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Einfluss der Plasmabehandlung auf das transepidermale Penetrationsverhalten von Arzneistoffen
(2021)
Zusammenfassung und Ausblick
Die Forschungshypothese, dass eine Plasmabehandlung der Haut mit kaltem
Atmosphärendruckplasma zu einer lokalen Änderung der physikochemischen Eigenschaften des
Stratum corneum und dessen Struktur und (Barriere-)Funktion führt, konnte bestätigt werden.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden morphologisch sichtbare Hautveränderungen, die
Penetrationseigenschaften verschiedener Substanzen vor und nach Plasmabehandlung sowie
Veränderungen der Lipidzusammensetzung des Stratum corneum auf molekularer Ebene analysiert.
Der wesentliche Erkenntnisgewinn der Arbeit besteht im qualitativen und quantitativen Nachweis der
gefahrlosen durch kaltes Atmosphärendruckplasma vermittelten Penetrationssteigerung von
Substanzen in die Haut mit speziellem Fokus auf das Stratum corneum.
Die Plasmabehandlung der Haut mit einem Plasmajet lockert abhängig von der
Plasmabehandlungszeit das aus Corneozyten und einer interzellulären Lipidmatrix bestehende
Stratum corneum auf. Die aufgelockerte Struktur des Stratum corneum ermöglicht eine beschleunigte
Penetration verschiedener, nach Plasmabehandlung applizierter Substanzen durch die Haut (Kapitel
4.2.). Die Penetrationssteigerung variiert dabei abhängig von den Stoffeigenschaften der
penetrierenden Substanz (zum Beispiel Molekülgröße und Lipophilie).
Die morphologische Auflockerung des Stratum corneum spiegelt sich im nach der Plasmabehandlung
veränderten Ceramid-Profil wieder. Die veränderten Barriereeigenschaften in den obersten Schichten
des Stratum corneum nach einer einminütigen Plasmabehandlung lassen sich über die Interaktion von
plasma-produzierten reaktiven Spezies mit Lipiden der Haut (insbesondere Triacylglycerolen) und
die dadurch vermittelte Bildung von Triacylglycerol-Oxidationsprodukten erklären (Kapitel 4.4.).
Eine Plasmabehandlung hat im Bereich der in der Dermatologie für den kINPen MED empfohlenen
Anwendungsdauer von 15 s/cm² bis 1 min/cm² keine negativen Auswirkungen auf die Haut (keine
gesteigerte Anzahl an Apoptosen im Stratum basale, Möglichkeit der Regeneration des
aufgelockerten Stratum corneum von basal, (Kapitel 4.3.)). Längere Behandlungszeiten von 2
min/cm² bis 5 min/cm² können jedoch zu Apoptosen in für die Zellregeneration bedeutenden
Schichten führen.
Im Gegensatz zu anderen Methoden zur transdermalen Penetrationssteigerung besteht bei der Plasma-
vermittelten Penetrationssteigerung auf Grund der antibakteriellen Plasmaeigenschaften und der
Penetrationsbeschleunigung von ausschließlich kleinen Stoffen (Größe unter 689 nm) ein geringeres
Risiko der Infektion der behandelten Hautbereiche durch die Einwanderung von Bakterien und
Pilzen. Die Plasmabehandlung stellt demnach eine zukunftsträchtige Möglichkeit zur gefahrlosen
Penetrationssteigerung von Arzneistoffen durch die Hautbarriere dar.
Da die in dieser Arbeit gewonnenen Daten in vitro mit Hilfe eines Schweineohrmodells ermittelt
wurden, ermöglichen sie einen ersten Einblick in die Reaktion der gesunden menschlichen Haut auf
die Plasmabehandlung, lassen sich jedoch nicht eins zu eins auf die in vivo-Situation am menschlichen
Körper übertragen. Zudem sollte bei der Plasmabehandlung in vivo beachtet werden, dass es am
menschlichen Körper große intra- und interindividuelle Unterschiede in der Beschaffenheit der
Hautbarriere gibt, welche zu unterschiedlich starken Effekten der Plasmabehandlung führen könnten.
Ein Vergleich der Penetrationseigenschaften weiterer Stoffe mit unterschiedlichen hydro- und
lipophilen Stoffeigenschaften sowie unterschiedlichen Molekülgrößen vor und nach
Plasmabehandlung wäre für weitere Forschungsarbeiten empfehlenswert. Auf diese Weise könnte
erforscht werden, auf welche Substanzen die Plasmabehandlung der Haut den größten Einfluss hat
und es wären weitere Rückschlüsse auf die Form der aufgelockerten Bindungen, sowie auf eine
eventuelle Interaktion modifizierter Stratum corneum-Bestandteile mit der penetrierenden Substanz
möglich. Gleichzeitig könnten die Versuche mit längeren Penetrationszeiten wiederholt werden, um
zu überprüfen, ob tatsächlich eine Rechtsverschiebung des Peaks der Konzentration der penetrierten
Substanzen (siehe Kapitel 3.4. und Kapitel 3.5.) in tiefere Hautbereiche stattfindet.
Ein direkter Vergleich penetrationssteigernder Methoden (beispielsweise Mikronadeln und
Plasmajet) wäre interessant, um die verschiedenen Systeme auch quantitativ vergleichen zu können
und zu analysieren, ob die Vorteile der plasmavermittelten Penetrationssteigerung gegenüber der
Mikronadelmethode durch die Menge an penetrierter Substanz ausgeglichen werden können.
Neben den Lipiden könnte auch die Modifikation weiterer Stratum-corneum-Bestandteile ursächlich
für die veränderten Barriereeigenschaften der Haut nach Plasmabehandlung sein. Interessant wäre
deshalb auch die Untersuchung der Stratum-corneum-Peptide und -Proteine vor und nach
Plasmabehandlung.
Um die Reaktion der Haut in vivo auf die Plasmabehandlung besser vorhersagen zu können und damit
die im Rahmen dieser Arbeit erlangten Erkenntnisse in die klinische Praxis übertragen zu können,
sind weitere Studien nötig. Diese könnten die in vitro-Experimente am Schweineohr beispielsweise
auf ein in vivo-Mäusehautmodell übertragen. An einem frischen Mäusehautmodell wäre auch die
Untersuchung längerer Penetrationszeiten sowie die Geschwindigkeit der Hautregeneration und dem
damit Verbundenen Wiederaufbau der Hautbarriere nach Plasmabehandlung möglich.
Nach einer Verifizierung der Ergebnisse in vivo könnten die im Rahmen dieses Projekts gewonnenen
Erkenntnisse in Zukunft auf den klinischen Alltag übertragen werden. Für Langzeittherapien bei
speziellen Patientengruppen mit Problemen bei der oralen Medikamentenaufnahme (beispielsweise
in Form von Resorptionsstörungen im Magen-Darm-Trakt) oder bei einem starken First-Pass-Effekt
des Medikaments in der Leber ist die transdermale Medikamentenapplikation eine
Ausweichmöglichkeit, welche durch eine vorherige Plasmabehandlung der Haut noch verbessert
werden würde.
Im Rahmen des bereits etablierten medizinischen Anwendungsfelds von kaltem
Atmosphärendruckplasma bei der Behandlung chronischer Wunden könnte eine Plasmabehandlung
der Wundränder und angrenzender gesunder Hautbereiche die Penetration von nach der Behandlung
applizierten wundheilungsfördernden Cremes und Gels im betroffenen Gebiet beschleunigen und so
die Heilungsaussichten noch weiter verbessern.
Der Gesetzgeber verlangt aus Gründen der Arzneimittelsicherheit für nasal anwendbare Arzneimittel und Medizinprodukte (Nasalia) in Mehrdosisbehältnissen den Zusatz von geeigneten Konservierungsmitteln in angemessener Konzentration (Eu. Pharm. 2001). Diese dienen dem Schutz des Inhalts vor Keimen aus der Umgebung nach Anbruch (mikrobiologische Anbruchstabilität). Es gibt kein Konservierungsmittel, das alle Anforderungen erfüllt und universell für alle Formulierungen einsetzbar ist. Da Konservierungsmittel per Definition Keime abtöten bzw. ihre Vermehrung verhindern muss, ist zwangsläufig eine gewisse Zytotoxizität gegeben. Da die meisten Nasalia immer noch konserviert sind, lässt sich die Forderung des Arzneibuchs nach Zubereitungen zur nasalen Applikation, die nicht reizend sind und keine unerwünschten Wirkungen auf die Funktion der mukoziliaren Clearance ausüben, in diesem Fall nur bedingt erfüllen. Der Kompromiss zwischen Verträglichkeit und mikrobiologischer Sicherheit geht bei den konservierten Präparaten auf Kosten der Verträglichkeit. Dabei addieren sich die zytotoxischen Eigenschaften der arzneilich wirksamen Substanz mit der Zytotoxizität des Konservierungsmittels. Grundsätzlich ist daher der Einsatz von Konservierungsmitteln in der heutigen Zeit zu hinterfragen. Mit Hilfe dieser Substanzen werden nur die Folgen einer mikrobiologischen Kontamination bekämpft, anstatt die Ursachen auszuschließen. Moderne Pumpsysteme machen es möglich, konservierungsmittelfreie Nasensprays herzustellen und so den umstrittenen Zusatz des am häufigsten eingesetzten Konservierungsmittels Benzalkoniumchlorid zu vermeiden. Im Rahmen dieser Arbeit wurden folgende Ergebnisse erzielt: - In der größten und am häufigsten eingesetzten Gruppe der Vasokonstriktiva (Xylometazolin, Oxymetazolin, Tetryzolin, Tramazolin) wurde durch den Verzicht auf Benzalkoniumchlorid ein signifikanter Anstieg der Verträglichkeit registriert. Da diese Kombination von Wirkstoff und Konservierungsmittel besonders zellschädigend ist, ist es empfehlenswert auf konservierte Formulierungen zu verzichten. In der Gruppe der Antiallergika wurden mit Ausnahme von Cromo-ratiopharm analoge Ergebnisse erzielt. Die schlechte Verträglichkeit (Zellwachstum nur 1,1%) der unkonservierten Formulierung ist auf die Matrix (hypoton) zurückzuführen. In der Gruppe der Kortikosteroide sind alle Formulierungen konserviert und schlecht verträglich. Neue Entwicklungspräparate (ölige Matrix, unkonserviert, ohne Hilfsstoffe) sind dagegen gut verträglich. Hier bietet sich eine Möglichkeit, preiswerte und gut verträgliche Präparate herzustellen, vor allem für die Patientengruppen, die über Brennen, Trockenheit oder Irritationen nach Benutzung der herkömmlichen Nasalia klagen. In der Gruppe der Heil- und Pflegemittel mit arzneilichen Zusätzen sind alle un-konservierte Präparate gut verträglich. Der Verzicht auf Benzalkoniumchlorid erhöht die Verträglichkeit. Die getesteten Öle sind ebenfalls gut verträglich. In Bereich der Hormone scheint die Faustregel der besseren Verträglichkeit nach Verzicht auf Benzalkoniumchlorid nicht immer zu gelten. Die wachstumsfördernde Wirkung des Hormons Calcitonin scheint einen Einfluss auf die Ergebnisse der Zytotoxizitätstest zu haben. In der Gruppe saliner Lösungen sind alle Nasensprays konservierungsmittelfrei und gut verträglich. Der Zusatz von Dexpanthenol hat einen positiven Einfluss auf die Verträglichkeit. Der Zusatz von Aloe vera hat keinen keinen Einfluss auf die Verträglichkeit. Die Gruppe der Analgetika besteht vorwiegend aus Entwicklungspräparaten. Der Zusatz von Hyaluronsäure hat einen positiven Einfluss auf die Verträglichkeit, die bis auf Werte im Bereich saliner Lösungen liegen. Hier eröffnet sich eine zukünftige Möglichkeit, gut verträgliche Analgetika herzustellen. Die Reaktion des Gesetzgebers auf die in der Literatur reichlich beschriebenen Nebenwirkungen von Benzalkoniumchlorid lässt hoffen, dass vor allem die neu zugelassenen Nasensprays konservierungsmittelfrei und somit besser verträglich werden.