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Die vorliegende Arbeit stellt eine bislang in der Kunstgeschichte vernachlässigte Frage: Wie verhalten sich, in der dänischen Malerei von den 1800er bis zu den 1860er Jahren, der Entwurf einer national-romantischen Landschaft im Bild, die parallele Konjunktur der Orient-Darstellungen und die visuelle Repräsentation der kolonialen Gebiete zueinander? Während das ehemals weltumspannende dänische Herrschaftsgebiet im Verlauf des 19. Jahrhunderts auf die uns heute bekannte Größe zusammenschrumpfte, sein gemalter Bildraum im gleichen Zeitraum weit in das Imaginäre expandierte. Umso kleiner das faktisch beherrschte Reich war, desto größer wurde es in seinen Bildern. Die Überlegungen dieser Arbeit berühren damit in ihrem spezifischen Fokus grundlegende Fragen der Kunstgeschichte des ‘langen’ 19. Jahrhunderts von Landschaft, Nation und Identität, sowie der Bildmedien, Darstellungstechniken und Wissensnetzwerke, die sich in den Bildern, die dieses Jahrhundert hervorgebracht hat, verdichten.
Die Arbeit ist in drei Hauptkapitel gegliedert. Das erste Kapitel leitet anhand der Geschichte der Kopenhagener Kunstakademie her, wie sich eine Form der dänischen Nationalromantik in der Malerei etablieren konnte. Es zeigt sich, dass durch einige grundlegende Änderungen der Herangehensweise an das Handwerk der Malerei eine sich verändernde Inszenierung von Natur im Bild einsetzte. In diesem Kapitel wird die malerische und ontologische Bewegung von einem beobachtbaren Bildraum hin zu einem als Landschaft erfahrbaren Bildraum nachgezeichnet und plausibel gemacht. Daran anknüpfend weist das zweite Kapitel eine klare Verbindung zwischen dänischer Nationalromantik und dänischem Orientalismus nach. Es handelt sich hierbei nicht um Einzelfälle, sondern um ein weit verbreitetes, bislang in der Kunst übersehenes, Phänomen. Anhand zahlreicher Beispiele wird nachvollziehbar, wie der dänische Sonderweg innerhalb der Orientdiskurse des 19. Jahrhunderts seinen Lauf nahm, und auf welche Weise dänische Künstler dabei nicht nur orientalistische Bilder konstruierten, sondern mithilfe des imaginierten Orients die dänische visuelle Identität über die eigene Nationallandschaft hinaus erweiterten und sie von Raum und Zeit loslösten. Im dritten Kapitel stehen schließlich die Bilder aus und von den karibischen Inseln des kolonialen Dänemarks im Zentrum der Analyse. Sowohl die Rezeptionsgeschichte der kolonialen Landschaftsmalerei als auch die sich deutlich davon absetzende Freilichtmalerei in der Karibik werden in ihren Formen und in ihrer jeweiligen Wirkmächtigkeit herausgearbeitet.
Die vorliegende Arbeit zeigt, dass die Kunst des dänischen Goldenen Zeitalters eine visuelle Raffinierung der Natur als nationalen Identifikations- und Erlebnisraum entwirft. Die Natur im Bild wird in diesem Sinn nicht nur als Landschaft betrachtbar, sondern wird gleichzeitig auch in eine quasi partizipative Nation-Natur transzendiert. Hier manifestiert sich eine besondere Qualität – oder Herausforderung – des Bildes im Gegensatz zur Literatur: Das Bild will einen Gesamtentwurf anbieten, der auf den ersten Blick innerhalb des Rahmens schlüssig ist. Die Malerei des dänischen Goldenen Zeitalters vermochte es, so kann diese vorliegende Untersuchung demonstrieren, klarer als andere parallele Strömungen, sowohl das Konstrukt ’Orient‘ als auch den national-romantischen Raum ’Dänemark‘ aus seiner Ortsgebundenheit herauszulösen und mittels eines gestochen-scharfen Realismus, in eine fiktionale Ortsungebundenheit zu überführen. Die koloniale Ortsspezifik zeichnet sich zudem durch eine weitere Ellipse aus: Hier stehen sich die naturwissenschaftlich strengen Darstellung der kolonialen Flora, Fauna und Subjekte, und die zu beobachtende Praxis der besonders freien, performativen plein air-Malerei in der Karibik gegenüber. Für die dänische Malerei des 19. Jahrhunderts wird somit erstmals deutlich, dass sich die visuelle Erfindung einer dänischen Landschaft und der imaginäre dänische Orient in überraschend deutlicher Weise im Bild überschneiden; die Bilder aus und von den kolonialen Landschaften der Karibik ergänzen, bzw. bedingen sogar augenscheinlich das sogenannte ’Dänische Goldene Zeitalter.‘
Stichwörter: Kunstgeschichte; Skandinavistik; Kunst des 19. Jahrhunderts; Dansk Gulalder; Malerei; Nation; Identität; Orientalismus; Kolonialismus; Postkolonialismus; Dänemark; Nordic Orientalism; Norwegen; US Virgin Islands; Karibik; Orient; Christoffer Wilhelm Eckersberg; Peter Christian Thamsen Skovgaard; Thomas Lundbye; Martinus Rørbye; Elisabeth Jerichau-Baumann; Hans Johan Frederik Berg; Anton Melbye; Fritz Melbye; Frederic Church; Camille Pissarro.