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Im Mitteldevon wurde im heutigen Gebiet von Rügen-Hiddensee und der östlich angrenzenden Ostsee eine über 1500 m mächtige Abfolge kontinentaler und rand- bis flachmariner Sedimente abgelagert, die durch 10 Bohrungen einer Untersuchung zugänglich geworden sind. Unterdevon fehlt; die Abfolge lagert mit großer Lücke und diskordant kaledonisch deformierten ordovizischen Schichten auf. Sie geht kontinuierlich in Oberdevon über. Geröll-, Lithoklasten und Quarzkorn-Analysen belegen die Herkunft der Sedimente von einem sedimentär-metamorphen Liefergebiet - den Mitteleuropäischen Kaledoniden im SW bis W des devonischen Rügen-Beckens. Geochemische und petrographische Ergebnisse unterstreichen ihre Ablagerung im Übergang eines aufgearbeiteten Orogens zu einem Kontinentalgebiet im Vorfeld der kaledonischen Hochlage. Faziesanalysen führen zu dem Schluss, dass Sedimentfazies und -zyklizität durch eine materialliefernde Hochlage im SW, variierende Subsidenz, klimatische Variationen (saisonale bis episodische Niederschläge, Austrocknung) sowie durch Transgressionen aus einem marinen Gebiet im SE bestimmt waren. So ergeben sich zwei große Faziesbereiche: (1) terrigene Red-Beds mit Molasse-Charakter – die Old Red-Fazies (ORF) im eigentlichen Sinn; (2) eine rand- bis flachmarine Fazies – die so bezeichnete Litoral-Marine Fazies (LMF). Zwischen beiden existieren Verzahnungen und Übergänge mit transgressivem bzw. regressivem Charakter. Aufgrund einer generellen „Absenkung“ veränderte sich Sedimentationsraum von einer vorwiegend kontinentalen Ebene im tieferen Mitteldevon über einen sandigen Flachschelf am Ende des Mitteldevons zu einem Karbonatschelf im Oberdevon. Diese Entwicklung korreliert gut mit den Phasen des globalen Meeresspiegelanstiegs in diesem Zeitraum. Die sedimentologischen, petrographischen, geochemischen und mineralogischen Analysen erlauben eine detaillierte Rekonstruktion der Ablagerungsmilieus. Das Material der terrigenen Red Beds (ORF) wurde durch ephemere Ströme und Schichtfluten auf eine weite flache Alluvialebene gebracht und auf ephemeren Überschwemmungsebenen sowie distal auf terrigenen Mud Flats und in ephemeren Tümpeln abgelagert. Dabei unterlagen die oberflächennahen Sedimente saisonaler Austrocknung und Evaporation (Bildung von Trockenriss-Feldern, Calcretes, teils Spuren von Gips/Anhydrit). Demgegenüber bezeugen lokal verbreitet auftretende grüne und graue Horizonte mit gehäuften Pflanzenresten und Sporen zeitweilig wasserbedeckte Gebiete und Bedingungen erhöhter Humidität und bevorzugten Pflanzenwuchses (Küstenniederungen). Zahlreiche marine Einschübe, die den SE-Teil des Arbeitsgebietes bereits im Eifel erreichten, und mit der Zeit im zunehmenden Maße auch den Westteil beeinflussten, signalisieren die marginale Lage des Rügen-Beckens zu einem sich im SE anschließenden marinen Ablagerungsraum. Sie führten zu einer zunehmenden Marinität der mitteldevonischen Abfolgen und zur Bildung des zweiten Faziesbereiches (LMF) aus tidal-lagunären und litoralen bis flachmarinen Sedimenten. Phasenweise ansteigende fluviatile Transportkraft führte zur Schüttung gröberer, vorrangig sandiger, seltener konglomeratischer Sedimente und zur Kompensation der Beckensubsidenz, was sich in Abfolgen progradierender Küstenlinien und deltaischen Küstenvorbaus widerspiegelt. Des weiteren führt die intraformationelle Aufarbeitung der Sedimente zur Bildung zahlreicher Intraklasten-Horizonten. Die Klimaproxies signalisieren semiaride Bedingungen in Übereinstimmung mit der paläogeographischen Lage Vorpommerns und Balticas im Devon im südlichen Trockengürtel bis äquatorialen Feuchtgürtel. Mittels der Faziesverteilung, der Sediment- und base level-Zyklizität und der Milieuentwicklung ist es möglich, ein zeitlich-räumliches Faziesmodell zu konstruieren mit Rückschlüssen auf die generelle Entwicklung des vorpommerschen Mitteldevons. Paläogeographisch existieren enge Verbindungen zu den polnischen Devonvorkommen; vorrangig zur Koszalin-Chojnice-Zone (NW-Polen), darüber hinaus in SE’ Fortsetzung vermutlich bis zur Radom-Lublin-Region und dem Heilig-Kreuz-Gebirge. Sie sind an den Südrand des Old Red-Kontinents einzuordnen und wurden in einem perikratonalen, sich nach SE vertiefenden Becken entlang dessen Peripherie abgelagert. Variierende Subsidenz und Mobilität kaledonischer Grundgebirgsblöcke modifiziert die Faziesmuster in diesem Becken. Während die Sedimentation in Südpolen bereits im Unterdevon begann bzw. sich teils kontinuierlich an das Silur anschließt, wurde der vorpommersche Ablagerungsraum erst ab der Wende Ems/Eifel in das Sedimentationsgeschehen einbezogen. So bildete die Rügen-Senke den nordwestlichsten Ausläufer des polnischen Perikratonalraumes. Ihre ursprüngliche Ausbreitung nach Südwesten, Nordwesten und Nordosten ist aufgrund post-devonischer Denudation nicht rekonstruierbar, jedoch wahrscheinlich begrenzt durch das Fennoskandische Hoch im N und einer materialliefernden kaledonischen Grundgebirgshochlage im SW.
Im neoliberalen Wettbewerb um Einwohner, Touristen und Unternehmen gehören diskursive Repräsentationen zu den wichtigsten Zuschreibungen von Städten und Regionen. Dies trifft besonders auf schrumpfende Regionen zu, welche dem Druck des interregionalen und internationalen Wettbewerbs besonders ausgesetzt sind. Diese Repräsentationen werden dabei durch sprachliche Äußerungen und Handlungen erschaffen. Diese Dissertation untersucht anhand der drei Städte Rostock, Stralsund und Greifswald, welche unterschiedlichen diskursiven Repräsentationen sich jeweils aus den Sprecherpositionen der überregionalen Printmedien, des Stadtmarketings und der touristischen Angebotsseite durch Airbnb-Angebote ergeben. Durch den methodischen Ansatz der lexikometrischen Diskursanalyse werden verschiedene schriftliche Produkte analysiert. Während die Berichterstattung in den Medien Rostock und Greifswald eine starke und dynamische Stadtentwicklung zuschreibt und sie sich damit von den Stigmata der schrumpfenden Städte und Regionen lösen, nimmt Stralsund eine untergeordnete Rolle ein und scheint tatsächlich eher durch einen Schrumpfungsdiskurs geprägt zu sein. Die Selbstdarstellung der Städte durch das Stadtmarketing hebt erwartungsgemäß die positiven Aspekte der jeweiligen Stadt hervor. Dabei wird jedoch durch jede Stadt ein anderer Schwerpunkt gewählt. Auch die touristischen Darstellungen der Städte durch die Airbnb-Angebote erzeugen trotz räumlicher Nähe und damit ähnlichen Ausgangssituationen jeweils sehr unterschiedliche Aspekte des städtischen Tourismus hervor. Während in Rostock das Flair und Ambiente der studentisch geprägten Quartiere hervorgehoben wird, wird in Greifswald der klassische Strandurlaub am Bodden beworben. Stralsund profitiert in der touristischen Darstellung stark von seinem Status als UNESCO-Weltkulturerbe.
Die Idee von UNESCO-Biosphärenreservaten besteht darin, den Erhalt der biologischen Vielfalt mit der nachhaltigen Regionalentwicklung unter Beteiligung der Bevölkerung zu verbinden. Inwiefern die Idee unterstützt und in der eigenen Lebensweise berücksichtigt wird, wurde exemplarisch für die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus drei Regionen analysiert. In Deutschland sind die UNESCO-Biosphärenreservate im Bundesnaturschutzgesetz rechtlich gesichert und gehören in den Zuständigkeitsbereich der Landesumweltministerien. Damit fehlt es ihnen oftmals an Zuständigkeiten, Personal und Geldern über naturschutzfachliche Themen hinaus. Mit dem Auftrag der Gewerbeförderung und dem Ausbau der Infrastruktur ergänzen die Gemeinden die naturschutzfachlichen Kompetenzen der deutschen UNESCO-Biosphärenreservate. Daher ist eine Zusammenarbeit für den Erfolg entscheidend. Die Forschungsfrage lautet somit: Wie ist die Idee der UNESCO-Biosphärenreservate in dem Wissen, den Einstellungen und dem Handeln der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus den UNESCO-Biosphärenreservaten Schaalsee, Schorfheide-Chorin und Südost-Rügen verankert? Den Anforderungen der qualitativen Sozialforschung entsprechend, wurden die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der drei UNESCO-Biosphärenreservate 2010 interviewt. Das neuartige Konzept Verankerung der UNESCO-Biosphärenreservats-Idee bei Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern ergab sich aus einem abduktiven Forschungsprozess: Er bestand aus einem Wechselspiel zwischen der Analyse von 45 leitfadengestützten Interviews nach der Grounded-Theory-Methodologie und dem Studium der sozialwissenschaftlichen Forschungen zu Akzeptanz, Partizipation und Governance in Schutzgebieten. Das Konzept Verankerung umfasst drei Dimensionen: Wissen, Einstellung und Handeln. Diese wurden mit jeweils vier bis fünf Kategorien gefüllt, die durch die explorative Analyse der Interviews identifiziert wurden. Orientiert an der Gesamtbeurteilung der Vor- und Nachteile des UNESCO-Biosphärenreservates vor Ort konnten die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in fünf unterschiedliche Typen der Verankerung unterteilt werden: Für die Unterstützer bringt das Biosphärenreservat vor Ort deutlich mehr Vorteile als Nachteile. Sie verfügen über umfangreiches Wissen zum Biosphärenreservat und zeigen eine hohe Eigeninitiative zur Umsetzung der Biosphärenreservats-Idee. Für die Befürworter überwiegen ebenso die Vorteile gegenüber den Nachteilen, jedoch nicht so deutlich wie bei den Unterstützern. Sie wissen weniger genau über das Biosphärenreservat vor Ort Bescheid, beteiligen sich aber bei Projekten der Biosphärenreservats-Verwaltung. Für die Unentschiedenen sind die Vor- und Nachteile des Biosphärenreservates ausgewogen. Sie kennen im Prinzip die Aufgaben von Biosphärenreservaten, konkrete Aktivitäten vor Ort sind ihnen aber kaum bekannt. Bei formellen Beteiligungsverfahren haben sie negative Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der Biosphärenreservats-Verwaltung gemacht. Sie loben jedoch einzelne Projekte. Für die Kritiker überwiegen die Nachteile gegenüber den Vorteilen des Biosphärenreservates. Sie bemängeln die Beteiligung der Gemeinden bei der Ausweisung des Biosphärenreservates als unzureichend und beanstanden die Zusammenarbeit mit der Biosphärenreservats-Verwaltung in formellen Beteiligungsverfahren. Sie sind Einheimische und haben im Alltag sehr starke Einschränkungen durch das Biosphärenreservat erfahren. Die Unbeteiligten können weder Vor- noch Nachteile des Biosphärenreservates benennen. Sie wissen kaum etwas über die Aktivitäten der Biosphärenreservats-Verwaltung und arbeiten selten mit ihr zusammen. In der komparatistische Analyse der Typen in den drei Biosphärenreservaten zeigen sich folgende Unterschiede: Im Biosphärenreservat Schaalsee sind die meisten Unterstützer und Befürworter zu finden, so dass dort die Biosphärenreservats-Idee am stärksten bei den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern verankert ist. Im Gegensatz dazu sind im Biosphärenreservat Südost-Rügen die meisten Kritiker. Im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin ist der Anteil der Unentschiedenen am größten. Diese Unterschiede sind eine Momentaufnahme und unterliegen einem ständigen Wandel. Da es durch die Kommunalwahlen regelmäßig zu neuen Konstellationen kommt, sollte diese Untersuchung nach jeder Wahl wiederholt werden. Die Ergebnisse können nicht mit der Verankerung der Biosphärenreservats-Idee bei der Bevölkerung gleichgesetzt werden, wie eine Gegenüberstellung mit den Ergebnissen einer Bevölkerungsbefragung aus 2010 gezeigt hat. Alles in allem liefert das Konzept Verankerung der Biosphärenreservats-Idee und die Differenzierung der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Typen der Verankerung einen neuen Ansatz zur Analyse von Stakeholdern im Schutzgebietsmanagement. Es gibt dem Management eine bessere Handlungsorientierung: Es geht darum, eigenverantwortliches Handeln der Bürgerinnen und Bürger differenziert anzuregen und zu unterstützen.
In der Promotionsschrift mit dem Thema „Das Kusnezk-Becken in Sibirien: Entwicklungsstrategien zur Modernisierung einer altindustriell geprägten peripheren Region“ wurde im ersten Schritt eine wirtschafts- und sozialgeographische Regionalanalyse durchgeführt, die sich auf die Auswertung russischer Fachtexte, Geschäftsberichte und Statistiken stützt. Als Bewertungsmaßstab für die Entwicklungs- und Modernisierungsmaßnahmen wurden u.a. die Ziele der 2007 erstellten „Strategie zur sozioökonomischen Entwicklung der Oblast‘ Kemerovo in langfristiger Perspektive“ (Entwicklungsstrategie 2025) in einer Halbzeitbilanz genutzt. Das Kusnezk-Becken bildet etwa ein Viertel der Fläche der Oblast‘ Kemerovo, erzeugt jedoch über 90 % der Wertschöpfung der Region. Die Ergebnisse der Analyse wurden mit 27 russischen Spezialisten diskutiert. Darüber hinaus wurden die Modernisi-rungs- und Diversifizierungsanstrengungen in der Oblast‘ Kemerovo mit denen in deutschen altindustriellen Regionen verglichen, und zwar mit dem Ruhrgebiet und dem Braunkohlerevier Niederlausitz. Methodisch wurde ein raumkommunikativer Ansatz gewählt. Die Probleme einer Altindustrieregion, die Programme der Unternehmen (Geschäftsberichte) und der Oblast‘-Verwaltung sowie die sich daraus ergebenden Programmräume wurden miteinander verschnitten. Als Leitprogramm diente 2007 erstellte langfristige Entwicklungsstrategie der Oblast‘ Kemerovo bis 2025. Da bereits neun Jahre des Programmzeitraums verflossen sind, konnten Ziele und Maßnahmen der anfangs erwähnten Halbzeitbilanz unterzogen werden. Nachfolgend werden die Programmblöcke Wachstumssicherung, Diversifizierung und Innovation beleuchtet. Insgesamt sind bereits einige aus anderen Altindustrieregionen bekannte klassische Instrumentarien zur Modernisierung eingesetzt worden. Vieles scheiterte an Halbherzigkeit und Finanzknappheit. Es wurde deutlich, dass besonders wichtige Projekte (insbes. bei der Innovationsförderung) von der Föderation initiiert worden sind. Das gilt auch für die „Entwicklungsstrategie 2025“. Sie wurde von einem regierungsnahen Projektbüro in St. Petersburg erstellt. Insgesamt scheint sich eine starke Zielabweichung von der Entwicklungsstrategie 2025 zu ergeben. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass einige Effekte aufgrund des zu kurzen Zeitraums seit der Implementierung noch nicht messbar sind. Insgesamt ist hervorzuheben, dass allein mit der Initiative dieser Entwicklungsstrategie die weitere Verabschiedung von etlichen branchenspezifischen Programmen auf der Ebene der Oblast’ angeregt werden konnte. Eine der wichtigsten Thesen der Arbeit ist folgende: Wenn eine periphere Region ihre Industriestrukturen erhalten und entwickeln will, dann sollte sie dies staatlich kontrolliert in eigener Regie durchführen können. Es bedeutet für die Modernisierung einer peripheren Altindustrieregion, dass staatliche Institutionen insgesamt mehr leisten müssen als beispielsweise in den begünstigten zentral gelegenen Metropolregionen des europäischen Russlands wie Moskau oder St. Petersburg.
Arne Bünger leistet mit den Ergebnissen seiner Untersuchungen der Innovations- und Adaptionsfähigkeit, der Nachhaltigkeitsorientierung sowie der Identifizierung von verschiedenen Akteurstypen in der Schweine- und Geflügelproduktion einerseits und der Algen- und Insektenproduktion andererseits einen Beitrag zum besseren Verständnis von sozio-technischen Transformationen und stärkt den bislang unterrepräsentierten Raum- und Akteursbezug in der Transformationsforschung. Dies und eine Analyse von Innovationspotenzialen und Nachhaltigkeitsorientierung im tri-nationalen Vergleich tragen zur Schließung von aktuellen Forschungslücken bei.
Die dynamische Bevölkerungsentwicklung Ostdeutschlands seit 1990 zeigt am Beispiel der Entstehung einer Residualbevölkerung die unterschiedlichen Variationen der Selektivität von Wanderungen: Einer Bevölkerung, die aufgrund langfristig wirkender selektiven Wanderungsverluste im ländlich-peripheren Raum ein spezifisches demographisches Verhalten aufweist.
Der Wanderungsverlust Ostdeutschlands mit über 2,5 Millionen Menschen hat tiefgreifende Auswirkungen auf die alters-, geschlechts- und bildungsspezifische Bevölkerungsstruktur der neuen Bundesländer hinterlassen. Auch wenn die jungen Generationen zumeist das politisch geeinte Deutschland leben, existieren mit Blick auf die vorliegenden demographischen Prozesse und Strukturen bis heute nahezu zwei deutsche Staaten.
Die Entwicklungen sowie die Auswirkungen insbesondere der räumlichen Bevölkerungsbewegung wurden entsprechend dem Stand der Forschung vor dem Hintergrund der Situation Ostdeutschlands vorgestellt und die darauf aufbauenden Forschungsthesen benannt. Das bisher nur theoretische Konstrukt der Residualbevölkerung, die Interdependenz aus natürlicher und räumlicher Bevölkerungsbewegung, wurde anhand von unterschiedlichen demographischen Parametern (u. a. hohe Fertilität, hohe Mortalität, starke Wanderungsverluste, großes Frauendefizit, Überalterung) eingeordnet und damit als messbar definiert.
Am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns konnte anschließend gezeigt werden, wie sich die Bevölkerungsstruktur des ehemals jüngsten Bundeslandes aufgrund der selektiven Migration innerhalb eines Vierteljahrhunderts in das älteste umkehrte. Um diesen Verlauf nachzuvollziehen, wurden auf Gemeindeebene die unterschiedlichen Bewegungsentwicklungen ab 1990 dargestellt: Der Rückgang der Sterblichkeit, der Wiederanstieg der Fertilität sowie der sich manifestierende Wanderungsverlust junger Frauen. Daran anschließend zeigten Strukturberechnungen, wie sowohl das Billeter-Maß als auch Geschlechterproportionen, die umfassenden Auswirkungen der Bewegungen auf den Bevölkerungsstand und dessen Struktur Mecklenburg-Vorpommerns: Einen stetigen Rückgang der Bevölkerungszahlen, ein über-proportionales Frauendefizit in jüngeren Altersjahren und eine fortlaufend beschleunigte Alterung der Bevölkerung.
Vor dem Hintergrund dieser Rahmenbedingungen wurde für die Zeiträume 1990-2001 und 2002-2013 jeweils eine Clusteranalyse durchgeführt, die als Ergebnis eine Typisierung von Gemeinden hinsichtlich einer messbaren Residualbevölkerung ermöglichten. Entsprechend der Vordefinition eines solchen migrationellen Konstruktes konnte für etwa jede fünfte Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern solcherart demographische Bedingungen identifiziert werden. Diese Gemeinden liegen tendenziell im Binnenland und fern der Zentren – eine zentrale Verortung konnte nicht festgestellt werden. Von Gemeinde zu Gemeinde unterschieden sich die demographischen Parameter teils stark, so dass von einflussreichen lokalen (nicht betrachteten) Rahmenbedingungen ausgegangen werden muss.
Dagegen konnten auch Gemeinden ohne residuale Züge identifiziert werden. Etwa jede dritte Gemeinde Mecklenburg-Vorpommerns wies keine Parameter einer Residualbevölkerung auf. Diese Regionen waren vor allem in der Nähe der Zentren und der Küste zu finden. Die verbliebenen Gemeinden zeigten nur kurzfristig oder nur im geringfügigem Maße Indizien für eine solche Bevölkerung – das betraf etwa die Hälfte aller Gemeinden im Land.
Nach der gesamtgemeindlichen Analyse wurde die Bevölkerungs- und Sozialstruktur der dabei betroffenen Gemeinden Strasburg (Um.) im Landkreis Vorpommern-Greifswald und Dargun im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte detailliert analysiert. Die Bevölkerungsentwicklung beider Betrachtungsgemeinden entsprach der vieler ostdeutscher Kleinstädte im ländlichen Raum nach der politischen Wende: Während die Gemeinden in der DDR Bevölkerungswachstum erfuhren oder zumindest gleichbleibende Bevölkerungszahlen als regionales Zentrum aufwiesen, verursachte die Abwanderung vor allem junger Menschen und ein manifestierter Sterbeüberschuss nach 1990 stetig rückläufige Zahlen.
In diesen beiden Gemeinden wurden dann nicht gesamtgemeindliche Bevölkerungszahlen analysiert, sondern vielmehr die Zusammensetzung einer Gemeindebevölkerung vor dem Hintergrund ihres Migrationsstatus differenziert. Für den Zeitraum 1979-2014 wurden deshalb anhand dieses Status die Bevölkerungen beider Gemeinden in Sesshafte und Zugezogene unterteilt. Aufgrund der sowohl vorhandenen Sterbe- als auch Geburtsstatistik war es möglich, die natürliche und räumliche Bevölkerungsbewegung der insgesamt fast 22.000 Men-schen direkt herauszuarbeiten. Die sesshafte Bevölkerung repräsentiert dabei die Menschen, die am ehesten dem Typus „Residualbevölkerung“ entsprechen.
Nach Berechnung der Mortalitäten für unterschiedliche Zeiträume ergab sich tendenziell eine höhere Sterblichkeit bzw. geringere Lebenserwartung der Sesshaften gegenüber den Zuzüglern bei Frauen wie Männern. Wurden darüber hinaus die Zugezogenen nach Lebensdauer in den Betrachtungsgemeinden differenziert, ergab bei beiden Geschlechtern eine längere Zugehörigkeit zu den Gemeinden auch eine höhere Sterblichkeit. Damit wurde einerseits die generell höhere Mortalität des ländlich-peripheren Raums gegenüber dem urbanen Raum bestätigt. Andererseits entspricht die höhere Sterblichkeit der sesshaften gegenüber der der nichtsesshaften Bevölkerung den Vorüberlegungen zur Residualbevölkerung.
Darüber hinaus wurde zusätzlich der Parameter „Bedürftigkeit“ berücksichtigt. Hier konnte erwartungsgemäß für beide Betrachtungsgemeinden die höchste Sterblichkeit der von Sozial-leistungen betroffenen Menschen festgestellt werden. Je länger dabei die Bezugsdauer, umso höher war die aufgezeigte Mortalität – dies sogar zumeist vor der sesshaften Bevölkerung. Bezieher von Sozialhilfe waren im Vergleich zu Beziehern von Wohngeld am stärksten betroffen; Unterschiede bei Männern besonders stark vertreten. Die Nichtbezieher wiesen bei beiden Geschlechtern die geringste Sterblichkeit auf.
Neben der Mortalität wurde als zweite Variable der natürlichen Bevölkerungsbewegung die Fertilität der beiden Bevölkerungsgruppen untersucht. Hier ergaben sich jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Bevölkerungsgruppen
Im Bereich der Periodenfertilität wiesen Zuzügler gegenüber den Sesshaften eine erhöhte Fertilität auf. Berechnungen der Kohortenfertilität ergaben wiederrum eine leicht höhere Fertilität der Sesshaften. Auch eine detaillierte Analyse der Zuzüglerinnen offenbarte kein einheitliches Bild. Mit Blick auf die Bedürftigkeit war festzustellen, dass die Bezieherinnen eine deutlich höhere Fertilität gegenüber Nichtbezieherinnen – unabhängig von der Bezugsdauer – aufwiesen. Im Ergebnis wurde damit zwar die generell höhere Fertilität des ländlich-peripheren Raums gegenüber dem urbanen Raum bestätigt. Die entsprechenden Vorüberlegungen zur Fertilität der sesshaften gegenüber der nichtsesshaften Bevölkerung konnten aber nicht eindeutig verifiziert werden.
Die gesamtheitliche Betrachtung der Gemeindeberechnungen zeigte demzufolge ein zweitgeteiltes Bild: Die Ergebnisse der Mortalität bestätigen die Annahmen zur Residualbevölkerung, die Ergebnisse der Fertilität nur in Teilen. Auch wenn die festgestellten Fertilitäts- und Morta-litätsunterschiede ortsbehaftet sind – sei es durch Umwelteinflüsse vor Ort oder die Art der Menschen zu leben: Je länger die Menschen in Regionen mit einem bestimmten Fertilitäts- und Mortalitätsniveau leben, umso stärker passen sie sich diesem an – in beide Richtungen.
Vor dem Hintergrund sowohl der Typisierung aller Gemeinden als auch der beiden Betrach-tungsgemeinden ist zu konstatieren, dass beide Variablen der natürlichen Bevölkerungsbewegung nichtgleichberechtigt nebeneinander zur Erklärung einer Residualbevölkerung fungieren müssen. Unter der Beibehaltung der theoretischen Annahmen ist dementsprechend zukünftig von einer Residualbevölkerung mit Schwerpunkt einer hohen Mortalität einerseits und mit Schwerpunkt einer hohen Fertilität andererseits auszugehen. Das bisher in der Literatur benannte Frauendefizit stellt darüber hinaus nur einen Parameter unter mehreren dar und sollte bei nachfolgenden Betrachtungen nicht als alleiniger Indikator dienen.
Unter Berücksichtigung der Ergebnisse sowohl aus beiden Gemeinden als auch aus den Clus-teranalysen wurde ein Modell einerseits zur Entstehung der Residualbevölkerung, andererseits zum Wirken der selektiven Migration generell erstellt. In Abhängigkeit von Alter und Geschlecht und unter Voraussetzung einer langfristig konstanten Wanderungsbewegung konnte so der theoretische Einfluss der räumlichen Bevölkerungsbewegung auf die Bevölkerungsstruktur – und damit indirekt auch auf die natürliche Bevölkerungsbewegung – vereinfacht projiziert werden.
Der ostdeutsche ländlich-periphere Raum ist abschließend als Sonderform des ländlich-peripheren Raums einzuordnen. Die hier gezeigte Residualbevölkerung kann als ein Indikator für – den gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Verwerfungen geschuldeten – langfristige Wanderungsverluste eingeordnet werden. Die überproportional ausgeprägte Bedürftigkeit im ländlich-peripheren Raum kann deshalb auch als ein Merkmal der Sesshaftigkeit eingeordnet werden.
Insofern ist die Residualbevölkerung, vor dem Hintergrund der darüber hinaus als perspektivisch ungünstig erachteten Zukunftsaussicht, als Bevölkerungsgruppe eines Raumes abnehmender Entwicklungsstufe zu verstehen. Es ist daher ratsam, einerseits eine Verbesserung der Lebenssituation betroffener Menschen in ländlich-peripheren Räumen zu erwirken und andererseits diesen Herausforderungen raumplanerisch stärkeres Gewicht zu verleihen. Die zukünftige dahingehende Gestaltung ländlich-peripherer Räume in Ostdeutschland bedarf aus Sicht des Autors deshalb mehr an Autarkie sowie flexibler Kreativität.
Die Herausforderungen des globalen Klimawandels stehen seit mehreren Jahrzehnten auf der gesellschaftlichen und politischen Tagesordnung. Die Folgen der Erderwärmung haben das Potential, die heute bestehenden ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Systeme in unbekanntem Ausmaß zu stören. Ungeachtet dieser Tatsache bleibt die mediale Aufmerksamkeit auf das Thema größtenteils überschaubar. Das Ziel der Arbeit ist es, ein Bild der Tagesschau Medienagenda im Jahr 2022 zu zeichnen. Im Fokus steht hierbei die Berichterstattung über die Klimakrise im Verhältnis zu anderen sozio-ökonomischen Krisen, wie der COVID19-Krise, der Wirtschaftskrise, der Energiekrise und dem Angriffskrieg gegen die Ukraine. Zur inhaltlichen Auswertung der Tagesschau-Hauptsendung wurde eine qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt. Über theoretische Annäherungen, wie den Agenda-Setting-Ansatz und den Framing-Ansatz, konnten Rückschlüsse über die Medienwirkung und das Verhältnis der Krisen zueinander getroffen werden. In der computerbasierten Auswertung mit MAXQDA wurde herausgestellt, dass die Klimakrise mit anderen gesellschaftsrelevanten Themen um Sendeplätze konkurriert. Vor allem der Kriegsausbruch in der Ukraine dominierte die Berichterstattung im Jahr 2022. Darüber hinaus wurde die Klimakrise in der Tagesschau vor allem als Thema politischer Konflikte geframed. Im Jahr 2022 war außerdem der Frame der Klimakrise als Teil multipler Krisen präsent. Dieser suggerierte eine Gleichwertigkeit aller aufkommenden Konflikte, welche der Klimakrise und ihren tiefgreifenden Folgen nicht gerecht wird. Um diese Rolle angemessen zu berücksichtigen, muss der Journalismus innovative Wege finden, um eine ressortübergreifende Berichterstattung des Themas zu erreichen. Nur so können die komplexen wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Erderwärmung als Basis für die dringliche Abmilderung der Klimakrise vermittelt werden. Verschiedene Ansätze einer solchen Berichterstattung werden diskutiert.
Durch die Entstehung neuer Pilgerwege erhoffen sich die Initiatoren eine touristische Erschließung peripherer Räume. Ähnlich beim Projekt des Pommerschen Jakobsweges, welches das Küstenhinterland des südlichen Ostseeraumes im Zuge der Revitalisierung einer kulturhistorischen Pilgerroute touristisch aufwerten soll. Ziel dieser tourismusgeographischen Studie ist es, das Potential des Pommerschen Jakobsweges im Hinblick auf die Nachfrageseite zu untersuchen und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die Arbeit dient zudem als Konzeption und Leitlinie für zukünftige Projekte und setzt sich kritisch mit gegenwärtigen Forschungsergebnissen auseinander. Der Fokus der Untersuchung wird dabei auf die reisespezifischen Aspekte des Pilgerns sowie die Funktion des Pilgerweges als touristisches Produkt gelegt. Als Ergebnis wurden fünf Reiseformen herausgearbeitet, die inmitten des alternativen Pilgertourismus eine besondere Rolle übernehmen und die nachgewiesene, starke Nachfrage an peripheren Pilgerwegen mitgestalten.
Der inhabergeführte Einzelhandel steht vor besonderen Herausforderungen bei der Einführung und Etablierung digitaler Kundenkommunikationsmaßnahmen (KKM). Im vorliegenden Beitrag wird untersucht, welche Maßnahmen im Zuge der Coronapandemie eingeführt worden sind und welche dieser Maßnahmen besonders zukunftsfähig sein können. Darüber hinaus wird die Bedeutung von regionalen Netzwerken beim Wissenstransfer über digitale Maßnahmen betrachtet. Für die Untersuchung wurde in den drei Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt im März 2022 eine Online-Befragung von Inhabern durchgeführt und durch fünf Experteninterviews im April und Mai 2022 ergänzt. Für die Vergleichbarkeit der gewonnenen Ergebnisse wird eine großflächige Handelsstudie der IHK Köln und dem ibi Research Institut Regensburg aus dem Jahr 2020 herangezogen. Dabei stellte sich heraus, dass insbesondere die digitale Sichtbarkeit für den Erhalt der inhabergeführten Einzelhandelsgeschäfte in Zukunft von zentraler Bedeutung sein wird. Ferner präsentieren sich die sozialen Medien mit ihrer perspektivisch ausgestatteten Verkaufsfunktion als geeignetes Instrument. Außerdem konnten durch eine differenzierte Betrachtung von Branchen und Zielgruppen sowie unterschiedlichen Ansätzen für den Einstieg in die digitale Kundenkommunikation zukunftsfähige und individuelle Maßnahmen identifiziert werden.
Mit zunehmend beobachtbaren Klimawandelauswirkungen steigt die Bedeutung, die Klimawandelanpassung als Ergänzung zu Vermeidung hat. Das gilt für Industrieländer wie für Entwicklungsländer, für ökologische wie soziale Systems und insbesondere für sozial-ökologische Systeme. Um wirksame Anpassungseffekte erzielen zu können, müssen Anpassungsmaßnahmen jedoch durchführbar sein. Welche Faktoren die Durchführbarkeit behindern oder steigern, wird am Beispiel dreier deutscher Biosphärenreservate (Mittelelbe, Schaalsee und Südost-Rügen) mittels Experteninterviews und eine qualitativen Meta-Analyse wissenschaftlicher Publikationen über Hindernisse und Erfolgsfaktoren für Anpassung untersucht. Die Ergebnisse zeigen verschiedene Schlüsselkategorien an Faktoren, beispielsweise Klimawandelwahrnehmung, verfügbare Wissens- sowie finanzielle und personelle Ressourcen, den politischen und den sozio-ökonomischen Kontext. Die insgesamt identifizierten Faktoren umfassen sowohl interne, als auch externe Faktoren: - intern: Klimawandelwahrnehmung und Klimawandelwissen/-information - extern: verfügbare Ressourcen und politische und ökonomische Rahmenbedingungen Daher müssen Ansätze, die die Durchführbarkeit von Klimawandelanpassungen steigern wollen, interne und externe Faktoren integrieren. Vor diesem Hintergrund wird ein theoriebegründetes Konzept zur Steigerung der Durchführbarkeit entwickelt. Es setzt sich aus fünf Bausteinen zusammen: 1) anpassungsunterstützende Klimawandelwahrnehmung stärken 2) bestehende Klimawandelwissen verbessern 3) No-regret und robust Anpassungsoptionen identifizieren 4) die politische Unterstützung für Anpassung steigern 5) ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen sowie Infrastruktur bereitstellen Diese Bausteine in die Tat umzusetzen erfordert gemeinsame, disziplin- und sektorenübergreifende Anstrengungen von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Aufgrund ihres Selbstvertändnisses sind Biosphärenreservate geeignete Instrumente und Lernlaboratorien, um solche Anstregungen zu unterstützen und Modellregionen zur Steigerung der Durchführbarkeit von Klimawandelanpassungen zu sein. Effectively applying these building blocks requires cross-sectoral, concerted efforts between science, policy and society. Due to their concept, biosphere reserves appear well suited to foster such efforts and to become model regions to enhance the feasibility of climate change adaptation.
Schutzgebiete sind Gebiete, die speziell zum Schutz und zur Sicherung der Biodiversität sowie natürlicher und damit verbundener kultureller Ressourcen ausgewiesen sind. Europäische Gesellschaften stellen im Schnitt zwischen 20 % und 30 % ihrer Flächen unter Schutz. Dadurch sind viele Interessen berührt. Der Umgang mit diesen erfordert zudem ein hohes Maß an Verantwortung. In der vorliegenden Dissertation werden neue beziehungsweise verbesserte Instrumente für die Planung und das Management von Schutzgebieten aufbereitet. Diese sind vom Autor an der Schnittstelle zwischen Forschung und Management-Praxis“ entwickelt worden. Die Dokumentation erfolgt vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um Funktionen, Aufgaben und Entwicklung der globalen Schutzgebietssysteme. Schwerpunkt der Aufbereitung sind die technisch–planerischen Instrumente. Dabei wird das Konzept eines Integrierten Managements unter Zusammenführung ökologischer, ökonomischer und soziokultureller Aspekte hinterlegt. Die dargestellte IPAM-Toolbox (IPAM für Integrated Management of Protected Areas) ist ein interaktives Expertensystem, das für ein einzelnes Schutzgebiet eine Standortbestimmung (Self-Assessment), spezifische Empfehlungen (Recommendations) und den Zugriff auf vorselektierte Detailinformationen (Knowledge Base) ermöglicht. Es ist für alle europäischen und internationalen Schutzgebietstypen verwendbar. Die derzeit verfügbaren Informationen beziehen sich hauptsächlich auf (Zentral- und Ost-) Europa. Das System ist mittlerweile in Forschung, Lehre und Planungspraxis im Einsatz. Es ist multilingual (derzeit sieben Sprachen) und kostenlos verfügbar (www.ipam.info). Dem Expertensystem ist ein Lebenszyklusmodell für Schutzgebiete hinterlegt, welches Planung und Management in drei Phasen (Vorphase, Planungsphase, laufendes Management) und 25 Aktivitätsfelder (FoAs für Fields of Activity) untergliedert. Dadurch können die Informationen fokussiert bereitgestellt werden. Aufbauend auf Vorarbeiten wird Integriertes Schutzgebietsmanagement anhand von acht disziplinsformenden Prinzipien (Forming Principles) als neue wissenschaftliche Disziplin verstanden und definiert. Im zweiten Teil der Dissertation wird der Einsatz neuer bzw. weiter entwickelter Ansätze, Technologien und Instrumente anhand von Beispielen aus der Forschungs-, Planungs- und Beratungspraxis dargestellt. Diese Beispiele beleuchten die jeweiligen Gebiete, die Frage- und Aufgabenstellung, fokussieren aber auf die angewandten Methoden. Die Ergebnisse sind exemplarisch und illustrierend hinzugefügt. Die Projekte (Auswahl siehe unten) sind unterschiedliche Beispiele für aktuelle Fragen im Schutzgebietsmanagement bzw. in der Schutzgebietsplanung. Sie werden diskutiert unter den Aspekten: Methode im Kontext: Wie ist die angewandte Methode aus der Ergebnisperspektive zu beurteilen? Stellung im Lebenszyklus: Wie kann das Projekt im Lebenszyklus des Schutzgebietes eingeordnet werden? Disziplinen: Welches disziplinäre Design war erforderlich, die Planungs-/Managementaufgabe zu lösen? Bezug zu Forming Principles? Welche der postulierten Grundprinzipien von Schutzgebietsmanagement als neuer Wissenschaft sind durch das Projekt berührt? Als Selektionskriterien für die Projekte werden Innovationsgrad, Relevanz und Übertragbarkeit sowie die Praxistauglichkeit bzw. praktische Relevanz herangezogen. Da die Projekte allesamt Auftragsprojekte sind, wird unterstellt, dass sie zu einem hohen Grad den aktuellen Bedarf im Schutzgebietsmanagement widerspiegeln. Die Aufbereitung der Projekte folgt der Struktur der FoAs. Durch Beispiele abgedeckt sind die folgenden FoAs: Entwicklung von Idee und Vision, Machbarkeitsprüfung, Eingliederung in Schutzgebietssysteme, Planungshandbuch, Kommunikation und Partizipation in der Planungsphase, Grundlagenerhebung, Einrichtungskonzept, Leitbild und Rahmenkonzept, Entwicklung von (regionalen) Wirtschaftsprogrammen, Ermittlung der Management-Effektivität, Verträglichkeitsprüfungen und Beschränkungen, Forschung und Monitoring, Kommunikation und Partizipation im laufenden Management, Entwicklung der Schutzgebietsregion sowie der Bereich Besuchermanagement, Dienstleistungen und Infrastrukturen. Naturgemäß illustrieren die Beispiele jeweils nur Teilaspekte der umfassenden FoAs. Durch die Darstellung soll der aktuelle Stand des Methodenwissens in diesem Bereich gesichert und für kritische Reflexion und Weiterentwicklung zur Verfügung gestellt werden. In der zusammenfassenden Aufbereitung kann gezeigt werden, dass die Forming Principles sich in den Projekte tatsächlich identifizieren lassen, dass sie in Planungsschritten sowie in der Evaluierung in besonderer Intensität festzustellen sind. Planung und Evaluierung haben auch einen starken Bezug zu anderen FoAs und einen hohen interdisziplinären Ansatz. Sie werden als besonders anspruchvolle und erfolgskritische FoAs identifiziert. Als möglicherweise weiterführende Forming Principles wären Wissensmanagement und Ethik zu diskutieren. Die dargestellten Projekte lassen sich einem, meist mehreren FoAs zuweisen, die Liste der FoAs scheint für mitteleuropäischen Kontext vollständig zu sein. Darüber hinaus werden als zusätzliche FoAs Law Enforcement und Entwicklungszusammenarbeit zu prüfen bzw. zu erarbeiten sein. Im Abgleich der angewandten Schutzgebietskonzepte wird diskutiert, ob integriertes Management von Schutzgebieten auch einen neuen Typ von Schutzgebieten, nämlich „Schutzgebiete der dritten Generation“ konstituieren kann. In Schutzgebieten der dritten Generation spielen die Forming Principles für integriertes Management eine konstituierende Rolle. Ein weiterführender Handlungs- und Forschungsbedarf wird sichtbar.
Nebenströme der Agrar- und Ernährungswirtschaft – vom Abfallprodukt zur wertvollen Ressource!?
(2023)
Die Nutzung von organischen Abfällen und Nebenströmen ist ein wichtiger Baustein für die Transformation zu einem nachhaltige(re)n Agrar- und Ernährungssystem. Die damit einhergehenden Kreislaufsysteme werden in der Literatur unter dem Begriff der Circular Bioeconomy diskutiert. Der Beitrag greift diese Diskussionen auf und liefert empirische Befunde aus der Raps- und Zuckerrübenproduktion, wo große Mengen an Nebenströmen speziell auf der Verarbeitungsstufe anfallen (z. B. Presskuchen, Extraktionsschrot, Rübenschnitzel, Melasse). Für diese organischen Stoffe haben sich unterschiedliche Verwertungspfade etabliert, sodass sie mittlerweile ein wichtiges Element der betrieblichen Wertschöpfung darstellen. Die Verwertung geschieht in beiden Bereichen durch intersektorale Vernetzungen, die sich je nach Wertschöpfungspotenzial und Lager‑/Transportfähigkeit der Biomasse über verschiedene Raumebenen erstrecken (lokal/regional, national, international). Ebenso spielen unternehmerische Merkmale wie auch der institutionelle Kontext eine Rolle bei der Nebenstromverwertung.
Der Begriff Nachhaltigkeit hat längst Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gehalten. Doch
wie verhält es sich mit dem Verständnis zum Paradigma Nachhaltigkeit, welches sich im
soziologischen, ökonomischen und ökologischen Wirkungsgefüge bewegt? Aufgrund ihrer
sozialen Relevanz, ihrer distributiven Verflechtungen und ihrer Bedeutung für den
Wohlfahrtsstaat kommt Unternehmen eine große Bedeutung zu. Hilfreich für die Erforschung
des komplexen und dynamischen Nachhaltigkeitsprozesses sind individualisierte Sichtweisen in
räumlichen Abgrenzungen. Biosphärenreservate, die weltweit von der UNSECO als
Modellregionen für nachhaltige Entwicklung als solche anerkannt wurden, bieten sich hierfür
an. Die übergeordnete Forschungsfrage dieser Arbeit lautet daher: Wie wird in den UNESCOBiosph
ärenreservaten die nachhaltige Entwicklung, speziell verantwortungsvolles Wirtschaften,
exemplarisch verwirklicht?
Eine Einordnung in den Nachhaltigkeitsdiskurs zeigt aktuelle Perspektiven auf und stellt die
Nachhaltigkeitsforschung im Kontext der Biosphärenreservate sowie die Bedingungen für
verantwortungsvolles Wirtschaften vor. Als forschungsrelevante Zielgruppen wurden die
Verwaltungen der UNSECO-Biosphärenreservate (BR), Multiplikatoren der Wirtschaft (z.B.
kommunale Wirtschaftsförderungen, IHK, Handwerkskammern, Bauern- und
Wirtschaftsverbände) sowie Unternehmen in bzw. an BR identifiziert. Mithilfe von
leitfadengestützten Experteninterviews und hybriden Fragebögen erfolgte die Datenerhebung,
die mit der Grounded Theory bzw. grafisch ausgewertet wurden.
Die Datenerhebung hat gezeigt, dass BR-Verwaltungen bislang überwiegend für
Umweltschutzbelange mandatiert und für die Einflussnahme hinsichtlich verantwortungsvollen
Wirtschaftens auf Kooperationspartner angewiesen sind. Wirtschaftsbezogene Aktivitäten sind
innerhalb ihrer Netzwerke der Partnerbetriebe etabliert, sie fokussieren überwiegend die
Direktvermarktung regionaler Produkte und die Inwertsetzung der naturverträglichen
Tourismusangebote. Innerbetriebliche Prozesse werden von einigen BR-Verwaltungen mit
Beratungsangeboten zu Umweltmanagementsystemen (z.B. EMAS) begleitet. Etliche BR weisen
wenn überhaupt nur einen geringen Besatz an Industrie- oder Dienstleistungsunternehmen, ihre
Verwaltungen haben daher auch kaum Berührungspunkte zu den Betrieben des sekundären und
tertiären Sektors außerhalb der Tourismusbranche. Die auf repräsentative Kulturräume
ausgerichteten Zonierungskonzepte der BR können diesbezüglich überdacht werden. Deutlich
wird, dass Handlungskompetenzen in wirtschaftsorientierten Themenkomplexen (Beratung zu
Fördermöglichkeiten, Innovationen, Technologieanwendung, Unternehmensgründung, mobiles
Arbeiten, Aus- und Weiterbildung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Fachkräftesicherung,
Zertifizierungen, Produktentwicklung, Prozessoptimierung, Digitalisierung) nach Institutionen
durch die Wirtschaftsvertreter überwiegend den IHK, den Handwerkskammern und
Wirtschaftsförderungen und weniger den BR-Verwaltungen zugeschrieben werden.
Mehrheitlich beurteilen die befragten Unternehmen die Handlungsfähigkeit von BRVerwaltungen
hinsichtlich des Naturschutzes, der Vermarktung regionaler Produkte und
Dienstleistungen sowie von Agrarumweltmaßnahmen positiv. Dagegen ist den Unternehmen
die Handlungsfähigkeit der BR-Verwaltungen auf den Gebieten der Verkürzung von
Planungsverfahren, der Prozessinnovation, des Energiemanagements und der
Fachkräftesicherung weitestgehend unbekannt. Eine große Mehrheit der Unternehmer meint
zudem, dass sich die Ziele und Aktivitäten der BR-Verwaltungen vorrangig auf
Naturschutzmaßnahmen beziehen. Weiterhin meinen sie, richtet die sich die Unterstützung von
Unternehmen überwiegend auf die Vermarktung regionaler Produkte und traditionelles
Handwerk. Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen haben bislang keinen
breitenwirksamen Bekanntheitsgrad in der befragten Unternehmerschaft gefunden.
In einem integrierten Verständnis fließen ökologische und soziale Aspekte der Nachhaltigkeit in
die konzeptionellen Grundlagen der BR ein, die ökonomische Dimension dagegen reduziert sich
oft auf die Bereiche Landwirtschaft und Tourismus. Weiterführende Aktivitäten hinsichtlich
nachhaltigen Wirtschaftens überlassen BR-Verwaltungen derzeit überwiegend der Expertise
wirtschaftsfördernder Institutionen, die sich aus ihrer Sicht originär mit innerbetrieblichen
Prozessen befassen.
Der Austausch von Grundlagendaten oder Ergebnissen bisheriger Datenerhebungen zwischen
den BR-Verwaltungsstellen – einem potenziellen Wesensmerkmal von Modellregionen – wird
durch das Fehlen entsprechender Infrastruktur deutlich erschwert, bzw. ist nicht möglich.
Technische und personelle Ressourcen für die digitale Datenaufbereitung und -pflege in den BRVerwaltungen
sind überwiegend nicht vorhanden.
Mit der Anerkennung eines BR durch die UNESCO muss auch seine Anerkennung als
Modellregion für nachhaltige Entwicklung durch alle beteiligten Interessengruppen
einschließlich seiner Bewohner einhergehen.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der holozänen Landschaftsentwicklung der Mecklenburgischen Seenplatte unter dem Einfluss des Menschen. Neben eigenen geomorphologischen, bodenkundlichen und sedimentologischen Untersuchungen ergänzen geochronologische und paläoökologische Analysen Dritter das verwendete interdisziplinäre Methodenspektrum. Hinzu kommt die Auswertung archäologischer Funde, archivalischer Quellen und aktueller Messreihen. Die Ergebnisse liefern neue Erkenntnisse über die holozäne Boden- und Reliefentwicklung sowie über (paläo-) hydrologische Schwankungen von Grund- und Seewasserspiegeln. Ferner ergeben sich neue Aspekte der regionalen Siedlungs- und Landnutzungsgeschichte. Für den umfassenden landschaftgenetischen Ansatz konnte auf die im Vergleich zu bisherigen Studien höchste OSL-Datierungsdichte für das nördliche Mitteleuropa zurückgegriffen werden. Neben der Überprüfung der eigenen Daten erlaubt der Blick in die Befundsituation angrenzender Gebiete die Ableitung gesamtlandschaftlicher Aussagen zur nacheiszeitlichen Entwicklung des nordostdeutschen Jungmoränengebietes. Die Diskussion über die Wirkung natürlich-klimatischer und anthropogener Einflussgrößen auf das landschaftliche Gefüge, gerade in Bezug auf die hydrologische Entwicklung bzw. die Veränderungen im regionalen Gewässernetz, erhält eine neue profunde Datengrundlage. Zur qualitativen Gewichtung der einzelnen Faktoren innerhalb einer langzeitlichen Betrachtungsebene ist die landschaftsgenetische Differenzierung zwischen anthropogen unbeeinflussten Phasen (Spätglazial bis Mittelholozän) und Zeiträumen starker anthropogener Einflüsse (Spätholozän) nötig. Vor dem Hintergrund der intensiven Kulturlandschaftsentwicklung Mitteleuropas birgt die räumliche und zeitliche Varianz des anthropogenen Einflusses in der Landschaft innerhalb der letzten 1000 Jahre hierbei eine besondere methodische Herausforderung.
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Bereichen Verkehrs- und Raumentwicklung sowie den demographischen und wirtschaftlichen Veränderungen. Dabei wurde mit der verknüpfenden Betrachtung zwischen alternativen Antriebskonzepten im Pkw-Markt und der Erzeugung von erneuerbaren Energien ein bisher nur wenig betrachtetes Forschungsfeld bearbeitet. Für eine derartige Betrachtung bieten sich die ländlichen Räume an, da der motorisierte Individualverkehr dort eine besondere Bedeutung besitzt. Die Mobilitätswende kann einen wichtigen Beitrag zur Regionalentwicklung für die Untersuchungsgebiete leisten, da so die regional erzeugte Energie als direkter Wertschöpfungsbeitrag vor Ort verbleibt. Darüber hinaus könnten die privaten Haushalte von einem nicht weiter steigenden Mobilitätsbudget profitieren. Somit kann die Mobilitätswende einen Beitrag zur Sicherstellung der verkehrsräumlichen Mobilität leisten und die Chancen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im ländlichen Raum verbessern. Aus ökologischen Gesichtspunkten erscheint die lokale Mobilitätswende ebenfalls vorteilhaft. Einerseits werden durch den Technologiewandel die Pkw-Emissionen gesenkt. Andererseits sinken die CO2-Emissionen durch die Verwendung regional nachhaltig erzeugter Energie. Für den erforderlichen Infrastrukturaufbau wurde ein Vorschlag gemacht, der einen Kompromiss zwischen Ausbauzielen, Kostenverträglichkeit und Flächenabdeckung darstellt.
Die Dissertation beschäftigt sich mit der für die Humangeographie aktuellen Assemblage-Theorie. Thematisch fokussiert sich die Arbeit auf die Nutzung der Fischbestände und die Zusammenkunft dieser Nutzung mit Politik. Dadurch weist das bearbeitete Thema einen klaren Bezug zu aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und zur derzeitigen wissenschaftlichen Diskussion auf. Die Stärke der Arbeit liegt in den Überlegungen zur Assemblage-Theorie und deren Operationalisierung für die geographische Forschung. Ausgangspunkt dieser Überlegungen bildet das Buch ‚Tausend Plateaus Kapitalismus und Schizophrenie, Band 2‘ von DELEUZE, G. und GUATTARI, F. in der deutschen Übersetzung von 1992. Darauf aufbauend wird näher auf die Denk- und Herangehensweise eingegangen und der thematische Fokus (Fischereipolitik) mit dem theoretischen Ansatz (Assemblage) verkettet.
Die vorliegende Arbeit behandelt die Gewässernetzentwicklung im Bereich der Pommerschen Haupteisrandlage (W2), des eng benachbarten Frühpommerschen Vorstoßes (W2max) und der südlich angrenzenden Sanderflächen in einem Ausschnitt, der ungefähr zwischen Krakow, Goldberg und Malchow im mittleren Mecklenburg gelegen ist. Ziel der Untersuchungen ist die Verknüpfung geomorphologischer, bodenkundlicher, paläobotanischer, paläolimnologischer, archäologischer und historischer Befunde zur paläohydrographischen Rekonstruktion der Gewässer seit dem Spätpleistozän, eines etwa 14.000 Jahre umfassenden Zeitraums. Die hierbei präferierte multidisziplinäre Bearbeitungsweise limnischer Sedimentsequenzen aus Seebohrungen in Verbindung mit landseitigen bodenkundlich–geomorphologischen Kartierungen stellt (noch immer) ein Novum in der Gewässerforschung Mecklenburg-Vorpommerns dar und liefert wichtige Ergänzungen zu Modellvorstellungen der Gewässerentwicklung. Thematische Schwerpunkte werden für die verknüpfte, spätpleistozäne Becken– und Durchbruchstalentwicklung, die fortan archivierte limnisch–telmatische Sedimentationsgeschichte, die Wasserstandsentwicklung und die Wechselwirkung Mensch und Gewässer gesetzt. Zugleich erlauben die bodenkundlichen Arbeiten im Gewässerumfeld Aussagen zur Bodengenese und Landnutzungsgeschichte besonders innerhalb der Nossentiner–Schwinzer Heide. Im Zuge der palynologischen Bearbeitung der Seesedimente durch Dritte liegt desweiteren eine lückenlose Vegetationsgeschichte des Untersuchungsgebietes seit dem Allerød vor, die ebenso wertvolle Ableitungen zur regionalen Siedlungs- und Landnutzungsgeschichte erlaubt. Diatomeen–basierte paläolimnologische Aussagen ebenfalls Dritter fokussieren auf die postglaziale Trophie– und die Wasserstandsentwicklung der untersuchten Seen.
Diese Studie basiert auf der Annahme, dass die Analogien zu kaltzeitlichen Ökosystemen Mitteleuropas nicht im hohen Norden Europas bzw. Nordasiens zu suchen sind, sondern dass man sie viel weiter im Süden in den kühl-kontinentalen Gebieten von Innerasien erwarten kann. Die kaltzeitlichen Weichtierfaunen Mitteleuropas unterscheiden sich wesentlich von den gegenwärtigen subpolaren Mollusken-Beständen durch das Auftreten einer Reihe von Steppenarten. Darunter befindet sich auch das xerotherme Element Pupilla triplicata, welches rezent ebenfalls in Zentralasien vorkommt. In diesem Zusammenhang ist auch bezeichnend, dass kaltzeitliche Mollusken-Leitarten, z. B. Vallonia tenuilabris, Vertigo pseudosubstriata oder Pisidium stewarti, zunächst aus dem Quartär Mitteleuropas beschrieben und überraschend Jahrzehnte später rezent in Zentralasien entdeckt wurden. Weitere „Lebende Fossilien“, beispielsweise rezente Belege von Pupilla loessica, waren deshalb noch zu erwarten. Entsprechende vergleichende Untersuchungen von pleistozänen mitteleuropäischen und rezenten zentralasiatischen Faunen fehlten bisher. Zur Beleuchtung der Geschichte der quartären Umwelt in Europa wird deshalb mit diesem Beitrag ein neuer Weg gegangen. Die Grundlage für diese Studie bilden zahlreiche Rezent-Aufsammlungen von zentralasiatischen Gastropoden-Gemeinschaften aus dem Tienschan (Kirgisien, Kasachstan), dem Russischen Altai und dem Baikal-Gebiet (Russland) sowie aus der N-Mongolei. Außerdem liegt auch aus dem Quartär (Mittel- und Jungpleistozän) von Zentralasien, insbesondere aus S-Tadschikistan, S-Kasachstan und N-China, Mollusken-Material vor. Wegen unterschiedlicher Vorstellungen zur Systematik innerhalb einiger Gruppen der Gastropoden in Zentralasien, betroffen sind u. a. die Vertiginidae, Pupillidae und Valloniidae, und wegen aktueller Revisionen, z. B. zur Gattung Vallonia, waren für den angestrebten objektiven Vergleich rezenter und fossiler Faunen Teilrevisionen erforderlich, die nicht nur zoogeographische Probleme neu beleuchten sondern auch die Beschreibung neuer Spezies beinhalten. Neue Erkenntnisse zu den Vertiginidae liegen vor allem zur Verbreitung von Vertigo substriata, V. lilljeborgi, V. genesii, V. geyeri, V. alpestris und V. parcedentata in Zentralasien vor. Die aktuellen zoogeographischen Daten dieser bis in die jüngste Vergangenheit als „Europäische Endemiten“ bewerteten Arten, sind für die Interpretation paläozoogeographischer Prozesse im eurasischen Raum von größter Bedeutung. Bei den Pupillidae wurden bspw. Pupilla alluvionica, P. altaica und P.seminskii neu beschrieben. Kartiert wurde die Verbreitung einer bisher aus Zentralasien unbeschriebenen Form von Pupilla, welche gehäusemorphologisch der mitteleuropäischen Kaltzeitleitart P. loessica entspricht. Offenbar handelt es sich um ein „Lebendes Fossil“. Der Verbreitungsschwerpunkt von P. cf. loessica befindet sich im stärker kontinental geprägten SE-Altai. Für den konkreten Vergleich pleistozäner Kaltzeit-Faunen des mitteleuropäischen Raumes mit rezenten Faunen in Zentralasien orientierte sich der Verfasser exemplarisch an Mollusken-Assoziationen, die Vallonia tenuilabris enthalten. V. tenuilabris ist im Pleistozän des mitteleuropäischen Raumes eine der am weitesten verbreiteten kaltzeitlichen Leitarten und ist rezent als kälteadaptierte Form bspw. auch in Zentralasien häufig. Unter Fokussierung auf V. tenuilabris und deren Begleitfaunen ergab sich die praktikable Chance, stellvertretend fossile und rezente kälteangepasste Faunen miteinander zu vergleichen. Dabei konnte verdeutlicht werden, dass die pleistozänen kaltzeitlichen Faunen Mitteleuropas die engsten Beziehungen zu den rezenten Faunen im südlichen Taigagürtel (Altai, N-Mongolei, Baikal-Gebiet) aufweisen. Die rezenten Habitate von V. tenuilabris in Zentralasien befinden sich erwartungsgemäß in Gebieten mit Jahresdurchschnittstemperaturen, die deutlich unter 0°C liegen. Die bevorzugten Habitattypen reichen zwar von mesophilen Wiesen, lichten Wäldern bis in die feuchteren Hochgebirgszonen, jedoch zeigt die Art eine deutliche Präferenz zu feuchteren Habitaten, wie Sümpfe, Auen und Gewässerufer, feuchte Wiesen und Hochgebirgs-Tundren. Für die Interpretation fossiler Gemeinschaften bedeutet dies, dass V. tenuilabris nicht, wie so oft angenommen, eine ausgesprochene Leitart kaltzeitlicher Steppen darstellt, sondern viel eher feuchtere kaltzeitliche Phasen bzw. feuchtere Habitate dominiert.
Die vorliegende Arbeit behandelt die holozäne Küstenentwicklung im Raum Darss-Zingst-Hiddensee, die eng an die Interaktion von eustatischen Meeresspiegelschwankungen, neotektonischen Bewegungen der Erdkruste und dem zugeführten Sedimentvolumen gebunden ist. Es sind mehrere Ziele der Untersuchungen zu nennen: Zunächst relevant ist die Kartierung der holozänen Sedimentabfolge und der liegenden pleistozänen Deckschichten im Untersuchungsgebiet, das neben den Nehrungen auch das angrenzende Seegebiet der Ostsee und die rückseitigen Lagunen umfasst. Anschließend ist die Modellierung der Transgressionsbasisfläche notwendig, um das im Holozän unter marinen Bedingungen umgelagerte Sedimentvolumen abschätzen zu können. Eine Kernfragestellung bildet die Sedimentbilanz. Vor allem für das Teilgebiet Zingst mit östlich angrenzendem Windwatt und Barriere-Inseln sind die Sedimentquellen, die zur Aufschüttung dieses Nehrungskörpers geführt haben, unklar. Die potentielle Materialbereitstellung umliegender Kliffe (Fischland, Altdarss) ist im Verhältnis zum Nehrungsvolumen relativ gering. In Kombination mit geochronologischen Untersuchungen der Sedimentsequenz ergeben sich im Gesamtraum Schlussfolgerungen über die Ablagerungsdynamik, die zur Ausbildung der gegenwärtigen Küstenlandschaft geführt hat. Anhand der Befunde wurde ein paläogeographisches Modell der Küstenentwicklung für das Gebiet abgeleitet. Diese Ergebnisse bilden die Grundlage zur Entwicklung zukünftiger Szenarien der Küstengenese mit Hilfe von morphodynamischen Prozessmodellen, die weiterführende Aufgabenstellungen bieten. Aus Sichtweise des Küstenschutzes und vor dem Hintergrund beschleunigter Anstiegsprognosen des Meeresspiegels sind die gewonnenen Erkenntnisse von hoher Bedeutung.
Die Entstehung und Herausgabe von touristischen Karten der DDR. Eine historisch-kritische Analyse
(2018)
Mit der vorliegenden Dissertation wird erstmals ein zeitlich umfassender Überblick über die touristische Verlagskartographie in der DDR gegeben. Als „Leitverlag“ steht der Landkartenverlag bzw. Tourist Verlag im Mittelpunkt der Arbeit, dessen Geschichte zugleich den Untersuchungszeitraum 1945–1994 vorgibt. Darüber hinaus werden weitere Verlage, kartographische Betriebe und Institutionen betrachtet, die im Osten Deutschlands mit der Herstellung und Herausgabe von touristischen Karten befasst waren.
Das halbe Jahrhundert ostdeutscher Verlagsgeschichte lässt sich in fünf inhaltlich abgrenzbare Entwicklungsphasen einteilen. Phase 1 (1945–1952) war gekennzeichnet durch eine von der Besatzungsmacht UdSSR überwachte und im Aufbau befindliche Verlagslandschaft. In jenen Jahren gelang es nur dem von Kurt Schaffmann gegründeten Landkartenverlag, eine volle Sortimentsbreite touristischer Karten (Stadtpläne, Wanderkarten, Verkehrskarten) aufzubauen, jedoch vorerst noch regional eingeschränkt. In Phase 2 (1953–1965) wurde durch die Verstaatlichung von Verlagen und der sich anschließenden Konzentration der Herausgabe die Grundlage für ein staatlich kontrolliertes Verlagswesen geschaffen. Dabei war zugleich die Sortimentsvielzahl zugunsten einer klar formulierten Programmstruktur aufgegeben worden. Für Phase 3 (1966–1976) war die Herstellung und Herausgabe eines komplett neuen Verlagsprogramms prägend. Vorausgegangen waren Beratungen in Moskau und Ost-Berlin, die zu verschärften Sicherheitsmaßnahmen im Kartenwesen führten. Fortan wurden alle für die Öffentlichkeit bestimmten Karten nur noch mit verzerrten Maßstäben produziert. Phase 4 (1977–1989) beinhaltet die Tätigkeit des VEB Tourist Verlag Berlin/Leipzig, der neben Karten nun auch für touristische Literatur verantwortlich zeichnete. Bis auf Koeditionen mit Verlagen benachbarter sozialistischer Staaten stagnierte die Kartenherausgabe, denn zunehmend wurden Kapazitäten durch den Devisen bringenden Kartographieexport in die BRD gebunden. In der Phase 5 (1990–1994) gelang es dem Tourist Verlag nicht, eine gefestigte Stellung in der gesamtdeutschen Marktwirtschaft zu erringen. Durch den Verkauf seitens der Treuhandanstalt an J. Fink – Kümmerly + Frey ließ sich das Schicksal nur um wenige Jahre hinauszögern; am Ende stand die Liquidation des traditionsreichen Unternehmens. Damit wird zugleich der Schlusspunkt der Betrachtungen fixiert.
Im Laufe ihrer Geschichte war die ostdeutsche Verlagskartographie verschiedensten Restriktionen unterworfen. Zensur in Form sogenannter Genehmigungsverfahren, Bevormundung durch staatliche Anleitung und Kontrolle sowie die Sicherheitsdoktrin der sowje-tischen Führungsriege gaben den Rahmen vor, in dem Karten für die Öffentlichkeit entstehen konnten. Seit Mitte der 1960er Jahre führte die ausschließliche Verwendung von verzerrten Kartengrundlagen zu Erzeugnissen, in denen das Ermitteln von exakten Streckenlängen unmöglich wurde. Zusammen mit diversen Tarnmaßnahmen für Grenzgebiete, Militärobjekte und Industrieanlagen sowie weiteren Manipulationen des Karteninhalts, entstand ein von Fachleuten und Nutzern oft kritisiertes Verlagsprogramm.
Während in den ersten Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch zahlreiche Stadtpläne in den Handel gelangten, wurde ab Mitte der 1960er Jahre nur noch eine eingeschränkte Anzahl von Orten mit adäquatem Kartenmaterial bedacht. Zudem sind die Erzeugnisse fortan mit sogenannten „gleitenden Maßstäben“ erstellt worden. Die Pläne genügten für die grobe Orientierung, touristischer Inhalt war sorgsam eingearbeitet.
Als Ausgangsmaterial für Wander- und Touristenkarten in verschiedenen Maßstäben diente ab 1966 die von der staatlichen Kartographie eigens zur Verfügung gestellte,
verzerrte Übersichtskarte im Maßstab 1 : 200 000. Fuß- und Radwanderer bekamen die daraus resultierenden Auswirkungen am meisten zu spüren. Da auch das Kartenbild recht grob war, genoss diese Kartengruppe einen allgemein schlechten Ruf.
Bei den Verkehrskarten haben sich die Verzerrungen umso weniger bemerkbar gemacht, je länger die zu fahrenden Strecken waren. Wegen ihres Detailreichtums wurden die Karten sogar im Ausland geschätzt – Mairs Geographischer Verlag aus Stuttgart hatte die „Reise- und Verkehrskarte“ in seine international bekannte Reihe der „Generalkarten“ integriert.
Somit ist insbesondere den touristischen Karten, die zwischen 1965 und 1989 produziert worden sind, eine unzureichende Note zu attestieren. Die differenzierte Betrachtung des Gesamtzeitraumes zeigt aber auch, dass Pauschalurteile über die touristische Kartographie in der DDR nicht angemessen sind.