Refine
Document Type
- Doctoral Thesis (2)
Language
- German (2)
Has Fulltext
- yes (2)
Is part of the Bibliography
- no (2)
Keywords
- Barrieren (2) (remove)
Institute
Hintergrund: 11000 Männer sterben jedes Jahr allein in Deutschland an Prostatakrebs, 50000 er-kranken jährlich neu. Wird die Erkrankung frühzeitig genug erkannt, ist die Prognose nach Behandlung gut – aber da sie sich erst im sehr späten Stadium in klinischen Symptomen manifestiert, bleibt neben Zufallsbefunden die Krebsfrüherkennungsun-tersuchung die einzige Möglichkeit für eine rechtzeitige Diagnose. Diese Möglichkeit wird aber nur von wenigen, nämlich nicht einmal 20 % der anspruchsberechtigten Männer, wahrgenommen. Diesen Anteil zu erhöhen, sollte diese Arbeit Grundlagen schaffen, da die Ursachen für die spärliche Inanspruchnahme der bedeutenden Prä-valenz der Erkrankung zum Trotz bisher kaum untersucht wurden. Material und Methoden: Es wurden 178 Männer, die älter als 44 Jahre waren, in zwei Hausarztpraxen und auf drei Krankenhausstationen gebeten, an einem Interview teilzunehmen und einen Fragebogen auszufüllen. Die Interviews waren teilstrukturiert und orientierten sich an den Dimensionen Risikowahrnehmung, Handlungs-Ergebnis-Erwartung und Selbst-wirksamkeitserwartung, die von einem sozial-kognitiven Prozessmodell postuliert werden, dem „health action process approach“ von R. Schwarzer; die Messung der Selbstwirksamkeitserwartung wurde zusätzlich innerhalb des Fragebogens mittels eines geeigneten Instruments validiert. 64 der angesprochenen Männer nutzten die angebotene KFU bereits regelmäßig, 18 lehnten eine Teilnahme ab und drei waren an Prostatakrebs erkrankt und wurden somit nicht miteinbezogen. Außerdem gingen die ersten zehn Interviews aus Grün-den der Qualitätssicherung nicht in die Analyse ein, sodass schließlich 83 teilstruktu-rierte Interviews inhaltsanalytisch ausgewertet werden konnten. Das Durchschnittsal-ter der Probanden betrug 59 Jahre. Ergebnisse: 81 % hielten Prostatakrebs in der Bevölkerung für sehr häufig; aber nur 16 % sahen für sich selbst ein entsprechendes Risiko, daran zu erkranken. 33 % der Teilnehmer waren durch ihren Hausarzt über die KFU informiert worden, 54 % erinnerten sich zumindest an seine Empfehlung – der Großteil hatte aber aus den Medien oder von Bekannten von der Vorsorge gehört. 78 % aller Befragten hielten die angebotene Untersuchung für sehr zuverlässig und sogar 89 % die Erkrankung bei früher Diag-nose für gut therapierbar und vermuteten richtig, dass eine spätere Diagnose auch eine deutlich schlechtere Prognose zur Folge hätte. 63 % konnten sich nicht vorstel-len, wie die Krebsfrüherkennungsuntersuchung konkret ablaufen könnte. In 77 % war das größte Hindernis, dass die Betroffenen keinerlei Schmerzen oder andere Sym-ptome an sich selbst bemerkten. Für 24 % waren die Kosten des PSA-Tests und für 20 % die langen Wartezeiten bei Ärzten hinderlich. Insgesamt wurden deutlich mehr internale oder emotional-kognitive Barrieren als organisatorisch-strukturelle genannt. Diskussion: Es fiel auf, dass der Sinn einer Vorsorgeuntersuchung, nämlich Krankheiten zu ent-decken, bevor sie symptomatisch werden, kaum bei den Probanden auch in diesem Sinne verstanden worden war. So war eben für einen Großteil der Befragten eine wichtige Barriere auf dem Weg zur KFU, dass sie keine Schmerzen oder andere Be-schwerden hätten und nur weniger als 10 % der Teilnehmer konnten sich vorstellen, dass sie womöglich ein Prostatakarzinom auch ohne Beschwerden haben könnten. Es gab insgesamt nicht einen Probanden, der nicht schon einmal von der Prostata-KFU gehört hätte; dass sich aber eine bessere Aufklärung leistende Kommunikation, vielleicht besonders seitens der Hausärzte dennoch lohnten könnte, zeigt sich darin, dass sich sehr viele der Befragten unter der Untersuchung selbst nichts vorstellen konnten und auch nur etwa die Hälfte der Befragten sich an eine Empfehlung ihres Hausarztes erinnerte. So ließen sich die größten Hindernisse im Feld der Risikowahrnehmung finden; im Bereich einer Handlungs-Ergebnis-Erwartung erscheint weiterhin problematisch, dass viele Männer durch die mangelnde Information über Möglichkeiten und vor allem Durchführung der Krebsfrüherkennungsuntersuchung verunsichert sein könnten; im Bereich einer Selbstwirksamkeitserwartung ließen sich keine Defizite feststellen. Für künftige Interventionen scheint sich außerdem eher der „häusliche Rahmen“ an-zubieten, da die im Krankenhaus gewonnenen Probanden häufiger und mehr Barrie-ren zur KFU angaben und daher womöglich der Teilnahme an oder auch nur Infor-mationen über die angebotene Krebsfrüherkennungsuntersuchung weniger aufge-schlossen gegenüberstehen als die bei ihrem Hausarzt befragten.
Jährlich erkranken in Deutschland mehr als 70 000 Menschen an einem Kolorektalen Karzinom (KRK). Es ist damit einesder häufigsten Malignome in Deutschland. Die Prognose einer am KRK erkrankten Person ist stark abhängig vom Stadium des Tumors zum Zeitpunkt der Entdeckung. Eine frühzeitige Diagnosestellung ist entscheidend für den gesamten weiteren Verlauf. Aufgrund der häufig langen Symptomlosigkeit des KRK sind Früherkennungsuntersuchungen daher von besonderer Bedeutung. Eine Methode, die sich in den letzten Jahren als Goldstandard etabliert hat, ist die Koloskopie. Seit Oktober 2002 gehört sie in Deutschland zu den von den Krankenkassen finanzierten Screeninguntersuchungen. Die besondere Bedeutung der Koloskopie steht im Zusammenhang mit der Pathogenese des KRK. Ein Großteil aller KRK entsteht aus zunächst gutartigen Epitheldysplasien, den Adenomen. Mit Hilfe der Koloskopie können KRK sowie Adenome erkannt und Adenome durch eine in derselben Sitzung mögliche Polypektomie entfernt werden. Das KRK kann so nicht nur frühzeitig diagnostiziert, sondern bereits seine Entstehung verhindert werden. Bis zum Jahr 2007 nahmen rund 2,9 Mio. der Berechtigten eine Screeningkoloskopie in Anspruch. Die kumulierten Teilnahmeraten der Jahre 2002 bis 2007 lagen bei 14,2 % (Männer) bzw. 15,8 % (Frauen).Angesichts dieser nur geringen Teilnahmeraten stellte sich die Frage nach den Ursachen der eingeschränkten Inanspruchnahme. In vorliegender Studie wurden die Gründe und beeinflussenden Faktoren der Nicht-Inanspruchnahme mit Hilfe qualitativer Methodik untersucht. Erhebungsinstrumente waren ein halbstrukturiertes Interview auf Grundlage eines Interviewleitfadens sowie ein ergänzender Fragebogen zu demographischen Merkmalen. Inhaltlich stützte sich der Leitfaden auf den Health Action Process Approach (HAPA)- eines von Ralf Schwarzer entwickelten Modells zur Erklärung von Verhaltensänderungen. Entscheidend für dieses Modell ist die Unterteilung einer Verhaltensänderung in zwei Phasen. In der zunächst ablaufenden Motivationsphase kommt es durch Einflüsse der Risikoerwartung, Selbstwirksamkeitserwartung sowie Handlungsergebniserwartung zur Bildung einer Intention, die in der anschließenden Volitionsphase in die entsprechende Handlung umgesetzt wird. Bei Erstellung des Interviewleitfadens lag ein besonderes Augenmerk auf den beeinflussenden Faktoren der Motivationsphase. Einen Schwerpunkt bildete dabei die Handlungsergebniserwartung mit Erfragung von konkreten Barrieren und Vorteilen. Die Selbstwirksamkeitserwartung wurde außerdem in dem ergänzenden Fragebogen erfasst. Die Befragungen fanden in Hausarztpraxen in der ländlichen Umgebung von Greifswald, im Universitätsklinikums Greifswald sowie in Privathaushalten in der Umgebung von Dresden statt. Insgesamt wurden 60 Personen interviewt, 50 Interviews wurden in die Auswertung einbezogen. Eingeschlossen wurden Personen ab 55 Jahren ohne KRK in der Eigenanamnese, bei denen noch keine Koloskopie durchgeführt worden war. Bis auf eine Person befanden sich alle Interviewteilnehmer bezüglich einer Koloskopieteilnahme in der Motivationsphase oder hatten sich noch nicht mit der Screeningkoloskopie auseinander gesetzt. Die Gründe der geringen Teilnahme sind daher in erster Linie im Zusammenhang mit präintentionalen Faktoren zu suchen. Dabei zeigte sich eine insgesamt hohe allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung, während die Risikoerwartung der Interviewteilnehmer gering war. Bei den konkret genannten Barrieren spielten vor allem emotional-kognitive Faktoren eine Rolle. Organisatorische Hindernisse wurden als weniger bedeutsam empfunden. Die mit Abstand am häufigsten erwähnte Barriere war „Symptomlosigkeit“, gefolgt von „Verdrängung“, „unangenehme Untersuchung“, „Sorge/Angst vor dem Ergebnis“ sowie „keine Arztempfehlung“. Vorteile der Untersuchung wurden deutlich weniger genannt, wobei „Beruhigung“ und „Wissen“ im Vordergrund standen. Der Hauptvorteil der Koloskopie, die Verhinderung des KRK durch Polypektomie, wurde von keinem der Befragten erwähnt. Insgesamt wiesen sowohl die konkreten Barrieren als auch die Antworten auf die Fragen zum KRK und der Koloskopie sowie die genannten Vorteile auf einen unzureichenden bzw. falschen Wissensstand hin. Darüber hinaus waren während der Interviews deutliche Verdrängungstendenzen durch eine automatische Assoziation der Koloskopie mit Tabuthemen wie Krankheit und Tod zu verzeichnen. Zusammenfassend findet sich mit der vorliegenden Stichprobe eine Personengruppe mit größtenteils fehlender Intention bezüglich einer Teilnahme an einer Screeningkoloskopie, womit eine wichtige Voraussetzung für eine Handlung nicht gegeben ist. Als Hauptgründe der fehlenden Intentionsbildung sind dabei Faktoren im Zusammenhang mit einem unzureichenden Wissensstand sowie Verdrängungstendenzen zu sehen.