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Bezugsnormen stellen in der Leistungsmotivation ein zentrales Konstrukt dar. Durch die Bewertung eines Handlungsresultats an individuellen, sozialen oder kriterialen Bezugsnormen wird die Leistungsgüte bestimmt. Während individuelle Bezugsnormen eine temporale Perspektive eröffnen und somit den Zusammenhang von Anstrengung und Leistungszuwachs erkennbar machen und ihnen motivational förderliche Effekte zugesprochen werden, kann an der sozialen Bezugsnorm der Rangplatz in einer Vergleichsgruppe bestimmt werden. Die soziale Bezugsnorm soll motivational hemmende Wirkung haben. Diese angenommenen Effekte werden unter Berücksichtigung von Zielorientierung und Persönlichkeitsfaktoren genauer untersucht. Als theoretischer Rahmen dient hierbei das hierarchische Modell der Motivation. In Studie 1 (N = 204) zeigt sich eine differentielle Wirkung der Bezugsnormen: Unterschiede finden sich im Interesse an der Aufgabe, im Zielcommitment und im Fähigkeitsselbstkonzept. In Studie 2 wird der gemeinsame Einfluss von Zielorientierungen und Bezugsnormen auf die Aufgabenwahl geprüft. In dieser Untersuchung (N = 546) können die angenommenen Zusammenhänge nicht gezeigt werden. Vielmehr findet sich ein relevanter Zusammenhang von Neurotizismus und Vermeidungs-Leistungszielorientierung. In Studie 3 (N = 90) wird geprüft, ob sich die Präferenz für eine Leistungsrückmeldung mit klassischen motivationspsychologischen Variablen vorhersagen lässt. Die Ergebnisse erlauben keine Vorhersage anhand der gewählten Variablen. Es zeigt sich jedoch wiederum ein relevanter Zusammenhang von Neurotizismus und Vermeidungs-Leistungszielen. Vor dem Hintergrund des hierarchischen Modells der Motivation kann das Konstrukt der Bezugsnormen in den aktuellen theoretischen Rahmen eingeordnet werden. In den drei berichteten Studien werden die geprüften Annahmen teilweise bestätigt. Die Ergebnisse werden unter Berücksichtigung des gefundenen Zusammenhangs von Neurotizismus und Vermeidungs-Leistungszielorientierung diskutiert.
Das Ziel dieser Arbeit war die Untersuchung der Zusammenhänge von Notfallwissen und Notfallerfahrung mit der Risikowahrnehmung für verschiedene Ereignisse (d.h. Brände, Hochwasser, Erdbeben und terroristische Anschläge). Die möglichen Übertragungseffekte von Notfallerfahrung auf die Risikowahrnehmung für andere Ereignisse sowie die Einflüsse von multinationalen objektiven Risikodaten auf Risikowahrnehmung wurden untersucht. Darüber hinaus wurde der Zusammenhang von Notfallwissen und Notfallerfahrung auch in Bezug auf den empfunden Disstress während eines Brandes analysiert. Sowohl das wahrgenommene Risiko als auch das ereignisbezogene Wissen gelten als wichtige initiale Komponenten des Prozesses zur Initiierung von präventiven Verhaltensweisen bzw. vorbereitenden Handlungen. Notfallwissen kann sowohl theoretisch, zum Beispiel durch eine gedankliche Auseinandersetzung mit dem Thema, als auch praktisch, in Form von direkter Erfahrung mit einer solchen Situation, erlangt werden. Internationale Vergleiche bzw. Vergleiche zwischen verschiedenen Ereignissen sind auf Grund fehlender standardisierter Instrumente kaum möglich, und beziehen sich meist auf ein einzelnes spezifisches Ereignis. Notsituationen wie Brände, Erdbeben oder Hochwasser erfordern Reaktionen zumeist in kurzer Zeit und unter möglicherweise großem Stress. Notfallerfahrung sowie Notfallwissen könnten Faktoren sein, die die wahrgenommene Fähigkeit zum Handeln bzw. Bewältigen einer Situation erhöhen und somit möglicherweise den Disstress während der Ereignisse reduzieren. Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden eine multinationale Stichprobe von Notfallbetroffenen sowie eine repräsentative Stichprobe der Bevölkerung Deutschlands herangezogen. Der positive Zusammenhang von Notfallerfahrungen und dem wahrgenommenen Risiko für dasselbe Ereignis konnte in den Studien für alle untersuchten Ereignisse bestätigt werden. Darüber hinaus zeigte sich eine erhebliche Reduzierung der Varianz zwischen den Ländern für die Risikowahrnehmung bezüglich Erdbeben und auch Terrorismus, wenn objektive länderspezifische Risikodaten in die Analyse einbezogen wurden. Der Einfluss von vorheriger Erfahrung auf die Risikowahrnehmung war für das Ereignis Hochwasser besonders groß, während er in Bezug auf Brände geringer war. Darüber hinaus zeigten die Ergebnisse, dass Männer, insbesondere ohne vorherige Notfallerfahrung, eher zur Unterschätzung des eigenen Risikos neigen, während Frauen das eigene Risiko seltener unterschätzen und es eher überschätzen. Neben den direkten Effekten von Notfallerfahrung auf die Risikowahrnehmung konnten auch Übertragungseffekte identifiziert werden, wie z.B. der positive Zusammenhang zwischen der Erfahrung eines Brandes in einem öffentlichen Gebäude und der Risikowahrnehmung für einen Terroranschlag. Ein möglicher Erklärungsfaktor für die gefundenen Übertragungseffekte ist der gemeinsame Kontext dieser Ereignisse (öffentliches vs. privates Setting). Die Erfahrung mit einem Ereignis kann also möglicherweise nicht nur die Vorstellbarkeit des gleichen Ereignisses erhöhen und somit auch die Risikowahrnehmung für dieses Ereignis, sondern, bei ähnlichem Kontext, auch die Leichtigkeit des Abrufs für ähnliche Ereignisse. In Bezug auf das Notfallwissen konnte ein positiver Zusammenhang mit der Risikowahrnehmung für alle untersuchten Ereignisse gefunden werden, während der Zusammenhang zwischen Notfallwissen und der Ausprägung von Disstress während eines Brandes negativ war. Bei der Evaluation von Trainings erfolgt zumeist eine Bewertung des objektiven Wissensstandes, während eine subjektive Einschätzung des Wissens nicht erhoben wird. Die gefundenen Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine zusätzliche Erhebung dieser subjektiven Einschätzung des Notfallwissens sinnvoll sein kann, da diese den induzierten Disstress reduzieren kann. Zusammenfassend konnten die Untersuchungen zeigen, dass die Effekte von Notfallerfahrung auf Risikowahrnehmung nicht für alle Ereignisse gleich stark sind. Darüber hinaus konnten sowohl Übertragungseffekte von Notfallerfahrung als auch spezifische Effekte auf die Risikowahrnehmung von Männern und Frauen identifiziert werden. Um die Effektivität von Risikokommunikation zu steigern, könnte diese für spezifische Subgruppen angepasst werden. Zukünftige Studien sollten hier auch die möglichen Einflüsse weiterer Faktoren wie z.B. der altersspezifischen Risikodaten einbeziehen. Darüber hinaus könnten die identifizierten Übertragungseffekte darauf hindeuten, dass der Kontext von Ereignissen eine wichtige Rolle spielt. Eine Einführung von Präventionsmaßnahmen und die gleichzeitige Thematisierung der Relevanz für Ereignisse mit vergleichbarem Kontext könnten effektiv sein und so möglicherweise die Bereitschaft erhöhen. Im Hinblick auf die Effekte von wahrgenommenem Notfallwissen wären experimentelle Studien wertvoll, welche den Einfluss von Wissen prospektiv untersuchen.
Einhergehend mit dem Zuwachs an bildgebenden Befunden, die auf Dysfunktionen in komplexen kortikalen Netzwerken bei Personen mit ADHS hinweisen, gewannen auch störungsspezifische Modelle der ADHS zunehmend an Komplexität. Während frühe Modelle spezifische Kerndefizite, insbesondere ein kognitives und motorisches Inhibitionsdefizit, als ursächlich annahmen (Barkley, 1997; Quay, 1997), sehen aktuelle Theorien die ADHS nicht singulär determiniert, sondern durch mehrere Faktoren bedingt. Neben exekutiven Dysfunktionen betonen sie auch die Bedeutsamkeit von motivationalen Prozessen am Zustandekommen des klinischen Phänotyps (Nigg & Casey, 2005; Sagvolden, Johansen, Aaase, & Russell, 2005; Sergeant, 2000; Sonuga-Barke, 2002). Eines dieser Modelle, die Verzögerungsaversions-Hypothese, die im Laufe der Jahre zu einem umfassenden theoretischen Erklärungsmodell der ADHS weiterentwickelt wurde (Dual Pathway Model; Sonuga-Barke, 2002; 2005), geht davon aus, dass Kinder mit ADHS gegenüber nicht von ADHS betroffenen Kindern über einen stärker ausgeprägten motivationalen Stil verfügen, Verzögerungen in Handlungsabläufen bewusst zu vermeiden und möglichst unmittelbare Handlungskonsequenzen zu bevorzugen, um aversive Zustände des Wartens zu vermeiden. Ein erhöhtes Ausmaß an Verzögerungsaversion wurde seit der Formulierung dieser Hypothese bei Kindern mit ADHS in einer Vielzahl von Studien nachgewiesen. An die Verzögerungsaversions-Hypothese anknüpfend beschäftigt sich die vorliegende Arbeit sich mit den Fragestellungen, ob Verzögerungsaversion lediglich ein Phänomen des Kindes- und Jugendalters darstellt, oder ob es sich auch bei Erwachsenen mit ADHS manifestiert (Marx et al., 2010), wie spezifisch Verzögerungsaversion für das Störungsbild der ADHS gegenüber anderen psychischen Störungsbildern ist (Vloet et al., 2010; Wilhelm et al., 2011) und inwiefern externe Anreize im Sinne moderierender Faktoren geeignet sind, das auf der Verhaltensebene gezeigte Ausmaß an Verzögerungsaversion positiv zu beeinflussen, d. h. es zu mildern oder möglicherweise sogar zu nivellieren (Marx et al., 2011; 2013). Die Ergebnisse dieser Arbeit belegen, dass Verzögerungsaversion ein zeitlich überdauerndes motivationales Defizit darstellt, welches nicht allein bei Kindern, sondern altersinvariant auch bei Erwachsenen mit ADHS auftritt (Marx et al., 2010; 2013). Dieses Defizit kann jedoch durch motivationale Anreize positiv beeinflusst werden. So können antizipierte finanzielle Belohnungen und subjektiv hoch bedeutsame, nicht finanzielle positive und negative Verhaltenskonsequenzen das gegenüber Kontrollpersonen erhöhte Ausmaß an Verzögerungsaversion mindern und sogar ausgleichen (Marx et al., 2011; 2013). Hinsichtlich der Spezifität von Verzögerungsaversion für das Störungsbild der ADHS konnte eine Abgrenzung gegenüber der Zwangsstörung gezeigt werden (Vloet et al., 2010), eine ätiopathologische Differenzierung von Essstörungen gelang hingegen nicht (Wilhelm et al., 2011). Die Befunde der vorliegenden Arbeit weisen wichtige Implikationen für die theoretische Modellbildung auf, indem sie den Geltungsbereich des Dual Pathway-Modells der ADHS (Sonuga-Barke, 2002) auf das Erwachsenenalter ausweiten und eine Verbindung zwischen dem exekutiven und dem motivationalen Pfad des Modells schaffen, die durch Moderatoreffekte generiert wird: In Abhängigkeit von der subjektiven Valenz antizipierter Verstärker scheint eine verstärkte exekutive Kontrolle motivationaler Funktionen stattzufinden, die Personen mit ADHS dazu bewegt, trotz verzögerungsreicher Kontexte möglichst optimale Leistungsergebnisse zu erzielen. Ferner lässt sich aus der vorliegenden Arbeit ein therapeutischer Nutzen ableiten: Während die Verzögerungsaversions-Hypothese davon ausgeht, dass das auf der Verhaltensebene mit Verzögerungsaversion assoziierte dysfunktionale Verhalten von Kindern mit ADHS in verzögerungsreichen Kontexten durch die häufige und unmittelbare Belohnung funktionalen Verhaltens positiv beeinflusst werden kann (Sagvolden et al., 2005), lassen die aktuellen Ergebnisse (Marx et al., 2011) vermuten, dass eine unmittelbare Verstärkung erwünschten Verhaltens nicht zwangsläufig immer notwendig ist, sondern dass auch längere Zeitintervalle überbrückt werden können, wenn die antizipierte Belohnung eine hohe subjektive Relevanz aufweist.
Die vorliegende Dissertation widmete sich der Entwicklung und Validierung einer deutschsprachigen Commitment-Skala. Grundlage hierfür bildeten die Rekonzeptualisierung von Commitment als willentliche Bindung, die sich durch Zusicherung und Verantwortlichkeit gegenüber einem Bindungsziel auszeichnet (Klein, Molloy & Brinsfield, 2012) sowie die dazugehörige Skala (Klein, Cooper, Molloy & Swanson, 2014). Ziel dieser Arbeit war eine Skala, welche so, wie die Commitment-Skala von Klein et al. (2014), (1) vier Items umfasst, (2) eindimensional ist und (3) unabhängig vom Bindungsziel eingesetzt werden kann. Die Entwicklung erfolgte in aufeinander aufbauenden Teilschritten. Ausgangspunkt war ein aus verschiedenen Quellen (Übersetzungen der US-amerikanischen Items, Interviews mit Arbeitnehmern, Items bestehender Skalen, Deduktionen aus der Commitment-Definition) zusammengestellter Itempool, der in mehreren empirischen Untersuchungen sukzessive reduziert wurde. Die finalen Entwicklungsschritte, eine qualitative Untersuchung zum Itemverständnis von Arbeitnehmern (Untersuchung 1) und eine darauf aufbauende quantitative Untersuchung zur Itemselektion (Untersuchung 2), werden in der Dissertation umfassend berichtet. Die resultierende Skala ist Gegenstand einer weiteren quantitativen Untersuchung, in welcher erste empirische Belege für deren Konstruktvalidität (z. B. nomologische Validität, konvergente und divergente Validität) gesammelt wurden (Untersuchung 3). Die vier Items der deutschen Commitment-Skala bilden jeweils ein Merkmal des Konstrukts ab. Im Kontrast zur US-amerikanischen Skala (Klein et al., 2014) kann das Konstrukt für den deutschen Sprachraum nämlich nicht durch einen bestimmten Begriff operationalisiert werden. Die vier deutschen Items lauten: 1) „Wie verbunden fühlen Sie sich [Ihrem/dem/diesem Bindungsziel]?“; 2) „Wie wichtig nehmen Sie [Ihr/das/dieses Bindungsziel]?“; 3) „Wie stark haben Sie sich [Ihrem/dem/diesem Bindungsziel] verschrieben?“; 4) „Wie verantwortlich fühlen Sie sich gegenüber [Ihrem/dem/diesem Bindungsziel]?“. Die Skala wird mit dem Akronym KUTG bezeichnet, welches die Merkmale der Skala widerspiegelt. Der Buchstabe K kennzeichnet, dass die Skala auf den Arbeiten von Klein et al. (2012, 2014) basiert. Ihre Commitment-Definition wird durch die Items 3 (willentliche Zusicherung) sowie die Item 2 und 4 (Verantwortlichkeit) abgebildet. Der Buchstabe U kennzeichnet die Unidimensionalität der Skala. Die quantitativen Untersuchungen konnten zeigen, dass die Skalenitems keine Merkmale anderer, von Commitment abzugrenzender Konstrukte (z. B. Identifikation, Verhalten) abbilden. Das T bringt den von Klein et al. (2012) postulierten, allgemeinen Gültigkeitsbereich (engl. target-free) von Commitment zum Ausdruck, der sich in der Skala widerspiegeln soll. In dieser Arbeit wurde die Validität der KUTG für die Organisation, das Team und den Vorgesetzten als Bindungsziele eines Commitments gestützt, wobei sie sich als metrisch invariant erwies. G steht für German und verdeutlicht, dass die Verbundenheit mit dem Bindungsziel, welche durch Item 1 abgebildet wird, ein deutsches Merkmal von Commitment ist. Ausgehend von ihrer begrifflichen Bedeutung äußert sich die Verbundenheit im Erleben von Nähe zum Bindungsziel, die durch positiven Affekt begleitet ist. Da der Affekt nach Klein et al. (2012) zu den Einflussfaktoren von Commitment zählt, ist anzunehmen, dass im deutschen Sprachraum weniger präzise zwischen dem Erleben der Bindung und der positiv affektiven Bewertung des Bindungsziels differenziert wird als im US-amerikanischen Raum. Aus den Merkmalen der KUTG resultieren verschiedene methodologische und praktische Vorteile für Forschung und Praxis, weshalb die KUTG einem Einsatz anderer Commitment-Skalen vorzuziehen ist. Sie ermöglicht bspw. weniger konfundierte und ökonomischere Messungen und ist zudem flexibel für das jeweilig interessierende Bindungsziel einsetzbar.
Eines der zentralen Merkmale von Emotionen ist neben der Qualität ihre Intensität. Idealerweise sind Emotionstheorien daher quantitative Theorien, d. h. Theorien, die Emotionen mittels quantitativer Gesetze mit ihren Ursachen und Wirkungen verknüpfen. Bisher wurden jedoch nur wenige solcher Emotionstheorien vorgeschlagen. Ein Grund dafür könnte sein, dass man quantitative Emotionstheorien für kaum überprüfbar hält, weil zu ihrer Überprüfung präzise und außerdem metrische Messungen der Emotionsintensität benötigt werden. Die am häufigsten verwendete Methode zur Messung der Intensität (und Qualität) von Emotionen sind Selbstberichte in Form von Ratingskalen (z. B. “Wie enttäuscht fühlen Sie sich?” von 0 = “überhaupt nicht enttäuscht” bis 10 = “extrem enttäuscht”). Es ist jedoch fraglich, ob solche Ratings den genannten Ansprüchen an Präzision und Skalenniveau (zumindest auf dem individuellen Niveau) gerecht werden. Ratings haben eine hohe Fehlervarianz und möglicherweise nur ein ordinales Skalenniveau. In anderen Gebieten der Psychologie, inbesondere in der Psychophysik, werden neben Ratings und anderen direkten Skalierungsverfahren seit langem auch indirekte Skalierungsverfahren für die Messung der Intensität mentaler Zustände (z. B. Sinnesempfindungen) verwendet. Während die Versuchspersonen bei direkten Skalierungsverfahren ein absolutes Urteil über die Intensität eines mentalen Zustands abgeben, werden bei indirekten Skalierungsverfahren relative Urteile verlangt. Am häufigsten sind dies Paarvergleichsurteile, bei denen z. B. gefragt wird, ob ein Ton X lauter oder leiser ist als ein Ton Y. Die absoluten Intensitäten der Empfindungen, die diesen Vergleichsurteilen zugrunde liegen, werden anschließend mit Hilfe von passenden Skalierungsmodellen geschätzt. Theoretische Überlegungen, aber auch empirische Untersuchungen auf dem Gebiet der Psychophysik sprechen dafür, dass indirekte Skalierungsverfahren im Vergleich zu direkten Skalierungsverfahren einen geringeren Fehleranteil und ein höheres Skalenniveau erreichen. Trotz dieser Vorteile wurden diese Methoden für die Messung der Emotionsintensität bisher nicht verwendet. Vor diesem Hintergrund sollte in der vorliegenden kumulativen Dissertation, bestehend aus drei Publikationen, untersucht werden, ob ein spezielles indirektes Skalierungsverfahren, nämlich die Methode der gradierten Paarvergleiche (GPCs; engl.: graded pair comparisons) eine bessere Messung der Intensität von Emotionen ermöglicht und wenn ja, worauf diese Verbesserung zurückgeführt werden kann. Im Vergleich zu anderen Formen von Paarvergleichen sind GPCs vergleichsweise ökonomisch und gleichzeitig besonders informationshaltig. Sie sind eine Variante des klassischen Paarvergleichs, bei dem die Versuchspersonen nicht nur beurteilen sollen, welches von zwei zu beurteilenden Objekten auf der Urteilsdimension die höhere Ausprägung hat, sondern zusätzlich auch - jedoch nur auf einer ordinalen Skala - um wie viel die Ausprägung des einen Objekts die des anderen übertrifft. In der ersten Publikation wurde in zwei Studien überprüft, ob indirekte Skalierungen mittels GPCs gegenüber den üblicherweise in der Emotionsforschung verwendeten direkten Skalierungen tatsächlich eine präzisere Messung der Emotionsintensität ermöglichen. In der zweiten Publikation wurde in zwei Studien das GPC-Verfahren mit einem deutlich aufwendigeren indirekten Skalierungsverfahren verglichen, das auf direkten Quadrupelvergleichen (QCs; engl.: quadruple comparisons), d. h. direkten Vergleichen von Paardifferenzen, beruht. Es wurde überprüft, ob das QC-Verfahren zu noch präziseren Intensitätsmessungen führt als das GPC-Verfahren. In der dritten Publikation wurde in drei Studien überprüft, ob indirekte und direkte Skalierungsverfahren zu metrischen Skalen der Intensität von Emotionen führen. Zusammen genommen zeigen die Ergebnisse der drei Publikationen, dass indirekte Skalierungsverfahren eine bessere Messung der Emotionsintensität erlauben als die bisher in der Emotionspsychologie fast ausschließlich verwendeten direkten Skalierungsverfahren. Die verbesserte Messung ist sowohl auf einen reduzierten Fehleranteil als auch auf ein höheres Skalenniveau zurückzuführen. Die höhere Präzision der Intensitätsmessung kann zudem mit einem vergleichsweise ökonomischen indirekten Skalierungsverfahren, der Methode des gradierten Paarvergleichs (GPCs), erzielt werden; die Methode des wesentlich aufwendigeren Quadrupelvergleichs (QCs) bringt dem gegenüber keinen zusätzlichen Gewinn. Damit ermöglicht das verwendete indirekte Skalierungsverfahren eine genauere Überprüfung von Emotionstheorien allgemein und stellt insbesondere eine geeignete Methode zur Überprüfung quantitativer Emotionstheorien auf der individuellen Ebene dar.
Das Ziel dieser Arbeit war die Untersuchung der Prädiktoren von persönlicher Reifung und Disstress bei europäischem Feuerwehrpersonal nach einer belastenden Notfallversorgung. Darüber hinaus wurde die Beziehung (linear, quadratisch und kubisch) zwischen persönlicher Reifung und Disstress unter Berücksichtigung der seit dem belastenden Einsatz vergangenen Zeit geprüft. Eine multinationale Stichprobe von 1916 Feuerwehrleuten wurde zur Untersuchung herangezogen. Die Probanden beantworteten vollständig die Fragebögen Impact of Event Scale – Revised (IES-R) und den Posttraumatic Growth Inventory – Short Form (PTGI-SF) in Bezug auf die aufreibendste Einsatzsituation, die sie während ihrer Arbeit in den letzten zehn Jahren persönlich erlebt haben. Die Analysen zeigten, dass einige personenbezogene Merkmale mit Distress und/oder Reifung assoziiert waren: Bildungsgrad, Anzahl der Dienstjahre und Anzahl der bereits erlebten lebensbedrohlichen Einsätze. Disstress und Reifung waren nicht assoziiert mit Geschlecht, Alter, Arbeitsstatus und Dienstgrad. Bezüglich der Ereignismerkmale zeigte sich, dass die Art des Einsatzes nicht mit Disstress assoziiert war. Jedoch war das Ereignis Naturkatastrophe positiv assoziiert mit Reifung. Die seit dem Einsatz vergangene Zeit war negativ assoziiert mit Disstress, aber nicht mit Reifung verbunden. Die wahrgenommene Lebensbedrohung und der erlebte Disstress während des Einsatzes waren positiv sowohl mit Disstress als auch Reifung assoziiert. Des Weiteren konnten Länderunterschiede bzgl. Disstress und Reifung aufgezeigt werden. Hinsichtlich der Beziehung von Reifung mit Disstress zeigten die Ergebnisse, dass für Feuerwehrleute, die in den letzten 12 Monaten einen belastenden Einsatz erlebten, eine kubische Beziehung zwischen Reifung und Disstress besteht. Für Feuerwehrleute, bei denen das belastende Ereignis bereits länger zurücklag, konnte eine quadratische Beziehung nachgewiesen werden, d.h. Probanden, die ein mäßiges Ausmaß an Disstress berichten, erfahren höhere Maße von Reifung, im Vergleich zu den Probanden, die ein geringes oder hohes Maß an Disstress berichten. Insgesamt zeigen die Ergebnisse dieser Arbeit, dass eine Exposition gegenüber arbeitsbedingten belastenden Einsätzen sowohl negative als auch positive Auswirkungen haben kann. Forscher sollten organisationsbezogene Variablen innerhalb der Feuerwehr identifizieren und untersuchen, welche der Variablen Disstress reduzieren und welche Reifung fördern. Darüber hinaus sollten soziokulturelle Einflüsse in zukünftigen Studien behandelt werden.
Kognition bei Motoneuronerkrankungen – Evidenz aus Neuropsychologie und struktureller Bildgebung
(2015)
HINTERGRUND/ZIEL: In den letzten Jahrzehnten hat sich die Sichtweise auf Motoneuronerkrankungen (MNDs) von einer rein motorischen Systemdegeneration hin zu einer Multi-System-Erkrankung grundsätzlich gewandelt, so dass auch nicht-motorische Symptome in den Fokus treten. Inzwischen ist unbestritten, dass ein relevanter Anteil der Patienten Kognitions-, Verhaltens- und affektive Störungen aufweist (Goldstein et al. 2013). Entsprechend dazu finden sich auf hirnstruktureller Ebene neben einer Schädigung des motorischen Systems Hinweise auf beeinträchtigte extra-motorische Areale (Chiò et al. 2014). Eine Stratifizierung nach Kognition und die Untersuchung von Zusammenhängen zwischen Kognitions-/Verhaltensstörungen und strukturellen oder funktionellen zerebralen Eigenschaften erfolgten aber kaum. Das Ziel der Arbeit war eine mehrdimensionale Charakteristik (Neuropsychologie, strukturelle Bildgebung) der Kognition und des Verhaltens bei MNDs am Beispiel der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) und der Spinobulbären Muskelatrophie, Typ Kennedy (SBMA). METHODEN: In Rostock und Magdeburg wurden insgesamt 150 ALS-Patienten sowie 100 gesunde Kontrollpersonen konsekutiv rekrutiert und mehrzeitig untersucht. In Rostock wurden zusätzlich 20 Patienten mit SBMA und 20 gesunde Kontrollpersonen untersucht. Es wurden umfangreiche neuropsychologische Testbatterien entwickelt, im speziellen bei der ALS an die motorischen Beeinträchtigungen adaptiert. Zudem wurden bestehende Kriterien zur kognitiven Kategorisierung von ALS-Patienten weiterentwickelt. Die Analyse-Ebenen enthielten sowohl Gruppenvergleiche von Testvariablen zwischen Patienten und gesunden Probanden bzw. zwischen Subgruppen von Patienten als auch jeweils eine kognitive Kategorisierung im Hinblick auf die klinische Relevanz der Kognitions- und Verhaltensstörungen. Die strukturelle Bildgebung (hochauflösende Kraniale Magnetresonanztomographie, 3-Tesla MRT) erfasste die kortikale Atrophie mittels der Analyse der „Kortikalen Dicke“ sowie Diffusionsgewichteter Bildgebung (DTI). Komplementär zur Neuropsychologie erfolgten Gruppenvergleiche sowie Korrelationsanalysen zwischen kognitiven/ Verhaltensparametern und zerebralen Strukturen. ERGEBNISSE: Auf neuropsychologischer Ebene wurde bei unterschiedlicher Quantität (SBMA: marginal; ALS: relevant) ein qualitativ ähnliches Störungsmuster mit prominenten Beeinträchtigungen exekutiver Funktionen abgebildet. Bei 20 % kognitiv beeinträchtigter ALS-Patienten lag der Störungsschwerpunkt auf basalen exekutiven Regulationsprozessen bei erhaltenen komplex-regulatorischen exekutiven Vorgängen, was die in der klinischen Beobachtung oft erhaltene Alltagskompetenz der Patienten erklärt (Kasper E et al. 2015). Adaptierte Klassifikationskriterien bzgl. der Kognition, weg von der Bewertung von Einzeltests hin zur Interpretation auf Funktionsebene, reduzierten zudem die Rate an falsch positiv als kognitiv beeinträchtigt eingestuften gesunden Kontrollpersonen. Die kognitiven Beeinträchtigungen bei SBMA-Patienten lagen auf subklinischem Niveau (Kasper E et al. 2014). Korrespondierend dazu zeigten ALS-Patienten eine weitreichende Beeinträchtigung extra-motorischer Areale im Vergleich zu Gesunden. Zwischen ALS-Patienten mit und ohne kognitive Beeinträchtigung wurde zudem erstmals eine hirnstrukturelle Diskrimination möglich (Kasper E et al. 2014). Vergleiche zwischen verschiedenen Subgruppen ergaben überlappende fronto-temporale Differenz-Profile grauer Substanz oder Assoziationsfasern der weißen Substanz. Insbesondere die Überlappung des Schädigungsmusters sowohl zwischen kognitiv unbeeinträchtigten, kognitiv beeinträchtigten ALS-Patienten und ALS-FTLD Patienten unterstützt die Koinzidenz der ALS mit der Fronto-temporalen Lobärdegeneration (FTLD) (Schuster C, Kasper E et al. 2014). Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen neurokognitiven Variablen repliziert das insgesamt konsistente Muster zwischen Exekutivfunktionen und weißer Substanz vorherige Einzelbefunde an einer repräsentativen Kohorte. Bei SBMA fanden sich nur marginale strukturelle zerebrale Veränderungen gegenüber Gesunden, was mit den geringen kognitiven Beeinträchtigungen korrespondierte. SCHLUSSFOLGERUNG/ AUSBLICK: Die Studienergebnisse an sehr großen Kohorten untermauern den Multi-System-Charakter der MNDs, konnten klare kognitive Profile identifizieren und eine hirnstrukturelle Charakterisierung vornehmen. Der exzellent charakterisierte Ausgangsstatus bietet die Basis, um in longitudinalen Untersuchungen Verläufe zu analysieren und prognostische Marker zu identifizieren.
Mit der demographischen Entwicklung gehen enorme Herausforderungen für die Gesellschaft einher. Eine dieser Herausforderungen liegt im wirtschaftlichen Bereich. Viele Unternehmen befinden sich im globalen Wettbewerb und, um dort bestehen zu können, sind sie gezwungen, ihre Produkte oder Dienstleistungen fortwährend zu verbessern. Gerade kleinere Unternehmen stehen vor dem Problem, dass sie bereits heute und in Zukunft noch verstärkt, für bestimmte Aufgaben nicht immer die passenden Mitarbeiter mit den benötigten Qualifikationen zur Verfügung haben. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung wird die Besetzung von Innovationsteams in Zukunft eine entscheidende Aufgabe für viele Unternehmen werden. Die vorliegende Dissertation untersucht in zwei Experimenten unter Laborbedingungen, ob sich homogene und heterogenen Teams in ihrer Innovationsleistung unterscheiden.
Theoretischer Hintergrund: Studien, die eine kultursensible Notfallversorgung thematisieren, beziehen sich vorwiegend auf den Bereich der Notaufnahme und berichten eine höhere Inanspruchnahme durch Migranten sowie eine geringere Versorgungszufriedenheit von Migranten, jeweils im Vergleich zur Mehrheitsbevölkerung. Für den Bereich der präklinischen Notfallversorgung existieren vereinzelte Studien, deren Ergebnisse im Kontext des anglo-amerikanischen Modells zu interpretieren sind. Die vorliegenden Studien dieser Dissertation beziehen sich auf die präklinische Notfallversorgung in Deutschland und werden damit einhergehend im Kontext des hier praktizierten franko-germanischen Modells interpretiert. Studie 1: Als ursächlich für eine überproportional häufige Inanspruchnahme von Notaufnahmen durch Migranten werden u.a. Wissensdefizite über das Gesundheitssystem und Sprachbarrieren angeführt. Für den Bereich der präklinischen Notfallversorgung wurde vereinzelt berichtet, dass Sprachbarrieren hemmend auf die Inanspruchnahme des Notrufes wirken. Migrationsspezifische Einflussfaktoren auf die Inanspruchnahme präklinischer Notfallversorgung wurden bisher nicht untersucht. Studie 2: Erfahrungen des Personals im präklinischen Bereich deuten auf Herausforderungen infolge kulturbedingt unterschiedlicher Verhaltensweisen hin. Um diesen Herausforderungen angemessen zu begegnen, wird eine Vermittlung interkultureller Kompetenzen befürwortet. Inwiefern konzeptionelle Grundlagen der in der medizinischen Versorgung/Pflege vorhandenen Ansätze für den Bereich der präklinischen Notfallversorgung relevant sind, wurde bisher nicht eruiert. Studie 3: Studien mit Bezug zur Zufriedenheit mit der Notaufnahme implizieren u.a. migrationsspezifische und servicebezogene Einflussfaktoren. Vergleiche zwischen Migranten und der Mehrheitsbevölkerung ergaben, dass Erstere das Personal in Notaufnahmen als weniger freundlich/fürsorglich beurteilten. Für den präklinischen Bereich sind vereinzelte Daten, ohne Berücksichtigung migrationsspezifischer Faktoren vorhanden. Methode: Studie 1 und Studie 3 basieren auf einem querschnittlichen Design. Die verwendeten Fragebögen wurden jeweils in einem konsekutiven Prozess entwickelt. Studie 2 basiert auf einem qualitativen Design. Ergebnisse: Die Untersuchung der Inanspruchnahme präklinischer Notfallversorgung ergab, dass ein niedriger/mittlerer Bildungsabschluss signifikant positiv mit dieser assoziiert war. Weiterhin wurde festgestellt, dass Migranten, die nicht in Deutschland geboren sind, präklinische Notfallversorgung weniger häufig in Anspruch nehmen als Migranten, deren Geburtsland Deutschland ist. Bezogen auf die Vermittlung Interkultureller Kompetenzen wurde übergreifend häufig von Migranten und von Experten die Aneignung kulturellen Wissens befürwortet. Darüber hinaus thematisierten v.a. Migranten soziale/emotionale und kommunikative Kompetenzen des Rettungsdienstpersonals. Vorrangig von Experten wurde auf die Achtsamkeit gegenüber der eigenen Kultur hingewiesen, die gleichsam als Voraussetzung für die Entwicklung einer Achtsamkeit gegenüber kulturellen Unterschieden angesehen wurde. Ferner zeigen die Ergebnisse, dass personenbezogene Faktoren 7.1% der Varianz von Zufriedenheit mit der präklinischen Notfallversorgung aufklären. Ungeachtet dessen sind keine/geringe Kenntnisse der deutschen Sprache signifikant negativ mit der Versorgungszufriedenheit assoziiert. Die servicebezogenen Faktoren hingegen klären 47.3% der Varianz von Zufriedenheit mit der präklinischen Notfallversorgung auf. Diskussion: Bzgl. des Einflusses der Variable Immigration auf die Inanspruchnahme liegt die Vermutung einer Orientierung an Versorgungsstrukturen aus dem Herkunftsland nahe. Die Ergebnisse der Studie 2 weisen darauf hin, dass die im Zusammenhang mit sozialen/emotionalen Kompetenzen genannten Umgangsformen im Einklang mit den Ergebnissen der Studie 3 stehen, die den maßgeblichen Einfluss genannter Kompetenzen auf die präklinische Versorgungszufriedenheit unterstreichen. Vergleichbar mit Ergebnissen aus dem Bereich Notaufnahme wurde in Studie 3 eine signifikant negative Assoziation zwischen keinen/geringen Sprachkenntnissen und der präklinischen Versorgungszufriedenheit festgestellt. Limitationen: Trotz mehrsprachig eingesetzter Befragungsinstrumente sind Migranten mit begrenzten Sprachkenntnissen in den vorliegenden Studien unterrepräsentiert. Des Weiteren wurden Daten über Notfallereignisse in Form von Selbstberichten erfasst, so dass Erinne-rungsverzerrungen bei der Beantwortung der Fragen nicht auszuschließen sind. Fazit/Ausblick: Mit Hilfe der vorliegenden Studien konnten grundlegende Aspekte der präklinischen Notfallversorgungsforschung unter Berücksichtigung migrationsspezifischer Faktoren identifiziert werden. Weiterführende Studien sollten v.a. Migranten einbeziehen, die aufgrund begrenzter Sprachkenntnisse größeren Herausforderungen gegenüberstehen, insbesondere die Inanspruchnahme präklinischer Notfallversorgung betreffend.
Theoretischer Hintergrund Panikattacken (PA) sind ein in der Bevölkerung häufig auftretendes Phänomen, wie repräsentative epidemiologische Studien zeigen: Bis zu 20% der Personen erleben mindestens einmal im Leben einen Angstanfall oder eine Panikattacke; davon erfüllen aber nicht alle die geforderten Symptomkriterien einer klinisch relevanten »vollständigen Panikattacke«. Ein Teil der betroffenen Personen (ca. 2 – 4 %) erlebt weitere Panikattacken und erfüllt zudem die weiteren Diagnosekriterien einer Panikstörung. Lerntheoretische Modelle sehen eine besonders intensive, sogenannte initiale Panikattacke (iPA) als entscheidendes konditionierendes Ereignis für die Entwicklung einer Panikstörung. Dabei wird angenommen, dass neben der symptomatischen Schwere der Panikattacke weitere Faktoren die Krankheitsentwicklung beeinflussen. Relevant scheinen in dem vermuteten multifaktoriellen ätiologischen Geschehen u. a. sowohl Belastungen durch kritische Lebensereignisse als auch in zeitlicher Nähe zur iPA vorliegende psychische Erkrankungen zu sein. Eine weitere wichtige Rolle scheinen Charakteristika der iPA selbst sowie die Verarbeitung der Attacke und die Reaktion auf sie zu spielen. Die vorliegende Arbeit dient der vergleichenden Untersuchung initialer Panikattacken in einer bevölkerungsbasierten und in einer klinischen Stichprobe. Sie zielt auf die Identifizierung und Differenzierung möglicher, die Entwicklung einer Panikstörung begleitender Faktoren ab. Methode Die vorliegende Untersuchung basiert auf zwei Stichproben. Befragungsdaten der Study of Health in Pomerania – Life-Events and Gene-Environment Interaction in Depression (SHIPLEGENDE) bilden die Grundlage der bevölkerungsbasierten Stichprobe (N = 2400). Die Daten der klinischen Stichprobe (N = 234) wurden einerseits der Studie Mechanism of Action in CBT (MAC) entnommen; andererseits stammen sie von Patienten des ZPP des Instituts für Psychologie an der Universität Greifswald. Für die Untersuchung wurden übereinstimmende Erhebungsinstrumente und Auswertungsmethoden verwendet. Die iPA wurde mit dem neu entwickelten Interview zur Erfassung der initialen Panikattacke (iPA-Interview) erhoben. Psychische Störungen wurden strukturiert mittels der computergestützten Version des Münchener Composite International Diagnostic Interview (M-CIDI) erfasst. Die Stralsunder Ereignisliste (SEL) diente zur strukturierten Erhebung kritischer Lebensereignisse. Ergebnisse Rund 16 % der Befragten gaben an, mindestens einmal im Leben anfallartige Ängste erlebt zu haben. Knapp die Hälfte dieser Personen (7.6% aller Befragten) erlebte vollständige PA. Von diesen erfüllten ca. 46% die Kriterien einer Panikstörung (PD), ca. 18.4% im Zusammenhang mit einer komorbiden Agoraphobie. Initiale Panikattacken am Beginn einer Panikstörung waren nicht nur symptomatisch schwerer, sondern auch häufiger von einem Gefühl der Hilflosigkeit und Todesangst begleitet – insbesondere, wenn sie außerhalb des eigenen Zuhauses au traten. Sie verunsicherten anhaltend, initiierten als Bewältigungsversuche Selbstbeobachtung, häufige Arztbesuche und – sofern eine komorbide Agoraphobie vorlag – die Vermeidung von Situationen. Bereits im Vorfeld, aber auch nach der iPA, zeigte sich in beiden Stichproben eine erhöhte Komorbiditätsrate – vor allem bei Personen, die die Kriterien von PD und Agoraphobie erfüllten. Kritische Lebensereignisse traten häufiger im Vorfeld der Entwicklung von PD auf. Anhaltend belastende Lebensbedingungen schienen die Entwicklung einer komorbiden Agoraphobie zu begünstigen. Schlussfolgerungen Auf der Basis der vergleichenden Untersuchung einer bevölkerungsbasierten und einer klinischen Stichprobe unter Verwendung einer übereinstimmenden Methodik konnte bestätigt werden, dass initiale Panikattacken ausschlaggebende Ereignisse in der Entwicklung von PD darstellen, was im Einklang mit lerntheoretischen Modellen der PD steht. Zudem konnte gezeigt werden, dass nicht nur die iPA an sich, sondern auch Faktoren im zeitlichen Umfeld der iPA Einfluss auf die Krankheitsentwicklung haben können. Die erhöhte Komorbiditätsrate bei Vorliegen sowohl isolierter PA als auch PD zeigt, dass Panik häufig im Umfeld weiterer psychischer Auffälligkeiten auftritt. Diese Erkenntnis sowie der Befund, dass besonders anhaltende Belastungen schweren Formen der Panik vorausgehen, könnte als Ansatzpunkt zur Prävention und (Früh-)Intervention genutzt werden. Die Befunde dieser Untersuchung dürfen aufgrund der Erhebung im Querschnitt nicht kausal interpretiert werden und müssen noch durch eine Erhebung im Längsschnitt bestätigt werden. Dennoch sprechen die Ergebnisse dieser Arbeit für ein multifaktorielles Bedingungsgefüge der Ätiologie der Panikstörung.