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Hintergrundinformationen: Bakterien gehören zu den ältesten Lebensformen und sind ein elementarer Bestandteil aller ökologischen Lebensräume auf der Erde. Der Mensch als Holobiont ist ein eigenständiges Ökosystem mit einer Vielzahl von ökologischen Nischen und einer großen bakteriellen Vielfalt. Durch innere oder äußere Einflüsse kann es zu Veränderungen der Umweltbedingungen kommen, die eine veränderte Zusammensetzung des Mikrobioms zur Folge haben. Eine solche Dysbiose wirkt sich auf den Gesundheitszustand des Menschen aus und kann zu schweren Krankheiten führen. Das orale Mikrobiom gehört mit zu den komplexesten Mikrobiomen des Menschen. Es bildet eine natürliche Barriere gegen Krankheitserreger und beugt somit u.a. lokalen Krankheiten wie Karies oder Parodontitis vor. Die Metaproteomik ermöglicht es, die exprimierten Proteine des Mikrobioms und deren Interaktion mit dem Wirt zu untersuchen. Diese Technologie überwindet somit die Beschränkung auf Laborkulturen und ermöglicht die Untersuchung des Mikrobioms direkt in seinem natürlichen Lebensraum. Die Metaproteomik bietet eine Reihe von Instrumenten zur Vertiefung des Verständnisses des oralen Mikrobioms hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Menschen.
Ziele: Ein Ziel dieser Dissertation war es einen Arbeitsablauf für die Durchführung von Metaproteomstudien des oralen Mikrobioms zu erarbeiten, beginnend bei der Probensammlung über die Präparation der Proben für die Massenspektrometrie bis hin zur bioinformatischen Auswertung. Diesen Arbeitsablauf galt es für das Mikrobiom des Speichels sowie für die Biofilme auf der Zunge und des supragingivalen Plaques zu etablieren bzw. zu adaptieren. Darauf aufbauend wurden Metaproteomstudien durchgeführt, um die drei Mikrobiome bei gesunden Probanden hinsichtlich ihrer exprimierten Proteine, deren metabolischer Bedeutung und Interaktionen mit dem Wirt sowie deren taxonomische Zuordnung zu studieren.
Studiendesign: Die Dissertation umfasst drei Studien mit drei unterschiedlichen Kohorten. Allen Studien ist gemein, dass die Kohorten sich aus oral gesunden Probanden im Alter von 20-30 Jahren zusammensetzten.
In der ersten Studie verglichen wir die Salivette® sowie den Paraffinkaugummi anhand von fünf Probanden, um die effektivste Methode zur Sammlung von Speichel für Metaproteomstudien zu identifizieren.
In der zweiten Studie wurden die Mikrobiome von Speichel und Zunge anhand von 24 Probanden miteinander verglichen und dafür eine Auswertestrategie entwickelt, um der Komplexität dieser Metaproteomstudie gerecht zu werden.
Im Rahmen unserer dritten randomisierten Einzelblindstudie, die auf einem Cross-over-Design basierte, erhielten 16 Probanden vier unterschiedliche lokale Behandlungsschemata, um deren Auswirkung auf das Plaque-Mikrobiom zu untersuchen. Die Behandlungen bestanden aus zwei Lutschtabletten, die Bestandteile des Lactoperoxidase-Systems in unterschiedlichen Konzentrationen enthielten, einer Lutschtablette mit einem Placebo-Wirkstoff sowie Listerine® Total Care™ Mundspülung als Positivkontrolle.
Alle Proben wurden, basierend auf einem Bottom-Up-Ansatz, unter Verwendung von nano LC-MS/MS Massenspektrometern in einer datenabhängigen Messstrategie (DDA, data- dependant acquisition mode) vermessen. Die bioinformatische Auswertung erfolgte für die erste Studie mit Hilfe der Proteome Discoverer Software. Für die Studien zwei und drei wurde die Trans-Proteomic Pipeline eingesetzt. Die taxonomische sowie funktionelle Zuordnung der identifizierten Proteine erfolgte für alle Studien anhand der Prophane Software.
Ergebnisse:
Für den Paraffinkaugummi konnten wir mit 1.005 bakteriellen Metaproteinen dreimal so viele Metaproteine identifizieren im Vergleich zur Salivette® mit 313 Metaproteinen. 76,5 % der Metaproteine der Salivette® wurden ebenfalls mit dem Paraffinkaugummi gefunden. Insgesamt wurden 38 Genera und 90 Spezies identifiziert, wovon 13 Genera und 44 Spezies nur mit dem Paraffinkaugummi identifiziert werden konnten. Die größte funktionelle Diversität wurde ebenfalls mit dem Paraffinkaugummi detektiert.
Das Metaproteom des Speichel- und Zungen-Mikrobioms basiert auf 3.969 bakteriellen Metaproteinen sowie 1.857 humanen Proteinen. Die Anzahl der nur für das Zungen-Mikrobiom identifizierten Metaproteine, war doppelt so hoch, im Vergleich zum Speichel.
Die Metaproteine konnten 107 Genera sowie 7 Phyla zugeordnet werden. Funktionell wurden für das Speichel-Mikrobiom signifikant höhere Metaproteinabundanzen für die Zellmotilität gefunden. Beim Zungen-Mikrobiom hingegen wiesen die Metaproteine der Biosynthese von sekundären Metaboliten, Signaltransduktion oder der Replikation höhere Abundanzen auf.
Im Rahmen der Plaque-Studie identifizierten wir durchschnittlich 1.916 (± 465) bakterielle Metaproteine je Probe, die wir taxonomisch und funktionell 116 Genera sowie 1.316 Proteinfunktionen zuordnen konnten. Die Plaque inhibierende Wirkung von Listerine® zeigte sich durch eine Reduktion der Metaproteinidentifikation von durchschnittlich 23,5 % nach der Behandlung. Darüber hinaus zeigte die Mehrheit der bakteriellen Metaproteine reduzierte relative Abundanzen während für die Metaproteine humanen Ursprungs eine Erhöhung der Proteinabundanzen gegenüber der Kontrolle vor Behandlung zu verzeichnen war. Aus funktioneller Sicht waren insbesondere metabolische Prozesse, welche für das Zellwachstum und die Zellteilung wichtig sind, betroffen. Im Gegensatz dazu erhöhten sich durch die LPO Lutschtabletten sowohl die Identifikation der Metaproteine als auch die relative Abundanz für die Mehrheit der Proteine. Nach den durch die Metaproteomdaten erhaltenen funktionellen Informationen liegen Hinweise für einen wachsenden Biofilm vor. Die Metaproteine, die eine erhöhte Abundanz nach Behandlung mit den LPO-Dragees zeigten, wurden taxonomisch hauptsächlich Erst- (S. gordonii) und Zweitbesiedlern (F. nucleatum) sowie Bakterien zugeordnet, die einem gesunden Biofilm zuträglich sind.
Fazit: Im Rahmen dieser Dissertation wurde ein vollständiger Metaproteom Arbeitsablauf von der Probensammlung, über die Probenpräparation bis hin zu Datenanalyse für das Speichel-, Zungen- und Plaque-Mikrobiom erarbeitet. In drei Studien konnten wir dessen Anwendbarkeit demonstrieren und erreichten vergleichbare Ergebnisse zu anderen Metaproteomstudien, beispielsweise bezüglich der Proteinidentifikation. Für die Sammlung von Speichelproben stellte sich der Paraffinkaugummi für Metaproteomstudien als die Methode der Wahl heraus. Für das Zungen-Mikrobiom veröffentlichten wir die ersten Metaproteomdaten. Darüber hinaus publizierten wir die erste Metaproteomstudie, welche die beiden Mikrobiome von Speichel und Zunge miteinander vergleicht. Hinsichtlich des Plaque-Mikrobioms handelte es sich ebenfalls um die erste Metaproteomstudie, die ein
anerkanntes und etabliertes zahnklinisches Modell mit den Vorzügen der Metaproteomiks verbindet. Die Ergebnisse liefern erste Daten, um (auf längere Sicht gesehen) ein Produkt zur täglichen Mundhygiene entwickeln zu können, welches die bakterielle Zusammensetzung des Plaque-Biofilms positiv beeinflusst.
Das Speichelperoxidase-System nimmt in der Gruppe der unspezifischen Abwehr eine besondere Stellung ein, indem es das orale Mikrobiom reguliert. Damit ist das Speichelperoxidase-System eine gute Grundlage für die Entwicklung eines sicheren und wirkungsvollen Mundpflegeproduktes. Die erstmals 1943 aus der Kuhmilch isolierte Lactoperoxidase weist in Struktur und Reaktivität eine hohe Ähnlichkeit zur Speichelperoxidase auf. Beide Peroxidasen vermitteln die Oxidation von Thiocyanat (SCNˉ) in das antibakteriell sehr effektive Hypothiocyanit (OSCNˉ), wobei Wasserstoffperoxid (H₂O₂) als Sauerstoffdonator fungiert.
Im Rahmen des Verbundforschungsprojekts „Large Protection of Oral Health“ wurden Mundhygienelutschdragees als Ergänzung zur mechanischen Zahnreinigung entwickelt und getestet.
Zur Untersuchung der Wirksamkeit der entwickelten LPO-Dragees wurde eine randomisierte, doppelt verblindete Studie im 4-fach Cross-over Design angewendet. Alle Probanden benutzten zeitlich versetzt zwei Lutschdragees, die LPO und SCNˉ mit unterschiedlichen H₂O₂ Gehalten (Dragee B: 0,083 % und Dragee C: 0,04 %) enthielten, ein Placebo-Dragee als Negativkontrolle und eine handelsübliche Mundspüllösung (Listerine® Total Care, Johnson & Johnson, Germany) als Positivkontrolle in zufälliger Reihenfolge. Das Placebo und die zwei Lutschdragee-Varianten waren hinsichtlich Aussehen, Geschmack und der Darreichungsform nicht voneinander zu unterscheiden. Zwischen den Anwendungen der verschiedenen Präparate lag eine Wash-out-Phase von jeweils 10 Tagen.
Ziel der Studie war, die Auswirkungen der entwickelten Lutschdragees auf die Plaqueneubildung, S. mutans, Lactobacillen und die Gesamtkeimzahl zu untersuchen. Zusätzlich wurden folgende chemische Parameter ionenchromatographisch bestimmt: Thiocyanat (SCNˉ), Hypothiocyanit (OSCNˉ), Nitrat (NO₃ˉ) und Nitrit (NO₂ˉ).
Beide Prüfdragees führten im Vergleich zum Placebo zu einer statistisch signifikanten Hemmung der Plaqueneubildung, die aber unter der der Positivkontrolle lag. Dragee B hatte eine größere statistisch signifikante Hemmung von S. mutans gegenüber Dragee C und dem Placebo. Bei den Lactobacillen zeigte das Dragee C eine statistisch signifikant bessere Wirkung als die Positivkontrolle, Dragee B und dem Placebo. Sowohl die Test-Dragees als auch beide Kontrollen hatten keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Gesamtkeimzahl.
Im Speichel war ein erhöhter SCNˉ Gehalt bei der Anwendung der Prüfdragees festzustellen, was vermutlich mit dem SCNˉ Gehalt des Dragees im Zusammenhang steht. Hingegen wurde keine Erhöhung des hochreaktiven OSCNˉ zum Zeitpunkt der Messung am 5. Tag beobachtet. Das Nitrat/Nitrit Verhältnis deutet daraufhin, dass die Anzahl der kardiovaskulär positiv einzustufenden nitratreduzierenden Bakterien durch Dragee B statistisch signifikant höher war als bei der Anwendung von Listerine®.
Insgesamt kann festgestellt werden, dass durch die Anwendung eines Lutschdragees mit den Komponenten des Lactoperoxidase-Systems bezüglich der Hemmung der Plaqueneubildung und der Proliferation von kariogenen Keimen ein Nutzen für den Anwender zu erzielen ist und die gewählte Applikationsform sich gut in Alltag integrieren lässt.