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Erkrankungen der Speiseröhre waren in der Vergangenheit ein wenig beachteter Themenkomplex in der Forschung und Entwicklung neuartiger Therapieoptionen. Die Behandlung von Erkrankungen wurde in der Regel systemisch oder chirurgisch durchgeführt. Trotz eines geringeren Risikos für unerwünschte Arzneimittelwirkungen im Vergleich zur systemischen Therapie wurde der Ösophagus bisher kaum als Target zur Medikamentenapplikation in Betracht gezogen. Durch die besonders kurze Transitzeit stellt die Speiseröhre einen sehr anspruchsvollen Applikationsort für die Entwicklung lokal wirksamer Darreichungsformen dar. Zur effektiven Therapie von Tumorerkrankungen, Pilzinfektionen, Motilitätsstörungen oder durch Reflux verursachte Schädigungen im Bereich der Speiseröhre wäre beispielsweise eine lokale Arzneimitteltherapie mit niedrig dosierten Wirkstoffen in mukoadhäsiven Darreichungsformen wünschenswert.
In der vorliegenden Arbeit wurde ein neuartiges System zur gezielten lokalen und langanhaltenden Applikation von mukoadhäsiven Filmen in der Speiseröhre entwickelt und charakterisiert. Das dabei entstandene EsoCap-System besteht aus einem aufgerollten Film, der an einem Faden befestigt und in einer geschlitzten Kapsel positioniert ist. Bei der Einnahme der EsoCap mit einem eigens entwickelten Applikationssystem wird der Mechanismus zum Entrollen des Filmes ausgelöst. Durch den Schluckvorgang wird der Film in der Speiseröhre entrollt und haftet aufgrund der mukoadhäsiven Eigenschaften an der Mukosa des Patienten.
Die Funktionalität des Systems konnte in einer Studie mit zwölf gesunden Probanden gezeigt werden. Bei insgesamt 72 durchgeführten Applikationen konnte in 71 Fällen eine erfolgreiche Platzierung des mukoadhäsiven Filmes in der Speiseröhre nachgewiesen werden. Die korrekte Platzierung des Filmes wurde anhand eines neu entwickelten und kontrastierenden Filmes mittels MRT nachgewiesen. Zur standardisierten Evaluation der Akzeptanz wurde ein spezifisch auf die Eigenschaften und Besonderheiten des EsoCap-Systems angepasster Fragebogen entwickelt. Auch die prinzipielle Funktionalität des Systems konnten durch die Studie mit gesunden Probanden, nachgewiesen werden. Das modifizierte EsoCap-System, welches zusätzlich mit einem Sinker zur Erhöhung der Dichte versehen wurde, zeigte in der Befragung eine subjektiv bessere Schluckbarkeit. Zudem konnte ein bereits in der Literatur beschriebener Lern- und Trainingseffekt bei der Einnahme von oralen Darreichungsformen auch beim EsoCap-System beobachtet werden.
Neben der vorteilhaften Erhöhung der Dichte des Systems könnte die Verwendung kleinerer Kapseln (z. B. Größe 0) und die Verwendung eines schnell wasserlöslichen Retainers zum Auslösen des Systems mit einer Steigerung der Akzeptanz korreliert sein. Die Verwendung von kleineren Kapseln sollte durch die Verwendung von, im Vergleich zur MRT-Kontrastierung, dünneren, für die lokale Wirkstoffapplikation genügenden Filme möglich sein. Die Akzeptanz und die Überlegenheit des neuartigen Systems im Patienten sind in klinischen Studien zu beweisen. Zudem ist ein Verfahren zur automatisierten Herstellung des sehr komplexen und bisher vollständig manuell gefertigten Systems zu etablieren.
Neben der Filmdicke haben sowohl die verwendeten Polymere als auch die Wirkstoffbeladung einen Einfluss auf die Charakteristik der verwendeten Filme. Eine Möglichkeit die Funktionalität von Filmen In vivo besser vorherzusagen, besteht in der Verwendung biorelevanter In vitro-Testsysteme. Aus diesem Grunde wurde der EsoPeriDiss, ein neuartiges und biorelevantes In vitro-Testsystem zur Charakterisierung ösophageal applizierter Darreichungsformen entwickelt. Es konnte gezeigt werden, dass mittels des EsoPeriDiss erste Erkenntnisse hinsichtlich des Freisetzungsverhaltens und der Verweildauer von Filmen in der Speiseröhre bei simulierter Speichelflussrate, simulierter Peristaltik sowie bei verschiedenen simulierten Ausrichtungen des Patienten gewonnen werden können.
Durch Variation der Pumpleistung war die Speichelflussrate flexibel steuerbar und ermöglichte, wie auch das modulare Walzensystem, die Simulation verschiedener Einnahmebedingungen. So können Konfigurationen mit niedriger Intensität zur Simulation der nächtlichen Einnahme, aber auch hochintensive Konfigurationen zur Simulation der Einnahme mit Nahrung am Tage zusammengestellt werden. Durch die Ergänzung einer Positionsanpassung war es möglich, sowohl eine waagerechte als auch senkrechte Speiseröhre zu simulieren. Die Simulation von ausgewählten physiologischen Parametern und die In vitro-Charakterisierung verschiedener Darreichungsformen ermöglichten ein besseres Verständnis über die Verhältnisse und Beschaffenheiten von esophageal applizierten Darreichungsformen. Die Zusammenstellung von physiologischen Konfigurationen oder die Übertragung von In vivo-Daten von Patienten auf das System, ergeben für die neuartige modulare Testplattform eine Vielzahl interessanter Möglichkeiten zur Charakterisierung von ösophageal applizierbaren Darreichungsformen. Somit konnte gezeigt werden, dass das modular aufgebaute neue System zahlreiche Möglichkeiten für biorelevante Freisetzungsuntersuchungen bietet.
Das EsoCap-System stellt eine neuartige, innovative und hochvariable Plattformtechnologie dar, die die Applikation von mukoadhäsiven Polymerfilmen in der Speiseröhre ermöglicht. Durch Anpassung der Plattform, beispielsweise durch Verwendung verschiedener wirkstoffbeladener Filme könnte das System neue Möglichkeiten in der Therapie von bisher nur unzureichend therapierbaren Krankheiten der Speiseröhre eröffnen. Die Erkenntnisse aus der In vivo-Studie und den In vitro-Untersuchungen geben Anlass zur Hoffnung hinsichtlich einer In vivo verlängerten lokalen Verweildauer von Filmen in der Speiseröhre, die besondere Bedeutung für die Effektivität einer Therapie hat. Das EsoCap-System hat aus vielerlei Hinsicht das Potenzial eine Durchbruchsinnovation im Bereich der Therapie von Erkrankungen der Speiseröhre darzustellen. Durch diese innovative Applikationsmöglichkeit begünstigt, könnte insbesondere das Screening nach hochaktiven und spezifisch in der Speiseröhre wirkenden Wirkstoffen zusätzlich vorangetrieben werden.