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Ein Netzwerk aus Rezeptoren und Signalkaskaden reguliert Wachstum, Differenzierung und Überleben von Zellen. Wird dieses Netzwerk aus dem Gleichgewicht gebracht, können die Zellen zu Tumorzellen transformieren. Der epidermale Wachstumsfaktor Rezeptor (EGFR) stellt eine treibende Kraft in diesem Netzwerk dar und ist ein Ziel zahlreicher Tumortherapeutika. Aufgrund weitläufiger Resistenzbildung ist die Identifizierung verantwortlicher Strukturen von großer Bedeutung um die entarteten Signalkaskaden synergistisch einzudämmen. Nach Aktivierung des EGFR wird eine signalspezifische Antwort durch Rekrutierung von Adapterproteinen an die intrazelluläre Domäne initiiert. Die veränderte Zusammensetzung der Signalproteine könnte Angriffspunkte für neue Therapieansätze enthüllen. Um die zugrundeliegenden Mechanismen zu entschlüsseln, wurden mehrere Proteom-Untersuchungen auf Zelllysate angewendet. Ungeachtet der Sensitivität moderner Geräte stellt die Identifizierung niedrig-abundanter Proteine im Proteom einer Zelle jedoch eine Herausforderung dar. Die Identifizierung differentieller Proteinmuster des EGFR-Interaktom in Abhängigkeit von Resistenz und Rezeptor variante war das Ziel dieser Arbeit. Der EGFR samt seiner Interaktionspartner wurde aus Zelllysaten präzipitiert. Anschließend wurden die Proteine in einer SDS-PAGE aufgetrennt und nach in-Gel-Verdau mit LC-MS/MS analysiert. Aus Lysaten von A431-Zellen wurden 183 Proteine in vier Bioreplikaten detektiert. Darunter 15 direkte Interaktionspartner, wie GRB2, SHC1, SOS1/2, STAT1/3, AP2 sowie P85B. Die Berechnung des normalized spectral abundance factor (NSAF) anhand der Anzahl gemessener Spektren und der Molekularmasse eines Proteins ermöglichte eine relative Quantifizierung der Proteinmenge. Die Menge der copräzipitierten Proteine war nach EGFR-Aktivierung durch EGF für 14 Proteine mehr als zweifach erhöht. Davon waren Untereinheiten des AP2 Komplexes am stärksten an aktivierten EGFR assoziiert. Abschließend wurde die Interaktion mit AP2 und die neu aufgedeckte Interaktion mit CIP2A durch Immunfluoreszenz und Western Blot-Analyse bestätigt. Nachdem die Funktionalität der Methode gezeigt werden konnte, wurde die Anwendung um das Modell einer akuten Afatinib-Resistenz erweitert. Im A431-Zellmodell wurde durch die Inkubation in Fibroblasten-konditioniertem Medium eine Resistenz gegen Afatinib beobachtet. Im Rahmen dieser Arbeit sollte ermittelt werden, ob sich der Einfluss der temporären Resistenz am Interaktionsmuster des EGFR widerspiegelt. Die MS-Analyse identifizierte 145 Proteine deren Assoziation an EGFR durch Afatinib mindestens zweifach verringert wurde, darunter GRB2, SOS1, SHC1, STAT2/3 sowie PK3CB und P85B. Aus dieser Analyse wurde ein Pool aus 137 Proteinen ermittelt, die potentiell Teil des induzierten Resistenzmechanismus sein könnten. 32 Proteine, darunter TNAP2, AHNK, SPTCS und der Tumorsuppressor DIDO, weisen funktionelle Ähnlichkeit zu Lungenkrebs auf. Daraufhin wurde die Methode auf das Modell einer chronisch erworbenen Resistenz der Lungenkarzinom-Zelllinie HCC4006 gegen Erlotinib angewendet. Die Analyse sollte zunächst differentielle Proteinmuster des Grundzustandes in Abhängigkeit zur erworbenen Resistenz identifizieren. Die Morphologie der Erlotinib-resistenten HCC4006-Zellen weist Merkmale einer EMT auf, die als Resistenzmechanismus für verschiedene Tumore beschrieben ist. Im Einklang mit dieser Beobachtung wurden Hinweise auf rege Veränderungen des Zytoskeletts in der vorliegenden MS-Analyse der resistenten HCC4006-Zellen gefunden. In unbehandelten Zellen wurden abhängig vom Resistenz-Status der Zellen 178 Proteine mit mindestens zweifach veränderter Assoziation an EGFR detektiert. Darunter fanden sich die Proteine der Zytoskelettreorganisation Plectin, Spectrin und ZO1, welche in resistenten Zellen bis zu 70 fach erhöht waren. Das Angiogenese-Protein Nostrin ist hingegen nach Resistenzentwicklung stark vermindert. Nach Behandlung mit Erlotinib und EGF war die Assoziation von 148 Proteinen durch Erlotinib Resistenz verändert. Darunter befanden sich HEAT1, EF1A1, UBS3B und AP3B1 die in sensitiven Zellen durch Erlotinib stärker dissoziierten als in den resistenten Zellen. Abschließend wurde die differentielle Analyse auf zwei EGFR VarianteIII (vIII) transfizierte Glioblastomzelllinien übertragen. In den P3-Zellen sind 95 Proteine in Abhängigkeit der Rezeptorvariante zweifach verändert an EGFR assoziiert. Darunter waren JAK1, GRB2, PRKDC und SNX-3, 17 und 27 vermehrt an vIII assoziiert, wohingegen PHB2 bevorzugt an Wildtyp-EGFR assoziiert. In den NCH421k Glioblastomzellen ist die Affinität für vIII bei 245 Proteinen zweifach verändert. Darunter die Phosphokinasen P85A und P85B mit stark erhöhter vIII-Affinität. Für vIII ist eine bevorzugte Initiierung des PI3K/AKT Signalweges, sowie eine konstitutive Aktivität bereits beschrieben. Mit dem Abschluss dieser Arbeit liegt ein Protokoll zur differentiellen Analyse der EGFR Interaktionsmuster vor
Die dem Leben zugrundeliegenden Prozesse sind hochkomplex. Sie werden zu einem Großteil durch Proteine umgesetzt. Diese spielen eine tragende Rolle für die morphologische Struktur und Vielfalt sowie Spezifität der Fähigkeiten der verschiedenen Zelltypen. Jedoch wirken Proteine nicht isoliert für sich allein sondern indem sie miteinander oder mit anderen Molekülen in der Zelle (DNA, Metabolite, Signalstoffe etc.) wechselwirken. Gerät dieses Geflecht von aufeinander abgestimmten Wechselwirkungen aus dem Gleichgewicht, kann das eine Ursache für Erkrankungen sein. Die Kenntnis über fehlregulierte Interaktionen kann dabei helfen, die betreffende Krankheit besser zu verstehen und gegen sie zu intervenieren. Die vorliegende Dissertation beschäftigt sich mit der Identifizierung von solch differentiell regulierten Interaktionen. Im Rahmen der Arbeit wurde eine Methode mit dem Namen ExprEssence entwickelt, welche diejenigen Interaktionen in einem Protein-Protein-Interaktionsnetzwerk identifiziert, die sich zwischen zwei verglichenen Zuständen (z.B. krank versus gesund) am stärksten unterscheiden. Ziel ist es, das Netzwerk auf die wesentlichen Unterschiede zwischen den zwei untersuchten Zuständen zu reduzieren. Hierzu werden Genexpressions- oder Proteomdaten der beiden Zustände in das bereits bestehende Netzwerk integriert. Aus diesen Daten wird die Stärke/Häufigkeit des Auftretens der einzelnen Interaktionen des Netzwerks geschätzt. Die Interaktionen, deren Interaktionsstärken sich zwischen den betrachteten Zuständen am stärksten unterscheiden, werden beibehalten – die restlichen Interaktionen werden verworfen. Dies ergibt ein verkleinertes Subnetzwerk, das aus jenen Interaktionen besteht, die am stärksten differentiell reguliert sind. Diese Interaktionen und ihre Proteine sind Kandidaten für eine Erklärung der biologischen Unterschiede der betrachteten Zustände auf molekularem Niveau. Die Methode wurde auf verschiedene biologische Fragestellungen angewandt und mit anderen ähnlichen Methoden verglichen. Bei der Untersuchung der Unterschiede zwischen Erfolg und Misserfolg einer chemotherapeutischen Brustkrebstherapie konnte beispielsweise gezeigt werden, dass das mit ExprEssence erstellte Subnetzwerk einen stärkeren Bezug zu den bereits bekannten Therapieerfolg-relevanten Mechanismen aufweist als die Methoden, mit denen ExprEssence verglichen wurde. Weiterhin wurde im Subnetzwerk eine möglicherweise für den Therapieerfolg relevante Interaktion identifiziert, die in diesem Zusammenhang bisher nicht betrachtet wurde. Deren Bedeutung konnte in der experimentellen Nachverfolgung weiter untermauert werden. Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit bildete die Untersuchung des Interaktoms eines spezialisierten Zelltyps der Niere – des Podozyten. Dieser Zelltyp ist essentiell für die Filtrationskompetenz der Niere. Ein Interaktionsnetzwerk mit spezifisch für den Podozyten relevanten Interaktion gib es bisher nicht. Daher wurde ein Podozyten-spezifisches Protein-Protein-Interaktionsnetzwerk aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen zusammengestellt und öffentlich verfügbar gemacht. Genexpressionsdaten vielfältiger Art, beispielsweise von Podozyten in verschiedenen Entwicklungsstadien oder in Zellkultur, wurden in das Netzwerk integriert und mit ExprEssence analysiert. So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass die Dedifferenzierung von in Kultur gehaltenen Podozyten nicht dem Umkehrweg der zuvor durchlaufenen Differenzierung entspricht. Neben ExprEssence wurde weitere Software entwickelt, die die Anwendbarkeit von ExprEssence erweitert – MovieMaker und ExprEsSector. Mit MovieMaker werden die Übergänge zwischen den betrachteten Zuständen nachvollziehbarer visualisiert. ExprEsSector bildet die Vereinigungs- und Schnittmengen-Netzwerke von ExprEssence-Subnetzwerken. So können beispielsweise verschiedenen Krankheiten gemeinsame Veränderungen vom Normalzustand identifiziert werden. Ist für eine Krankheit bereits ein Therapieansatz vorhanden, der auf eine fehlregulierte Interaktion einwirkt, und ist diese Interaktion auch in der anderen Krankheit gleichartig differentiell reguliert, kann geprüft werden, ob diese Therapie auf die zweite Krankheit übertragen werden kann. Neben der Vorstellung und Diskussion der erzielten Ergebnisse, wird auch auf methodisch bedingte Nachteile eingegangen. Es werden Strategien aufgezeigt, wie die negativen Einflüsse möglichst minimiert werden können oder wie sie bei der Bewertung der Ergebnisse zu berücksichtigen sind. In Anbetracht der immer schneller ansteigenden Menge biologischer Daten ist es eine wesentliche Herausforderung geworden, aus diesen die essentiellen Informationen zu extrahieren. Der integrative Ansatz der Verknüpfung von Informationen verschiedener Quellen wurde mit ExprEssence und den Erweiterungen MovieMaker und ExprEsSector in einem Konzept zur Identifizierung zustandsrelevanter molekularer Mechanismen in intuitiv leicht erfassbarer Form umgesetzt.