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Der Begriff Nachhaltigkeit hat längst Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gehalten. Doch
wie verhält es sich mit dem Verständnis zum Paradigma Nachhaltigkeit, welches sich im
soziologischen, ökonomischen und ökologischen Wirkungsgefüge bewegt? Aufgrund ihrer
sozialen Relevanz, ihrer distributiven Verflechtungen und ihrer Bedeutung für den
Wohlfahrtsstaat kommt Unternehmen eine große Bedeutung zu. Hilfreich für die Erforschung
des komplexen und dynamischen Nachhaltigkeitsprozesses sind individualisierte Sichtweisen in
räumlichen Abgrenzungen. Biosphärenreservate, die weltweit von der UNSECO als
Modellregionen für nachhaltige Entwicklung als solche anerkannt wurden, bieten sich hierfür
an. Die übergeordnete Forschungsfrage dieser Arbeit lautet daher: Wie wird in den UNESCOBiosph
ärenreservaten die nachhaltige Entwicklung, speziell verantwortungsvolles Wirtschaften,
exemplarisch verwirklicht?
Eine Einordnung in den Nachhaltigkeitsdiskurs zeigt aktuelle Perspektiven auf und stellt die
Nachhaltigkeitsforschung im Kontext der Biosphärenreservate sowie die Bedingungen für
verantwortungsvolles Wirtschaften vor. Als forschungsrelevante Zielgruppen wurden die
Verwaltungen der UNSECO-Biosphärenreservate (BR), Multiplikatoren der Wirtschaft (z.B.
kommunale Wirtschaftsförderungen, IHK, Handwerkskammern, Bauern- und
Wirtschaftsverbände) sowie Unternehmen in bzw. an BR identifiziert. Mithilfe von
leitfadengestützten Experteninterviews und hybriden Fragebögen erfolgte die Datenerhebung,
die mit der Grounded Theory bzw. grafisch ausgewertet wurden.
Die Datenerhebung hat gezeigt, dass BR-Verwaltungen bislang überwiegend für
Umweltschutzbelange mandatiert und für die Einflussnahme hinsichtlich verantwortungsvollen
Wirtschaftens auf Kooperationspartner angewiesen sind. Wirtschaftsbezogene Aktivitäten sind
innerhalb ihrer Netzwerke der Partnerbetriebe etabliert, sie fokussieren überwiegend die
Direktvermarktung regionaler Produkte und die Inwertsetzung der naturverträglichen
Tourismusangebote. Innerbetriebliche Prozesse werden von einigen BR-Verwaltungen mit
Beratungsangeboten zu Umweltmanagementsystemen (z.B. EMAS) begleitet. Etliche BR weisen
wenn überhaupt nur einen geringen Besatz an Industrie- oder Dienstleistungsunternehmen, ihre
Verwaltungen haben daher auch kaum Berührungspunkte zu den Betrieben des sekundären und
tertiären Sektors außerhalb der Tourismusbranche. Die auf repräsentative Kulturräume
ausgerichteten Zonierungskonzepte der BR können diesbezüglich überdacht werden. Deutlich
wird, dass Handlungskompetenzen in wirtschaftsorientierten Themenkomplexen (Beratung zu
Fördermöglichkeiten, Innovationen, Technologieanwendung, Unternehmensgründung, mobiles
Arbeiten, Aus- und Weiterbildung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Fachkräftesicherung,
Zertifizierungen, Produktentwicklung, Prozessoptimierung, Digitalisierung) nach Institutionen
durch die Wirtschaftsvertreter überwiegend den IHK, den Handwerkskammern und
Wirtschaftsförderungen und weniger den BR-Verwaltungen zugeschrieben werden.
Mehrheitlich beurteilen die befragten Unternehmen die Handlungsfähigkeit von BRVerwaltungen
hinsichtlich des Naturschutzes, der Vermarktung regionaler Produkte und
Dienstleistungen sowie von Agrarumweltmaßnahmen positiv. Dagegen ist den Unternehmen
die Handlungsfähigkeit der BR-Verwaltungen auf den Gebieten der Verkürzung von
Planungsverfahren, der Prozessinnovation, des Energiemanagements und der
Fachkräftesicherung weitestgehend unbekannt. Eine große Mehrheit der Unternehmer meint
zudem, dass sich die Ziele und Aktivitäten der BR-Verwaltungen vorrangig auf
Naturschutzmaßnahmen beziehen. Weiterhin meinen sie, richtet die sich die Unterstützung von
Unternehmen überwiegend auf die Vermarktung regionaler Produkte und traditionelles
Handwerk. Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen haben bislang keinen
breitenwirksamen Bekanntheitsgrad in der befragten Unternehmerschaft gefunden.
In einem integrierten Verständnis fließen ökologische und soziale Aspekte der Nachhaltigkeit in
die konzeptionellen Grundlagen der BR ein, die ökonomische Dimension dagegen reduziert sich
oft auf die Bereiche Landwirtschaft und Tourismus. Weiterführende Aktivitäten hinsichtlich
nachhaltigen Wirtschaftens überlassen BR-Verwaltungen derzeit überwiegend der Expertise
wirtschaftsfördernder Institutionen, die sich aus ihrer Sicht originär mit innerbetrieblichen
Prozessen befassen.
Der Austausch von Grundlagendaten oder Ergebnissen bisheriger Datenerhebungen zwischen
den BR-Verwaltungsstellen – einem potenziellen Wesensmerkmal von Modellregionen – wird
durch das Fehlen entsprechender Infrastruktur deutlich erschwert, bzw. ist nicht möglich.
Technische und personelle Ressourcen für die digitale Datenaufbereitung und -pflege in den BRVerwaltungen
sind überwiegend nicht vorhanden.
Mit der Anerkennung eines BR durch die UNESCO muss auch seine Anerkennung als
Modellregion für nachhaltige Entwicklung durch alle beteiligten Interessengruppen
einschließlich seiner Bewohner einhergehen.