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Die orale Einnahme stellt für Patienten die einfachste und unkomplizierteste Möglichkeit dar, ein Arzneimittel zu applizieren und ist das angestrebte Ziel der Arzneimittelentwicklung. Dem entgegen stehen jedoch die evolutionär entstandenen Möglichkeiten des Körpers, aufgenommene Fremdstoffe zu inaktivieren und zu eliminieren. Ein Zusammenspiel aus anatomischen Gegebenheiten und den Enzymen des Fremdstoffmetabolismus sorgt dafür, dass ein Teil der oral applizierten Dosis bereits verstoffwechselt wird, bevor er über das arterielle System an den Wirkort gelangen kann (first-pass-Effekt). Als Ort dieses Metabolismus wurde, neben der Leber, auch der Darm identifiziert. Um das Ausmaß des first- pass-Effektes abschätzen zu können, werden Daten über den Gehalt der arzneistoffmetabolisierenden Enzyme in diesen Organen benötigt. Als Methode der Wahl bietet sich dazu die LC-MS/MS an, da mit ihr verschiedene Enzyme in einem analytischen Lauf bestimmt werden können und sie sich durch eine hohe Empfindlichkeit, Reproduzierbarkeit und Spezifität auszeichnet.
Mit der vorliegenden Arbeit wurde das analytische Spektrum der bisher publizierten Methoden zur Bestimmung von CYP- und UGT-Enzymen erweitert. Mit der neuen Methode können nun zwei Carboxylesterasen, 17 CYP-Enzyme und fünf UGT-Enzyme quantifiziert werden. Weiterhin wurde die Methode anhand von Richtlinien für bioanalytische Methoden umfassend validiert. Durch die Verwendung von rekombinant hergestellten arzneistoffmetabolisierenden Enzymen konnte der gesamte analytische Prozess, von der Probe bis zum Endergebnis, erstmalig umfassend charakterisiert werden. Dabei zeigte sich eine, für einen derart komplexen Prozess bemerkenswerte Präzision von maximal 15,5% Variation nach sechsmaliger Durchführung.
Die entwickelte Methode wurde dann auf gepaarte Proben aus Leber und Jejunum von elf gesunden Organspendern angewendet. Im Jejunum wurden CES1, CES2, CYP2C9, CYP2C18, CYP2C19, CYP2D6, CYP2J2, CYPA4, CYP3A5, CYP4F2, CYP4F12, UGT1A1, UGT1A3, UGT2B7 und UGT2B17 gefunden. In der Leber konnten alle untersuchten Enzyme (CES1, CES2, CYP1A1, CYP1A2, CYP2A6, CYP2B6, CYP2C8, CYP2C9, CYP2C18, CYP2C19, CYP2D6, CYP2E1, CYP2J2, CYP3A4, CYP3A5, CYP3A7, CYP4F2, CYPF12, UGT1A1, UGT1A3, UGT2B7, UGT2B15 und UGT2B17), bis auf CYP4A11 nachgewiesen werden. Für einige Enzyme (CES2, CYP2C18, CYP2C19, CYP2J2, CYP3A4, CYP4F2, CYP4F12) wurden im Jejunum Enzymgehalte gemessen, die mit denen in der Leber vergleichbar sind, was noch einmal unterstreicht, dass der Darm auch als klinisch relevanter Ort des Arzneistoffmetabolismus betrachtet werden muss. Auffällig war hier zudem die deutlich höhere Variabilität in den Darmproben, verglichen mit den Leberproben, die ihre Ursache in Umwelteinflüssen oder dem Mikrobiom des Darms haben könnten. Außerdem wurde die Expression der zugehörigen Gene mittels quantitativer real-time PCR untersucht. Hier bestand nur in einigen Fällen eine signifikante Korrelation zwischen Genexpression und Proteingehalt, was für zwischengeschaltete regulatorische Mechanismen spricht.
Weiterhin wurden mit dieser Methode Leberproben einer Kohorte von Patienten mit Krankheitsbildern, die mit einer Einschränkung der Leberfunktion einhergehen, untersucht. Dazu wurden die Patienten nach der verbleibenden Leberfunktion (Child-Pugh-Score) und nach der zugrundeliegenden Erkrankung eingeteilt. Es zeigt sich eine generelle Abnahme des Gehaltes an arzneistoffmetabolisierenden Enzymen mit fortschreitender Verschlechterung der Leberfunktion, wobei sich CYP2E1 als besonders anfällig erwiesen hat und bereits in Child- Pugh-Klasse A signifikant erniedrigt war. Bei den verschiedenen Erkrankungen zeigt sich ein uneinheitliches Bild, die prozentuale Verteilung der Enzyme ist jedoch bei allen Erkrankungen gegenüber den gesunden Kontrollproben verändert.
Über die Regulation der Expression von arzneistoffmetabolisierenden Enzymen ist bisher noch wenig bekannt. Es gibt aber Hinweise aus der Literatur, dass bestimmte nukleäre Rezeptoren an der Regulation der Enzyme beteiligt sein können. Deshalb wurde eine LC-MS/MS-basierte targeted-proteomics-Methode zur Quantifizierung von nukleären Rezeptoren in Darm- und Lebergewebe entwickelt und validiert. Im Gewebe konnten nur AhR und HNF4α nachgewiesen werden, da die Empfindlichkeit des verwendeten experimentellen Ansatzes vermutlich nicht ausreichend ist. Dabei war HNF4α in Darmgewebe deutlich höher exprimiert als AhR. Außerdem wurde die Expression der nukleären Rezeptoren auf Genebene durch quantitative real-time PCR untersucht. Dabei wurde eine höhere Expression von CAR in der Leber gefunden, während PXR in Darm stärker exprimiert wird. Dies entspricht den Erkenntnissen aus der Literatur, nach denen CAR einen regulatorischen Effekt auf arzneistoffmetabolisierende Enzyme in der Leber hat, während dies für PXR in Darm zutrifft. Diese Arbeit kann einen Beitrag zum weitergehenden Verständnis der Regulation von arzneistoffmetabolisierenden Enzymen durch nukleäre Rezeptoren beitragen.
Bei allen diesen Arbeiten gilt es zu beachten, dass das Vorhandensein eines Proteins nicht zwangsläufig mit seiner Aktivität gleichzusetzen ist. Jedoch zeigen zahlreiche Beispiele aus der Literatur, dass sich mit den Daten aus Proteomics-Studien PBPK-Modelle aufstellen lassen, die die in klinischen Studien erhobenen Daten mit beeindruckender Genauigkeit reproduzieren können.
Die Wirksamkeit und Sicherheit einer Arzneitherapie wird durch zahlreiche pharmakokinetische Prozesse beeinflusst. Neben den durch CYP-450-Enzym vermittelten Biotransformationsvorgängen sind zunehmend Transportprozesse durch Arzneimitteltransporter aus der ABC- sowie SLC-Familie in den Fokus getreten, welche unter anderem in den Membranen der Enterozyten, aber auch in weiteren Organen exprimiert sind. Die Expression und Funktion der Arzneimitteltransporter kann beispielsweise durch Arzneistoffe beeinflusst werden und somit in Arzneimittelwechselwirkungen resultieren. Dass diese Regulationsmechanismen eine hohe Komplexität aufweisen, ist aus einer Vielzahl von klinischen Interaktionsstudien ersichtlich. In diesen führte die Applikation von bekannten Induktoren des Arzneistoffmetabolismus und -transports zu organspezifischen Veränderungen in der Pharmakokinetik der gleichzeitig verabreichten Arzneistoffe.
Ziel dieser Arbeit war es, zu einem besseren Verständnis der Expression und Regulation intestinaler Arzneimitteltransporter beizutragen, um somit Auswirkungen auf die Pharmakokinetik besser vorhersagen zu können. Dies beinhaltete zum einen die Mitarbeit an der Entwicklung und Validierung einer LC-MS/MS-basierten Methode zur Proteinquantifizierung, mit welcher auch in limitierten Gewebemengen die am stärksten exprimierten Membrantransporter ABCB1 (P-gp), ABCC2 (MRP2), ABCG2 (BCRP) und SLC15A1 (PEPT1) quantifiziert werden konnten. Parallel dazu wurden die Prozesse zur mRNA-Isolierung und -Quantifizierung optimiert.
In der präklinischen Forschung wird weitverbreitet das Caco-2-Zellmodell zur Prädiktion der intestinalen Absorption genutzt. Im Rahmen dieser Arbeit sollte das Caco-2-Zellmodell dahingehend untersucht werden, ob es ein geeignetes Modell zur Prädiktion der intestinalen Absorption darstellt, auch in Bezug auf Induktionsvorgänge. In bereits publizierten Arbeiten wurde häufig eine gute Korrelation des Transporterexpressionsmusters auf mRNA-Ebene zwischen Caco-2 und Jejunum gezeigt. Die vorliegenden vergleichenden Ergebnisse zur mRNA- und Proteinexpression von Arzneimitteltransportern zeigten, dass sowohl im Zellmodell als auch im jejunalen Gewebe in Teilen deutliche Diskrepanzen zwischen mRNA und Transporterexpression bestehen. Auf der für die Funktion der Arzneimitteltransporter relevanten Proteinebene zeigten sich für ABCB1, ABCC2 und ABCG2 relativ gute Übereinstimmungen, während die Proteinexpression anderer Transporter, insbesondere OATP2B1, im Zellmodell deutlich abwich. Dies verdeutlicht, dass insgesamt Vorsicht geboten ist in der Prädiktion der intestinalen Absorption mittels Caco-2-Zellmodell, da zudem bereits auf mRNA-Ebene gezeigt worden ist, dass die Expression der Transporter sowohl von dem Zellklon als auch von den Kulturbedingungen anhängig ist. Darüber hinaus wurde in dieser Arbeit gezeigt, dass die Expression der Transporter in dem Zellmodell sowohl auf mRNA- als auch auf Proteinebene zeitlich variabel ist. Somit empfiehlt sich ein noch vorsichtiger Umgang mit Daten zur intestinalen Absorption, welche auf Basis eines Caco-2-Modells mit verkürzter Kultivierungszeit erhoben worden sind. Induktionsprozesse konnten weder auf Ebene der mRNA-Expression oder des Proteingehaltes noch auf Ebene der Funktion in dem Caco-2-Zellmodell durch Inkubation mit prototypischen Induktoren des Arzneistoffwechsels (Carbamazepin, Efavirenz, Johanniskrautextrakt, Rifampicin) simuliert werden.
Weiterhin wurde die Induktion von intestinalen Arzneimitteltransportern in vivo untersucht. Chronische Gabe von Rifampicin führte zu einem Anstieg von ABCB1 und ABCC2 auf mRNA Ebene, welches nur im Fall von ABCB1 (P-gp) auf Proteinebene umgesetzt wurde. Die chronische Applikation von Carbamazepin resultierte ausschließlich in einer Induktion auf mRNA Ebene. Im Vergleich zu Rifampicin war diese jedoch auch geringer ausgeprägt. Der PXR-Ligand Rifampicin kann aufgrund einer hohen intestinalen PXR-Expression eine stärkere Induktion hervorrufen als Carbamazepin, welches präferentiell den nukleären Rezeptor CAR aktiviert. Begünstigt wird dies darüber hinaus dadurch, dass Rifampicin, nicht aber Carbamazepin, einem enterohepatischen Kreislauf unterliegt und Rifampicin somit über einen längeren Zeitraum im Intestinum in einer Konzentration vorliegt, welche notwendig ist, um eine Aktivierung der nukleären Rezeptoren zu erreichen. Regulationsvorgänge durch miRNAs können dafür verantwortlich sein, dass eine erhöhte Expression der mRNA nicht parallel mit einem Anstieg des Proteingehaltes einhergeht. Durch Korrelationsanalysen, in silico-Prädiktion sowie Untersuchungen mittels Reportergen-Assays konnten in der vorliegenden in vivo-Studie drei Interaktionen zwischen miRNAs und mRNAs (ABCB1 - miR-485-3p; ABCC2 - miR-26a-5p; ABCG2 - miR-577) identifiziert werden, welche potentiell den Translationsprozess verhindert bzw. abgeschwächt haben. Korrelationsanalysen mit bereits zuvor erhobenen Daten zur Pharmakokinetik der applizierten probe drugs deuten darauf hin, dass die systemische Verfügbarkeit von Ezetimib und dessen Glukuronid durch intestinales ABCB1 (P-gp), nicht jedoch wie zuvor angenommen durch intestinales ABCC2 (MRP2) beeinflusst wird. Insgesamt konnten nach chronischer Gabe von Rifampicin Korrelationen entlang der Signalkaskade ausgehend von der mRNA-Expression von PXR, über die mRNA Expression von ABCB1, unter Berücksichtigung der Expression der miRNA 485-3p bis hin zum Gehalt und der Funktion von ABCB1 (P-gp) gezeigt werden. Veränderungen des Plasmaspiegels von Talinolol nach chronischer Gabe von Carbamazepin sind hingegen nicht auf Induktionsvorgänge intestinaler Transportprozesse zurückzuführen. Die Ursachen dafür sind u.a. in der Erhöhung der renalen Clearance zu suchen. Zusammengefasst konnte gezeigt werden, dass nukleäre Rezeptoren, miRNAs und die pharmakokinetischen Eigenschaften der Induktoren selbst maßgeblich an der differenziellen Regulation von Transportprozessen beteiligt sind.