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Die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter ist hoch und hat in den letzten 4 Jahrzehnten in den westlichen Ländern zugenommen [44]. Laut Angaben der WHO waren im Jahr 2016 weltweit rund 124 Millionen Kinder und Jugendliche übergewichtig oder adipös. Im Vergleich zur ersten KiGGS-Datenerhebung vor rund 15 Jahren stagnierte die Übergewichts- (8,5%) und Adipositas- (5,9%) Prävalenz 2014 bis 2017 in Deutschland auf hohem Niveau.
Mit diesem epidemiologischen Phänomen stieg auch die Inzidenz assoziierter Risikofaktoren und Folgeerkrankungen bei adipösen Kindern und Jugendlichen (Dyslipidämie, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Steatosis hepatis, erhöhte inflammatorische Aktivität, verminderte Lebensqualität und Wohlbefinden, depressive Verstimmung), die mit einer erhöhten Mortalität und Berufseinschränkungen im Erwachsenenalter einhergehen [121]. Morbidität und Mortalität sind umso höher, je früher die Adipositas im Kindesalter einsetzt.
Um die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Entwicklung positiv zu beeinflussen, empfiehlt die Arbeitsgemeinschaft für Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) die Anwendung strukturierter Behandlungs- und Schulungsprogramme (SBSP) zur dauerhaften Gewichtsreduktion und -stabilisierung adipöser Kinder und Jugendlicher. Deren Wirksamkeit konnte bereits in zahlreichen Adipositastherapie-Studien mit hohen Teilnehmerzahlen belegt werden. Bei der Mehrzahl der Patienten konnten durch entsprechende Programme mit geschultem Personal und einem spezialisierten, interdisziplinären Setting langfristige Effekte wie Übergewichtsreduktion und Verbesserung des kardiovaskulären Risikoprofils durch Körperfettverlust nachgewiesen werden. Die Abnahme des BMI-SDS um bereits 0,25 Basispunkte zeigte in Studien bereits eine signifikante Verbesserung der kardiovaskulären Risikofaktoren, sogar noch 1 Jahr nach Interventionsende [200].
Aufgrund dessen war es das Ziel der vorliegenden Studie, das Risikoprofil von übergewichtigen und adipösen Kindern zu identifizieren und deren Beeinflussung durch das an der MEDIGREIF Inselklinik Heringsdorf (Haus Gothensee) angewendete SBSP zu analysieren.
Die Ergebnisse der aktuellen Studie zeigen: Mehr als zwei Drittel aller adipösen Kinder und Jugendlichen wiesen zu Beginn des SBSP bereits mindestens einen Risikofaktor oder eine Folgeerkrankung auf. Insbesondere hinsichtlich folgenden, bedeutsamen Parametern zeigten die untersuchten Teilnehmer bereits manifeste Pathologien für arterielle Hypertonie (79%), sehr wahrscheinliche Insulinresistenz mit HOMA-Index ≥ 2,5 (67%), erhöhtes LDL-Cholesterin (61%), Steatosis hepatis (54%), erhöhte Carotis-Intima-Media-Dicke (34%) und erhöhte Entzündungsaktivität (39%).
In der multivariaten Analysen stellte sich das Körpergewicht bzw. der BMI als wichtigster Einflussfaktor für den Blutdruck, die Carotis-Intima-Media-Dicke und Insulinresistenz (HOMA-Index) heraus. Zudem korrelierten die Befunde arterielle Hypertonie, erhöhte CIM-Dicke sowie Steatosis hepatis neben dem BMI mit dem HOMA-Index. Für das CrP, als Marker der Entzündungsaktivität, konnte die stärkste Assoziation zur Fettmasse gezeigt werden. Dies spiegelt die Rolle des Fettgewebes als endokrines Organ mit Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine und deren Bedeutung in der Herabsetzung der Insulinwirkung und Arterioskleroseentwicklung wider.
Nach Teilnahme am fünfwöchigen SBSP konnte unter allen Teilnehmern eine signifikante mittlere Gewichtsreduktion von 4,25 kg, begleitet von einer Reduktion des BMI um 1,6 Basispunkte, sowie des BMI-SDS um 0,16 Basispunkte erreicht werden. Darüber hinaus ergab sich eine Abnahme der Körperfettmasse um 4,5 kg. Im Gegensatz dazu nahm die fettfreie Masse um 0,3 kg zu. Diese Veränderungen waren mit einem positiven Einfluss auf die untersuchten Parameter verbunden und zeigten eine signifikante Abnahme des Anteils von Patienten mit sehr wahrscheinlicher Insulinresistenz (HOMA-Index ≥ 2,5) auf 60 %, erhöhtem LDL-Cholesterin auf 23 % und erhöhter Entzündungsaktivität auf 19 %.
Die Ergebnisse korrelieren gut mit den Daten der durchgeführten Literaturrecherche und weisen auf die gemeinsamen Pathomechanismen der Adipositas-folgeerscheinungen hin. Ein höherer BMI geht häufig mit Dyslipidämie, Hyperglykämie und Insulinresistenz sowie Entzündung und oxidativem Stress einher [88, 232, 233]. Aufgrund der zu kurzen Nachbeobachtungszeit konnten Verbesserungen der sonographischen Dichte der Leber, des Blutdrucks oder der Dicke der Carotis-Intima-Media nicht untersucht werden.
Zusammenfassend zeigt die vorliegende Studie, dass die interne Rehabilitation zu einer wirksamen Gewichts- bzw. BMI-Reduktion bei Kindern und Jugendlichen mit Übergewicht und Adipositas führt. Darüber hinaus weisen übergewichtige und adipöse Kinder und Jugendliche bereits eine Vielzahl von metabolischen und kardiovaskulären Risikofaktoren und Erkrankungen wie arterielle Hypertonie, Insulinresistenz und Steatosis hepatis auf. Neben der Gewichtsreduktion ließ sich auch eine Verbesserung hinsichtlich der Risikoparameter Insulinresistenz, Dyslipidämie, Leberwerten und CrP nachweisen.
Wegen des guten Nutzen-Risiko-Verhältnisses sollte demnach jeder Betroffene flächendeckend die Möglichkeit zur Adipositasbehandlung - nach entsprechender Indikationsstellung durch den betreuenden Kinderarzt bzw. Hausarzt anhand festgelegter Kriterien - erhalten. Grundlage jeder Adipositasbehandlung in allen Altersstufen sollte ein multimodales Programm aus den Komponenten Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie sein [121] .
Die alleinige Orientierung auf einen Bereich hat langfristig nur geringe Effekte [131]. Die kombinierten Schulungsprogramme müssen familienorientiert ausgerichtet sein und eine individuell zugeschnittene Intensität und Gestaltung je nach Geschlecht, Alter, sozioökonomischem und kulturellem Hintergrund sowie angestrebten Zielparametern besitzen [234]. Als „chronische Krankheit“ bedarf die Adipositas einer kontinuierlichen langfristigen Behandlung [235]. Stationäre Maßnahmen in spezialisierten Rehabilitationskliniken müssen deshalb durch eine intensive Vor- und Nachbetreuung im ambulanten Bereich ergänzt werden [177]. Bisher fehlen breite Daten zum langfristigen Nutzen dieser spezifischen Behandlungsmaßnahmen über mehrere Jahre. Weitere kontrollierte longitudinale Studien, wie die aktuelle LIFE-Studie aus Leipzig, sind deshalb obligat, um die Langzeitwirkung in Bezug auf Körpergewicht und BMI (BMI-SDS) sowie die assoziierten Risikoprofile und Erkrankungen aufzuklären. Dabei kommen im Rahmen der zunehmenden Individualisierung der Medizin auch auf den einzelnen Patienten orientierte Angebote zum Einsatz [236]. Damit Adipositas erst gar nicht entsteht, stellt zudem die Ableitung effektiver Präventivstrategien aus prognostizierbaren Gewichtsverläufen und Risikofaktoren ein weiteres großes Ziel wissenschaftlicher Forschungsarbeit dar.
Adipositas und Osteoporose stellen immer größer werdende Herausforderungen für
das Gesundheitssystem dar. Beide Erkrankungen gehen mit erheblichen negativen
Auswirkungen für die Betroffenen einher. Übergewicht ist mit der Entstehung von
Diabetes mellitus, sowie einer Erhöhung des Blutdrucks und dem Auftreten eines
inflammatorischen Phänotyps assoziiert. Wiederrum ist die Plasmakonzentration des
Adipokins Chemerin bei übergewichtigen oder adipösen Patienten erhöht. Kleinere
Beobachtungsstudien zeigen, dass erhöhtes Plasmachemerin zudem mit einem
Verlust an Knochensubstanz in Verbindung steht. Die Ergebnisse vorheriger Studien
zu diesem Thema waren jedoch durch ihre kleine Teilnehmerzahl, ihr Studiendesign
oder ihre ausschließlich weibliche Kohorte nicht auf die Allgemeinbevölkerung
übertragbar. Dies ist daher die erste populationsbasierte Studie, die den potentiellen
Zusammenhang zwischen Chemerin und der Knochenqualität in der
Allgemeinbevölkerung untersucht hat. Zudem wurde der Einfluss des Body-MassIndex (BMI) auf den genannten Zusammenhang berücksichtigt.
Für diese Arbeit wurden Daten von 3583 Teilnehmern der Study of Health in
Pomerania (SHIP)–Trend untersucht. Die Probanden wurden nach Geschlecht und
BMI-Gruppen in normalgewichtig (BMI<25 kg/m²), übergewichtig (BMI 25-29 kg/m²)
und adipös (≥30 kg/m²) eingeteilt. Die Plasmachemerinkonzentration wurde im EDTAPlasma der Probanden bestimmt. Die Messung der Knochenqualität erfolgte mittels
quantitativen Ultraschalls (QUS) an der Ferse.
Die statistischen Analysen (lineare und logistische Regressionsmodelle) zeigten bei
adipösen Probanden einen signifikanten inversen Zusammenhang zwischen
Chemerin und der Knochenfestigkeit (Breitbandultraschallabschwächung bei
Männern, Schallgeschwindigkeit und Steifigkeitsindex bei Frauen) sowie eine erhöhte
Chance für ein mittleres oder hohes QUS-basiertes Frakturrisiko. Bei normal- und
übergewichtigen Probanden gab es keinen Hinweis auf signifikante Assoziationen
zwischen den untersuchten Parametern. Chemerin hat somit bei adipösen Männern
und Frauen einen negativen Einfluss auf die Knochenfestigkeit.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass dies die erste Studie ist, die an einem
großen Studienkollektiv den Zusammenhang zwischen Plasmachemerin und der
Knochenqualität in Abhängigkeit vom BMI statistisch umfassend geprüft hat. Es
wurden verschiedene Hypothesen zum pathophysiologischen Zusammenhang
zwischen Chemerin und den QUS-Parametern diskutiert. Eine abschließende
Erklärung kann mit den vorhandenen Daten aber nicht geliefert werden. Um den
klinischen und therapeutischen Nutzen für den Patienten genauer herauszuarbeiten
als auch zur Findung neuer Therapie- und Diagnosekonzepte, sollten weitere Studien
folgen.
Ziel:
Diese populationsbasierte Studie untersucht sowohl die Prävalenz adipöser Schwangerer und deren Geburtsoutcome als auch den Einfluss der Adipositas auf das Outcome des Neugeborenen. Sie beschreibt die Bedeutung der Gewichtsentwicklung in der Schwangerschaft für Mutter und Kind.
Material/Methode:
Insgesamt wurden n=4593 Mütter und ihre Kinder in der populationsbasierten SNiP Studie, Survey of Neonates in Pomerania untersucht. Die Datenerhebung erfolgte im Zeitraum von März 2003 bis November 2008 in Universitäts- und Kreiskrankenhäusern im Nordosten von Mecklenburg-Vorpommern nach standardisierten Fragebögen, Erhebung von Laborparametern und klinischer Dokumentationen. Zur Beurteilung der Schwangerschaftskomplikationen und des Schwangerschaftsausganges wurden die Schwangeren in einzelne BMI Gruppen eingeteilt. Die individuelle Gewichtzunahme wurde ermittelt. Als Outcomeparameter wurden prä- und perinatale Erkrankungen, Pathologien und Risiken bei der Schwangeren und dem Neugeborenen ermittelt und ausgewertet. Hierbei wurden auch sozioökonomischen Faktoren erhoben und ausgewertet.
Ergebnis:
Adipositas ist eine Volkskrankheit. Die mit dieser Volkskrankheit im Zusammenhang stehenden gesundheitlichen Risiken treten nicht nur im Alter auf, sondern es entstehen auch zunehmend Gefährdungen junger Menschen. Hier sind besonders schwangere Frauen mit ihren Neugeborenen betroffen. Mehr als ¼ der schwangeren Frauen im Studiengebiet OVP sind präadipös (BMI 25-29,9) oder adipös (BMI ≥ 30).
Adipöse Schwangere finden sich dem weltweiten Trend entsprechend in der unteren sozialen Bevölkerungsschicht.
Eine Adipositas der Mutter beinhaltet Risiken für Mutter und Kind. Das Risiko einer adipösen Mutter (BMI ≥ 30) an einem Gestationsdiabetes zu erkranken gegenüber einer normalgewichtigen Mutter (BMI 19-24,9) steigt auf das 4,5fache. Das Risiko, eine Gestose auszubilden, steigt auf das 3fache.
Das Risiko des Auftretens mehr als einer Schwangerschaftskomplikation verdoppelt sich bei adipösen Müttern gegenüber normalgewichtigen Müttern. Dies kann unter der Geburt zu höheren Komplikationsraten führen. Häufiger ist bei adipösen Müttern eine primäre oder sekundäre Sectio indiziert. Für die Mütter beinhaltet eine Sectio die allgemeinen Risiken einer Operation (Thrombose/Embolie- Risiko, Blutungen, Wundinfektionen und Bildungen von Verwachsungen) bis hin zur Unfruchtbarkeit.
Zusätzlich stellt sich negativ heraus, dass die Fruchtwasserqualität mit zunehmender Adipositas schlechter wird. Es zeigt sich häufiger Mekonium im Fruchtwasser als Ausdruck einer Hypoxie mit Hyperperistaltik des kindlichen Darms. Durch die Sauerstoffunterernährung kann es vor oder während der Geburt zur Meconiumaspiration kommen, die Obstruktionen und chemische Schädigungen der Lunge verursachen können.
Bei der Betrachtung der Ergebnisse stellt sich allerdings immer wieder heraus, dass die Gewichtszunahme während der Schwangerschaft bei der Beurteilung des Geburtsoutcomes eine untergeordnete Rolle spielt. Allenfalls ist sie ein Parameter zur Abschätzung der Körpermaße des Kindes.
Der BMI eignet sich besser zur Abwägung von Risiken für Mutter und Kind.
Zuletzt ist zu vermerken:
Dennoch sollten untergewichtige Frauen auch nicht außer Acht gelassen werden.
Untergewichtige Frauen haben häufiger Fehlgeburten oder gebären häufiger Frühgeborene mit fehlenden Reifezeichen.
Schlussfolgerung:
Schwangerschaften von adipösen Schwangeren sind mit deutlich erhöhten prä- und perinatalen Schwangerschaftsrisiken für Mutter und Kind behaftet. Daher ist es sinnvoll, schon frühzeitig (am besten vor der Schwangerschaft bei Kinderwunsch) die werdende Mutter bei bestehender Disposition über die Folgen einer Adipositas aufzuklären und durch geeignete Maßnahmen (Diätberatung, Ernährungsumstellung) der Adipositas entgegen zu wirken. Die Beratung sollte jedoch nicht mit der Geburt des Kindes enden. So sollte nach der Geburt das Stillen des Kindes für einen gewissen Zeitraum empfohlen werden, um das spätere Adipositasrisiko des Neugeborenen zu verringern.
Der soziale Status spielt bei der Bekämpfung der Adipositas eine besondere Rolle.
Bildung kann zu einem großen Teil das Auftreten von Adipositas vermeiden.