstberichte dimensional in Beziehung gesetzt. Die Rolle von Bewegungsverhalten, Erkrankungsdauer, Medikation sowie Alkohol- und Nikotinkonsum wird berücksichtigt. Bei den 217 untersuchten Patienten einer universitären Psychotherapieambulanz, 80% davon mit primären Angst- oder depressiven Störungen, wird einmalig vor Therapiebeginn HRV und 24h-Urincortisol erhoben. Die Ergebnisse zeigen, dass die berichtete Symptomatik in ihrer Störungsspezifizität nur bedingt mit den jeweils vergebenen Diagnosen in Übereinstimmung zu bringen ist. Patienten mit Angststörungen ohne komorbide Depression wiesen eine höhere HRV auf als Patienten mit depressiven Störungen bzw. gemischter Symptomatik. Hinsichtlich Urincortisol gab es keine Gruppenunterschiede zwischen den Diagnoseclustern. Dimensional ergeben sich positive Assoziationen zwischen Traitangst und Urincortisol. Die HRV ist negativ mit anhedonischer depressiver Symptomatik assoziiert. Medizierte Patienten hatten im Vergleich zu unmedizierten eine reduzierte HRV, diese Gruppenunterschiede konnten jedoch statistisch durch Altersunterschiede zwischen den Gruppen erklärt werden. Werden nur unmedizierte Patienten berücksichtigt, verlieren Gruppenunterschiede zwischen den Diagnoseclustern hinsichtlich der HRV ihre statistische Signifikanz. Dimensionale Zusammenhänge zwischen den Biomarkern und Psychopathologie bleiben bestehen. Bewegungsverhalten ist negativ mit Psychopathologie und Erkrankungsdauer, aber positiv mit HRV assoziiert. Die Ergebnisse werden hinsichtlich der besonderen Bedeutung von Bewegungsverhalten für Psychopathologie sowie die unterliegenden biologischen Prozesse diskutiert. Darüberhinaus geben sie Hinweise darauf, dass dimensionale Diagnostik psychopathologierelevante biologische Prozesse besser abbildet als kategoriale Diagnostik.
In der vorliegenden Arbeit wurde der Nutzen einer smartphonegestützten Aufzeichnung und
Analyse der Pulswellenvariabilität als Ausdruck des Zusammenspiels zwischen Sympathikus
und Parasympathikus zur Diagnostik beziehungsweise Prädiktion einer koronaren
Herzerkrankung untersucht. Das autonome Nervensystem hat einen starken Einfluss auf den
menschlichen Körper und nimmt daher auch großen Einfluss in die Regulierung des Herz-Kreislauf-Systems. Ausdruck dieser vegetativen Einflüsse ist die HRV, deren Analyse ein
bekanntes Verfahren für Diagnostik, Risikostratifizierung und Vorhersagbarkeit von
verschiedenen kardialen Erkrankungen unter anderem koronarer Herzerkrankung ist. Bisher
wurde die HRV klassischerweise elektrokardiografisch anhand von Kurz- oder
Langzeitmessungen ermittelt. In dieser Arbeit wurde die Pulswellenvariabilität als peripheres
Ableitungsresultat der Herzratenvariabilität betrachtet, da eine sehr gute Korrelation
zwischen HRV und PRV bekannt ist. An 167 Probanden, die sich im Rahmen kardiologischer
Diagnostik einer elektiven Herzkatheteruntersuchung unterzogen und bei denen bisher
keine KHK bekannt war, wurde eine sechsminütige Aufzeichnung der Pulswelle des Fingers
mittels Smartphonekamera und Videoaufzeichnung vorgenommen. Die Pulswelle wurde
daraufhin analysiert und die PRV berechnet. Die Bilder der Koronarangiografie wurden
nachträglich untersucht und Stenosen in acht Koronarsegmenten quantifiziert. Sobald eine
Stenose von mehr als 50% bestand, wurde der Proband als an KHK-erkrankt definiert. Durch
multivariate lineare Regressionsanalysen wurde die PRV-Messung in Hinblick auf Bestehen
einer KHK untersucht.
Es zeigte sich, dass die PRV-Messung durchaus einen Beitrag im Feld der KHK-Diagnostik bei
Patienten mit Sinusrhythmus leisten könnte. Die Untersuchungen zeigen, dass es sich als
Ausschlussdiagnostikum bei Patienten mit KHK-Verdacht eignet. Die Nutzung der
Pulswellenvariabilität als Screeningverfahren zur KHK-Detektion, wie eingangs erwähnt,
erwies sich aufgrund der Sensitivitäts- und Spezifitätswerte als derzeit jedoch nicht optimal.
Es zeichnete sich bereits bei Koronarstenosen von mindestens 50% eine ausreichende
Vorhersagbarkeit der KHK, sowohl mit einem PRV-Parametersatz von 12 Variablen, als auch
mit einem reduzierten Parametersatz von sieben Variablen ab. Eine Verbesserung konnte
unter Erfassung kardiovaskulärer Risikofaktoren und Einnahme von Betablockern erzielt
werden, die jedoch das statistische Signifikanzniveau verfehlte.
Zukünftige Arbeitsfelder der PRV-Messung könnten die Erfassung weiterer vielfältiger
Einflussgrößen sein oder auch die Berücksichtigung weiterer klinischer Untersuchungen, wie
beispielsweise die Echokardiografie. Zu prüfen ist auch, ob es zu einer Verbesserung der
Prädiktionskraft nach Hinzufügen oder Ersetzen der hier vorgestellten PRV-Parameter durch
weitere nichtlineare Werte kommt.
Besonders hervorzuheben ist, dass die PRV-Messung sehr einfach und nahezu überall
durchzuführen ist, sofern ein Smartphone oder eine Smartwatch mit entsprechender App
vorhanden sind. Dies kann in Zukunft für eine ambulante und nicht facharztspezialisierte
Betreuung von Patienten von großer Relevanz sein. Limitiert wird die Methode der PRV-Messung durch den Ausschluss von Patienten mit Herzrhythmusstörungen, wie
beispielsweise Vorhofflimmern, da die PRV-Messung dadurch stark artefaktbehaftet ist.
Abschließend muss festgehalten werden, dass aufgrund der kleinen Teilnehmerzahl eine
Prüfung an einer größeren Studienpopulation erfolgen sollte, um den hier ermittelten Trend
zu bestätigen oder gar zu verbessern.
Insgesamt ist in dieser Form der Untersuchung bedeutendes Potential zu sehen, da mittels
PRV-Messung ein Ausschlussdiagnostikum existiert, ohne dass die Patienten einem Risiko
wie zum Beispiel Strahlenbelastung oder den Risiken einer Koronarangiografie ausgesetzt
werden. Daher eignet es sich als weiterer Baustein in der bereits üblichen KHK-Diagnostik zu
jeder Zeit und an jedem Ort.
Die zunehmende Digitalisierung und Technologisierung sorgt branchenübergreifend für eine Verlagerung der subjektiv erlebten Beanspruchung von physischer hin zu mentaler Beanspruchung. Um Arbeitsabläufe hinsichtlich auftretender Schwankungen mentaler Beanspruchung optimierbar zu machen, muss diese in Echtzeit am Arbeitsplatz erfassbar sein. Die Verwendung physiologischer Messinstrumente wie Elektrokardiogramm, Eye Tracking und Hautleitfähigkeit bieten dabei eine Möglichkeit der objektiven Quantifizierung der auftretenden Schwankungen. Im Rahmen verschiedener Feld- und Laborstudien konnte gezeigt werden, dass, in Abhängigkeit der Analyseeinheit (gesamter Prozess oder einzelne beanspruchungsinduzierende Events), unterschiedliche physiologische Parameter in der Lage sind Veränderungen der mentalen Beanspruchung nachzuweisen. Insgesamt erwiesen sich dabei die Herzfrequenz sowie die Ausdehnung der Pupille als sensitivste Indikatoren. Für eine live Erfassung im Arbeitsprozess bedarf es zukünftig, neben der Weiterentwicklung von tragbarer Messmethodik (Wearables), eine Entwicklung neuer Algorithmen zur Kombination verschiedener Parameter zu einem allgemeinen Indikator für mentale Beanspruchung, sowie der Bearbeitung einiger theoretischer Probleme, wie unter anderem der Definition von Grenzwerten der mentalen Beanspruchung. Um abseits bestehender Probleme Veränderungen der Beanspruchung am konkreten Arbeitsplatz einschätzbar zu machen, wurde eine alternative Auswertungsstrategie basierend auf kurzfristigen Peaks und längerfristigen Plateaus vorgeschlagen.