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Demenznetzwerke versuchen mithilfe regionaler Kooperationen eine moderne, sektorenübergreifende sowie multidisziplinär ausgerichtete Demenzversorgung aufzubauen. Diese Kooperationsmodelle werden seit einigen Jahren politisch und gesellschaftlich gefordert. Obwohl es in Deutschland bereits eine Vielzahl von Demenznetzwerken gibt, ist wenig über sie bekannt. Mit dem Ziel, den MmD so lange wie möglich ein selbstständiges Leben zu ermöglichen, fordern nationale Demenzleitlinien eine integrierte Versorgung von Menschen mit Demenz (MmD). Die vorliegende Dissertation untersucht, wie häufig MmD eine integrierte, spezialisierte Demenzversorgung in deutschen Demenznetzwerken erhalten und mit welchen Faktoren diese auf Seiten des MmD und Netzwerkes assoziiert ist. Die Dissertation geht im Kern der Frage nach, inwieweit Demenznetzwerke die Versorgung von Menschen mit Demenz verbessern und ob Demenznetzwerke ein Zukunftsmodell zur Versorgung von MmD darstellen könnten. In der multizentrischen, interdisziplinären Evaluationsstudie von Demenznetzwerken in Deutschland (DemNet-D) wurden 560 Bezugspersonen von Menschen mit Demenz in n=13 Demenznetzwerken über sozio-demografische und klinische Parameter sowie die Inanspruchnahme von medizinischen, pharmazeutischen, nicht-pharmakologischen Therapien sowie die Hilfsmittelversorgung des MmD befragt. Die Daten wurden mit deskriptiven und multivariaten Regressionsmodellen analysiert. Im Ergebnis erreichen MmD in Demenznetzwerken eine hohe Quote in der Konsultation von Hausärzten (93%) und Fachärzten für Neurologie/ Psychiatrie (74%). Mit einem Antidementivum werden 52% der MmD in den untersuchten NW versorgt. Bei nicht-pharmakologischem Therapien erhalten 24% der MmD Physiotherapie und 15% der MmD Ergotherapie. Die häusliche Versorgungssituation wird u.a. mit Mobilitätshilfen bei 59% der Nutzer von Demenznerzwerken unterstützt. Weibliches Geschlecht ist innerhalb der neurologischen/ psychiatrischen Facharztversorgung mit einer geringeren Versorgungsquote (OR 0.6) assoziiert. Die Antidementivaversorgung ist u.a. signifikant positiv mit der formalen Diagnose (OR 16.8) assoziiert. Bei nicht-pharmakologischen Therapien (OR 1.2) und Hilfsmitteln (OR 1.4) sind Komorbiditäten signifikant mit der Versorgung assoziiert. Eine medizinische Affiliation des Netzwerkes zeigt sich als positiver Einflussfaktor u.a. bei der neurologischen/ psychiatrischen Facharztversorgung (8.4) und der Versorgung mit Antidementiva (OR 3.7). Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass MmD in Demenznetzwerken im Vergleich zu primärärztlicher Versorgung höhere Inanspruchnahme-Quoten erreichen. Sie zeigen nicht, ob MmD bedarfsgerecht versorgt werden oder auch ob sich Demenznetzwerke auf Institutionalisierungsraten auswirken. Die Ergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass Nutzer von Demenznetzwerken häufiger eine demenzspezifische Versorgung erhalten. Demenznetzwerke adressieren somit zentrale Forderungen u.a. der WHO.  
Menschen mit Demenz (MmD) sind oft multimorbid und haben komplexe Pharmakotherapie, die mit einer zunehmenden Anzahl von arzneimittelbezogenen Problemen (ABP) einhergeht. Dies kann zu einer Verringerung der Lebensqualität und zu erhöhten Krankenhausaufenthaltsraten für MmD sowie zu hohen Kosten für das Gesundheitssystem führen. Daher ist es wichtig, die Prävention von ABP bei der Planung von Versorgungsprogrammen für MmD zu berücksichtigen. Frühere Studien zur Arzneimitteltherapiesicherheit konzentrierten sich hauptsächlich auf institutionalisierte MmD. Über die Situation in der ambulanter Versorgung ist wenig bekannt. Das Ziel dieser Arbeit ist es, Folgendes zu bestimmen: (a) Häufigkeit und Art der Behandlung mit Antidementiva und damit assoziierte soziodemografische und klinische Prädiktoren (b) Prävalenz von potenziell inadäquater Medikation (PIM) gemäß der Priscus-Liste und damit verbundene soziodemographische und klinische Prädiktoren (c) Häufigkeit und Art der ABP und damit verbundene soziodemografische und klinische Prädiktoren bei MmD in primärärztlicher Versorgung, die positiv auf Demenz gescreent wurden. Die Analysen basieren auf den Daten der DelpHi-MV-Studie, einer clusterrandomisierten, kontrollierten Interventionsstudie zur Evaluation eines innovativen Konzepts des Dementia Care Managements (DCM) in Deutschland. Die Daten von N = 448 Studienteilnehmern (≥70 Jahre, zu Hause lebend), die positiv auf Demenz (DemTect <9) getestet wurden, wurden in die Analyse einbezogen. Für jeden Studienteilnehmer wurde eine Medikationsanalyse auf der Grundlage der häuslichen Medikationsanamnese durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass 30% der MmD Antidementiva erhielten, von denen 63% hatten bereits eine formale Demenzdiagnose. In der Untergruppe der Studienteilnehmer mit einer formalen Demenzdiagnose erhielten 46% die Antidementiva. Die Verschreibung von Antidementiva war signifikant mit dem Schweregrad der kognitiven Beeinträchtigung und einer formalen Demenzdiagnose assoziiert. 38% der Studienteilnehmer ohne Demenzdiagnose erhalten Antidementiva. 22% der Studienteilnehmer erhielten mindestens ein PIM gemäß der Priscus-Liste. Die kognitive Beeinträchtigung war nicht mit der Verwendung von PIM assoziiert. Die Verschreibung eines PIM war signifikant mit der Gesamtzahl der eingenommenen Medikamente sowie mit der Diagnose von psychischen und Verhaltenssymptomen assoziiert. Polypharmazie, definiert als die dauerhafte Anwendung von fünf oder mehr Medikamenten, wurde bei 67% der Studienteilnehmer identifiziert, 93% hatten mindestens ein ABP, das von einem Apotheker oder einer Krankenschwester während eines Hausbesuchs entdeckt wurde. Insgesamt wurden 1077 ABP registriert. Probleme im Zusammenhang mit Anwendung und Compliance waren die häufigste Gruppe von ABP, gefolgt von Problemen mit Arzneimittelwechselwirkungen, Problemen mit unangemessener Arzneimittelwahl, Problemen mit der Dosierung und Problemen mit unerwünschten Arzneimittelereignissen. Die kognitive Beeinträchtigung war nicht mit der Gesamtzahl der ABP assoziiert. Die Gesamtzahl der eingenommenen Medikamente und das Vorhandensein einer Diagnose von psychischen und Verhaltenssymptomen waren mit der Gesamtzahl der ABP assoziiert.
Die Dissertation gibt einen Überblick über die Gesamtmedikation und ABP von MmD in der Primärversorgung. Unter anderem wurden die Probleme der Behandlung mit Antidementiva und der Einnahme von PIM diskutiert. Die These legt nahe, dass das Medikationsanalyse auf der Grundlage der häuslichen Medikationsanamnese für MmD wichtig ist, da eine solche Überprüfung die Verfügbarkeit umfassender Informationen über die Gesamtmedikation, Ernährungsfaktoren und die tatsächliche Anwendung von Medikamenten gewährleistet. Die Dissertation bietet somit eine Basis für die Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit und die Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte für MmD. Die hohe Prävalenz von ABP in dieser Population unterstreicht die Wichtigkeit der Einbeziehung eines Medikationsmanagements in die Versorgungsprogramme für MmD. Identifizierte Risikofaktoren für ABP können dazu beitragen, das Medikationsmanagement für die Patientengruppen anzubieten, die das höchste Risiko aufweisen.
Bei der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) handelt es sich um eine multifaktorielle, polygene Autoimmunerkrankung, in deren Pathogenese T-Zellen eine wichtige Rolle spielen. Das cytotoxische T-Lymphozyten-Antigen-4 (CTLA-4) als Oberflächenmolekül auf aktivierten T-Zellen hat negativ-regulatorische Wirkung und supprimiert eine überschießende Immunantwort. Assoziationen verschiedener Single Nucleotid Polymorphisms (SNPs) im Gen des CTLA-4 zu unterschiedlichen Autoimmunerkrankungen sind vorbeschrieben. Ziel dieser Arbeit war es den Einfluss zweier ausgewählter Polymorphismen des CTLA-4 Gens (-318 Promotor C/T und +49 Exon 1 A/G) auf die Ausprägung der JIA und ihrer Unterformen zu untersuchen. 844 DNA-Proben von JIA-Patienten, sowie insgesamt 662 Kontrollen wurden genotypisiert. Die Kontrollgruppe setzte sich aus 500 lokalen Individuen der Region Vorpommern und 162 Personen aus ganz Deutschland zusammen. Die Genotypisierung erfolgte mittels Allelspezifischer Duplex-PCR und anschließender Gelelektrophorese. Beim Vergleich der JIA-Patienten mit der Kontrollgruppe konnte für die Psoriasisarthritis eine Assoziation für den -318 C/T SNP nachgewiesen werden. Für den +49 A/G SNP war keine Assoziation zu finden. Die Allelverteilung der JIA-Patienten zeigte eine nicht signifikante Häufung des A+49-Allels bei Psoriasisarthritis und Enthesitis-assoziierter Arthritis sowie einen signifikanten Zusammenhang des T-318-Allels bei Psoriasisarthritis. Bei Betrachtung der Allel- und Genotypverteilung der untersuchten SNPs in verschiedenen Regionen, Ländern und Ethnien in Daten der Literatur fiel eine große Variabilität, vor allem des +49-Exonpolymorphismuses auf. Weiterhin konnte ein vorbeschriebenes Linkage Disequilibrium, im Sinne einer genetische Kopplung, für die beiden untersuchten Polymorphismen bestätigt werden. Zur funktionellen und klinischen Bedeutung der von uns gefundenen Assoziation zwischen dem -318 C/T SNP und Psoriarisarthritis sind noch weitere Untersuchungen mit größeren Fallzahlen notwendig. Wichtig ist aufgrund der breiten Variabilität der Genotypverteilung in verschiedenen Ethnien, Ländern und Regionen adäquat passende Patienten- und Kontrollgruppen zu wählen. Aufgrund des Linkage Disequilibriums der beiden untersuchten Genorte empfehlen sich für weitere Studien Haplotypanalysen.
Assoziation zwischen Thyreotropin und dem Lipidprofil bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland
(2017)
Zielstellung:
Es gibt noch keine populationsbezogene Studie, die den Zusammenhang zwischen Thyreotropin (TSH) und den Lipidparametern Gesamtcholesterin, Low-Density-Lipoprotein-(LDL)-Cholesterin, High-Density-Lipoprotein-(HDL)-Cholesterin und Triglyzeriden bei Kindern und Jugendlichen unter-sucht hat, trotz der möglichen Auswirkungen eines erhöhten Lipidprofils auf die Entstehung von kardiovaskulären Erkrankungen.
Teilnehmer und Methoden:
Es wurden Eigenschaften und Laborparameter von insgesamt 6 622 drei- bis zehnjährigen Kindern und 6 134 elf- bis 17-jährigen Heranwachsenden der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) analysiert. Primäre Expositionsvariable dieser Querschnittsstudie war der mit einer Elektroluminiszenz-Methode gemessene TSH-Spiegel im Serum. Primäre Outcomevariablen waren die Gesamtcholesterin-, LDL-Cholesterin-, HDL-Cholesterin- und Triglyzeridspiegel im Serum, die über enzymatische Farbanalysen bestimmt wurden. Die Variablen wurden mithilfe von altersspezifischen Grenzwerten kategorisiert.
Ergebnisse:
Signifikante positive Assoziationen lagen bei Kindern zwischen Serum-TSH-Spiegeln und allen Nicht-HDL-Cholesterinspiegeln (Gesamtcholesterin-, LDL-Cholesterin- und Triglyzeridspiegeln) vor (β = 0,90, 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 0,53 – 1,27; β = 0,78, 95 %-KI: 0,44 – 1,13; und β = 0,90, 95 %-KI: 0,52 – 1,27), gleichermaßen bei Jugendlichen (β = 0,90, 95 %-KI: 0,47 – 1,32; β = 0,67, 95 %-KI: 0,29 – 1,05; und β = 0,92, 95 %-KI: 0,49 – 1,35; p < 0,05). Stratifizierte Modelle deuteten darauf hin, dass diese Zusammenhänge besonders stark bei übergewichtigen und adipösen Kindern waren. Kinder mit erhöhten TSH-Spiegeln hatten im Vergleich zu Kindern mit TSH-Spiegeln im Referenzbereich höhere Nicht-HDL-Cholesterinspiegel.
Fazit:
Wie schon bei Erwachsenen bekannt, zeigt diese Studie bei Kindern und Jugendlichen einen positiven Zusammenhang zwischen den Serumspiegeln von TSH und Nicht-HDL-Lipiden. Längsschnittstudien könnten klären, ob ein erhöhter Serum-TSH-Spiegel, der von einem unvorteilhaften Lipidprofil begleitet wird, im Erwachsenenalter fortdauert.
Die Deponie Ihlenberg zählt zu den größten Anlagen ihrer Art in Europa. 1977 erschlossen und für den Deponiebetrieb als geeignet befunden, wurde das Gelände zunächst für die Verbringung von Bauschutt, in den Folgejahren jedoch ebenfalls zunehmend für die Verbringung von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen genutzt. Im März 2002 wurde durch Vertreter der Bürgerinitiative dem Deponiebeirat und dem Umweltministerium eine Liste mit 13 Namen an Krebs erkrankter Deponiebeschäftigter übergeben. Durch die Deponieleitung wurden 16 an Krebs erkrankte Beschäftigte bei der Berufgenossenschaft Tiefbau angezeigt. Bis Juni 2003 wurde diese Liste auf insgesamt 18 Namen erweitert. Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Diskussion der unter den Deponiebeschäftigten aufgetretenen Krebserkrankungen aus epidemiologischer Sicht. Vordringlich ist zu klären, ob die Anzahl der berichteten Erkrankungen der statistischen Erwartung entspricht. Die zur Beant¬wortung der Frage erforderlichen detaillierten Angaben über die Anzahl der Beschäftigten eines jeden Betriebsjahres, die Alters- und Geschlechtsverteilung im Beschäftigungs¬zeitraum und den aktueller Vitalstatus eines jeden Mitarbeiters sind jedoch gegenwärtig nicht in der benötigten Vollständigkeit und Präzision verfügbar. Kernaufgabe dieser Arbeit ist daher eine quantitative Diskussion der Wahrscheinlichkeit für eine statistisch signifikante Erhöhung der Fallzahlen im Rahmen der vorhandenen Unsicher¬heiten in den Eingangsdaten. Hiermit soll insbesondere die Frage beantwortet werden, ob ein weiterer Forschungsbedarf hinsichtlich einer analytischen Untersuchung der möglichen Ursachen der Erkrankungsfälle besteht. Die bekannten Krebserkrankungen wurden in die zu untersuchende Kategorien „Alle“ malignen Erkrankungen und maligne „Lymphome“ klassifiziert. Da für die Arbeit viele essentielle Daten nicht zur Verfügung standen, wurden diese durch geeignete Abschätzungen möglichst sinnvoll ergänzt. Für die zunächst durchgeführte orientierende Probabilitäts¬betrachtung wurde die Beschäftigtenkohorte (120 Beschäftigte pro Jahr) als konstant angenommen, ebenso der Anteil der männlichen (90%) und weiblichen (10%) Beschäftigten. Die Altersverteilung der Beschäftigten wurde in Anlehnung an die Alters¬verteilung der Bevölkerung von Nordwestmecklenburg, sowie alternativ in Anlehnung an die Altersverteilung der „sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten am Arbeitsort in Deutschland“ betrachtet. Beide orientierenden Abschätzungen gingen von einer konstanten Altersverteilung innerhalb der Beschäftigten¬kohorte innerhalb des Untersuchungszeitraums aus. In der vorliegenden Arbeit wurden angesichts der unvollständigen Datenlage alle für die Berechnung der SIR erforderlichen Eingangsparameter über jeweils breite Wertebereiche hinweg variiert. Hierbei wurden bewusst auch extreme Szenarien betrachtet. Die Auswirkungen der angenommenen Wertebereiche allein und in Kombination auf die Berechnung der SIR wurden quantitativ untersucht. Die resultierenden Ergebnisräume erlauben eine Einschätzung der Wahrscheinlichkeit von Parameterkombinationen, in deren Folge statistisch signifikant erhöhte SIR resultieren würden. Die Sensitivitätsanalyse zeigt, dass die SIR-Werte unter verschiedenen Randbedingungen über einen weiten Bereich schwanken. Die Abschätzung zeigt jedoch für einen erheblichen Teil der angenommenen Parameterkombinationen statistisch signifikant erhöhte SIR-Werte. Dieses Ergebnis spricht dafür, dass im Rahmen der diskutierten Unsicherheitsbereiche eine Erhöhung der Häufigkeit von Krebserkrankungen unter den Beschäftigten der Deponie Ihlenberg zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden kann. Gleichzeitig muss jedoch betont werden, dass der gewählte deskriptive Studienansatz keinesfalls im Sinne eines kausalen Zusammenhangs interpretiert werden darf. Die vorliegende Arbeit zeigt, dass ein Forschungsbedarf zur Klärung einer möglichen Erhöhung von Krebserkrankungen bei den Beschäftigten der Deponie besteht. Weiterführende epidemiologische Untersuchungen müssen neben der systematischen Erfassung und Quantifizierung deponiebedingter Expositionen relevante individuelle Risikofaktoren in Betracht ziehen.
Unter Verwendung der Basiserhebung der Daten der Study of Health in Pomerania wurden mit dem Alter, dem Geschlecht, der lebenslangen Rauchexposition und der Exposition gegenüber endogenen und exogenen weiblichen Sexualhormonen wichtige Risikofaktoren der Non Hodgkin Lymphome mittels multivariabler Verfahren in Bezug auf die t(14;18) Translokation quantitativ untersucht. Wir fanden einen kurvilinearen Trend der t(14;18) Prävalenz mit steigendem Alter mit einem Maximum in der Altersgruppe 50-59 Jahre sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Männer zeigten in allen Altersgruppen eine höhere t(14;18) Prävalenz. Für Rauchen konnte in alters- und geschlechtsadjustierten Modellen keine Risikoerhöhung ermittelt werden. Die Analysen beschränkt auf Frauen zeigten ebenso keinen Zusammenhang für die Anzahl der Schwangerschaften oder Menopausentyp mit der Prävalenz der t(14;18) Translokation. Bei der t(14;18) Frequenz hingegen konnten in den altersadjustierten Modellen signifikante Assoziationen mit lebenslanger Exposition von oralen Kontrazeptiva beobachtet werden. Im multivariablen Model waren die Risikoschätzer für induzierte Menopause und jemals Einnahme von oralen Kontrazeptiva und Menopausaler Hormontherapie signifikant erhöht. Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass die exogene Hormoneinnahme ein Risikofaktor für die t(14;18) Frequenz ist, nicht jedoch für die t(14;18) Prävalenz. Roulland et al. (J Clin Oncol 2014) publizierten, dass der Nachweis von t(14;18)-positiven Zellen in gesunden Individuen einen repräsentativen Biomarker für ein Follikuläres Lymphom darstellen. Zukünftige Forschung sollte darauf abzielen, die besonders gefährdeten Personen und die zusätzlich notwendigen molekularen oder immunologischen Ereignisse zu identifizieren, die letztlich zur Transformation von t(14;18)-positiven Zellen in eine maligne Lymphom-Zelle führen. Ein vielversprechender Ausgangspunkt könnte eine systematische prospektive Follow-up Untersuchung von gesunden t(14;18)-positiven Individuen sein. Weitere molekulare oder Umweltereignisse sollten verfolgt und ihr jeweiliger Einfluss hinsichtlich der Entwicklung eines klinischen Follikulären Lymphoms oder Diffuse Large B-Cell Lymphoms quantifiziert werden. Daraus könnten sich mögliche klinische Anwendungen wie z. B. eine Risikostratifikation, ein erweitertes Monitoring und die Entwicklung einer frühzeitigen Intervention ableiten lassen.
In der Zeit von Oktober 1997 bis Mai 2001 wurde im Rahmen der epidemiologischen Querschnittsstudie „Study of Health in Pomerania“ (SHIP-0) der Gesundheitszustand von 4310 freiwilligen Probanden untersucht. Bei 508 (11.8 %) Studienteilnehmern wurde während der zahnärztlichen Diagnostik eine Mundschleimhautveränderung festgestellt. Diese Probanden erhielten bei entsprechender Notwendigkeit eine mündliche Beratung und in der Regel zusätzlich ein Empfehlungsschreiben, zur Abklärung des Befundes einen Zahnarzt aufzusuchen. In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, wie viele der Probanden mit auffälligem Mundschleimhautbefund dieser Empfehlung gefolgt sind und in welchem Zeitrahmen sie dies taten. In uni- und multivariaten Analysen wird ergründet, von welchen Faktoren die Inanspruchnahme eines Zahnarztes in dieser Konstellation abhängig war. Ferner wird analysiert, ob die konsultierten Zahnärzte den SHIP-0-Befund bestätigten und welche Therapie den Probanden zuteil wurde. Methodisch wurden die selektierten Probanden zunächst gebeten, für die behandelnden Zahnärzte Schweigepflichtentbindungen auszustellen. Den jeweiligen Zahnärzten wiederum wurde neben einer Kopie der erteilten Schweigepflichtentbindung ein standardisierter Fragebogen übersandt, welcher das Vorstellungsdatum des Probanden, die vom Zahnarzt registrierten Mundschleimhautveränderungen sowie die ergriffenen Therapiemaßnahmen erfragte. Die so erhobenen Daten wurden unter Berücksichtigung ausgewählter Daten aus den in SHIP-0 durchgeführten Untersuchungen und Interviews statistisch ausgewertet. Insgesamt wurden 415 Probanden (81.7 %) in die Auswertung einbezogen. 110 Probanden (26.5 %) verweigerten die Befragung ihres behandelnden Zahnarztes. Von den 305 Probanden (73.5 %) mit erteilter Schweigepflichtentbindung waren insgesamt 285 Probanden (93.4 %) nach der Untersuchung in der Basisstudie bei einem Zahnarzt vorstellig. Insgesamt 129 behandelnde Hauszahnärzte beteiligten sich an dieser Untersuchung (Response 100 %). 55.1 % (N=168) der Probanden mit erteilter Schweigepflichtentbindung suchten den Hauszahnarzt innerhalb von sechs Monaten nach der SHIP-0-Untersuchung auf. Das Alter der Probanden hatte in der vorliegenden Studie einen statistisch signifikanten Einfluss auf das Inanspruchnahmeverhalten. Die außerdem betrachteten Risikofaktoren Geschlecht, Familienstand und Sozialschicht ließen den Trend erkennen, dass mit einem Partner zusammen lebende (43.9 %, N=118) und der oberen Sozialschicht angehörende Individuen (53.4 %, N=39) eher den Mundschleimhautbefund bei ihrem Zahnarzt kontrollieren ließen als allein lebende und den unteren Sozialschichten angehörende Personen. Es zeichnete sich ein deutlicher Trend dahingehend ab, dass je gesünder die Lebensführung und je besser das allgemeine Vorsorgeverhalten ausgeprägt war, umso eher die zahnärztliche Kontrolle der Mundschleimhautveränderungen in Anspruch genommen wurde. Ein gut ausgeprägtes Zahngesundheitswissen und –verhalten (44.2 %, N=146) korrelierte statistisch signifikant mit einer Zahnarztkonsultation innerhalb von sechs Monaten nach dem SHIP-0-Survey. Der objektive, in der Basisstudie zahnärztlich ermittelte Behandlungsbedarf wich stark von der subjektiv eingeschätzten Ernsthaftigkeit der diagnostizierten Mundschleimhautveränderung ab. Je dringlicher die Behandlungspriorität, desto zurückhaltender nahmen die Probanden die empfohlene, zahnmedizinische Kontrolluntersuchung innerhalb von sechs Monaten in Anspruch. Etwa ein Drittel aller in der Basisstudie erhobenen, spezifischen Mundschleimhautbefunde (30.4 %, N=91) wurde von den Zahnärzten bestätigt. Mit 65.9 % (N=197) wurde die Mehrzahl der SHIP-0-Diagnosen nicht bestätigt, elf Befunde (3.7 %) wurden teilweise bestätigt. Insgesamt neun fehlende Diagnoseübereinstimmungen (3 %) erscheinen nicht plausibel, ein nicht bestätigter SHIP-0-Befund (0.3 %) erscheint teilweise plausibel. Suchte der Proband den Zahnarzt innerhalb von sechs Monaten auf, stimmte ein größerer Anteil der Befunde überein (37.4 %, N=58) als zum Zeitpunkt einer späteren Zahnarztkonsultation (14.7 %, N=16). Bezogen auf die SHIP-0-Diagnose war die Therapie der Zahnärzte in 72.9 % adäquat, 5 % der SHIP-0-Diagnosen wurden als teilweise adäquat und 21.1 % als nicht adäquat therapiert bewertet. Je Proband betrachtet wurden 73.1 % adäquat, 5.7 % teilweise adäquat und 21.2 % nicht adäquat behandelt. Trotz moderner und sich ständig weiter entwickelnder Diagnostik- und Therapieverfahren, konnten die Inzidenz und die Mortalität sowie die Prognose von Patienten mit Mundhöhlenkarzinomen und deren Vorstadien in den letzten Jahren weltweit nicht wesentlich verbessert werden. Bevölkerungsbezogenen Aufklärungskampagnen über Risikofaktoren sowie Präventions- und Früherkennungsmaßnahmen kommen deshalb derzeit die größte Bedeutung zu.
Hintergrund: Viele impfpräventable Erkrankungen in der Bevölkerung der BRD weisen eine zu niedrige Durchimpfungsrate auf, um im Falle einer Infektion eine Weiterverbreitung effektiv zu verhindern [4]. Bisher sind überwiegend die Einflüsse untersucht worden, die dazu führen, dass Eltern sich gegen Impfungen entscheiden [84]. Unser Ziel war es, die regionale ärztliche Impfeinstellung und die Durchimpfungsraten der Impfungen Tetanus, Polio, Pertussis, Hepatitis B und Masern zu vergleichen und auf regionale Unterschiede zu untersuchen. Des Weiteren sollte ein möglicher Zusammenhang zwischen städtischer bzw. ländlicher Infrastruktur der Praxiseinzugsgebiete und der ärztlichen Impfeinstellung und Durchimpfungsrate analysiert werden. Zuletzt sollen die nach Meinung der Ärzte für unzureichende Durchimpfungsraten verantwortlichen Ursachen untersucht werden. Methoden: Die Erfassung der ärztlichen Impfeinstellung erfolgte als repräsentative Querschnittsstudie. Hierfür wurden 50% aller niedergelassenen Pädiater 10% aller niedergelassenen Allgemeinmediziner aus ganz Deutschland randomisiert und mit einem pseudonymisierten Fragebogen angeschrieben. Insgesamt konnten 2010 Pädiater (Responseproportion 63,65%) sowie 1712 Allgemeinmediziner (Responseproportion 38,56%) in die Studie eingeschlossen werden. Für den geographischen Vergleich wurden die Durchimpfungsraten der betrachteten Impfungen auf Landkreisebene, die Anzahl der auf Landkreisebene eingeschulten Kinder sowie die Zahl der zum 31.12.2006 als niedergelassen gemeldeten Pädiater und Allgemeinmediziner verwendet. Zur Quantifizierung der ärztlichen Impfeinstellung wurden drei Scores erstellt, in die für jeden befragten Arzt die Einhaltung der STIKO-Empfehlungen, das Impfverhalten bei den eigenen Kindern sowie die Positionierung zu verschiedenen Aussagen zum Thema Impfungen einflossen. Anschließend erfolgte die Zusammenfassung in einem Gesamtscore. Unterschiede in der Häufigkeitsverteilung wurden mittels Chi-Quadrat-Test auf statistische Signifikanz überprüft. Bei metrischen Werten wurden der Mittelwert und die Spannweite angegeben, für die Testung von Unterschieden wurde der Wilcoxon-Test verwendet. Das Signifikanzniveau bei allen Tests wurde auf α=0,05 (zweiseitig) festgelegt. Zur Beurteilung des Einflusses einzelner Faktoren auf die Durchimpfungsraten wurde ein lineares Regressionsmodell mit den Durchimpfungsraten als abhängige Variable erstellt. Berechnungen erfolgten mit Hilfe der Statistik Software SAS (Version 9.1, SAS Institute USA). Für die regionale Betrachtung der Impfeinstellung wurden die deutschen Bundesländer in Untersuchungsregionen auf Grundlage der bestehenden Landkreise (Stand 2006) eingeteilt. Bei unzureichender Repräsentierung eines solchen Landkreises durch Studienteilnehmer erfolgte nach unabhängigen objektiven Kriterien (Entfernungen der Verwaltungssitze) die Zusammenfassung mit einem oder mehreren der angrenzenden Landkreise zu einer Untersuchungsregion. Ergebnisse: Im linearen Regressionsmodell stellt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der regionalen ärztlichen Impfeinstellung und den Durchimpfungsraten für alle betrachteten Impfungen dar. Dieser ist je nach betrachteter Impfung unterschiedlich stark ausgeprägt. D.h. eine kritischere ärztliche Impfeinstellung ist mit einer niedrigeren Durchimpfungsrate vergesellschaftet. Für die ländliche bzw. städtische Infrastruktur einer Region, dargestellt anhand der Einschulungen/km², ist bei den meisten Impfungen kein signifikanter Zusammenhang mit den Durchimpfungsraten festzustellen. Eine bei der Masernimpfung bestimmte Verringerung der Durchimpfungsrate um 0,16% je eingeschultem Kind/km² (p=0,048) ist aufgrund der in Deutschland vorhandenen Einschulungsdichten vernachlässigbar. Auffällig ist der Zusammenhang zwischen der Lokalisation einer Untersuchungsregion in einem bestimmten Bundesland und der Durchimpfungsrate. Dabei gibt es einen Ost-West Unterschied mit niedrigeren Durchimpfungsraten in den alten Ländern (im Vergleich zum Referenzbundesland Mecklenburg-Vorpommern: Tetanus: Maximum: keine Unterschiede größer -5% (Unterschied zu Hessen durch Unterschiede in der Erfassung der Durchimpfungsrate bedingt), Polio: keine Unterschiede größer -5%,Pertussis: Maximum -5.86% in Bayern, p<0.0001; Hepatitis B: Maximum -12.55% in Bayern, p<0.0001; Masern: Maximum -20.20% in Berlin, p=0.0002). Nach Meinung der befragten Ärzte ist die Hauptursache für unzureichende Durchimpfungsraten die Angst des Patienten vor Nebenwirkungen gefolgt von mangelnder Aufklärung durch die Ärzte. Schlussfolgerung: Der Zusammenhang von regionaler Durchimpfungsrate und ärztlicher Impfeinstellung scheint mit Bevölkerungsassoziierte Variablen überlagert zu sein. Zur Verbesserung der Durchimpfungsraten ist eine vermehrte Aufklärung von Ärzten und Bevölkerung nötig, insbesondere im Studium, in Schulen, bei der Hebammenausbildung und in den Medien.
Hintergrund: Während seit langem eine Assoziation von Fettleber und Diabetes mellitus Typ 2 bekannt ist, ist der Zusammenhang zwischen Fettleber und Diabetes mellitus Typ 1 bisher nicht ausreichend untersucht. Ziel der Arbeit war es zu zeigen, dass das Risiko für Fettleber bei Typ-1 und Typ-2-Diabetikern verschieden ist. Methodik: Die Study of Health in Pomerania (SHIP) ist eine populationsbasierte Querschnittstudie in Vorpommern in deren Rahmen insgesamt 4310 Probanden untersucht wurden. Für die Analysen standen 4173 Probanden zur Verfügung. Die Study of Health in Pomerania – Diabetes mellitus Typ 1 (SHIP-DM) wurde als assoziiertes Projekt von SHIP durchgeführt. Für die Studie wurden 241 konsekutive Typ-1-Diabetiker nach einem erweiterten SHIP-Protokoll untersucht. Für die Analysen standen 219 Probanden zur Verfügung. Ergebnisse: Die Prävalenz für Fettleber lag bei Typ-2-Diabetikern mit 64,5% über dem Risiko für Typ-1-Diabetiker (20,5%) und dem für Nichtdiabetiker (26,4%). Nach Kontrolle für potenzielle Confounder ließ sich dieser Zusammenhang ebenfalls zeigen. Das unabhängige Risiko für Fettleber ist bei Typ-2-Diabetes verglichen mit Nichtdiabetikern dreifach erhöht. Das Risiko für Fettleber ist bei Diabetes mellitus Typ 1 vergleichbar mit dem Risiko bei Nichtdiabetikern. Bei Typ-1-Diabetikern sind männliches Geschlecht, eine erhöhte Waist-to-Hip-Ratio und erhöhte Serumwerte für Cholesterol mit Fettleber assoziiert. Leicht erhöhte Serumwerte für HbA1c sind bei Typ-1-Diabetikern invers mit Fettleber assoziiert. Die für Typ-1-Diabetiker nachgewiesenen Risikofaktoren ließen sich ebenfalls für Nichtdiabetiker nachweisen. Bei Typ-2-Diabetikern dagegen ist männliches Geschlecht nicht mit Fettleber assoziiert und leicht erhöhte Serumwerte für HbA1c erhöhen das Risiko für Fettleber. Diskussion: Die Ergebnisse bestätigen die Hypothese, dass Diabetes mellitus Typ 1, anders als Typ 2, nicht mit Fettleber assoziiert ist. Hierfür gibt es mehrere mögliche Erklärungen, die auf der unterschiedlichen Pathophysiologie der beiden Diabetestypen aufbauen. Diese Ergebnisse untermauern unter anderem die These, dass die Fettleber an der Entstehung des Diabetes mellitus Typ 2 beteiligt sein könnte.
Hintergrund: Die Arbeitsfähigkeit der Bevölkerung rückt anlässlich des fortschreitenden demografischen Wandels immer weiter in den wissenschaftlichen Fokus. Der Schutz der Arbeitsfähigkeit erscheint zur Verbesserung der Ökonomie und der damit einhergehenden Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes geeignet und nicht zuletzt aufgrund des zu erwartenden Vorteils in Bezug auf die Lebensqualität eines jeden Einzelnen als ein lohnenswertes Ziel. Aus diesen Gründen beteiligt sich diese Dissertation an den internationalen Bemühungen die Determinanten der Arbeitsfähigkeit zu identifizieren sowie an der Beurteilung von Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) hinsichtlich ihrer Effektivität, um in Zukunft die Arbeitsfähigkeit der Arbeitnehmer besser erhalten und schützen zu können. Methoden: Die Studie ist als eine prospektive Kohortenstudie angelegt und beinhaltet eine Intervention in Form eines im Rahmen der BGF angebotenen achtwöchigen Trainingsprogramms. Insgesamt füllten 393 Arbeitnehmer des Universitätsklinikums Greifswald (UKG) den ersten standardisierten Fragebogen aus. 60 Teilnehmer konnten nach Ablauf der Intervention motiviert werden den Follow-Up-Fragebogen zu beantworten. Bei der statistischen Auswertung erfolgte die Identifizierung der Determinanten der Arbeitsfähigkeit durch eine lineare Regressionsanalyse. Hierbei diente die Arbeitsfähigkeit, repräsentiert durch den Work-Ability-Index (kurz: WAI), als abhängige Variable. Die Beurteilung der Effektivität der BGF-Maßnahme in Bezug auf den WAI erfolgte durch den Wilcoxon Rank Sum – Test. Ergebnisse: Als Determinanten der Arbeitsfähigkeit konnten die Variablen Geschlecht, Führungsposition und Anzahl der belastenden Stressfaktoren identifiziert werden. Frauen wiesen einen schlechteren (B-Koeff.: -2,339, p-Wert: 0,014) und Arbeitnehmer in Führungsposition einen besseren WAI (B-Koeff.: 2,672, p-Wert: 0,004) auf. Mit steigender Anzahl der belastenden Stressfaktoren nimmt der WAI signifikant (p-Wert: 0,002) ab. Der Wilcoxon Rank Sum - Test zeigte keinen signifikanten Unterschied zwischen der Arbeitsfähigkeit vor und nach der BGF-Maßnahme. Schlussfolgerung: Mit Hilfe eines innovativen Ansatzes konnte gezeigt werden, dass die Arbeitsfähigkeit mit dem Stresslevel (Anzahl belastender Stressfaktoren) der Arbeitnehmer in Zusammenhang steht. Das Stresslevel bietet einen geeigneten Ansatzpunkt für Maßnahmen zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit, nicht nur für die Studienpopulation, sondern auch, aufgrund annähender Repräsentativität, für das gesamte Kollegium des UKGs. Mit der BGF als bewährte Möglichkeit zum Schutz der Arbeitsfähigkeit und unter Berücksichtigung ermittelter gefährdeter Arbeitnehmergruppen, sollten die Bemühungen um den Erhalt der Arbeitsfähigkeit der Bevölkerung auch in Zukunft fortgesetzt werden.
Halsschmerzen gehören zu den häufigen Beratungsanlässen in der Hausarztpraxis und sind zu circa 90% viral bedingt. Um nicht-indizierte Behandlungen mit Antibiotika zu vermeiden gibt es symptomatische Therapieoptionen. AMC / DCBA (Amylmetacresol und 2,4-Dichlorbenzylalkohol) ist eine nicht verschreibungspflichtige Wirkstoffkombination, die in Lutschtabletten (z.B. Strepsils®) enthalten ist. Die Wirkung ist antiseptisch und lokalanästhetisch.
Wir durchsuchten die Datenbanken Medline, Cochraine und EMBASE nach randomisiert kontrollierten Studien, in denen AMC / DCBA gegen Placebo oder andere lokale Behandlungsmethoden getestet wurde. Zwei Gutachter prüften unabhängig Relevanz, Einschlusskriterien und Bias der Studien. Aus den Daten der eingeschlossenen Studien wurden die gewichteten mittleren Differenzen der Schmerzreduktion berechnet.
Diese Metaanalyse fast 3 RCTs mit insgesamt 660 Patienten zusammen und vergleicht AMC / DCBA (0,6 mg Amylmetacresol, 1,2 mg 2,4-Dichlorbenzylalkohol) mit wirkstofffreien Lutschtabletten bei der Behandlung von Halsschmerzen. Berechnet wurden die gewichteten mittleren Differenzen (SMD). Hauptstudienergebnis war die Reduktion der Schmerzintensität von -1,04 Punkten (-1,28 bis -0,79; p<.00001) nach 2 Stunden im Vergleich zum Ausgangswert, gemessen auf einer 11-Punkte Ordinalskala, zum Vorteil für AMC / DCBA. Für die Nebenergebnisse wurden die Schmerzlinderung auf einer 7-Punkte-Skala von 0,89 (1,04 bis 0,73; p<0,00001) und die Linderung der Schluckbeschwerden auf der VAS100 von -0,90 (-1,06 bis -0,75; p<0,00001) nach 2h beobachtet, ebenfalls zugunsten von AMC / DCBA.
In beiden Gruppen berichteten 2 bis 16% der Probanden von Nebenwirkungen, welche meist mild und bezogen auf die eigentliche Atemwegsinfektion waren. 3 Patienten jedoch berichteten von Ulzerationen im Mund, ein Zusammenhang mit der Studienmedikation kann jedoch nicht bewiesen werden [21-23].
Hintergrund: Für Psoriasis konnte ein positiver Zusammenhang mit kardiovaskulären Erkrankungen gezeigt werden, die Assoziation zu subklinischer Atherosklerose wird allerdings kontrovers diskutiert. Ziel dieser Studie war es, die Assoziation zwischen Psoriasis und der Intima-Media-Dicke (IMT) sowie der Plaque-Prävalenz der Aa. carotides zu analysieren. Methoden:Für die Studie wurden 1987 Datensätze von Männern und Frauen zwischen 25-88 Jahren aus der populationsbasierten Study of Health In Pomerania (SHIP) genutzt. Es wurde der querschnittliche Zusammenhang zwischen Psoriasis und IMT sowie der Plaque-Prävalenz der Aa. carotides anhand linearer und logistischer Regression untersucht. Die Regressionsmodelle waren adjustiert für konfundierende Variablen wie Alter, Geschlecht, Rauchstatus, Alkoholkonsum, Taillenumfang, körperliche Aktivität, systolischer Blutdruck, HbA1c, Gesamt/HDL-Cholesterin und Einnahme von Antihypertensiva, ASS sowie lipidsenkender Medikation. Ergebnisse: Psoriasis zeigte eine Assoziation mit der IMT, aber nicht mit der Plaque-Prävalenz. Nachdem für die konfundierenden Variablen adjustiert wurde, zeigte sich ein mittlerer Unterschied der IMT zwischen den Probanden mit und ohne Psoriasis von 0.016 mm (95% CI: 0.004 mm - 0.028 mm, p < 0.01) und für die Plaque-Prävalenz ein Odds Ratio von 1.12 (95% CI: 0.85 - 1.47). Schlussfolgerung: Die Ergebnisse unserer Studie weisen darauf hin, dass Psoriasis mit einer erhöhten IMT assoziiert ist und demzufolge zu dem atherosklerotischen Prozess und nachfolgenden kardiovaskulären Ereignissen beitragen könnte.
Seit vielen Jahrzehnten ist bekannt, dass sich Siliziumdioxid (Quarzfeinstaub) bei beruflich Exponierten zunächst in den Lymphknoten der Lungen ansammelt und erst danach zu einer echten Lungensilikose führt. Es fehlt bisher allerdings eine valide Abschätzung der Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen Quarzfeinstaubexposition und der Entwicklung einer so genannten Lymphknoten-Silikose im Verhältnis zur eigentlichen Lungensilikose. Die Daten des Wismut-Sektionsarchivs in Verbindung mit den umfangreichen Expositionsdaten der Wismut Job-Expositions-Matrix werden verwendet, um entsprechende Dosis-Wirkungsbeziehungen aufzuzeigen. Dazu wurden 4.384 deutsche Uranbergarbeiter, die vor 1991 an Lungenkrebs verstorben waren, untersucht. Vorhandene Schnittpräparate der Lungen und Lymphknoten aus dem Sektionsarchiv wurden von drei Pathologen referenzpathologisch begutachtet. Danach erfolgte eine Einteilung in die Gruppen „Lungensilikose“, „nur Lymphknoten-Silikose“ und „keine Silikose“. Diese drei Gruppen wurden mittels multipler polytomer und binärer logistischer Regression verglichen. Dosis-Wirkungsbeziehungen für den kumulativen Quarzfeinstaub wurden mittels begrenzter kubischer Splines innerhalb dieser Regressionsmodelle berechnet. Es konnte eine Dosis-Wirkungsbeziehung für die Relationen im Auftreten von Lungensilikose und Lymphknoten-Silikose und dem Fehlen einer Silikose auf Basis von kumulativen Quarzexpositionsdaten dargestellt werden. Die Kenntnis dieser Dosis-Wirkungsbeziehungen könnte hinsichtlich der Prävention von Silikosen eine wichtige Rolle spielen, denn ein frühzeitiges Erkennen der Lymphknoten-Silikose durch röntgenologische Befunde würde, durch rechtzeitige Expositionskarenz, möglicherweise die Entwicklung einer Lungensilikose verhindern oder die Ausprägung mindern.
Die Dichte von medizinischen Versorgungseinrichtungen und Leistungserbringern ist in ländlichen Räumen gering. Zu überwindende Distanzen können aufgrund dessen groß sein. Die Einwohner peripherer Räume sind jedoch oft älter, haben ein höheres Morbiditätsrisiko und einen größeren Bedarf an medizinischer Versorgung. Dazu kommen mit dem Alter zunehmenden Mobilitätseinschränkungen. Obwohl der motorisierte Individualverkehr in ländlichen Räumen dominiert, ist auch die Erreichbarkeit durch den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wichtig, da gerade ältere Menschen seltener ein Auto besitzen.
Das Ziel dieser Arbeit war die Untersuchung der Pkw- und ÖPNV-Erreichbarkeit von Hausärzten (Allgemeinmediziner und hausärztliche Internisten), Augenärzten, fachärztlichen Internisten und Urologen im Landkreis Vorpommern-Greifswald sowie die Analyse wie viele Einwohner von guter bzw. schlechter Erreichbarkeit betroffen sind und ob eine längere Fahrzeit mittels Pkw und ÖPNV einen Einfluss auf die Inanspruchnahme von Hausärzten bzw. Frauenärzten in Vorpommern hat.
Die Erreichbarkeitsanalysen für diese Vorhaben wurden in einem Geografischen Informationssystem (GIS) mittels Netzwerkanalysen auf der Basis von digitalen routingfähigen Straßendaten mit der Software ESRIArcGIS 10.0 Esri Inc., Redlands/California (USA) durchgeführt. Für die ÖPNV-Erreichbarkeit wurde zusätzlich ein Model verwendet, dass auf der Implementation des Dijkstra Algorithmus‘ die Fahrpläne der regionalen Verkehrsbetriebe einliest und Routen zu den nächstgelegenen medizinischen Leistungserbringern berechnet. Unterschiede zwischen den Arztgruppen wurden mit dem Kruskal-Wallis-Test bestimmt. Die Daten zur Inanspruchnahme stammen aus der Study of Health in Pomerania (SHIP) aus dem 5-Jahres-Follow-Up SHIP-1. Determinanten für die Inanspruchnahme wurden mit multiplen logistischen Regressionen ermittelt. Für die statistischen Berechnungen wurde die Software SAS 9.3 © 2002-2010 (SAS Institute Inc., Cary, NC, USA) verwendet.
Die Pkw-Fahrzeit zum Hausarzt beträgt maximal 23 Minuten, während die ausgewählten spezialisierten Fachärzte in maximal 43 Minuten erreicht werden. 80 % der Bevölkerung erreicht den Arzt jedoch innerhalb von 20 Minuten. Die ÖPNV-Fahrzeit (hier Hin- und Rückfahrt) beträgt durchschnittlich 100 Minuten zum Hausarzt und zwischen 130 und 160 Minuten zum ausgewählten spezialisierten Facharzt. 4 – 7 % der Bevölkerung hat keine Verbindung (Hin- und Rückfahrt) mit dem ÖPNV zum Hausarzt bzw. Facharzt. Die Unterschiede zwischen Haus- und Fachärzten sind statistisch signifikant.
Bezüglich des Einflusses der Erreichbarkeit auf die Inanspruchnahme hat sich gezeigt, dass die Erreichbarkeit keinen signifikanten Einfluss hat, wenngleich ein Trend zur geringeren Inanspruchnahme bei größeren Entfernungen erkennbar ist. Für die Inanspruchnahme der Frauenärzte sind jedoch das Alter, der Sozialschichtindex und Personen im Haushalt ≥ 18 Jahre (potentielle Mitfahrgelegenheiten) statistisch signifikante Determinanten.
Eine gute ÖPNV-Erreichbarkeit ist nicht nur eine Frage der Distanz, sondern vor allem der Anbindung. Mithilfe von Erreichbarkeitsanalysen lassen sich Räume identifizieren, die einen schlechteren räumlichen Zugang zur Versorgung haben, weshalb Erreichbarkeitsanalysen in Planungsprozessen im Gesundheitsbereich grundsätzlich Anwendung finden sollten.
Eine geringere Inanspruchnahme ist in Vorpommern nicht signifikant mit schlechterer Erreichbarkeit im Sinne von längeren Fahrzeiten assoziiert. Wichtiger ist, dass es überhaupt eine Verkehrsanbindung gibt, z.B. durch Mitfahrmöglichkeiten.
Für die vorliegende Arbeit wurde eine Querschnitterhebung zu möglichen Einflussfaktoren auf die ambulante Inanspruchnahme medizinischer Leistungen durchgeführt. Die Erhebung erfolgte von August 2009 bis Februar 2010. Es nahmen 800 Männer und Frauen (Response von 68,4%) im Alter von 60 Jahren oder älter mit Wohnsitz in Vorpommern teil. Als theoretischer Hintergrund diente das “Health Behavior Model“ von Andersen (1995). Zusätzlich zu den im Verhaltensmodell benannten Faktoren wurden weitere mögliche Einflussfaktoren auf die Inanspruchnahme berücksichtigt, wie die Mobilität der Bevölkerung, die subjektiv eingeschätzte Erreichbarkeit von niedergelassenen Ärzten und der wahrgenommene Zeitaufwand der Inanspruchnahme (Wartezeiten). Zwischen ländlichen und städtischen Regionen in Vorpommern wurden Unterschiede in den Einschätzungen der Erreichbarkeit, v.a. der Wegzeiten zu Haus- und Fachärzten, aufgezeigt. Die Assoziationen der von den Probanden eingeschätzten Erreichbarkeitsaspekte mit den Indikatoren der ambulanten Inanspruchnahme in multivariaten Modellen verdeutlichen die Wichtigkeit der Sicherstellung einer flächendeckenden, wohnortnahen medizinischen Versorgung.
Hintergrund
Die chronische Nierenkrankheit (CKD) ist eine häufige Erkrankung, insbesondere im höheren Alter. Um der Progression der Erkrankung und deren Komplikationen vorzubeugen, ist eine leitliniengerechte ambulante Versorgung von Patient:innen mit CKD anzustreben. Zur Messung und Bewertung der Versorgungsqualität können Qualitätsindikatoren (QI) genutzt werden. In Deutschland existieren bisher keine QI für CKD. Ziel der Arbeit war die Entwicklung von QI für die Qualitätsüberprüfung der ambulanten Versorgung von Patient:innen über 70 Jahren mit nichtdialysepflichtiger CKD.
Material und Methoden
Auf Grundlage der nationalen S3-Leitlinie CKD und eines Reviews internationaler QI wurde eine Liste von QI erstellt. Die ausgewählten QI wurden in 2 Sets eingeteilt: basierend auf Routinedaten (z. B. Abrechnungsdaten der Krankenkassen) und auf Datenerhebung in der Praxis (Chart-Review). Expert:innen verschiedener Fachrichtungen sowie ein Patient:innenvertreter bewerteten diese in einem Delphi-Verfahren mit 2‑stufiger Onlinebefragung im Oktober 2021 und Januar 2022 und abschließender Konsensuskonferenz im März 2022. Zusätzlich wurden Ranglisten der wichtigsten QI von jedem Set erstellt.
Ergebnisse
Ein Inzidenz- und ein Prävalenzindikator wurden a priori festgelegt und standen nicht zur Abstimmung. Weitere 21 QI standen zur Abstimmung durch die Expert:innen. Für jedes QI-Set wurden die 7 wichtigsten Indikatoren ausgewählt. Nur 1 QI wurde von dem Expert:innenpanel für den zusätzlichen Einsatz bei Erwachsenen unter 70 Jahren als nicht geeignet eingestuft.
Diskussion
Die QI sollen es ermöglichen, die Qualität der ambulanten Versorgung von Patient:innen mit CKD zu untersuchen, mit dem Ziel, die leitlinienkonforme ambulante Versorgung zu optimieren.
Die Pflege demenziell erkrankter Menschen geht bekanntermaßen mit einer Belastung für die Pflegepersonen einher. Ziel dieser Studie war es, die Belastung pflegender Angehöriger und professioneller Pflegekräfte unmittelbar nach Krankenhausaufnahme des Menschen mit Demenz zu beschreiben.
In dieser deskriptiven Querschnittstudie füllten 25 pflegende Angehörige und 25 professionelle Pflegekräfte der geschlossenen gerontopsychiatrischen Station eines Krankenhauses in Greifswald einen Fragebogen (BIZA-D-PV)
aus, der in verbundenen Stichproben ausgewertet wurde. Es wurden Häufigkeitsverteilungen, Mittelwertunterschiede und Korrelationen bestimmt. Darüber hinaus erfolgte eine Einordnung der pflegenden Angehörigen in Risikogruppen.
Die pflegenden Angehörigen empfanden eine höhere Belastung durch kognitive Einbußen, Aggressivität und Verwirrtheit des Menschen mit Demenz im Vergleich zu den professionellen Pflegekräften. Statistisch signifikante Unterschiede in Hinblick auf die Belastung durch praktische Pflegeaufgaben ließen sich nicht feststellen. Weibliche Angehörige gaben eine höhere Belastung an als männliche Angehörige, wohingegen in der Gruppe der professionellen Pflegekräfte die männlichen Befragten eine höhere Belastung empfanden.
Es wurden Korrelationen zwischen einzelnen Belastungsdimensionen und dem Alter der Pflegenden, dem Schweregrad der Demenz sowie körperlichen Beschwerden der Pflegenden beschrieben. Die Einordnung der pflegenden Angehörigen in Risikogruppen zeigte ein hohes Risiko für die Entwicklung von Depressionen bei den Pflegenden, für Gewaltanwendung gegenüber den demenziell Erkrankten und deren Heimeinweisung innerhalb der nächsten Monate in 44-72% der Fälle.
Die Ergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit, Erkenntnisse über die Belastung der Pflegenden im zeitlichen Verlauf der Pflege zu sammeln, um zielgerichtete Interventionen entwickeln zu können. Derartige Interventionen sollten darauf abzielen, eine Reduktion der Pflegebelastung zu ermöglichen und Krankenhauseinweisungen aufgrund einer Krise
der häuslichen Pflege zu vermeiden.
Hintergrund: Berechnungen von qualitätsadjustierten Lebensjahren (QALYs) in Kosten-Nutzwert-Analysen basieren häufig auf Bewertungen von Gesundheitszuständen durch die Allgemeinbevölkerung. Die Ergebnisse verschiedener Studien zeigen jedoch Unterschiede in den Bewertungen zwischen verschiedenen Befragungskollektiven. Fragestellungen: Es wurde zum einen die Frage untersucht, inwieweit die Nutzwerte für EQ-5D Gesundheitszustände zwischen Befragungskollektiven differieren. Zum anderen wurde geprüft, welche Konsequenzen haben diese möglichen Unterschiede für die Koeffizienten zur Berechnung des EQ-5D Indexwerts und für die Berechnung des inkrementellen Kosten-Effektivitäts-Verhältnisses (ICER). Methoden: Es wurden lineare Regressionsanalysen mit schrittweiser Einbeziehung von Interaktionseffekten durchgeführt. Grundlage waren die Daten eines Surveys zur Bewertung von 42 EQ-5D-3L Gesundheitszuständen mit dem time trade-off (TTO)- und dem visual analogue scale (VAS-Verfahren durch Patienten mit muskuloskelettalen Erkrankungen, gesunde Freiwillige und medizinisches Personal. Zusätzlich wurde eine hypothetische Kosten-Nutzwert-Analyse unter Verwendung der Daten eines RCTs durchgeführt. Ergebnisse: Für beide Erhebungsverfahren wurden signifikante Interaktionseffekte in den Bewertungen einzelner Gesundheitszustände und in den ermittelten Regressionskoeffizienten identifiziert. Ausmaß und Richtung dieser Unterschiede variierten in Abhängigkeit vom Erhebungsverfahren und dem bewerteten Gesundheitszustand. Signifikante Unterschiede zeigten sich insbesondere bei schweren Gesundheitszuständen bzw. Koeffizienten, die starke Beeinträchtigungen der Lebensqualität in den EQ-5D Dimensionen kennzeichneten. Im Rahmen der hypothetischen Kosten-Nutzwert-Analyse zeigte sich, dass geringe Unterschiede zwischen den Bewertungen zu deutlichen Unterschieden in den ICERs und zu unterschiedlichen Entscheidungen führen können. Basierend auf den Patiententarifen waren die ICERs am höchsten. Schlussfolgerungen: Trotz einiger Limitationen der Studie zeigen die Ergebnisse, dass sich die Bewertungen von EQ-5D Gesundheitszuständen zwischen Befragungskollektiven unterscheiden. Entscheidungsträger sollten sich daher bei der Interpretation der Ergebnisse von gesundheitsökonomischen Analysen mit verschiedenen Befragungskollektiven dieser möglichen Differenzen bewusst sein.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung einer Schmerzzeichnung und der Verbreitung von multilokulären Schmerzen in der vorpommerschen Allgemeinbevölkerung. Bei der Auswertung der Daten wurden 4 Forschungsfragestellungen untersucht: 1. Wie differenziert sollte die Auswertung einer Schmerzzeichnung nach Körperregionen zur Lokalisation der Schmerzproblematik erfolgen? 2. Wie konsistent werden verschiedene Ansichten des menschlichen Körpers einer Schmerzzeichnung genutzt, die dieselbe Körperregion darstellen? 3. Wie gut stimmen die Angaben aus einer Schmerzzeichnung mit den Selbstauskünften im dazugehörigen Fragebogen überein? 4. Wie verbreitet sind multilokuläre Schmerzen in der vorpommerschen Bevölkerung laut Angaben in der Schmerzzeichnung?
Als Datenquelle diente ein Fragebogen mit Schmerzmännchen, welcher aus der „Study of Health in Pomerania“ (SHIP-Studie) stammte, speziell aus der Erhebung SHIP-2 mit 2333 Teilnehmern, welche den Langzeitverlauf von subklinischen Befunden, ihrer Determinanten und prognostischen Werte untersuchte.
Die vorliegende Arbeit zeigt, dass eine Schmerzzeichnung mittels der Gitter-Technik genauer ausgewertet werden kann, als zumeist üblich. Um einen guten Überblick über vorhandene Schmerzen im Rahmen epidemiologischer Erhebungen zu bekommen, sind keine acht Körper- und Kopfansichten notwendig, da die Möglichkeiten zum Einzeichnen der Schmerzen bei weitem nicht ausgeschöpft werden. Für eine praktische Anwendung wären die Körperansichten von vorne und hinten in entsprechender Größe im Rahmen einer Bevölkerungsstudie ausreichend. In der Gegenüberstellung von Ergebnissen aus Interview und Schmerzzeichnung zeigen sich systematische und teilweise erhebliche Methodenunterschiede, die einer weiteren Untersuchung bedürfen. Prävalenzschätzungen sind zwischen beiden Methoden nicht ohne weiteres übertragbar. Damit gestaltet sich auch eine Interpretation der Prävalenzen auf Basis der Schmerzzeichnungen in SHIP im Vergleich zu anderen Bevölkerungsstudien als schwierig, da diese typischerweise Listen von Körperregionen per Interview oder Fragebogen einsetzen. Im Einklang mit bestehenden Arbeiten wird aber auch bei der hier eingesetzten Schmerzzeichnung deutlich, dass multilokuläre Schmerzen häufiger vorkommen als Schmerzen alleine in einer Region.
Die häufigste primäre Kopfschmerzerkrankung ist der im Vergleich zur Migräne wenig untersuchte Spannungskopfschmerz (engl: tension-type headache). Als pathophysiologische Ursachen werden emotionale Störungen, Stress und Depressionen vermutet. In klinischen Studien wurde mehrfach eine Komorbidität von Spannungskopfschmerzen mit Depressionen und Angststörungen gefunden. Epidemiologische, bevölkerungsbezogene Untersuchungen zur Assoziation von Depressionen und Angststörungen zum Spannungskopfschmerz sind hingegen rar. Ziel der vorliegenden Arbeit war es auf der Grundlage einer bevölkerungsbezogenen breitangelegten Studie eine Assoziation von Symptomen der Depressionen und Angststörungen zu Spannungskopfschmerzen zu prüfen. Die Arbeit basiert auf der ersten Folgeuntersuchung der SHIP (Study of Health in Pomerania) mit 3300 Probanden, deren Daten zwischen 2002 und 2006 erhoben wurden. Als Vergleichsgrundlage wurde die Prüfung einer Assoziation der Migräne zu Depressionen und Angststörungen herangezogen. Da der Spannungskopfschmerz in chronischer und episodischer Form auftritt, und es Hinweise auf kopfschmerzartunabhängige Zusammenhänge von psychischen Faktoren und chronischen Kopfschmerzen gibt, wurde der Aspekt der Kopfschmerzchronizität ebenfalls mitbetrachtet. Als potentielle Confounder gingen soziodemographische Faktoren, Variablen chronischer Erkrankungen, Variablen des Alkohol- und Tabakkonsums sowie Symptome der Depressionen und der Angststörungen untereinander in diese Arbeit ein. Für den Spannungskopfschmerz zeigte sich keine unabhängige Assoziation von Symptomen der Depressionen oder Angststörungen, wohingegen sich für die Migräne (OR: 1,8 (95%-KI: 1,15 - 2,83)) und den chronischen Kopfschmerz (OR: 3,06 (95%-KI: 1,34 - 6,98)) eine unabhängige Assoziation zu depressiven Symptomen darstellen ließ. Allerdings fand sich in einem zusätzlich berechneten logistischen Regressionsmodell des Spannungskopfschmerzes ein unabhängig signifikant erhöhtes OR der Variable „Angststörungen“ (OR: 1,3 (95%-KI: 1,04 – 1,62)), wenn nicht für Depressionen, aber für alle anderen potentiellen Confounder adjustiert wurde. Dieses Ergebnis führt vor dem Hintergrund einer anzunehmenden hohen Komorbidität von Angst- und Depressionsstörungen zur Annahme, dass ein erhöhtes Risiko für Spannungskopfschmerzen bei Vorliegen von „nicht unabhängig voneinander bestehenden angst- und depressionsbezogenen Symptomen“ bestehen könnte. Ob dies tatsächlich nachweisbar ist, müssen weitere Untersuchungen klären. Für einen Fortschritt im ätiologischen Verständnis primärer Kopfschmerzerkrankungen, insbesondere des Spannungskopfschmerzes, sollten zudem zukünftig longitudinale Studien eine wesentliche Rolle spielen.
Hintergrund und Problemstellung:
Menschen mit Migrationshintergrund (MmM) mit Demenz stellen eine vulnerable Gruppe dar,
da sie nicht die gleiche Qualität an Demenz-Diagnostik erhalten wie die autochthone
Bevölkerung und bei formellen Versorgungsleistungen unterrepräsentiert sind. Das Ziel dieser
Dissertation besteht darin, aufzuzeigen, auf welche Weise im öffentlichen Diskurs der EU-,
EFTA- und UK-Staaten zur Planung der Versorgung von Menschen mit Demenz das Thema
Migration berücksichtigt wird und welche Elemente dort eine zentrale Rolle spielen sollten.
Methode:
Mit Hilfe der Modelle der Diskursanalyse nach Keller (2011) und der kritischen Diskursanalyse
nach Jäger (2015) wurden N = 27 nationale Demenzpläne aus 23 Ländern und N = 43
Versorgungsleitlinien aus 27 Ländern untersucht und durch eine Triangulation der Methoden
der systematischen Literaturanalyse nach Becker (2018), der Diskursanalyse nach Keller (2011)
und der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2014) aus N = 64 Dokumenten und N = 4
Veranstaltungen Schlüsselelemente einer kultursensiblen Demenzversorgung abgeleitet.
Ergebnisse:
Die Sensibilisierung von Migrantengemeinschaften, der Aufbau von Strukturen zur
interkulturellen Öffnung des Gesundheitswesens, die Initiierung von Maßnahmen zur
Sicherstellung einer validen Demenz-Diagnose bei MmM, die Unterstützung von pflegenden
Angehörigen von MmM mit Demenz, die Schulung von Fachkräften in der Demenzversorgung,
die Verbesserung des Zugangs von MmM zum Versorgungssystem, die Entwicklung von
spezifischen Dienstleistungen für MmM mit Demenz und die Partizipation von MmM an der
Demenzforschung stellen zentrale Elemente einer kultursensiblen Versorgung dar. Die meisten
dieser Elemente werden in den berücksichtigten nationalen Demenzplänen und
Versorgungsleitlinien nicht oder nur kurz thematisiert. 26 der 70 untersuchten Dokumente
nehmen Bezug zur Migration und fünf von ihnen befassen sich ausführlich mit dieser Thematik.
Während sich die Demenzpläne vor allem auf die Versorgung von MmM mit Demenz
fokussieren, beschäftigen sich die Leitlinien primär mit der Demenz-Diagnose und der Eignung
von Diagnostikinstrumenten für diese Population. Insgesamt spielt die Migration in der
aktuellen Planung der Demenzversorgung von europäischen Staaten eine untergeordnete Rolle.
Ausblick:
Europäische Institutionen sollten zusammen mit Regierungen, Forschungseinrichtungen und
Versorgungsanbietern eine konzertierte Strategie für die Versorgung von MmM mit Demenz
entwickeln. Als formeller Rahmen können Leitlinien zur kultursensiblen Versorgung dienen.
Hintergrund
Zu Beginn des Covid-19-Pandemiegeschehens wurde die ambulante Patientenversorgung deutschlandweit vor große Herausforderungen gestellt. Insbesondere die mangelnde Verfügbarkeit von Schutzausrüstung und eine vermutete Überforderung des ambulanten und stationären Sektors machten die Entwicklung alternativer Versorgungsmodelle notwendig.
Auf Aufforderung der Landesregierung wurde von der Universitätsmedizin Greifswald eine sogenannte Fieberambulanz für Patienten mit möglichen Symptomen einer Covid-19-Infektion eingerichtet, die nicht telefonisch abgeklärt werden konnten.
Methoden
Es handelt sich um eine Mixed-Methods-Studie.
Im quantitativen Teil der Studie erfolgten die Auswertung des Konsultationsanlasses, der Symptome sowie Beratungsergebnisse mit einem selbst entwickelten Fragebogen. Einnahmen und Ausgaben der Fieberambulanz wurden erfasst.
Retrospektiv wurden leitfadengestützte Experteninterviews mit den hauptverantwortlichen Mitarbeitern der Fieberambulanz Greifswald, sowie niedergelassenen Ärzten und Vertretern aus den Bereichen Hygiene, sowie der Kassenärztlichen Vereinigung MV und dem Landkreis Vorpommern-Greifswald geführt.
Ergebnisse
Es gelang innerhalb von zehn Tagen, die Fieberambulanz in den Räumlichkeiten einer Berufsschule aufzubauen. Besondere Herausforderungen, die in den Interviews beschrieben wurden, waren die Organisation von Logistik und Personal, Klärung der Verantwortlichkeiten, Kostenträgerschaft und Abrechnung. Es wurden Grenzen und Schwächen der Fieberambulanz aufgezeigt, sowie alternative Versorgungsmodelle in den Interviews diskutiert.
Im Zeitraum vom 08.04.-11.05.2020 wurden insgesamt 107 Konsultationen durchgeführt (53 % weiblich, Ø42 Jahre), bei deutlich mehr telefonischen Anfragen. Die häufigsten Diagnosen waren akute Bronchitis (43%), obere Atemwegsinfekte (28%) und Fieber (8,4%).
In 42 Fällen wurde ein Nasen-Rachen-Abstrich durchgeführt. Schwerere Erkrankungen wie eitrige Tonsillitiden oder Asthma Exazerbationen wurden in <10% der Fälle diagnostiziert. Covid-19-Neuinfektionen wurden nicht nachgewiesen. Eine kosteneffiziente Auslastung konnte nicht erreicht werden.
Schlussfolgerung
Die Fieberambulanz wurde zu Pandemiebeginn als Anlaufstelle für Unsicherheiten im Umgang mit dem Infektionsgeschehen genutzt, als viele Versorgungssituationen noch ungeregelt waren. Sie erwies sich aber rückblickend bei niedriger Inzidenz als unwirtschaftlich und nicht notwendig. Der Großteil der Patienten konnte weiterhin hausärztlich betreut werden.
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Prävalenzanalyse des Down Syndroms in einem deutschen populationsbasierten Fehlbildungsregister (Fehlbildungsmonitoring Sachsen-Anhalt). Erstmalig für Deutschland werden dabei auch die Einflüsse der Pränataldiagnostik und des mütterlichen Alters, einzeln sowie kombiniert, genauer betrachtet.Anhand der Daten vom Fehlbildungsmonitoring Sachsen-Anhalt (1995-2010), des statistischen Bundesamtes (1990-2010), des statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt (1995-2010) sowie der Kassenärztlichen Vereinigungen Mecklenburg-Vorpommern (1999-2009) und Sachsen-Anhalt (2005-2009) wurden Prävalenzen des Down Syndroms, maternale Altersstrukturen in Deutschland, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, Inanspruchnahme verschiedener Formen pränataler Diagnostik und die Einflüsse des mütterlichen Alters sowie einer pränatalen Diagnose auf den Ausgang der Schwangerschaft untersucht. Im Fehlbildungsmonitoring Sachsen-Anhalt ist das mütterliche Alter in 95,5% der Fälle (386 von 404) angeben, für 9,7% der Fälle (39 von 404) fehlen Angaben zur pränatalen Diagnostik. Die Daten des statistischen Bundesamtes zum mütterlichen Alter sind, bis auf 213 Fälle mit unbekanntem Alter bis 1998, vollständig (99,9%). Wie erwartet zeigte sich ein Anstieg des mütterlichen Durchschnittsalters in Deutschland von 28,1 Jahren (1990) auf 30,5 Jahre (2010) mit einem Anstieg des Anteils der Mütter ab 35 Jahren um 14% (1990: 9,9%, 2010: 23,9%). Dies ließ sich, in geringerem Ausmaß, auch in den beiden Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt nachweisen. Damit einhergehend stieg die erwartete Prävalenz des Down Syndroms auf Lebendgeborene von 1:762 (1995) auf 1:543 (2010). Dies findet sich auch in der Prävalenz des Down Syndroms auf Geborene mit einem Anstieg von 1:591 (1995-1998) auf 1:581 (2007-2010). Gleichzeitig sank jedoch die Prävalenz des Down Syndroms auf Lebendgeborene von 1:1134 (1995-1998) auf 1:1338 (2007-2010). Analog internationaler Angaben entschieden sich 90,9% der Schwangeren gegen ein Kind mit Down Syndrom, wenn es pränatal bekannt war. 79,8% der Lebendgeborenen mit Down Syndrom waren pränatal unbekannt. Allerdings zeigte sich in den letzten Jahren, dass sich Frauen, vor allem Schwangere ab 35 Jahre, zunehmend bewusst für ein Kind mit Down Syndrom entscheiden (1995-1998: 3,9%; 2007-2010: 10,5%). Es zeigte sich eine Zunahme der Inanspruchnahme invasiver pränataler Diagnostik in der Normalbevölkerung und in der Gruppe Schwangerer mit Feten mit Down Syndrom, hier vor allem jene, welche jünger als 35 Jahre alt waren. Einschränkend ist zu sagen, dass es sich bei den verwendeten Daten zur Pränataldiagnostik, um sehr spezielle Daten handelt. So sind die Daten der Kassenärztlichen Vereinigungen Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt nur abrechenbare Fälle zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen und jene Fälle des Fehlbildungsmonitoring Sachsen-Anhalt ausschließlich Frauen, deren Feten eine Pathologie aufwiesen. Des Weiteren erfolgt die Meldung im Fehlbildungsmonitoring Sachsen-Anhalt freiwillig und die Erfassungsbögen sind den aktuellen Entwicklungen des pränatalen Screenings nicht angepasst. Der angestrebte Vergleich der beiden Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt gestaltete sich aufgrund verschiedener dezentraler Erfassungsinstrumente und Weitergabepolitik als schwierig und nicht voll umsetzbar. Die Prävalenz des Down Syndroms stieg bezogen auf die Geborenen leicht an, bezogen auf die Lebendgeborenen sank sie jedoch. Dies konnte man mithilfe der Fehlbildungsmonitoring Sachsen-Anhalt gut analysieren. Lider ist eine solche Fehlbildungserfassung in Deutschland nur gering, regional und auf freiwilliger Basis verbreitet. Die vermutete Ursache der Prävalenzentwicklung in mütterlichem Alter und Pränataldiagnostik konnte bedingt gefunden werden, da die erhobenen Daten zur Inanspruchnahme der Pränataldiagnostik aufgrund ihrer Selektivität als Annäherung an die Realität zu betrachten sind. Zur genaueren Bearbeitung dieser Fragestellungen wäre es notwendig eine größere repräsentative Population unter Miteinbeziehung regionaler, wirtschaftlicher und sozialer Aspekte zu untersuchen.
AGnES in der Regelversorgung - Umsetzung des § 87 Abs. 2b S. 5 SGB V im Bundesmantelvertrag AGnES (AGnES: Arztentlastende, Gemeinde-nahe, E-Healthgestützte, Systemische Intervention) ist ein vom Institut für Community Medicine der Univeritätsmedizin Greifswald entwickeltes Modell zur Entlastung von Hausärzten, bei dem Hausbesuche auf speziell fortgebildete nicht-akademische Fachkräfte delegiert werden. Die Hausbesuche werden ohne Anwesenheit des Arztes durchgeführt und sollen gerade im ländlichen Raum Ärzte entlasten und dem Ärztemangel entgegenwirken. AgnES wurde von 2005 bis 2008 in mehreren Bundesländern erprobt. Im Jahr 2008 wurde im Rahmen einer Pflegereform (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz) auch § 87 Abs. 2b S. 5 SGB V ergänzt. In dieser Norm werden die Behörden der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen (in diesem Fall die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Bewertungsausschuss) verpflichtet, Regelungen zur Vergütung von Hausbesuchen nicht ärztlicher Fachkräfte zu erlassen. Der Bundesgesetzgeber verfolgte mit der Schaffung dieser Norm gerade das Ziel, das AGnES-Projekt oder ein inhaltlich gleichwertiges, wissenschaftlich evaluiertes und breit erprobtes Delegationsmodell in der Regelversorgung der Gesetzlichen Krankenversicherung zu verankern. Die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen hat hierfür 2009 einerseits den Bundesmantelvertrag durch eine Anlage ergänzt, die sog. Delegationsvereinbarung. Außerdem wurde der Einheitliche Bewertungsmaßstab als Leistungs- und Vergütungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung um Abrechnungspositionen für nicht-ärztlich durchgeführte Hausbesuche erweitert. Delegationsvereinbarung und EBM bleiben weit hinter dem vom Gesetzgeber gemeinten AgnESProjekt zurück. Die Delegationsvereinbarung verstößt deshalb in vielfältiger Hinsicht gegen den Vorrang des Gesetzes. Sie lässt sich unter anderem hinsichtlich der bis Ende 2014 vorgenommenen Beschränkung auf unterversorgte Gebiete (§ 2 Abs. 2), der Einschränkung der infrage kommenden Patientengruppen (§ 3 lit. a) und b)), des Anstellungszwanges der Praxisassistentinnen bei den Praxen (§ 4 Abs. 2), der Notwendigkeit der ärztlichen Einzelfallanordnung (§ 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2), den zugelassenen Ausgangsqualifikationen der Fachkräfte (§ 6 S. 2 lit.a)) und vor allem hinsichtlich der Dauer der Fortbildung und ihrer Inhalte u.a. (§ 7 Abs. 2) nicht mit dem von § 87 Abs. 2b S. 5 SGB V vorgegeben Anforderungen vereinbaren. Die Regelungen der Delegationsvereinbarung verfehlen nicht nur die vom parlamentarischen Gesetzgeber gestellten Anforderungen, sondern werden auch den anderen Beteiligten nicht gerecht: Durch die zu niedrig festgelegten Qualifikationsanforderungen wird die Sicherheit der Patienten möglicherweise gefährdet. Zudem werden durch die zu restriktiven Voraussetzungen, welche Patientengruppen überhaupt von Praxisassistentinnen versorgt werden dürfen, unnötig viele Patienten ausgeschlossen. Hinsichtlich der Praxisassistentinnen wird die Chance vertan, einen großen Schritt hin zur Steigerung der Attraktivität der Heilhilfsberufe zu unternehmen und diesen den Stellenwert im Gesundheitssystem einzuräumen, den sie in den anderen europäischen Ländern bereits haben und wo sowohl finanzielle als auch personelle Probleme mit Hilfe der Praxisassistentinnen abgefedert werden können. Schließlich werden die Regelungen der Delegationsvereinbarung und des EBM auch den Vertragsärzten nicht gerecht. Ihnen steht die dringend notwendige Entlastung bis Ende 2014 nur in unterversorgten Gebieten zur Verfügung, die notwendige Attraktivitätssteigerung des Hausarztberufes bleibt auf der Strecke. Schließlich sind Zahl und Schwierigkeitsgrad der delegierbaren Leistungen aufgrund der potentiell ungenügenden Qualifikation der Praxisassistentinnen nach der Delegationsvereinbarung und damit ihre Entlastungswirkung deutlich in Frage gestellt, wollen nicht Hausärzte und Praxisassistentinnen Gefahr laufen, deshalb haftungsträchtige Behandlungsfehler zu begehen.
Die demographische Entwicklung in Deutschland führt zu medizinischen Versorgungsproblemen, speziell für ältere Bevölkerungsgruppen. Darauf basierend wurde das Community Medicine Nursing –Projekt zur Entwicklung eines lernenden Curriculums entwickelt, in dessen Rahmen diese Dissertation entstand. Das Ziel der Arbeit war die Evaluation der Qualifikation in diesem Projekt. Dazu wurden drei Ergebnisdimensionen untersucht: das Arbeitsspektrum des Community Medicine Nursing, die Übereinstimmung des Curriculums mit den Anforderungen der Praxis und die Akzeptanz und Einschätzung des Handelns der Community Medicine Nurses durch die Hausärzte. Die Datenbasis bildeten Fragebögen und halbstrukturierte Reflektionsrunden der Community Medicine Nurses und Hausärzte. Die Community Medicine Nurses als auch die Hausärzte bewerteten das Curriculum als praxisrelevant. Die Erweiterung des Arbeitsfeldes und die eigenverantwortliche Tätigkeit in Delegation des Hausarztes wurden besonders positiv durch die Pflegefachkräfte bewertet. Die Hausärzte stuften die Arbeit der Community Medicine Nurses mit Blick auf den Patienten als vergleichbar mit ihrer eigenen Qualität ein.
Die Hospiz- und Palliativversorgung hat zum Ziel die Lebensqualität von Patient*innen mit einer unheilbaren Erkrankung zu erhalten und zu fördern. Jeder schwerkranke Mensch, der durch eine unheilbare Erkrankung eine Lebenserwartung von wenigen Tagen, Wochen oder Monaten hat, soll Zugang zur Hospiz- und Palliativversorgung erhalten. Im Rahmen der Hospiz- und Palliativversorgung werden neben der pflegerischen und medizinischen Ebene, Betroffene und deren Angehörige auf psychischer und spiritueller Ebene begleitet. Dies setzt eine gute interdisziplinäre und sektorübergreifende Zusammenarbeit voraus. Ziel der vorliegenden kumulativen Dissertation ist die Erstellung einer versorgungsepidemiologischen Analyse der Hospiz- und Palliativversorgung in Mecklenburg-Vorpommern auf Basis von Interviews, einer standardisierten schriftlichen Befragung und einer Analyse von Krankenkassendaten. Spezielles Augenmerk hat die Identifizierung von Problemen sowie Brüchen in der Kontinuität der Hospiz- und Palliativversorgung.
Die Dissertation besteht aus zwei Publikationen zur Hospiz- und Palliativversorgung in Mecklenburg-Vorpommern. In der ersten Publikation wurden mögliche Problembereiche und Barrieren in der Palliativ- und Hospizversorgung in Mecklenburg-Vorpommern anhand von qualitativen Interviews und einer darauf aufbauenden schriftlichen Befragung mit Leistungserbringer*innen der allgemeinen und spezialisierten Palliativversorgung und der Hospizversorgung ermittelt (im weiteren Verlauf der Dissertation „Befragungsstudie“ genannt). In der zweiten Publikation wurde die Kontinuität der Palliativ- und Hospizversorgung auf der Basis von Abrechnungsdaten der Krankenkasse AOK-Nordost untersucht (im weiteren Verlauf der Dissertation „Kontinuitätsstudie“ genannt).
Wichtigste Ergebnisse der qualitativen Interviews und der Befragungsstudie sind eine teilweise unzureichende Zusammenarbeit zwischen dem ambulanten und stationären Sektor sowie zwischen der allgemeinen und der spezialisierten Palliativ- und Hospizversorgung. Insbesondere die Zusammenarbeit der Hausärzt*innen mit spezialisierten palliativmedizinischen Leistungserbringer*innen wurde weniger gut bewertet. Die Bewertungen der Zusammenarbeit der einzelnen Leistungserbringer*innen deutet drauf hin, dass die Kooperation der Versorgung einer besseren Koordination bedarf. Dieses Ergebnis wurde anhand von Routinedaten im Rahmen der Kontinuitätsstudie untersucht. Die Kontinuitätsstudie zeigt, dass ein Großteil der Palliativpatient*innen nach einer palliativmedizinischen stationären Versorgung eine palliativmedizinische Anschlussversorgung erhielt, jedoch nicht immer binnen 14 Tage. Die durch die Befragungen erwarteten Versorgungslücken in Form von großen zeitlichen Abständen konnten anhand der Kontinuitätsstudie teilweise gefunden werden.
Im Zusammenhang mit dem epidemischen Auftreten impfpräventabler Erkrankungen wie z.B. Masern oder Pertussis sowie der angestrebten Eliminierung von Poliomyelitis, Masern und anderen Infektionskrankheiten wie Diphtherie oder Hepatitis B wird immer wieder über unzureichende Durchimpfungsraten in Deutschland und mögliche Gründe dafür diskutiert. In dieser Studie wurden erstmals bundesweit repräsentative Informationen über die Einstellung zum Impfen und die Impfpraxis niedergelassener Allgemeinmediziner und Praktischer Ärzte erhoben. Deutschlandweit wurde eine Zufallsstichprobe von insgesamt 4.282 niedergelassenen Allgemeinmedizinern und Praktischen Ärzten mit einem standardisierten und anonymisierten Fragebogen hinsichtlich ihrer Impfpraxis und Einstellung zum Impfen befragt. Nach der deskriptiven statistischen Auswertung wurde die Impfeinstellung der Ärzte anhand verschiedener Variablen in “impft nach den Empfehlungen der STIKO”, “impft vorwiegend nach STIKO” und “impft nicht nach STIKO” kategorisiert. Der Einfluß von Alter, Geschlecht, Niederlassung in den alten oder neuen Bundesländern sowie der Einfluß alternativmedizinischer Überzeugungen der Ärzte auf die Impfeinstellung wurde anschließend mit einer multivariablen log-linearen Regression untersucht. Ergebnisse Die Responseproportion lag bei 42,2%. Es zeigt sich, dass beim Impfverhalten und der Einstellung zum Impfen vielfach deutliche Unterschiede zwischen den alten und neuen Bundesländern bestehen. 85,4% der Ärzte in den neuen Bundesländern gegenüber 68,2% in den alten Bundesländern halten sich beim Impfen an die Richtlinien der Ständigen Impfkommission (STIKO). Im multivariablen log-linearen Modell zeigte sich, dass Ärzte in den neuen Bundesländern eher den STIKO-Empfehlungen folgen, ebenso wie Ärzte mit einem geringen Anteil alternativer Behandlungsmethoden. Dagegen zeigten Alter und Geschlecht keinen signifikanten Einfluss auf die Impfeinstellung. Schlussfolgerung Neben Unterschieden in den neuen und alten Bundesländern hat die Beschäftigung mit alternativmedizinischen Therapien einen wesentlichen Einfluss auf die Impfeinstellung und die Impfpraxis der niedergelassenen Allgemeinmediziner und Praktischen Ärzte. Dies ist für die Entwicklung von Strategien zur Erreichung hoher Durchimpfungsraten von Bedeutung, vor allem vor dem Hintergrund eines weiter zunehmenden Anteils alternativmedizinischer Therapien am gesamten Therapiespektrum.
Einleitung: Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit seinem zugrunde liegenden bio-psycho-sozialen Modell wurde 2001 in Deutschland vom Gesetzgeber aufgegriffen und im Sozialgesetzbuch IX verankert sowie in das Zentrum rehabilitativer Bemühungen gestellt. Durch eine Vielzahl möglicher Erkrankungsfolgen charakterisieren unterschiedliche Behandlungs-konzepte, Struktur- und Prozessmerkmale die Umsetzung der gesetzlichen Rahmenbedingungen in den verschiedenen Phasen neurologischer Rehabilitation. Bei der Erfassung der Ergebnisqualität in der neurologischen Rehabilitation gibt es eine Reihe ungeklärter Fragestellungen. Material und Methoden: In vier empirischen Studien wurden Strukturen und Prozesse in der ambulanten neurologischen Rehabilitation in Deutschland sowie patientenbezogene Assessmentverfahren untersucht. Ergebnisse und Diskussion: In einer eigenen Untersuchung von Struktur- und Prozessdaten einer repräsentativen Stichprobe ambulanter Einrichtungen der Neurorehabilitation zeigen sich im Ergebnis vergleichbare strukturelle Voraussetzungen der Einrichtungen, die zumeist durch die Rahmenempfehlungen zur ambulanten neurologischen Rehabilitation der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) und entsprechende Versorgungsverträge bedingt sind. Unterschiedliche konzeptionelle Ausrichtungen führen zu unterschiedlichen Prozessen. Es ergeben sich dabei deutliche Hinweise auf Unterschiede formaler sowie inhaltlicher Konzepte zur Umsetzung des sozialrechtlichen Rehabilitationsauftrags zwischen verschiedenen Rehabilitationseinrichtungen. Grundsätzlich zeigt sich ein oft noch ungenutztes Potenzial in der Kontextarbeit, dem durch den Einbezug des unmittelbaren personellen und materiellen Sozialraums der Rehabilitanden in die Therapie begegnet werden könnte. Bei der Untersuchung patientenbezogener Assessments zeigt sich, dass zur globalen Erfassung von Teilhabe der Index zur Messung von Einschränkungen der Teilhabe (IMET) gut geeignet ist. Die Studienergebnisse zum Selbstständigkeits-Index für die Neurologische und Geriatrische Rehabilitation (SINGER) sprechen für eine gute Eignung in der ambulanten Neurorehabilitation und eine eindeutige Überlegenheit des SINGER als Assessmentinstrument gegenüber den bisher am weitesten verbreiteten Instrumenten Barthel-Index (BI) und Funktioneller Selbstständigkeitsindex (FIM). Die Resilienzskala (RS-13) besitzt auch bei ambulanten neurologischen Rehabilitanden akzeptable psychometrische Eigenschaften und kann daher auch in der ambu-lanten neurologischen Rehabilitation eingesetzt werden. Die Beachtung des Resilienz-Konstrukts mit Blick auf therapeutische Interventionen, die auf eine Verbesserung der psychischen Widerstandsfähigkeit abzielen, erscheinen aufgrund einer Assoziation mit dem Reha-Outcome sinnvoll. Die zur Ergebnismessung eingesetzte Marburger Kompetenz Skala (MKS) erweist sich nur als bedingt geeignet. Jedoch kann der Vergleich von Selbst- und Fremdbeurteilung im Therapieprozess systematisch genutzt werden. Fazit: Die ambulante neurologische Rehabilitation in Deutschland stellt innerhalb der Rehabilitationsforschung ein Forschungsgebiet mit spezifischen Fragestellungen dar. Die bestehenden Strukturen und Prozesse zielen auf die Umsetzung des gesetzlich verankerten Rehabilitationsauftrages ab. Zur Erfassung des Rehabilitationsergebnisses existieren mittlerweile eine Reihe geeigneter patientenbezogener Assessmentverfahren. Um ihre vollen spezifischen Vorteile zu entfalten, muss die ambulante Neurorehabilitation zu einem Behandlungssetting ausgebaut und weiterentwickelt werden, in dem evidenzbasiert nicht mehr nur an Funktionen und Aktivitäten sondern übergeordnet an der Teilhabe und selbstbestimmter Lebensführung der Rehabilitanden behandelt wird. Hierzu besteht jedoch noch Forschungsbedarf.
Einleitung: Vorhofflimmern (VHF) ist eine Herzrhythmusstörung, die mit einem 5-fach erhöhten Risiko thromboembolischer Schlaganfälle und einen 1,5-fach erhöhten Risiko eines tödlichen Schlaganfalls einhergeht. Internationale und eine nationale Auswertung von Routinedaten zeigen, dass ein hoher Anteil (>50%) der Patienten mit VHF keine ausreichende orale Antikoagulation (OAK) erhält. Fragestellung: Primäres Ziel der Studie ist es, die Verordnungsqualität/Leitlinienadhärenz der Verordnung von OAK bei Patienten mit VHF zu untersuchen und Routinedaten der kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern (KV-MV) mit direkt in der Praxis erhoben Daten zu vergleichen. Sekundäres Ziel ist die Erfassung von Gründen für Nichtverordnung einer OAK. Untersuchungshypothese: Die Nutzung von Qualitätsindikatoren auf Basis von Routinedaten führt zu einer systematischen Unterschätzung der Leitlinienadhärenz bei VHF. Methode: Für eine Querschnittstudie wurden mit der Praxissoftware Patienten mit VHF (ICD I48.-) in 29 aus 182 angeschriebenen Hausarztpraxen in Vorpommern (Teilnahmerate 16%) identifiziert. Daten zur Demographie, Medikation und Komorbidität im Zeitraum von 7/2011-6/2012 wurden aus der Dokumentation extrahiert und anhand eines strukturierten Fragebogens mit dem Arzt ergänzt. Es wurde eine rohe und eine adjustierte OAK-Verordnungsrate unter Berücksichtigung bestehender Kontraindikationen und weiterer Indikatoren leitliniengerechter Versorgung ermittelt. Ergebnisse: Anhand der Praxisdaten wurden 927 Patienten (54% Männer) und auf Basis der Routinedaten 1247 Patienten (52% Männer) mit VHF identifiziert. Für beide Patientengruppen betrug das Durchschnittsalter 75 Jahre (SD=10). Häufigste Komorbiditäten in beiden Patientengruppen waren arterielle Hypertonie, Gefäßerkrankungen, Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz. Eine leitliniengestützte Indikation zur OAK lag anhand der Praxisdaten bei 93% und auf Basis der Routinedaten bei 91% der Patienten vor. Ein erhöhtes Blutungsrisiko entsprechend eines HAS-BLED-Scores ≥ 3 lag anhand der Praxisdaten bei 440 Patienten (47%) und auf Basis der Routinedaten bei 30 Patienten vor (2%). 69% der Patienten erhielten anhand der Praxisdaten eine OAK mit Phenprocoumon. 5% der Patienten erhielten ein nOAK und 32% Thrombozytenaggregationshemmer oder Heparin. Die rohe Gesamt-OAK-Verordnungsrate betrug 69%. Die rohe mittlere Behandlungsrate für eine OAK mit Phenprocoumon pro Arztpraxis betrug 71% (SD=16,6). Nach Berücksichtigung von Diagnosesicherheit, leitliniengestützter Indikation zur OAK, individueller Kontraindikationen einschließlich eines erhöhten Blutungsrisikos sowie alternativer leitliniengerechter medikamentöser Therapien lag eine adjustierte Gesamt-OAK-Verordnungsrate von 90% vor. Die mittlere adjustierte Gesamt-OAK-Verordnungsrate pro Arztpraxis betrug 91% (SD=8,3). Auf Basis der Routinedaten lag eine rohe Gesamt-OAK-Verordnungsrate von 61% vor. Die mittlere rohe Behandlungsrate für eine OAK mit Phenprocoumon pro Arztpraxis betrug 66% (SD=15,4). Nach Berücksichtigung der leitliniengestützten Indikation zur OAK und der Kontraindikation eines erhöhten Blutungsrisikos waren auf Basis der Routinedaten 63% der Patienten mit einer OAK versorgt. Dies entsprach einer mittleren Behandlungsrate für eine OAK pro Arztpraxis von 67% (SD=15,2). Häufigste Gründe für die Nichtverordnung einer OAK waren Sturzgefährdung, Demenz und ein erhöhtes Blutungsrisiko. Diskussion: Ein hoher Anteil der Patienten mit VHF wird leitliniengerecht antikoaguliert. Es liegt eine deutliche Diskrepanz zwischen roher und adjustierter OAK-Verordnungsrate vor. Diese ist insbesondere auf eine ungenügende Abbildung individueller Kontraindikationen und Komorbiditäten zurückzuführen. Aufgrund dieser Limitation führen Qualitätsindikatoren auf Basis von rohen Praxis- oder Routinedaten zu einer systematischen Unterschätzung der Leitlinienadhärenz. Eine mögliche Überversorgung im Bereich eines niedrigen Schlaganfallrisikos ist nicht auszuschließen. Anhand dieser Studie wäre ein OAK-Verordnungsrate auf Basis der Routinedaten pro Praxis zwischen 60% und 70% ein sinnvoller Zielbereich für einen Qualitätsindikator, um die Versorgungsqualität in Bezug auf die Leitlinienadhärenz gut abzubilden.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit erfolgte ein direkter Head-to-Head-Vergleich von ausgewählten Assessmentinstrumenten zur Ergebniserfassung von Heilverfahren bei Wirbelsäulenerkrankungen am Beispielkollektiv von Patienten mit traumatisch bedingter Fraktur eines Wirbels beziehungsweise zweier benachbarter Wirbel.
Die Studie war als prospektive, multizentrische Beobachtungsstudie über zwei Erhebungszeitpunkte konzipiert. Die Datenerhebung fand im Unfallkrankenhaus Berlin und in der BG-Unfallklinik Duisburg statt.
Die Patienten erhielten ein Fragebogenset, welches neben dem Indexinstrument EQ-5D als weitere Vertreter generischer Instrumente den SF-36 und das NHP sowie die spezifischen Instrumente FFbH-R, ODQ und RMDQ enthielt.
Um die geeignetste Methodik für Fragestellungen der rehabilitationswissenschaftlichen Forschung zu eruieren, aber auch Empfehlungen für die Auswahl von zur Routinedokumentation tauglichen Instrumenten zu generieren, wurden die genannten Instrumente hinsichtlich ihrer psychometrischen Eigenschaften analysiert. Betrachtet wurden hierbei die Verteilungseigenschaften (% Boden- und Deckeneffekte), die Praktikabilität (% fehlende Werte auf Skalenebene), die Änderungssensitivität anhand von t-Tests für gepaarte Stichproben und Effektgrößemaßen (standardisierte Mittelwertdifferenz, Effektgröße), die Reliabilität (Cronbach-Alpha) und die kriterienbezogene Validität mittels der Analyse der Pearson-Korrelationen.
Alle untersuchten spezifischen Fragebogen (FFbH-R, ODQ, RMDQ) sind zur Erfassung von patientenberichteten Outcomeparametern bei Wirbelkörperfrakturen geeignet und zeichnen ein ähnliches Bild der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Alle Instrumente sind in deutscher Sprache validiert, praktikabel und bilden Veränderungen im Zeitverlauf ab. Gleichwohl keines der Instrumente als allgemein überlegen erschien, kristallisierte sich der FFbH-R als besonders vorteilhaft raus. Hohe Praktikabilität sowohl für Probanden als auch für Anwender lassen ein breites Anwendungsspektrum zu.
Alle untersuchten generischen Instrumente (SF-36, NHP, EQ-5D) sind ebenfalls prinzipiell zur Erfassung des Gesundheitsstatus geeignet, wobei jedoch die analysierten Kennwerte hinter denen der spezifischen Instrumente zurückbleiben. Sie erfüllen die Standards der international geforderten Gütekriterien psychometrischer Methodik. Anhand der vorliegenden Analysen erscheint der SF-36 als günstigere Option eines Profilinstrumentes vor dem NHP. Der EQ-5D als einzig eingesetztes Indexinstrument zeigte kontinuierlich positive Eigenschaften.
Die gesundheitsbezogene Lebensqualität als ein derart komplexes Konstrukt ist nicht mittels eines einzelnen Maßes allumfassend zu beschreiben. Es gilt abhängig vom Untersuchungsziel ein Instrumentarium auszuwählen, welches sowohl den Gesundheitsstatus hinreichend operationalisiert als sich auch nach den praktischen Aspekten der geplanten Datenerhebung ausrichtet.
Eine Kombination verschiedener Instrumente ist erfolgversprechend. Für gesundheitsökonomische Analysen ist der Einsatz eines präferenzbasierten Indexinstrumentes unerlässlich. In der Bearbeitung verletzungsübergreifender Fragestellungen eignet sich ein generisches Instrument. Sobald das Patientenkollektiv hinsichtlich des Beschwerdebildes vergleichbar ist, sollte unweigerlich zusätzlich ein spezifisches Instrument eingesetzt werden.
Mit der vorliegenden epidemiologischen Untersuchung anhand der Akten aus dem Ermittlungsverfahren zum „Holzschutzmittel-Prozess“ wurde versucht, einen systematischen Zusammenhang zwischen der niedrigschwelligen chronischen Holzschutzmittel (HSM)-Exposition in Innenräumen und dem Auftreten von ausgewählten subjektiven Beschwerden, Symptomen und Erkrankungen wissenschaftlich nachzuweisen. Die umfassenden, alters- und geschlechtsbezogenen Analysen einer Prozesskohorte bestehend aus 179 Haushalten mit insgesamt 602 Personen lassen Beziehungen zwischen einer Exposition gegenüber den gesundheitsgefährdenden Stoffen PCP und Lindan in HSM und gesundheitlichen Beeinträchtigungen erkennen, erfordern aber gleichzeitig eine Diskussion möglicher Limitationen. Die im Hauptstaatsarchiv des Landes Hessen gelagerten Prozessakten mit (1) den Selbstausfüller-Fragebögen und (2) einer systematischen Erhebung sämtlicher Laborwerte (Konzentrationen von PCP und Lindan in Blut- und Urinproben sowie in Holz-, Raumluft- und Staubproben aus den betroffenen Haushalten) bildeten die Datengrundlage. Allerdings limitierten das Design und die Verwendung von zwei unterschiedlichen Selbstausfüller-Fragebögen im Verlauf der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen die durchgeführten Analysen. Pro Person wurden bis zu 62 Gesundheitsbeschwerden und Krankheitssymptome genannt, die im zeitlichen Zusammenhang mit HSM-Anwendungen bei den Mitgliedern der betroffenen Haushalte aufgetreten waren. Die fünf häufigsten Beschwerdenennungen unterscheiden sich bei Männern und Frauen nur in der Rangfolge und entstammen mehrheitlich – mit Ausnahme der Infektanfälligkeit und Schlafstörung – dem neurologischen Bereich: Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen und Mattigkeit. Für Kinder (< 14 Jahre) innerhalb der Kohorte wurden zahlenmäßig weniger Gesundheitsbeschwerden berichtet als für Jugendliche/Erwachsene (≥ 14 Jahre). Die Beschwerdenennungen unterscheiden sich außerdem deutlich im Spektrum. Bei Kindern sind die internistischen/immunologischen Beschwerden z.B. Infektanfälligkeit und Durchfall am häufigsten. Zwischen der Gesamtanzahl der Beschwerden pro Person und der verstrichenen HSM-Menge bzw. Größe der behandelten Fläche wurden numerisch geringe, jedoch statistisch signifikante positive Korrelationen ermittelt. Diese Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang wurden sowohl für die gesamte Kohorte als auch für die Untergruppe der Selbstanwender beobachtet. In Bezug auf einzelne Beschwerden wiesen logistische Regressionsanalysen bei Männern einen signifikanten Zusammenhang zwischen der HSM-Menge bzw. dem Verhältnis HSM-Menge/Anstrichfläche und dem Auftreten von Bindehautentzündungen, Haarausfall oder Konzentrationsstörungen nach. In der Gruppe der Frauen zeigten sich positive Assoziationen zum Auftreten von Kopfschmerzen oder Schlafstörungen. Trotz der erhöhten HSM-Exposition der Betroffenen wiesen Mortalitätsanalysen für die untersuchte Kohorte eine deutlich und statistisch signifikant erniedrigte standardisierte Mortalitätsratio [SMR 0,51 (95 %-KI: 0,39-0,67)] auf. Diese Ergebnisse konnten durch Cox Regressionsmodelle bestätigt werden. Anhand der Altersverteilung, der Angaben zur Lebensweise und der berichteten Berufe lässt sich abschätzen, dass die betroffenen Personen nicht als repräsentativ für die Allgemeinbevölkerung angesehen werden können. So umfasst die Kohorte vergleichsweise weniger Raucher und Übergewichtige. Auch ist ein geringerer Alkoholkonsum zu verzeichnen. Zusammen mit dem Fakt, dass die Kohorte hauptsächlich aus Personen der mittleren bzw. höheren sozialen Schicht besteht, könnte der beobachtete gesündere Lebensstil eine Ursache für die niedrigere Mortalitätsrate darstellen. Eine hohe Selbstselektierung der Kohortenmitglieder, die sich aufgrund eigener Initiative als Zeugen gemeldet hatten, schließt eine unkritische Verallgemeinerung der erzielten Studienergebnisse auf die Allgemeinbevölkerung aus. Die Analyse der Prozessakten, der Verfahrensweisen bei der Datenerhebung durch die Staatsanwaltschaft, der Dokumentation und des Datenbestandes im Kontext des HSM-Prozesses ermöglichen es jedoch, Limitationen aufzuzeigen und methodische Schwierigkeiten bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung der HSM-Problematik zu identifizieren. Hieraus können Empfehlungen für ein zukünftiges Vorgehen bei der Untersuchung ähnlicher toxikologischer Risiken abgeleitet werden.
Der insulinähnliche Wachstumsfaktor (IGF-I) spielt eine wichtige Rolle im Knochenstoffwechsel, indem er sowohl den Knochenauf- als auch den Knochenabbau fördert. Die Bindung an das IGF-Bindeprotein-3 (IGFBP-3) beeinflusst seine Bioverfügbarkeit und Fähigkeit, an den IGF-Zellrezeptor zu binden. Die beim Knochenstoffwechsel freigesetzten Knochenumbaumarker (BTM) können im Serum gemessen werden. Verschiedene, meist kleinere Studien brachten widersprüchliche Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen IGF-I und verschiedenen BTM hervor. Ziel dieser Arbeit war es daher, die Assoziation zwischen IGF-I bzw. dem IGF-I/IGFBP-3 Verhältnis und drei BTM (PINP, CTX und BAP) in der erwachsenen Bevölkerung zu untersuchen. Datengrundlage bildete die Study of Health in Pomerania-1 (SHIP-1), das Follow-Up einer von 1997-2001 in Westvorpommern durchgeführten bevölkerungsbasierten Studie. Für die vorliegende Studie wurden die Daten von 2943 Teilnehmern (1463 Männer, 1481 Frauen) im Alter von 20-79 Jahren untersucht. Zur statistischen Analyse wurden Varianzanalysen und multivariabel-adjustierte Regressionsmodelle durchgeführt. Aufgrund der altersabhängigen Serumwerte für IGF-I und die BTM erfolgten die Berechnungen geschlechtsgetrennt für Männer über und unter 55 Jahren sowie für prä- und postmenopausale Frauen. Bei jüngeren Männern und prämenopausalen Frauen zeigte sich eine starke positive Assoziation zwischen IGF-I und dem Knochenaufbaumarker PINP sowie dem Knochenabbaumarker CTX. Dieser Zusammenhang stellte sich bei Berücksichtigung des IGFBP-3 umso signifikanter dar. Der Knochenaufbaumarker BAP war in beiden Gruppen nicht mit IGF-I korreliert. Bei Männern >55 Jahren und postmenopausalen Frauen ergaben sich z.T. positive, z.T. inverse oder U-förmige Zusammenhänge zwischen IGF- und den verschieden BTM. Diese Ergebnisse sind – ebenso wie die uneinheitlichen Ergebnisse ähnlicher vorheriger Studien – nicht eindeutig zu erklären. Möglicherweise spielen Sexualhormone, welche in dieser Studie nicht berücksichtigt wurden, in der älteren Bevölkerung eine entscheidendere Rolle für den Knochenstoffwechsel als das IGF-I. Es sind weitere, insbesondere auch longitudinale Studien nötig, um diese Zusammenhänge weiter zu erforschen. ¬¬
Die zentralen Fragestellungen dieser Arbeit lauten: (I) „Hat sich die Prävalenz depressiver Symptome zwischen 1997–2001 und 2008–2012 geändert?“, (II) „Ist eine erhöhte Anzahl an Besuchen bei einem Psychotherapeuten oder Psychiater auszumachen?“ und (III) „Wie veränderte sich die Prävalenz der Einnahme von Antidepressiva?“
Die Untersuchung dieser Fragen erfolgte mithilfe zweier Bevölkerungsstichproben in Ost-Mecklenburg-Vorpommern. Dabei handelt es sich um die SHIP-0 (1997–2001; n=4.308) und die SHIP-TREND (2008–2012; n=4.420). Um die Prävalenz der depressiven Symptomatik zu messen, wurden mehrere Fragen aus dem CID-S ausgewertet. Da in beiden Studien auch die Arztbesuche der Teilnehmer erfasst wurden, konnte somit gleichzeitig die Prävalenz der Besuche bei einem Psychotherapeuten oder Psychiater registriert werden. Im Rahmen der zwei Studien wurden auch die ATC-Codes der Medikamente, welche die Studienteilnehmer einnahmen, aufgezeichnet. Durch dieses Verfahren konnte die Prävalenz der Einnahme von Antidepressiva erfasst werden.
Bei der Prävalenz depressiver Symptome konnte ein Anstieg von 13,2 % (SHIP-0) auf 27,7% (SHIP-TREND) verzeichnet werden. Die Inanspruchnahme von psychiatrischen oder psychotherapeutischen Leistungen stieg ebenfalls an. Hier konnte eine Erhöhung der Prävalenz von 2,8 % in der SHIP-0 auf 5,2 % bei SHIP-TREND festgestellt werden. Auch die dritte Fragestellung zur Einnahme von Antidepressiva in der Gesamtbevölkerung weist eine Erhöhung der Werte von SHIP-0 im Vergleich zu SHIP-TREND auf, denn der Wert stieg von 1,8 % auf 5,2 %.
Aus diesen Daten ist zu schlussfolgern, dass es in der allgemeinen Bevölkerung zu einem massiven Anstieg depressiver Symptomatik gekommen ist. Somit ist zu vermuten, dass auch ein vermehrtes Aufkommen von Depressionen zu verzeichnen ist. Dieser Fakt wird von den Ergebnissen der Fragen II und III untermauert, da hier ein Anstieg der Behandlungsmaßnahmen von Depressionen festgestellt werden konnte.
Aufgrund steigender Patientenzahlen gewinnt die Palliativmedizin in den Industrienationen immer mehr an Bedeutung. Häufig wünschen die Patienten, in der Häuslichkeit gepflegt zu werden und auch dort zu versterben. Eine Versorgung der Palliativpatienten in der Häuslichkeit ist möglich und muss der Versorgung im Krankenhaus um nichts nachstehen. Die ambulante Versorgung dieser Patienten stößt, gerade in dünn besiedelten Gebieten mit starken strukturassoziierten Veränderungen wie im Landkreis Ostvorpommern, auf Grenzen hinsichtlich regelmäßiger Hausbesuche von medizinischem Personal, insbesondere durch niedergelassene Ärzte. Durch eine randomisierte, prospektive Studie wurde geprüft, ob sich durch eine telemedizinische Intervention mit Hilfe regelmäßiger Telefonanrufe ein Vorteil der Versorgung für diese Patienten ergibt. Außerdem wurde geprüft, ob das Studiendesign durchführbar und machbar war. In der vorliegenden Pilotstudie konnte die Patientenzielgruppe erreicht werden. Die Patientenrekrutierung erwies sich als schwierig. Außerdem zeigte sich eine hohe Schmerz- und Symptombelastung der Projektpopulation. Die zusätzlichen Telefonanrufe wurden von den Patienten positiv bewertet. Es konnte kein signifikanter Unterschied zwischen der Patientengruppe, die regelmäßige Telefonanrufe erhalten hat, und der Gruppe, die nur die übliche palliativmedizinische Betreuung erhalten hat, hinsichtlich der Entwicklung der Schmerzen, der Lebensqualität, der Symptome, der Mobilität, der Aktivität, der Arztbesuche oder der Krankenhausverweildauer zur Base- Line und zur Follow- Up Befragung festgestellt werden. Bei einigen Interventionspatienten konnte eine temporäre Schmerzreduktion nach einer Intervention in Form einer telefonischen Umstellung der Schmerzmedikation erreicht werden. Es gibt Hinweise darauf, dass die Patienten, die regelmäßige Telefonanrufe erhalten haben, die Schmerzbedarfsmedikation als Selbstmedikation gezielt einsetzen konnten. Nach heutigem Kenntnisstand ist dies die erste Studie, die den Effekt von regelmäßigen Telefonanrufen zur Betreuung von in der Häuslichkeit gepflegten Palliativpatienten untersucht hat. Eine analoge Studie, durchgeführt bei chronischen Schmerzpatienten, bestätigt diese Ergebnisse. Auch hier erwiesen sich regelmäßige Telefonanrufe als wirkungsvoll, da eine signifikante Schmerzreduktion in der telemedizinisch betreuten Gruppe erreicht werden konnte.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden die von der WHO im Jahr 2003 publizierten Faktoren mit Einfluss auf die nichtmedikamentöse (Bewegungsverhalten, Nikotin- bzw. Alkohol-Konsum, Ernährungsanpassung/Reduktion des Körpergewichts) und medikamentöse Therapietreue (Compliance) bei Patienten mit essentieller arterieller Hypertonie u. W. erstmals in der Region Greifswald untersucht. Hauptzielstellung war die Untersuchung der Einflussfaktoren auf die Compliance anhand der von der WHO proklamierten fünf Dimensionen (sozioökonomisch, therapiebezogen, gesundheitssystembezogen, krankheitsbezogen, patientenbezogen) insbesondere hinsichtlich der „strikten Compliance“. Als Nebenfragestellung war zu klären, ob die Umstellung auf ein wirkstoffgleiches Medikament während der Bluthochdrucktherapie die medikamentöse Compliance beeinflusst. Die Ergebnisse sollen einen Beitrag zur Optimierung der Therapie der essentiellen Hypertonie liefern. Die Erfassung der Daten erfolgte in einer Querschnittsstudie (Feldstudie) mittels Fragebogen (Rückgabe ohne Einsicht Dritter; versiegelte Urnen), der nach einem Pretest optimiert wurde. Im Zeitraum vom 03. April 2010 bis zum 11. Januar 2011 wurden in drei allgemeinmedizinischen Praxen in Greifswald insgesamt 150 Fragebögen an Patienten mit manifester essentieller Hypertonie ausgegeben. 101 (67,3 %) wurden zurückerhalten, davon waren 97 auswertbar. Für die Mitwirkung der Patienten wurde durch das Praxispersonal sowie ein Informationsplakat geworben. Nach der deskriptiv-statistischen Auswertung und der univariaten Beschreibung der gewonnenen Daten wurden für das Verhalten der Patienten bei der nichtmedikamentösen und medikamentösen Therapie (generell sowie nach Umstellung auf ein wirkstoffgleiches Medikament) innerhalb von 6 Score-Systemen die entsprechenden Compliance-Scores gebildet (strikt compliant, partiell compliant und non-compliant). Anschließend erfolgte eine bivariate Datenbeschreibung unter Erstellung der Kreuztabellen mit den entsprechenden Compliance-Scores und die Berechnung der Überschreitungswahrscheinlichkeiten (bei Irrtumswahrscheinlichkeit α = 5 %) zur Beurteilung der jeweiligen Nullhypothesen H0. Die Wirkung der Einflussfaktoren auf das Compliance-Verhalten wurde aus der prozentualen Verteilung der strikten, partiellen und Non-Compliance der Studienteilnehmer innerhalb der Items ermittelt. Durch Zusammenfassen der Compliance-Scores „stritkt compliant“ und „partiell compliant“ zu „compliant“ sowie von Items bei den Einflussfaktoren in jeweils zwei inhaltlich sinnvoll strukturierte Kategorien wurden Vier-Felder-Kontingenztafeln erstellt, aus denen über die Verhältnisse der jeweiligen Raten für „compliant“ und „non-compliant“ (Prevalence Rate Ratios hier als Compliance Rate Ratios) Aussagen zur Beeinflussung der Non-Compliance abgeleitet wurden. Die erhaltenen Ergebnisse werden in Bezug auf das Bewegungsverhalten, das Nikotin- bzw. Alkoholkonsum-Verhalten, die Ernährungsanpassung/Reduktion des Körpergewichts als nichtmedikamentöse therapeutische Maßnahmen und die medikamentöse Therapie diskutiert und Folgerungen für mögliche praktische Ansätze zur Verbesserung des Compliance- Verhaltens gezogen. Bei zehn (71 %) von den 14 untersuchten patientenbezogenen Faktoren wurden im Vergleich zu den anderen Faktoren (sozioökonomisch bzw. krankheitsbezogen: 67 %, gesundheitssystembezogen: 57 % und therapiebezogen: 50 %) am häufigsten entsprechende signifikante Zusammenhänge und deutlich ausgeprägte Assoziationen gefunden. Im Bereich der nichtmedikamentösen Therapie wird deutlich, dass die Ansatzpunkte für eine Optimierung der Bluthochdrucktherapie vor allem bei der Verbesserung des Compliance-Verhaltens bei der Ernährungsanpassung und der Reduktion des Körpergewichts, gefolgt vom Bewegungsverhalten und dem Alkohol-Konsum liegen. Das Compliance-Verhalten bei der medikamentösen Therapie im allgemeinen lässt sich insbesondere über die gezielte Ausgestaltung der gesundheitssystembezogenen und der therapiebezogenen Einflussfaktoren verbessern, die wiederum fördernd auf die patientenbezogenen Einflussfaktoren wirken (Vermittlung der Sinnhaftigkeit von therapeutischen Maßnahmen, Verbesserung der Motivation). Dieser Aspekt betrifft in gleichem Maße das Compliance-Verhalten bei der nichtmedikamentösen Therapie. Zusammenhänge und eine Assoziation in Bezug auf die Compliance bei der medikamentösen Therapie nach Umstellung auf ein wirkstoffgleiches Medikament als Nebenfragestellung der Arbeit wurden vor allem bei den patientenbezogenen Faktoren (Sinnhaftigkeit von therapeutischen Maßnahmen, Motivation) und therapiebezogenen Faktoren (Abweichungen von der Einnahmevorschrift) aufgefunden. Die Raten der strikten Compliance lagen hier unerwartet deutlich über denen der medikamentösen Therapie generell. Auch dieses Ergebnis wird eingehend diskutiert.
Einleitung
Der EQ-5D ist ein etablierter Fragebogen zur Messung der gesundheitsbezogenen
Lebensqualität von Erwachsenen. Die Entwicklung einer kinderfreundlichen Version dieses
Instrumentes, namens EQ-5D-Y, ermöglicht die Erhebung von vergleichbaren
Lebensqualitätsdaten bei Kindern und Jugendlichen. Die vorliegende Studie dient der
ergänzenden Validierung und methodischen Absicherung des EQ-5D-Y durch Anwendung
bei kranken Kindern und Jugendlichen.
Methoden
Es wurden 235 akut und chronisch erkrankte Probanden, davon 107 Kinder (5-12 Jahre) und
128 Jugendliche (13-18 Jahre), in die Studie eingeschlossen. Die Befragungen wurden im
Krankenhaus, in ambulanten Sprechstunden und in Rehakliniken durchgeführt. Die
Rehapatienten wurden zum Rehabeginn sowie vor der Abreise befragt, während bei allen
anderen Patienten eine einmalige Datenerhebung erfolgte. Der Patientenfragebogen umfasste
neben dem EQ-5D-Y weitere bereits validierte Lebensqualitätsinstrumente wie den KINDL-R
und den KIDSCREEN-10. Die behandelnden Ärzte beantworteten ebenfalls einen
Fragebogen, der u.a. die Proxy-Version des EQ-5D-Y beinhaltete.
Neben Häufigkeitsanalysen des EQ-5D-Y auf Itemebene wurden die fehlenden Werte
ausgezählt sowie Mittelwerte und Standardabweichungen berechnet und mit dem KINDL-R
und KIDSCREEN-10 verglichen. Eine Varianzanalyse sollte Unterschiede zwischen den
einzelnen Diagnosegruppenmittelwerten detektieren. Zur Bestimmung der konvergenten
Validität wurde der EQ-5D-Y mit den beiden genannten Vergleichsinstrumenten korreliert.
Weiterhin wurden die Patientendaten den Ärztedaten gegenübergestellt und auf
Übereinstimmung überprüft. Die Daten der Längsschnittstudie der Rehagruppe dienten der
Berechnung der Änderungssensitivität. Mithilfe eines Ankerinstrumentes wurden je nach hier
angegebener Veränderung des Wohlbefindens drei Gruppen gebildet (verbesserter,
unveränderter oder verschlechterter subjektiver Gesundheitszustand) und die standardisierten
Effektstärken (SES) berechnet.
Ergebnisse
Die Kinder waren im Durchschnitt 10,31 (SD 1,46) und die Jugendlichen 15,22 (SD 1,52)
Jahre alt. In beiden Altersgruppen wurden im EQ-5D-Y am häufigsten Schwierigkeiten im
Bereich ‚Schmerzen/körperliche Beschwerden‘ und am seltensten in der Dimension ‚für sich
selbst sorgen‘ angegeben. Die von 0-100 transformierten Mittelwerte des EQ-5D-Y lagen bei
90,47 (Kinder) und 84,45 (Jugendliche), die der EQ-VAS bei 82,79 (Kinder), 78,25
(Jugendliche). In der Kinderbefragung blieb im EQ-5D-Y eine Frage unbeantwortet, bei den
Jugendlichen gab es je zwei fehlende Werte beim EQ-5D-Y und bei der EQ-VAS. Die
Deckeneffekte betrugen beim EQ-5D-Y 47,7% in der Kindergruppe und 34,4% in der
Jugendgruppe, bei der EQ-VAS: 21,5% (Kinder), 7,0% (Jugendliche). Ein
schlechtmöglichster Gesundheitszustand wurde nicht genannt. Verglichen mit dem KINDL-R
und dem KIDSCREEN-10 waren die Mittelwerte und Deckeneffekte des EQ-5D-Y größer
und der Anteil fehlender Werte deutlich geringer. In der Varianzanalyse wurden verglichen
mit den anderen Instrumenten die meisten signifikanten Unterschiede für den EQ-5D-Y
insbesondere in der Gruppe mit akuten Erkrankungen berechnet. Die Korrelationen zwischen
dem EQ-5D-Y und den Vergleichsinstrumenten lagen in beiden Altersgruppen insgesamt im
mittleren Bereich. Die EQ-VAS korrelierte in der Kindergruppe schwach und in der
Jugendgruppe mittel bis stark mit dem KIDSCREEN-10 und dem Gesamtwert des KINDL-R.
Im Arzt-Patienten-Vergleich wurden in beiden Altersgruppen die höchsten Werte (Cohens
Kappa) in der Dimension ‚Schmerzen/körperliche Beschwerden‘ berechnet (Kinder: 0,23,
Jugendliche: 0,27). Die stärkste Korrelation nach Pearson fand sich im Item
Schmerzen/körperliche Beschwerden (0,21) in der Kindergruppe. Bei den Jugendlichen lag
der größte Wert bei 0,38 in der Dimension ‚alltägliche Tätigkeiten‘. Die ICC für die EQ-VAS
lag bei 0,05 (Kinder) und 0,23 (Jugendliche). In der Rehapatientengruppe mit unverändertem
Wohlbefinden lagen die SES des EQ-5D-Y bei annähernd Null (-0,08 Kinder; -0,13
Jugendliche). Bei der EQ-VAS lagen die Werte in dieser Gruppe bei 0,50 (Kinder), 0,18
(Jugendliche). In der Gruppe mit subjektiver Gesundheitsverbesserung zeigte der EQ-5D-Y
eine positive Veränderung an (0,47 Kinder; 0,25 Jugendliche). Für die EQ-VAS wurden hier
ebenfalls positive SES berechnet. In der Gruppe mit verschlechtertem Befinden betrugen die
SES des EQ-5D-Y -0,20 (Kinder) und 0,01 (Jugendliche), die SES der EQ-VAS 0,04 (Kinder)
sowie -1,12 (Jugendliche). Die SES der Vergleichsinstrumente waren ebenfalls entsprechend
der Gruppenzuteilung meist positiv, gleichbleibend oder negativ.
Schlussfolgerung
Der EQ-5D-Y-Fragebogen erwies sich bezüglich der durchgeführten Analysen insbesondere
im Vergleich zu den bereits erprobten HRQoL-Instrumenten bei der Anwendung an kranken
Kindern und Jugendlichen als hinreichend valide. Durch die begrenzte Diagnosenauswahl und
relativ kleinen Stichprobenumfänge wäre es jedoch empfehlenswert, die dargelegten
Ergebnisse durch weitere Daten zu ergänzen.
Hintergrund: In jüngster Zeit werden zunehmend präferenzbasierte Verfahren zur Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität („health-related quality of life“, HRQoL) entwickelt, validiert und in gesundheitsökonomische Analysen einbezogen. Gegenwärtig stehen in deutscher Übersetzung sechs präferenzbasierte Instrumente zur Verfügung: der EuroQol-Fragebogen (EQ-5D), der 15D-Fragebogen (15D), der Health Utilities Index 2 und 3 (HUI 2, HUI 3), die Short-Form-6-Dimensions (SF-6D) und die Quality of Well-being Scale - self-administered (QWB-SA). In diesen Verfahren werden die verschiedenen Einzelaspekte der gesundheitsbezogenen Lebensqualität zu einer eindimensionalen Maßzahl, einem Indexwert, zusammengefasst. Dieser Indexwert kann mit Angaben zur Lebenszeit verknüpft werden und im Rahmen gesundheitsökonomischer Kosten-Nutzwert-Analysen („cost-utility analysis“, CUA), in Form von qualitäts-adjustierten Lebensjahren („quality adjusted life years“, QALYs) den Kosten einer medizinischen Technologie gegenübergestellt werden. Der Gebrauch von QALYs ist international weit verbreitet und wird von einer Vielzahl von Bewertungsinstitutionen, u.a. vom National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) in England und Wales, explizit gefordert. Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass die Gültigkeit des QALY-Konzeptes hinterfragt werden sollte. Ziel: Das primäre Ziel dieser Arbeit ist die detaillierte Beschreibung, Anwendung und ver-gleichende empirische Untersuchung der psychometrischen Güte der oben genannten präfe-renzbasierten Messinstrumente in drei Reha-Kollektiven der Indikationsgebiete muskulo-skelettale Krankheiten, Herz-Kreislaufkrankheiten und Psychosomatik. Darüber hinaus werden unter Rückgriff auf die Prospect Theory drei direkte Verfahren zur Messung der gesund-heitsbezogenen Lebensqualität, das Standard-Gamble-, das Time-Trade-Off- und das Rating-Scale-Verfahren, am Beispiel Tinnitus empirisch untersucht. Methoden: Die Daten, die dieser Arbeit zugrunde liegen, stammen aus zwei Projekten. Das Projekt „Methodische Aspekte der nutzentheoretischen Lebensqualitätsmessung“ wurde in der zweiten Förderphase des „Norddeutschen Verbunds für Rehabilitationsforschung“ (NVRF) von 2001 bis 2005 durchgeführt (Förderkennzeichen: 01GD0106). Im Rahmen dieses Projektes erfolgte die Erhebung der präferenzbasierten Messinstrumente in den drei Indikations-gruppen zu Beginn und am Ende der Rehabilitation. Das Projekt „Die Bewertung von Gesundheit am Beispiel Tinnitus“ wurde im Rahmen des Graduiertenkollegs „Bedarfsgerechte und kostengünstige Gesundheitsversorgung“, gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), durchgeführt. In zwei gleichgroßen Gruppen (Personen mit einer Tinnitus-Erkrankung und Person aus der Allgemeinbevölkerung), parallelisiert nach Alter und Geschlecht, wurden mit den genannten direkten nutzentheoretischen Erhebungsmethoden Nutzwerte für die Erkrankung Tinnitus ermittelt. Zur Datenexploration wurden Methoden der de-skriptiven Statistik verwendet. Vergleichende Analysen erfolgten anhand der deskriptiven Kennwerte, Anzahl fehlender Werte, Häufigkeitsverteilungen und Korrelationskoeffizienten. Multivariate statistische Verfahren, wie z.B. die Varianzanalyse und Faktorenanalyse wurden durchgeführt. Ergebnisse: Beim Vergleich der deskriptiven Kennwerte zeigten sich Unterschiede zwischen den analysierten Instrumenten. In den drei untersuchten Indikationsgruppen wies der 15D die durchschnittlich höchsten Indexwerte aus und der QWB-SA die niedrigsten. In den drei untersuchten Gruppen erreichte kein Patient den niedrigsten möglichen Indexwert (Bodeneffekt). Deckeneffekte wurden insbesondere für den EQ-5D in allen drei beobachtet. Der 15D und der SF-6D wiesen höhere Kennwerte der Änderungssensitivität als der EQ-5D, HUI 2, HUI 3 und QWB-SA aus. Die Ergebnisse zur Bewertung von Gesundheit am Beispiel des Tinnitus zeigten, dass die Bewertung von Gesundheitszuständen vom eigenen aktuellen Gesundheitszu-stand und von der individuellen Risikoeinstellung abhängig ist. Tinnitus-Patienten wiesen dem Krankheitsbild Tinnitus höhere Nutzwerte zu als Nicht-Betroffene. Darüber hinaus zeigten sich Tinnitus-Betroffene als risikoavers im Vergleich zu Nicht-Betroffenen, die einer risikobehafteten medizinischen Behandlungsmaßnahme eher zustimmten. Ein Zusammenhang zwischen der Risikoeinstellung einer Person und der Nutzwertbewertung konnte statistisch nachgewiesen werden. Diskussion: Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Indexwerte der sechs präferenzbasierten Messinstrumente nur bedingt vergleichbar sind, was bei der Planung einer Studie berück-sichtigt werden muss. Aus den vorliegenden Ergebnissen zur nutzentheoretischen Bewertung des Tinnitus kann geschlossen werden, dass zukünftige Studien die individuelle Risikoeinstellung berücksichtigen sollten, um die ermittelten Nutzwerte entsprechend adjustieren zu können.
Das Teddybärkrankenhaus ist ein weltweites Projekt, welches bei Kindern die Angst vor dem Arzt reduzieren soll und einmal im Jahr durch Medizinstudenten in Greifswald durchgeführt wird. Da es deutschlandweit zuvor noch keine systematische Studien zu diesem Projekt gab, sollte mit dieser Arbeit herausgefunden werden, wie viel Angst die Kinder vor medizinischen Situationen zeigen und ob diese durch einen Besuch im Teddybärkrankenhaus reduziert werden kann. Außerdem wurde der Einfluss verschiedener Faktoren untersucht. Als Instrument wurde ein fünfteiliger Bilderfragebogen entwickelt, bei dem typische Situationen (Abhorchen, Zahnarzt, Kind mit Gipsbein, Spritze, Rettungswagen) dargestellt waren. Die Einschätzung durch die Kinder erfolgte auf einer dreistufigen Teddygesichtsskala. Einige Kinder wurden zusätzlich mit der etablierten „Hospital Fears Rating Scale“ (HFRS) befragt. Insgesamt 569 Kinder aus 18 Kindertagesstätten und einer Schule in Greifswald wurden zwei Wochen vor dem Besuch im Teddybärkrankenhaus interviewt. Unmittelbar nach der Intervention durch das Teddybärkrankenhaus wurden 481 der zuvor befragten Kinder erneut befragt. Die Probanden waren zwischen zwei und acht Jahren alt. „Viel Angst“ gaben die meisten Kinder (40%) beim Item „Spritze“ an. Die meisten Kinder gaben „keine Angst“ beim Item „Abhorchen“ an (82%). Die HFRS und der Bilderfragebogen korrelierten mäßig miteinander. Die Angstausprägung der Kinder wurde im Wesentlichen durch die innerstädtische Lage der Kindertagesstätte beeinflusst, sowie dem Geschlecht des Kindes und der Vorbereitung durch die Erzieher. Der Vergleich der beiden Testzeitpunkte ergab, dass die Angst bei 206 von 481 Kindern reduziert und nur bei 149 vergrößert wurde. Diese Tendenz ist für alle Items zu erkennen, für das Item „Abhorchen“ war die Reduktion der Angst nach dem Besuch im Teddybärkrankenhaus statistisch signifikant. Eine multivariate Regression wurde zur Untersuchung der simultanen Auswirkung aller Einflussfaktoren auf die Angstreduktion durchgeführt. Als wichtigster Einflussfaktor stellte sich die Stärke der angegebenen Angst bei der ersten Befragung heraus. Weitere Einflussfaktoren stellten sich dagegen im multivariaten Modell als nicht signifikant heraus. Die Ergebnisse zeigen, dass das Teddybärkrankenhaus die Angst der Kinder reduziert. Zudem bekommen die Kinder im Vorschulalter die Gelegenheit, sich mit den Themen Krankheit und Gesundheit auseinanderzusetzen. Die Ergebnisse sprechen insgesamt für eine Ausweitung des Projektes.
Zusammenfassung
Fragestellung
Quarzstäube sind ein Lungenkarzinogen. Dieses Siliziumdioxid wirkt nach inhalativer Aufnahme als inflammatorischer Schlüsselreiz zur Unterhaltung einer chronischen Entzündung. Diese betrifft typischerweise zunächst die pulmonalen Lymphknoten und später die Lunge selbst. Bislang war unbekannt, ob es bei Lungentumoren und gleichzeitig vorliegender Silikose der Lungenlymphknoten Unterschiede bezüglich des histologisch führenden Typs im Vergleich zu anderen Stadien der Silikose gibt. Ebenso war der mögliche Zusammenhang auch für andere, häufige Lungenkarzinogene des Uranbergbaus wie Radon oder Arsen noch nicht untersucht worden.
Methodik
Es wurden Daten von 2.524 Uranbergarbeitern aus dem Sektionsarchiv der SDAG Wismut in Stollberg sowie deren Expositionsdaten verwendet. Referenzpathologisch erfolgte die Einteilung in drei Silikosestadien (keine Silikose, ausschließlich Lungenlymphknotensilikose, Lungengewebs- und Lungenlymphknotensilikose) sowie die Zuordnung zu einem der drei führenden Lungentumorentitäten (Adenokarzinom, Plattenepithelkarzinom, kleinzelliges Karzinom). Unter Berücksichtigung der kumulativen Quarzexposition auf der Grundlage einer Job-Exposure-Matrix wurde die Auftretenswahrscheinlichkeit der Lungentumortypen für jedes Silikosestadium durch ein multinominales Regressionsmodell geschätzt. Gleiches erfolgte für die kumulativen Expositionen gegenüber den relevanten weiteren Karzinogenen Radon und Arsen.
Ergebnisse
Insgesamt waren die Wahrscheinlichkeiten der histologischen Lungentumortypen unter Uranbergarbeitern mit ausschließlicher Lymphknotensilikose den Wahrscheinlichkeiten mit Lungen- und Lymphknotensilikose ähnlicher als den Wahrscheinlichkeiten ohne Silikose. Dies wurde auch für Radon und Arsen bestätigt.
Schlussfolgerung
Die Ergebnisse stützen die Hypothese, dass die Karzinogenese sowohl durch Quarz als auch durch Radon und Arsen in Lymphknotensilikotikern ähnlicher der Karzinogenese in Lungensilikotikern ist, als deren bei Nichtsilikotikern.
Am Institut für Community Medicine wurde ein vielschichtiges zentrales Datenmanagement für epidemiologische Probandenstudien (z.B. „Individualisierte Medizin“ und SHIP) und für Studien in der Patientenversorgung (z.B. GANI_MED) konzipiert und implementiert. Die Komplexität des Datenmanagements resultiert aus Umfang und Heterogenität der akquirierten Daten sowie aus multizentrischen und longitudinalen Studienansätzen. Hinzu kommen umfassende Anforderungen an den Schutz personenbezogener Daten, die modulare Einwilligung der Studienteilnehmer sowie die Sicherstellung einer adäquaten Datenqualität, Verfügbarkeit, Nachhaltigkeit etc. Im Rahmen der Probandenstudien wurde eine hochverfügbare webbasierte EDC-Software (Electronic Data Capture) entwickelt, die mit Hilfe intuitiver eCRFs (electronic Case Report Forms) die datenschutzkonforme und qualitätsgesicherte Datenakquise ermöglicht. Eine Data Dictionary-getriebene eCRF-Generierung erlaubt die effiziente Erzeugung neuer und Wartung bestehender Formulare. Ergänzt wird die EDC-Software durch HL7- und DICOM-Empfängersysteme zur nahtlosen Integration des Datenmanagements in vorhandene klinische Informationssysteme. Im Rahmen von „Individualisierte Medizin“ und SHIP wurden von Juni 2008 bis August 2012 insgesamt 6.753 Probanden untersucht und ca. 1,8 Mio. Datensätze revisionssicher persistiert. Zukünftig könnte das Datenmanagement dazu in der Lage sein, weitere Forschungsdaten aus bereits akquirierten Daten zu generieren, z.B. Organvolumina aus MRT-Bilddaten, und sie automatisiert mit weiteren Merkmalen zu korrelieren. Die Limitationen der webbasierten EDC-Software liegen in der Datenakquise ohne vorhandenen (stabilen) Internet-/Netzwerkzugang. Diese Bedingungen sind jedoch in Studien im Kontext der Patientenversorgung vorzufinden. Um die Datenakquise dennoch zu ermöglichen, wurde eine Java-basierte EDC-Software zur asynchronen dezentralen Datenerfassung und nachgelagerten zentralen Datensynchronisation / integration entwickelt. Die Software ist für den unterbrechungsfreien und flexiblen Einsatz im klinischen Umfeld optimiert. Jedoch geht die Asynchronität einher mit einer ungleich höheren technischen Komplexität und einer erhöhten Fehleranfälligkeit, z.B. aufgrund der Notwendigkeit Client-seitiger Software-Aktualisierungen. In GANI_MED wurden von Mai 2011 bis August 2013 insgesamt 3.141 Patienten untersucht und ca. 140.000 Datensätze revisionssicher in den zentralen Datenbestand integriert. Optimierungspotential bietet der Einsatz neuer HTML5-Features, um zugleich synchrone als auch asynchrone Datenerfassungen zu ermöglichen und von den Vorteilen webbasierter Software zu profitieren.
Einleitung: Der Gesetzgeber hat die 2001 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichte Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) als Grundlage der Rehabilitation in Deutschland im Sozialgesetzbuch IX verankert. Anders als bisherige Klassifikationsmodelle, die einen linearen Zusammenhang zwischen Beeinträchtigung der Funktion und Behinderung annehmen, basiert die ICF auf einem bio-psycho-sozialen Verständnis von Gesundheit und Krankheit. Das ICF-Modell sieht Beeinträchtigungen der funktionalen Gesundheit einer Person als das Ergebnis der negativen Wechselwirkung zwischen den Gesundheitsproblemen sowie den personbezogenen und umweltbezogenen Kontextfaktoren der Person. Ziel einer Rehabilitationsmaßnahme ist die Förderung der gleichberechtigten Teilhabe am Leben der Gemeinschaft und die Selbstbestimmung von behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen. Auf Basis der ICF ist es also Aufgabe der deutschen Rehabilitationseinrichtungen, die Kontextfaktoren mit zu berücksichtigen, um den Rehabilitanden eine bestmögliche (Re-)Integration in die Gesellschaft und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Besonders gefordert sind hierbei ambulante Rehabilitationseinrichtungen, die nach der Akutbehandlung bzw. Frührehabilitation ansetzen, in einer Phase, in der der Rehabilitand bereits in sein gewohntes häusliches Umfeld zurückgekehrt ist, was eine Mitberücksichtigung von Kontextfaktoren in besonderer Weise ermöglicht. Bislang gibt es nur wenige Studien, die explizit das Konstrukt Teilhabe als Zielvariable im Rehabilitationsverlauf untersuchen und beeinflussende Kontextfaktoren mit in den Blick nehmen.
Material und Methoden: In vier empirischen Studien wurden Teilhabeverläufe und beeinflussende Kontextfaktoren in der ambulanten Neurorehabilitation untersucht. Da Depressivität den Behandlungserfolg im Kontext einer ambulanten Neurorehabilitation beeinflussen kann, wurde mit den Depressions-Angst-Stress-Skalen (DASS-21) eine Raschanalyse durchgeführt, um ihre Eignung als Screeninginstrument zu untersuchen.
Ergebnisse und Diskussion: In der ersten Studie wurde explorativ die teilhabebezogene Ergebnisqualität in vier ambulanten Reha-Einrichtungen im österreichischen Vorarlberg erfasst. Es zeigten sich positive Entwicklungen im Reha-Verlauf. In deutschen ambulanten neurologischen Rehabilitationseinrichtungen konnten in Studie 2 mehrheitlich positive Teilhabeentwicklungen im Rehabilitationsverlauf gezeigt werden, darüber hinaus fanden sich aber auch Teilnehmer, deren Teilhabe sich nicht veränderte oder sogar verschlechterte. Als beeinflussende Kontextfaktoren konnten sowohl das Geschlecht als auch das Nettoeinkommen identifiziert werden, wobei die genauen Hintergründe hinsichtlich des Geschlechts noch weiterer Forschung bedürfen. In Studie 3 zeigte sich zudem, dass insbesondere eine niedrige Depressivität am Ende der Rehabilitation die Wahrscheinlichkeit erhöhte, in der Gruppe der Teilhabeverbesserten zu sein. Zu Beginn der Rehabilitation unterschieden sich die Depressivitäts-Werte der zum Ende der Rehabilitation Teilhabeverbesserten und Teilhabeverschlechterten nicht, was auf Einflussmöglichkeiten im Verlauf der Rehabilitation hindeutet. Die Mehrheit der Teilnehmer erfüllte nicht das Vollbild einer klinisch relevanten Depression. Bei der Raschanalyse einer Kurzversion der Depressions-Angst-Stress-Skalen (DASS-21) zeigte sich passend dazu, dass sich insbesondere eine zusammengefasste Skala aus Stress- und Depressions-Items, die den generellen Faktor „psychologischer Distress“ erfassen sollte, für den Einsatz in der ambulanten Neurorehabilitation als besonders geeignet erwies. Auch die Depressions- und die Stressskala konnten jedoch mit einigen Einschränkungen die Kriterien des Rasch-Modells erfüllen, die Angstskala erwies sich bei den Teilnehmern dieser Studie als ungeeignet, die Stichprobe erwies sich hinsichtlich des mit der Angstskala erfassten Angstkonstrukts als wenig ängstlich.
Fazit: Neben ersten, weiter zu erforschenden Erkenntnissen hinsichtlich der ambulanten Neurorehabilitation in Österreich konnten insbesondere Informationen zu unterschiedlichen Teilhabeverläufen und beeinflussenden Kontextfaktoren in der ambulanten Neurorehabilitation in Deutschland gewonnen werden. Insbesondere die kontinuierlich erfasste Variable Depressivität geriet hierbei in den Blickpunkt, die DASS-21 erwiesen sich im Rahmen einer Raschanalyse mit einigen Einschränkungen als geeignetes Screeninginstrument, um besonders gefährdete Patienten herauszufiltern. Neben der Untersuchung weiterer Kontextfaktoren besteht insbesondere noch Forschungsbedarf bei der Frage, welche Unterstützungsmethoden bei psychischem Distress im Rahmen der ambulanten Neurorehabilitation effizient und realistisch umsetzbar eingesetzt werden können
Einleitung
Die Ausscheidung zahlreicher Medikamente über die Nieren erfordert bei Patienten mit CKD (chronic kidney disease) eine sorgfältige Dosisanpassung um Nebenwirkungen zu vermeiden. Ziel der Studie war es zu untersuchen, wie gut die verordnete Medikation bei Patienten mit CKD an die Nierenfunktion angepasst ist, welche Medikamente häufig fehlverordnet werden und Prädiktoren für Fehlverordnungen zu identifizieren.
Methode
In einer Querschnittstudie in 34 Hausarztpraxen in Vorpommern wurde die Medikation von Patienten mit einer CKD ≥ Stadium 3 auf Grundlage der Fachinformation und zusätzlich unter Berücksichtigung von Empfehlungen von Fachgesellschaften ausgewertet. Die verordneten Medikamente wurden mittels ATCCode erfasst. Es wurden kontraindizierte und überdosierte Verordnungen unterschieden. Prädiktive Faktoren für Fehlverordnungen wurden mittels logistischer Regressionsanalyse untersucht.
Ergebnisse
589 Patienten (Ø 78 Jahre, 63 % weiblich) mit einer CKD ≥ Stadium 3 aus 34 Hausarztpraxen wurden eingeschlossen. Sie konnten in 52 % dem CKD Stadium 3a, 37 % dem CKD Stadium 3b und 10 % CKD Stadium 4 und 5 zugeordnet werden. Insgesamt wurden in den Medikationsplänen 5102 Verordnungen erfasst (94,6 % Dauermedikationen, 5,4 % Bedarfsmedikationen). Im Mittel nahm jeder Patient fast 9 verschiedene Wirkstoffe ein (Ø=8,66; SD=3,6). 4,2 % aller Verordnungen waren nach Auswertung der Fachinformationen in der gegebenen Dosierung kontraindiziert (2,1 %) oder überdosiert (2,1 %). Bei 173 Patienten (29 %) war mindestens eine Verordnung betroffen. Der Anteil der Fehlverordnungen sank unter Berücksichtigung von neueren Empfehlungen auf 3,5 %. Metformin, Methotrexat und Kaliumpräparate wurden häufig trotz Kontraindikation verordnet. Ramipril, Sitagliptin und Simvastatin in Kombination mit Ezetimib wurden häufig überdosiert. Wichtigste Prädiktoren für Fehlverordnungen waren CKD Stadium ≥ 3b und die Anzahl der verordneten Dauermedikamente.
Schlussfolgerung
Der Anteil der unangepassten Verordnungen war in Bezug auf die Gesamtmenge aller Verordnungen gering, trotzdem war ein Viertel aller Patienten von mindestens einer unangepassten Verordnung betroffen. Unter zusätzlicher Berücksichtigung von Empfehlungen von Fachgesellschaften sank die Zahl der Fehlverordnungen. Zur klinischen Relevanz der Fehlverordnungen fehlen aussagekräftige Daten und hier besteht weiterer Forschungsbedarf. Für ein besseres Monitoring der Verordnungsqualität von Medikamenten bei CKD in der Hausarztpraxis wird ein Konsens benötigt, der auf Fachinformationen, Empfehlungen von Fachgesellschaften und klinischer Relevanz basiert. Wegen des hohen Aufwands des Einzelabgleichs sollten sich Maßnahmen zur Qualitätssicherung auf Patienten mit CKD Stadium ≥ 3b, Patienten mit Polypharmazie und auf problematische Wirkstoffe konzentrieren.
Ziel dieser Untersuchung war, in einer Längsschnitt-Studie die Effektivität und Effizienz des Handreha-Managements der VBG zu überprüfen. Die Studie hat in der Rehabilitationsforschung, insbesondere der Unfallversicherungsträger, Modellcharakter. Erstmals wurden in einer randomisierten Studie gleichzeitig Selbstbeurteilungsinstrumente zur allgemeinen (SF-36) und spezifischen Gesundheitswahrnehmung (DASH) sowie zur Lebensqualität (EQ-5D) eingesetzt und die vollständigen Fallkosten in ihrer tatsächlichen Höhe im Verlauf erhoben. Die Stichprobengröße betrug n = 198 Patienten. In der Interventionsgruppe wurde ein definiertes Handreha-Management, mit engem Kontakt der Reha-Manager zu Patienten und behandelnden Ärzten, durchgeführt. In der Kontrollgruppe wurden die Steuerung und Überwachung des Heilverfahrens ausschließlich dem behandelnden Arzt überlassen. Seitens der Reha-Manager bestand kein von ihnen ausgehender Kontakt zu den Patienten oder behandelnden Ärzten. Die Selbstbeurteilungsinstrumente wurden in beiden Gruppen zu drei Zeitpunkten eingesetzt sowie die soziodemographischen Kerndaten und die ökonomischen Daten erhoben. In Kenntnis der Vergleichbarkeit der Schweregrade der Verletzungen in beiden Gruppen waren durchgängig Vorteile zugunsten der IG festzustellen. Die mit den Selbstbeurteilungsinstrumenten gemessenen gruppenspezifischen Unterschiede in den Verläufen von T0 zu T2 zeigten deutliche Effektgrößen über den Verlauf und zwischen den Gruppen. Die in beiden Gruppen beobachteten Verbesserungen von T0 zu T2 erreichen insbesondere bei den die körperliche Gesundheit betreffenden Skalen ein Ausmaß, das zum Teil weit über den für „große“ Effekte geltenden Werten liegt. Die Effektgrößen der körperlichen SF-36-Skalen einschließlich des Summenwerts lagen bei Werten über 1, die spezifischen Skalen des DASH sogar bei Werten über 2. Selbst die Veränderungen in den beiden Skalenwerten des EQ-5D waren mit Werten zwischen rund 0,5 und 0,9 als „mittel“ bis „groß“ zu bezeichnen. Auch die Unterschiede in den Veränderungen zwischen IG und KG liegen bei der gewählten Effektgrößenberechnung in diesem Bereich. In der IG war die Dauer der Arbeitsunfähigkeit im Mittel um 32,4 Tage je Fall kürzer. Die Gesamtkosten unterschieden sich zugunsten der IG um im Mittel 4.147,18 Euro je Fall. Die Quote an Renten auf unbestimmte Zeit betrug in der KG 8,3 % und in der IG 2,6 %. Sowohl bei der Dauer der Arbeitsunfähigkeit als auch bei den Renten erschienen das Monitoring der Reha-Manager und das Ergebnis einer intensiveren Übungsbehandlung als kumulative Ergebnisträger. Bei der Dauer der Arbeitsunfähigkeit schien der steuernde Anteil der Reha-Manager gegenüber der Übungsbehandlung den höheren Wirksamkeitsanteil zu haben. Bei den Renten schien der höhere Wirksamkeitsanteil eher bei der Übungsbehandlung zu liegen. Der Einsatz der Selbstbeurteilungsinstrumente zeigte erhebliche Krankheitsfolgen in mehreren Dimensionen der Lebensqualität. Diese Defizite deuteten auf den komplexen und zu steuernden Rehabilitationsbedarf hin. Das Handreha-Management der VBG mit seiner Intervention führte im Bereich der Verordnung von Physio- und Ergotherapie bei distalen Radiusfrakturen zu einer nach dem Unfall schneller einsetzenden, kürzeren und weniger Behandlungseinheiten umfassenden Versorgung. Höhere Therapiekosten waren, auch ohne Budgetschranken, in der Interventionsgruppe nicht zu beobachten. Dies und die mit den Selbstbeurteilungsinstrumenten gemessenen Effektgrößen untermauerten die Wertigkeit des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens. Reha-Managementverfahren, die eine strukturierte Nachbehandlung im Sinne einer kombinierten Therapie und ein Monitoring beinhalten, werden in ihrer Bedeutung und ihren Auswirkungen noch unterschätzt. Insbesondere bei der Verordnung von Ergotherapie fielen deutliche Defizite auf. Eine unterstützende Steuerung scheint daher geboten. Die Kombination beider Therapieverfahren scheint im Zusammenwirken aller Beteiligten einen größeren Behandlungserfolg zu sichern. In diesem Sinne war die Behandlungssteuerung im Kontext des Handreha-Management effektiv und effizient. Bei deutlich geringeren Kosten konnte ein besseres Outcome erreicht werden.
Hintergrund:
Geschlecht und Gender sind nicht nebensächlich, sondern spielen eine relevante Rolle in der kindlichen Entwicklung, Erziehung und Gesundheit. Die Diskurse um Geschlecht und Gleichstellung lassen hingegen häufig den durchschnittlichen Reifungsvorsprung der Mädchen außer Acht. Auf diese Weise wird die Kluft zwischen den Geschlechtern bereits im Vorschulalter in beunruhigendem Maße betont. Durch die dichotome Geschlechterperspektive geraten außerdem andere entscheidende Einflussfaktoren wie die soziale und die ethnische Herkunft der Kinder in den Hintergrund. Diese Dissertation setzt den Schwerpunkt daher auf eine angemessene Analyse der Kategorie Geschlecht in ihrer immerwährenden Interaktion mit Anlage und Umwelt.
Methoden:
Die Betrachtungen beruhen auf Daten zu N = 6.447 Kindergartenkindern aus Mecklenburg-Vorpommern (M-V), die im Rahmen der kontrollierten prospektiven Kohortenstudie „Summative Evaluation KiföG M-V“ erhoben wurden. Zur Einschätzung kindlicher Kompetenzen kam das „Dortmunder Entwicklungsscreening für den Kindergarten“ (DESK 3-6) zur Anwendung; weiterhin wurde ein Elternfragebogen zur Erhebung des Sozialstatus eingesetzt. Auf der Grundlage geschlechtsinsensibler Normen erfolgte die Ermittlung kompetenzspezifischer Geschlechtsunterschiede in Abhängigkeit vom Kindesalter, vom Bildungshintergrund und vom Migrationsstatus. Geschlechtsspezifische Normen fanden anschließend Anwendung für die erneute Errechnung der Screeningbefunde von n = 4.251 Kindern im Alter von 48 bis 83 Monaten. Das Effektstärkemaß Cohen’s d diente dabei der Beurteilung der praktischen Relevanz der Geschlechterdifferenzen.
Ergebnisse:
Unter Anwendung der geschlechtsinsensiblen Gesamtnormen schnitten die Jungen jeden Alters schlechter ab – in allen Entwicklungsbereichen und unabhängig vom Kindesalter, vom Bildungshintergrund und vom Migrationsstatus manifestierten sich stets Geschlechtsunterschiede zugunsten der Mädchen. Diese Differenzen vergrößerten sich meist mit zunehmendem Alter und waren stellenweise stärker ausgeprägt bei Kindern aus bildungsnahen Elternhäusern bzw. bei Kindern nicht-deutscher Nationalität. Analysen auf der Grundlage geschlechtsspezifischer Normen ergaben allerdings ein andersartiges, buntes Bild und keine konsistenten Vorteile für ein Geschlecht: Die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen waren alles in allem nicht pädagogisch und praktisch bedeutsam, die Stärken und Schwächen geschlechtstypisch, aber nicht geschlechtsspezifisch verteilt. Die Berücksichtigung geschlechtsbedingter Besonderheiten hatte auch auf die Ermittlung von Entwicklungsrisiken im feinmotorischen und im psychosozialen Bereich einen Einfluss: Die Prävalenzraten wurden dabei durch die geschlechtsinsensiblen Normen für Mädchen mehrheitlich unterschätzt, für Jungen überschätzt.
Schlussfolgerungen:
Die besondere Beachtung geschlechtsspezifischer Entwicklungsaufgaben und Entwicklungsbedingungen entschärft einerseits die „Jungenkrise“ und ermöglicht andererseits eine erweiterte, eine biopsychosoziale Perspektive: Die Unterschiede in den Lernwelten und Lebenswegen von Mädchen und Jungen sind nicht monokausal, sondern multidimensional zu erklären. Statt die Geschlechter gegeneinander auszuspielen, sollte deshalb das Augenmerk auf der Koexistenz von Stärken und Schwächen innerhalb der Geschlechter liegen. Differenzierungen und Diversitäten müssen dringend den Platz von Pauschalisierungen einnehmen, um Behinderungen durch Begriffe und Bilder von Geschlecht gewissenhaft zu umgehen und in angemessener Art und Weise auf ethnische und soziale Herkunft Rücksicht zu nehmen. Im Sinne der Strategien des „Gender Mainstreaming“ und „Managing Diversity“ werden so intersektionale, interdisziplinäre Maßnahmen für mehr Chancengleichheit ins Rollen gebracht. Für frühzeitige Förderung und Frühintervention erscheint entsprechend ein Fokus auf Fähigkeiten und Fertigkeiten statt allein auf Geschlecht und Gender vielversprechend. Kompetenzspezifische, kompensatorische, kultursensible Präventionsansätze bieten die beste Chance, bereits bei Kindergartenkindern die Divergenzen nicht nur im Hinblick auf Geschlecht und Gender, sondern auch auf Ethnizität und Milieu zu verringern.
Die Zahl der Menschen mit Demenz (MmD) nimmt auch in den Krankenhäusern zu. Die Stationen sind üblicherweise auf eine Akutbehandlung ausgelegt, dies macht das Eingehen auf MmD schwierig. Sich dadurch ergebende mögliche Konsequenzen erstrecken sich von einer ungeplanten Wiedereinweisung über eine Heimeinweisung bis hin zum Tod des Patienten.
Verschiedene Studien konzentrieren sich auf die kurzfristigen Folgen einer Hospitalisierung
von MmD. Nur einige Studien erfassten Langzeitfolgen. Diese Informationen sind jedoch
bedeutend, um die Versorgung von MmD zu verbessern.
In der vorliegenden systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse wird ein Überblick zu
den Langzeitfolgen (ungeplante Wiedereinweisung, Institutionalisierung und Mortalität) einer Hospitalisierung von MmD gegeben. Es werden Prädiktoren erfasst, die mit negativen Folgen
eines Krankenhausaufenthaltes assoziiert sind. Um alle relevanten Publikationen zum Thema zu erfassen, wurde eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken PubMed, CENTRAL und ScienceDirect durchgeführt. Die Qualität der einzelnen relevanten Studien
wurde in einem Formular zu Bewertung der Studien dokumentiert. Die Ergebnisse wurden in
einer Tabelle zusammengefasst, die Metaanalyse wurde mittels Review Manager 5.3 der Cochrane Collaboration berechnet.
Die systematische Literaturrecherche führte zu 1108 Artikeln, hiervon erfüllten 20 Artikel die Einschlusskriterien. 10 Studien wurden mit einer Kontrollgruppe durchgeführt und demnach in die Metaanalysen eingeschlossen. Die Inzidenz und das Relative Risiko für die Mortalität von
MmD (RR: 1,74 [95 %-KI 1,50-2,05]) und die Institutionalisierung (RR: 2,16 [95 %-KI 1,31-
3,56]) waren signifikant erhöht im Vergleich zu Menschen ohne Demenz. Die Ergebnisse bezüglich der ungeplanten Wiedereinweisung waren nicht aussagekräftig. Wichtige Faktoren, welche mit diesen Folgen assoziiert waren, waren der Schweregrad der Demenz, die Anzahl der eingenommen Medikamente und der Umfang der benötigten Hilfe bei der Verrichtung der Aktivitäten des täglichen Lebens.
Die Ergebnisse dieser Arbeit sprechen dafür, dass eine umfassendere Betreuung von MmD sowohl im Akutkrankenhaus als auch in der Häuslichkeit nötig ist. Außerdem sollten alle Prozesse an den Schnittstellen dieser Bereiche, insbesondere das Krankenhausentlassungsmanagement, weiter intensiviert und verbessert werden.
Die Untersuchung der Versorgungssituation wurde in zwei Teilstudien durchgeführt. Die erste Teilstudie untersuchte die epidemiologische Lage zur Prävalenz des diabetischen Fußsyndroms und dessen Risikofaktoren und die zweite Teilstudie untersuchte das Problembewusstsein und den Umsetzungsstand von Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung eines diabetischen Fußsyndroms bei den Diabetespatienten. Die vorherrschende Versorgungssituation von Patienten mit diabetischem Fußsyndrom ist optimierbar. Defizite bei der Prävention, lückenhaftes Problembewusstsein der Patienten und die Durchführung ungeeigneter Maßnahmen bei der Prävention zeigen sich an der hohen Prävalenz des diabetischen Fußsyndroms. Risikofaktoren für die Entstehung eines diabetischen Fußsyndroms sind identifiziert und häufig diagnostiziert, aber die Patienten wissen häufig nichts über diese Diagnosen und setzen entsprechende Präventionsmaßnahmen nicht um.
Die deutsche Gesellschaft altert. Dabei sind Daten zu demographischen, sozioökonomischen, Lifestyle- und medizinischen Faktoren, die mit Gesundheit im Alter gekoppelt sind, schwer zu finden. Die vorliegende Dissertation hat die Zielsetzung, auf einer epidemiologischen Basis Faktoren zu identifizieren, die mit einem hohen Gesundheitsstatus im fortgeschrittenen Lebensalter assoziiert sind und grenzt sich damit von bisherigen Arbeiten zum Thema Alter und Altern ab, die sich vor allem mit krankheitsverursachenden Faktoren beschäftigten. Um aus einer populationsbasierten Stichprobe, der Study of Health in Pomerania (SHIP), aussagefähige Ergebnisse ableiten zu können, wurde angesichts der überragenden Bedeutung kardiovaskulärer Erkrankungen für Morbidität und Mortalität im höheren Lebensalter ein hoher Gesundheitsstatus als Abwesenheit von kardiovaskulären Erkrankungen definiert. Der erste Teil der Study of Health in Pomerania (SHIP-0) begann 1997 mit der Erfassung der Daten von über 4000 Probanden, mit dem Ziel, durch die Herausarbeitung zahlreicher Einflussfaktoren Krankheit in ihrer Komplexität zu verstehen. In der vorliegenden Arbeit wurden nur die 65-Jährigen und älteren Probanden der SHIP-0 in die Untersuchungen eingeschlossen und drei Gruppen zugeteilt: - Kardiovaskulär gesunde Probanden - Probanden mit vorhandenen Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen - Probanden mit kardiovaskulär organmanifesten Erkrankungen. Von den 1019 65-Jährigen und älteren Probanden der SHIP-0-Kohorte gingen 976 Individuen mit vollständigen Datensätzen in die Analysen ein. Nach Adjustierung für Alter und Geschlecht fanden sich folgende demographische, Lifestyle-, psychosoziale und biometrische Variablen, die mit kardiovaskulärer Gesundheit im Alter assoziiert waren: Eine gute psychische Verfassung, erfasst anhand einer modifizierten Form der von Zerssen-Beschwerden-Liste zeigte eine positive Assoziation mit kardiovaskulärer Gesundheit. Aber auch Probanden, die zum Zeitpunkt der Befragung Zigaretten rauchten waren eher kardiovaskulär gesund, wohingegen Probanden, die jemals im Leben geraucht haben, dies zum Zeitpunkt der Befragung jedoch nicht mehr taten, eine verminderte Chance für kardiovaskuläre Gesundheit aufwiesen. Dieses scheinbare Paradoxon ist mit der Angabe eines Großteils der Probanden, das Rauchen aufgrund von gesundheitlichen Problemen beendet zu haben, zu erklären. Wir fanden eine negative Assoziation zwischen regelmäßiger sehr guter Ernährung, beurteilt anhand eines food frequency scores, und kardiovaskulärer Gesundheit. Weiterhin zeigte sich eine negative Assoziation mit kardiovaskulärer Gesundheit bei Vorliegen einer Fettleber/ Leberzirrhose, Hypertonus bei Eltern oder Geschwistern, bei Probanden, die keine abgeschlossene Ausbildung haben und die ein Haustier besitzen. Die Quickwerte der kardiovaskulär kranken Probanden lagen im Schnitt signifikant niedriger, als in den beiden Vergleichsgruppen, erklärbar durch eine bestehende Medikation mit Vitamin-K-Antagonisten. Desweiteren konnte eine negative Assoziation zwischen erhöhten Kreatininwerten, Harnsäurewerten, erhöhten Glukose- und HbA1c-Werten, höheren Leukozytenzahlen, höheren ptt-Werten und kardiovaskulärer Gesundheit gefunden werden. Bezüglich der Lipidwerte zeigten erhöhte Triglyzeridwerte eine negative, höhere Apolipoprotein A1- und HDL-Cholesterinwerte eine positive Assoziation mit kardiovaskulärer Gesundheit. Die Gesamtcholesterin- und LDL-Cholesterinwerte wiesen ebenfalls einen signifikanten Zusammenhang mit kardiovaskulärer Gesundheit auf, wobei die Werte der Kranken deutlich niedriger lagen, als die der Vergleichsgruppen, beeinflusst durch eine häufig bestehende Therapie mit ß-HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren. In den multivariaten Analysen blieb, wiederum adjustiert für Alter und Geschlecht, ein Zusammenhang mit kardiovaskulärer Gesundheit im Alter >=65 Jahren für die folgenden Faktoren bestehen: eine in der Selbsteinschätzung gute psychische Verfassung, das Fehlen einer abgeschlossenen Berufsausbildung, die Tatsache jemals im Leben geraucht zu haben und erhöhte Harnsäurewerte. Bei direkter Gegenüberstellung der Gesunden und der kardiovaskulär kranken Probanden fanden sich zusätzlich Ernährungsgewohnheiten und der Laborparameter Apolipoprotein A1 als unabhängige assoziierte Faktoren für kardiovaskuläre Gesundheit. Die Ergebnisse der vorliegenden Dissertation zeigen auf, dass aus der Fülle der erhobenen Variablen nur einige wenige, einfach identifizierbare und messbare Faktoren verbleiben, die mit dem kardiovaskulären Gesundheitsstatus im höheren Alter assoziiert sind. Darunter finden sich sowohl biographische Faktoren weit zurückliegender, nur langfristig und gesamtgesellschaftlich beeinflussbarer Ereignisse, als auch aktuelle, potentiell gut und einfach modifizierbare Faktoren der Querschnittserhebung.
Zusammenfassung Die vorliegende Arbeit wurde mit dem Ziel konzipiert, Aussagen zu möglichen Subgruppenbildungen einer Stichprobe chronischer Schmerzpatienten zu treffen, die im Rahmen eines multimodalen Konzeptes behandelt wurden. Insgesamt vier Subgruppensysteme konnten bestimmt werden, welche nach unterschiedlichen Gesichtspunkten gebildet wurden. Ziel war es, diese Subgruppensysteme hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit und Bedeutung in der Behandlung chronischer Schmerzpatienten zu untersuchen und miteinander zu vergleichen, um Rückschlüsse auf deren Praktikabilität und Einsatzmöglichkeit in der täglichen Praxis zu ziehen und im Umkehrschluß auch zu hohe Erwartungen an den therapeutischen Verlauf und vermeintliche Behandlungsergebnisse zu relativieren. Um letztlich vier Subgruppensysteme zu erhalten, wurden zur Subgruppenbildung zu Hilfe genommen: - Hauptdiagnosen mittels der ICD. Hiervon konnten zwei Subgruppen gebildet werden, und zwar nach Lokalisation und nach Bewertung der jeweiligen Haupt- und ausgewählten Nebendiagnosen - Behandlungspfadsystem der Klinik für Manuelle Medizin Sommerfeld - Sommerfelder Diagnostiksystem Die zu prüfenden Fragestellungen wurden wie folgt formuliert: 1) Welches der 4 Subgruppensysteme ist am geeignetsten, Veränderungen im Zeitverlauf (zwei Meßzeitpunkte, zu Beginn und am Ende der Behandlung) der betrachteten Indikatoren NRS, PDI und HADS (Angst + Depression) am besten zu prädizieren und somit Aussagen über den zu erwartenden Behandlungserfolg zu treffen? 2) Welche Patientengruppen profitieren am meisten von der Behandlung im Rahmen der multimodalen Schmerztherapie in der Klinik für Manuelle Medizin und Schmerzmedizin Sommerfeld, gemessen an der Stärke der Veränderung der vier Variablen NRS, PDI und HADS (Angst + Depression)? Greift man die erste Fragestellung auf, zeigt sich, daß das Subgruppensystem Bewertung der Hauptdiagnose bei drei der vier Variablen praktisch relevante Aussagen über Behandlungsverlauf und -erfolg machen kann. Jedoch nur gemeinsam mit dem Subgruppensystem Pfadsystem gelingt es, alle vier Variablen abzudecken. Hinsichtlich der Beantwortung der zweiten Fragestellung ist die Betrachtung der errechneten Effektgrößen hilfreich. Patientengruppen mit den höchsten Effektgrößen profitieren am meisten von der Therapie. Diese finden sich in der Patientengruppe LWS-Beschwerden im Subgruppensystem Lokalisation des Hauptschmerzortes für die Variable NRS. Sobald zu den somatisch geprägten Subgruppen psychische Einflußfaktoren hinzukommen, stellen sich die Effektgrößen deutlich geringer dar. Diese Patientengruppen scheinen somit weniger von der multimodalen Schmerztherapie zu profitieren, wenn die Messung des Therapieerfolges anhand der erwähnten Variablen erfolgt. Für diese Fragestellung nicht berücksichtigt werden kann die Vielfalt an nicht meßbaren Größen wie Anbahnung einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung, Etablierung eines Krankheitsverständnisses oder auch Erlernen adäquater Schmerzbewältigungsstrategien.
Ziel der Studie: Mit Einführung der HPV-Impfung für 12- bis 17-jährige Mädchen besteht in Deutschland erstmals die Möglichkeit der primären Krebsprävention von Gebärmutterhalskrebs. Der Bekanntheitsgrad der Impfung sowie die positive Impfakzeptanz der Zielgruppe sind maßgebliche Kriterien im Entscheidungsprozess für die Durchführung der Impfung. Die vorliegende Studie untersucht verschiedene objektive Einflussfaktoren auf das Impfverhalten von 14- bis 17-jährigen Jugendlichen in Bezug auf die HPV-Impfung. Methoden: Grundlage der Studie ist die Datenbasis einer im Juni 2008 in Bad Oeynhausen, Nordrhein-Westfalen, durchgeführten Querschnittsstudie. An allen weiterführenden Schulen der Stadt wurde je eine Klasse der Jahrgangstufen acht bis elf zufällig ausgewählt und die anwesenden Mädchen und Jungen mittels eines anonymisierten Fragebogens zu ihrem Impfverhalten und ihrem Wissensstand über HPV, Gebärmutterhalskrebs und die HPV-Impfung befragt. In bivariaten Analysen und einer logistischen Regression wurde der Einfluss der Variablen Alter, Geschlecht, Bildung, sexuelle Aktivität und Wissensstand über HPV, Gebärmutterhalskrebs und die HPV-Impfung auf die Impfbereitschaft der Jugendlichen getestet. Ergebnisse: 73% der Mädchen und 61% der Jungen bekundeten eine positive Impfbereitschaft für die HPV-Impfung. Dies spiegelte sich bei den Mädchen auch in der Durchimpfungsrate von 46,2% wider. Hauptbeweggründe einer Entscheidung für die HPV-Impfung waren der erwartete Schutz vor Gebärmutterhalskrebs sowie eine Impfempfehlung durch die Familie oder Verwandte. Gründe der Ablehnung waren fehlende Informationen über die Impfung, Angst vor eventuellen Nebenwirkungen und Zweifel an der Effektivität. Nur 48% der Mädchen und 20% der Jungen kannten die sexuell übertragbaren Humanen Papillomviren. Die Studienergebnisse belegen, dass die Mehrheit der Jugendlichen keinen Zusammenhang zwischen den HP-Viren und HPV-assoziierten Krebserkrankungen herstellen konnte. Die abschließende logistische Regression zeigte, dass ein guter Wissensstand über HPV, Gebärmutterhalskrebs und die HPV-Impfung der einzige signifikante Prädiktor für eine positive Impfbereitschaft ist unabhängig vom Alter, der Bildung und dem Sexualverhalten der Jugendlichen. Schlussfolgerung: Zur Steigerung der Impfakzeptanz der HPV-Impfung und Erhöhung der flächendeckenden Durchimpfungsraten muss der Wissensstand der Jugendlichen über HPV, den Übertragungsweg und den Zusammenhang mit HPV-assoziierten Krebserkrankungen verbessert werden. Dies könnte im Rahmen von Aufklärungskampagnen über die Medien und im Schulunterricht, der für alle Jugendlichen zugängig ist, erfolgen. Nur diejenigen, die Kenntnis über das Infektionsrisiko und die Ursachen HPV-assoziierter Krebserkrankungen gewinnen, können Präventionsmaßnahmen zum Eigenschutz vor einer möglichen Infektion ergreifen.
Die Neugeborenenuntergewichtigkeit ist ein Produkt verschiedenster intrauteriner Einflussgrößen und ist mit ausgeprägten individuellen als auch gesellschaftlichen Früh- und Spätfolgen verbunden. Zum jetzigen Zeitpunkt liegen keine aktuellen Daten zum niedrigen Geburtsgewicht bzw. dessen maternalen Risikofaktoren für die Region Ostvorpommern vor. Aus diesem Grund standen körperliche und soziale Einflussgrößen sowie Ernährungs- und Rauchgewohnheiten von Frauen während der Schwangerschaft und deren Auswirkung auf die Prävalenz des niedrigen Geburtsgewichts in der Studienregion im Untersuchungsfokus. Der Survey of neonates in Pomerania (SNiP) war in dem Zeitraum von April 2004 bis März 2006 mit einer Erfassungsrate von 95,6 % populationsbasiert. Von den insgesamt 2395 gebärenden Frauen mit Wohnsitz in der Studienregion, nahmen letztendlich 78,8 % an der Studie teil. 6,8 % aller Neugeborenen (5,5 % der Einlinge; 51,0 % der Zwillinge) waren unabhängig von der Schwangerschaftsdauer leichter als 2500 g. Von diesen waren 1,6 % der reifen Einlinge sowie 30,4 % der 23 reifen Zwillingskinder bzw. 1,5 % aller reif geborenen Kinder mit einem Geburtsgewicht von weniger als 2500 g hypotroph. Bemessen an den Perzentilengrenzwerten kleiner/gleich 3. bzw. 10. Perzentile waren 2,2 % bzw. 8,3 % aller neugeborenen Kinder zu leicht für ihr Gestationsalter (small for gestional age, SGA). In den Untersuchungen stellten sich das mütterliche Untergewicht, eine den Empfehlungen entsprechende Gewichtszunahme, ein Lebensalter < 20 Jahre, Schulbildung < 10 Jahre, monatliches Nettoäquivalenzeinkommen < 750 €, Unterschichtzugehörigkeit, Nikotinabusus während der gesamten Schwangerschaft, Vegetarismus sowie eine fehlende Folsäure- und Multivitamineinnahme als Risikofaktoren für ein niedriges Geburtsgewicht in der Studienregion heraus. In den multivariaten Analysen, welche die o.g. mütterlichen Faktoren (außer maternale Erkrankungen und Ernährung) enthielten, waren insbesondere eine fehlende Einnahme von Multivitaminen, sowie das Rauchen während der gesamten Schwangerschaft mit einer deutlichen Risikoerhöhung für die Neugeborenenuntergewichtigkeit verbunden. Dabei erhöhte eine fehlende Einnahme von Multivitaminen das Risiko für ein Geburtsgewicht kleiner/gleich der 10. um den Faktor 1,75. Das Rauchen während der gesamten Schwangerschaft war 1,66-mal häufiger mit einem Geburtsgewicht kleiner/gleich der 10. Perzentile assoziiert. Eine niedrigere Schulbildung hatte im multivariaten Modell keinen signifikanten Einfluss auf die Neugeborenenuntergewichtigkeit. Im Hinblick auf die räumliche Verteilung der Neugeborenenuntergewichtigkeit in der Studienregion zeigten sich keine eindeutigen Unterschiede. Dennoch wies Wolgast den größten Anteil an Kindern mit einem Neugeborenengewicht kleiner/gleich der 10. Perzentile auf. Im Anklamer Umland war die Quote an zu leichten reifen Einlingen (Geburtsgewicht < 2500 g) mit 3,0 % am größten. Dagegen waren in Anklam die Neugeborenen kleiner/gleich der 3. Perzentile mit 3,4 % am zahlreichsten vertreten. Zudem konnte SNiP eine signifikante unterschiedliche lokale Verteilung von soziodemografischen Risikomerkmalen und - verhaltensweisen (Lebensalter < 20 Jahre, Schulbildung < 10 Jahre, Nettoäquivalenzeinkommen < 750 €, Unterschichtzugehörigkeit, Nikotinabusus, fehlende Folsäure- und Multivitamineinnahme) von Wöchnerinnen in der Region Ostvorpommern zeigen. Demgemäß stellten sich hierfür insbesondere Anklam, das Anklamer Umland sowie Wolgast als risikoreiche Regionen innerhalb Ostvorpommerns heraus. Keine bedeutsamen innerregionalen Unterschiede ergaben sich hinsichtlich des mütterlichen Körpergewichtes, der optimalen Gewichtszunahme, des täglichen Zigarettenkonsums, maternalen Erkrankungen sowie der Ernährungsform und -änderung. SNiP konnte anhand dieser Ergebnisse weitgehend zeigen, dass auch in Ostvorpommern die in der Literatur anerkannten maternalen Risikofaktoren für die Neugeborenenunterwichtigkeit von Bedeutung sind und deutliche Unterschiede hinsichtlich ihrer räumlichen Verteilung in Ostvorpommern existierten. Durch die zeitnahe Analyse und Bewertung der mütterlichen Merkmale anhand der Daten des Neugeborenensurvey war es erstmalig möglich, maternale Risikogruppen und „risikobehaftete“ Verhaltensweisen sowie „lokale soziale Brennpunkte“ herauszufinden. Darauf fußend kann eine Erarbeitung geeigneter bzw. Optimierung bereits verwirklichter Präventionsmaßnahmen in der Region möglich werden. Jedoch sind in Zukunft weitere Untersuchungen regionaler und zeitlicher Trends für Ostvorpommern erforderlich, um auch weiterhin eine Optimierung der Schwangerschaftsvorsorge und Präventionsarbeit zu ermöglichen.