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Die Analyse von und die Reflexion über Unterricht sind zentrale Elemente universitärer Lehrkräftebildung. Dabei kann sowohl in der Lehre als auch in der Forschung begriffliche Heterogenität bzgl. Reflexion konstatiert werden. Auch fehlt eine klare Abgrenzung zwischen Analyse und Reflexion von Unterricht. Aufbauend auf der Konzeption des Selbstbezugs als ein zentrales Unterscheidungsmerkmal wird mittels eines quasi-experimentellen Prä-Post-Interventions-Kontrollgruppendesigns geprüft, inwiefern sich Unterrichtsanalysen von Unterrichtsreflexionen in ihren Auswirkungen auf die professionelle Unterrichtswahrnehmung (PUW) und die klassenführungsbezogene Selbstwirksamkeit (SW) unterscheiden. An einer Stichprobe von 194 angehenden Lehrkräften im Master of Education einer Hochschule kann gezeigt werden, dass Unterrichtsanalyse und -reflexion vergleichbar positive Effekte auf die PUW zeigten (besser als eine Kontrollgruppe ohne spezifische Intervention). Allerdings zeigt die Reflexionsgruppe eine stärkere Zunahme klassenführungsbezogener SW im Vergleich zu den anderen beiden Gruppen. Die Ergebnisse deuten somit darauf hin, dass durch den expliziten Selbstbezug selbstgerichtete Kognitionen verstärkt thematisiert werden und damit zusätzliche Aspekte professioneller Kompetenz adressiert werden können.
Summary
The present article deals with Easy-to-read Russian. It focuses on the level of syntax which is mainly characterized by the avoidance of complex sentence structures. The necessity to write sentences that are as short and simple as possible is intuitively comprehensible, but often difficult to implement in practice since Easy-to-read texts also have to express causal, final or many other relations. Suggestions for avoiding complex syntactic structures in Russian are submitted and put up for discussion by consulting results and important proposals of studies about German “Leichte Sprache”. This includes both clause constructions and complex sentences with their individual subgroups as well as asyndetic compound sentences. On the whole, the study is intended to make a linguistically substantiated contribution to the development of Easy-to-read Russian, for which there are only initial approaches available today.
Zur Messqualität des Beck-Depressionsinventars (BDI-II) in
unterschiedlichen klinischen Stichproben
(2022)
Theoretischer Hintergrund: Das BDI-II ist ein Selbstbeurteilungsinstrument zur Erfassung des Schweregrads einer Depression. Es liegen kaum Analysen mit Modellen aus der Item-Response-Theorie (IRT) vor. Fragestellung: Wie hoch ist die Messgenauigkeit des BDI-II über die unterschiedlichen Ausprägungen des latenten Traits (Depressivität) hinweg und sind die Kategorien der Items jeweils aufsteigend geordnet? Methode: Anhand von sechs großen Datensätzen aus verschiedenen klinischen Bereichen wurden psychometrische Analysen mit dem Graded Response Model durchgeführt. Ergebnisse: In allen Stichproben fand sich eine hohe interne Konsistenz. Die Schwellenwerte waren mit Ausnahme von Item 6 („Bestrafungsgefühle“) geordnet. Gemäß Testinformationsfunktion misst das BDI-II im mittleren bis hohen Depressionsbereich sehr gut (Reliabilität > .90) und im unteren Bereich gut. Schlussfolgerung: Für das BDI-II ergibt sich eine hohe und relativ gleichbleibende Messpräzision über einen weiten Bereich des latenten Traits, weshalb es insbesondere im klinischen, aber auch im nicht klinisch relevanten Wertebereich zur Erhebung des Schweregrades einer Depression gut geeignet ist.
Hintergrund
Ein Hauptziel der Versorgung von Patient*innen mit Cochlea-Implantat (CI) ist die Verbesserung des Sprachverstehens. Einer der Zielparameter ist die Sprachverständlichkeit in Ruhe. Die Versorgungsergebnisse lassen jedoch eine sehr große Variabilität erkennen, welche bislang nur unzureichend erklärt werden konnte. Ziel dieser nichtinterventionellen retrospektiven Studie war die Aufklärung dieser Variabilität. Dies erfolgte anhand einer ausgewählten Population von Patient*innen, bei der die Ätiologie keinen negativen Einfluss auf die postoperative Sprachverständlichkeit erwarten ließ.
Material und Methoden
Es wurden die audiometrischen Befunde der CI-Folgetherapie von 28 erwachsenen Patient*innen nach 6 Monaten CI-Erfahrung ausgewertet. Diese wurden in Relation zur präoperativen audiometrischen Untersuchung gesetzt und hinsichtlich eines unlängst publizierten Prädiktionsmodells für das postoperative Einsilberverstehen ausgewertet.
Ergebnisse
Durch Einschluss der postoperativen Hörfeldskalierung und des Hörverlusts für Zahlen in das Modell lassen sich 55 % der Variabilität in den Versorgungsergebnissen bzgl. des Einsilberverstehens erklären.
Schlussfolgerung
Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass ein Großteil der Ursachen für die Variabilität der Versorgungsergebnisse durch systematische postoperative audiometrische Kontrollen erfasst werden kann. Aus diesen Ergebnissen können sich unmittelbare Schlussfolgerungen für die Anpassungen der CI-Systeme ziehen lassen. Inwieweit diese jedoch von den einzelnen Patient*innen akzeptiert werden und somit zu einer Verbesserung der Befundlage führen, muss Gegenstand weiterer, möglichst prospektiver Studien sein.
Hintergrund
Die Zertifizierung von Zentren für Beatmungsentwöhnung in der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation (NNFR) durch die Deutsche Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR) ist seit dem 01.10.2021 möglich.
Ziel der Arbeit
Die Ergebnisse der Zertifizierung von Einrichtungen im ersten Jahr nach Aufnahme des Verfahrens werden vorgestellt.
Material und Methoden
Im Rahmen der Zertifizierung werden 28 Kriterien geprüft, darunter eine Reihe mandatorisch zu erfüllender Charakteristika der Einrichtung. Die Kriterien gliedern sich in Strukturkriterien (i = 7), Diagnostikkriterien (i = 6), Personalkriterien (i = 3), Kriterien der internen Organisation (i = 7) und Qualitätsmanagementkriterien (i = 5).
Ergebnisse
Insgesamt 13 Zentren wurden im ersten Jahr zertifiziert, die zusammen über 283 Betten zur Beatmungsentwöhnung („weaning“) in der NNFR verfügen und im Jahr vor der Zertifizierung 2278 Personen im Weaning betreuten, im Median pro Einrichtung 134 (Bereich [Min-Max] 44–414). Nur selten war das Weaning nicht erfolgreich, sodass vor Entlassung auf eine Heimbeatmung eingestellt werden musste (invasive Heimbeatmung Median pro Einrichtung 10 Personen, Bereich 2–25; nichtinvasive Heimbeatmung Median 0 Personen, Bereich 0–57). Festgestellt wurde ein hohes Maß an Prozess- und Strukturqualität in den zertifizierten Zentren: Über alle Prüfbereiche hinweg waren die Prüfkriterien zu allermeist erfüllt (Median Erfüllungsgrad 86 %) bzw. erfüllt mit von den Auditor*innen dokumentierten Verbesserungspotenzialhinweisen (Median 11 %).
Schlussfolgerung
Erfolgreiches Weaning in der NNFR und ein hohes Maß an Prozess- und Strukturqualität lassen sich anhand der Zertifizierungsergebnisse der Zentren belegen, die diesen integrativen Ansatz bei der Beatmungsentwöhnung verfolgen.
Zerstückte Laufbahn
(2016)
Karl Philipp Moritz’ Roman Anton Reiser (1785–1790) schildert die Laufbahn
seines Titelhelden.1 Trotz aller Bewegungsmetaphorik, die bereits in dessen Namen eingetragen ist, erscheint diese – der zeitgenössischen Semantik entsprechend2 – dabei zumindest nicht als rein linearer Prozess: Reisers Laufbahn ist
nämlich nicht nur durch progredierende, sondern auch durch zirkuläre, retardie
Zerstückte Laufbahn
(2016)
Das Zurücktreten der Erzählstimme in der Literatur der Hebräischen Bibel wurde oft benannt. Dies wurde allerdings nur selten mit der erzähltheoretischen Analysekategorie des Modus fundiert. Letzteres gilt besonders für die Darstellung von Figurenrede. Dabei ist umstritten, ob sich neben direkter und indirekter Rede auch erlebte Rede in der Hebräischen Bibel nachweisen lässt. Diese vor allem von Meir Sternberg vertretene Möglichkeit hat Cynthia L. Miller abgelehnt. Millers Einwände lassen sich aber mit einer linguistisch fundierten Erzählanalyse hinterfragen, was die grundsätzliche Möglichkeit erlebter Rede bei wᵉhinne-Phrasen begründet.
Abstract
The Tollense valley in northeast Germany is well known for its substantial evidence indicating a violent conflict dated to the early 13th century BC (Period III of the Nordic Bronze Age). This article presents a significant new find from a later Bronze Age context, found in the river at a known Bronze Age valley crossing (site Weltzin 13) by Ronald Borgwardt in 2020. The small bronze figurine (14.7 cm tall) has an egg-shaped head with a prominent nose, looped arms, a neckring, two knobs signifying breasts, a belt, an indication of a female sex and two slightly differently shaped legs. In the 19th century a similar female statuette was found near the village of Klein Zastrow, just a few kilometres from the valley crossing, but mostly these figurines are known from Zealand and Scania. Belts are only present on the statuettes from Zealand and northern Germany, and their presence suggests a close connection between the figures from these areas. Typological evidence places the figure from the Tollense river to the Late Bronze Age (Periods V–VI). Some time ago the figures were discussed as possible balance weights, but their small number does not support this theory. With a mass of 155 g, however, the new figure could be seen as a multiple of 26 g, the previously proposed weight unit of the time. The new find further suggests a connection between the find spots of the statuettes and routes of communication. There is little evidence to support an interpretation as a goddess. The deposition of the new figure at a valley crossing where hundreds of years before a violent conflict happened, might indicate that this was still a place of commemoration.
Fortbildungen sind zentrale Lerngelegenheiten für die Professionalisierung pädagogischen Personals in Kindertageseinrichtungen. Inwiefern Inhalte von Fortbildungen in der alltäglichen Praxis Anwendung finden, stellt ein zentrales Qualitätskriterium von Fortbildungen dar. Daher existieren vielfältige Vorstellungen und Konzepte darüber, wie diese Anwendung – der Transfer – unterstützt werden kann. Der vorliegende Beitrag greift theoretische und empirische Erkenntnisse aus der Bildungs- und Lehr-Lernforschung auf und stellt ein Modell der Wissenstransformation von der Theorie in Handlungen und von Handlungen in die Theorie vor. Zentral an diesem Modell ist die Vorstellung, dass Wissen durch verschiedene Akteure (Fortbildner_innen sowie pädagogische Fachkräfte) transformiert wird und kontextuelle sowie individuelle Merkmale diesen Transformationsprozess beeinflussen. Implikationen für Forschung und -praxis werden diskutiert.
Einleitung/Hintergrund
DC_TRAIN_APHASIA ist eine multizentrische, randomisiert-kontrollierte Studie, die seit November 2019 unter Federführung der Universitätsmedizin Greifswald durchgeführt wird (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT03930121). Die Studie untersucht, ob adjuvante transkranielle Gleichstromstimulation („transcranial direct current stimulation“, tDCS) den Erfolg einer 3‑wöchigen intensiven Sprachtherapie bei chronischer Aphasie steigern kann.
Material und Methode
Bis Ende 2024 sollen bundesweit 130 Patient:innen eingeschlossen werden. Die Entwicklung innovativer Rekrutierungsstrategien stellt seit Beginn der Studie eine Herausforderung dar. Neben gängigen Rekrutierungsmethoden wie der direkten Ansprache von Menschen mit Aphasie in Kliniken, Logopädiepraxen, Rehabilitationseinrichtungen und Selbsthilfegruppen wurden Radiowerbespots, Fernsehbeiträge und Auftritte in sozialen Medien erprobt.
Zwischenergebnisse
Bis zum aktuellen Zeitpunkt konnten 110 Patient:innen in die Studie eingeschlossen werden. Zum größten kurzzeitigen Rücklauf führte die Rekrutierung über einen Fernseh- bzw. Radiobeitrag. Den größten langfristigen Rücklauf ergab die Rekrutierung über Logopädie- und Neurologiepraxen, Selbsthilfegruppen und soziale Medien. Teilnehmer:innen berichteten als „Testimonials“ positiv von der Sprachtherapie und der Anwendung von tDCS, die sich als gut verträglich erwies.
Diskussion
Die multizentrische Studie DC_TRAIN_APHASIA prüft die Wirksamkeit von tDCS als adjuvante Applikation für intensive Sprachtherapie bei chronischer Aphasie. Die vorliegende Übersicht soll künftigen Studien als Leitfaden zur Rekrutierung von Stichproben dienen, die Menschen mit eingeschränkten kommunikativen Fähigkeiten umfassen.
TOPORAZ
(2020)
ZusammenfassungTOPORAZ ist eine virtuelle Forschungsumgebung, die ein wissenschaftlich fundiertes 3D-Modell des Hauptmarktes der Stadt Nürnberg in vier Zeitstufen mit einer Datenbank verknüpft. Diese Plattform für die objekt- und raumbezogene geisteswissenschaftliche Forschung verbindet vielfältige Quellen und Literatur mit den Gebäuden des 3D-Modells über Verknüpfungspunkte (Hotspots). TOPORAZ unterstützt übergreifende Forschungsansätze und vernetztes, transdisziplinäres Arbeiten.
Das vorliegende Essay gibt einen Überblick zum Standortauswahlprozess für die Endlagerung des hochradioaktiven Abfalls in der Bundesrepublik Deutschland. Dieses Verfahren stellt einen Paradigmenwechsel gegenüber dem früheren Versuch der Ausweisung eines Standortes dar, indem zunächst einzig geologische Kriterien hinsichtlich der Sicherheit der Einlagerung und nicht politisch-wirtschaftliche Einzelinteressen von Regionen entscheidend sein sollen. Der aktuelle Stand der Forschung bildet weitergehende Wissensbedarfe gut ab. Derzeit besonders diskutierte Aspekte im Rahmen der Einengung der großen Teilgebiete auf Standortregionen zur übertägigen Erkundung werden angesprochen.
AbstractJean Paul’s collection Grönländische Prozesse, oder Satirische Skizzen (1783–4/1821) has been scrutinized regarding its exuberant similes and its satirical wit, but ranked low compared to his novels. From the beginning, however, it exposes a groundbreaking strategy resonating in his more famous literary and theoretical works alike. The first sketch “On literary writing. An opusculum posthumum” converts a rhetoric of the known material world – with its diversity of life forms – into a materialistic-physiological writing (and vice versa). The text interchanges processes of transformation (e. g. ‘metabolic,’ ‘biotic,’ ‘chemical’) with techniques that are capable of changing things rhetorically. Pertaining to Jean Paul’s later analysis of antithetical wit, I suggest grasping the structure of this interchanging as a rhetorical process in itself, which can be pinpointed by the figure of antimetabole (or commutatio). Consequently, this complex dynamics is connected to transitions between ‘alive’ and ‘dead’. The status of “On literary writing” as a posthumously published draft and pseudo-poetological treatise, introduced by a fictive editor, thus exactly fits the rhetorico-physiological processes it stages and complements a genuinely anticipatory writing.
In den letzten Jahrzehnten hat sich durch randomisiert-kontrollierte Studien (RCTs) eine breite Evidenzbasis von Psychotherapie mit mittleren bis großen Effekten für verschiedene psychische Störungen gebildet. Neben der Bestimmung dieser Wirksamkeit („Efficacy“) ebneten Studien zur Wirksamkeit unter alltäglichen Routinebedingungen („Effectiveness“) historisch den Weg zur Entwicklung eines praxisorientierten Forschungsparadigmas. Im Beitrag wird argumentiert, dass im Rahmen dieses Paradigmas praxisbasierte Studien eine wertvolle Ergänzung zu RCTs darstellen, da sie existierende Probleme in der Psychotherapieforschung adressieren können. In der gegenwärtigen praxisorientierten Forschung liefern dabei neue Ansätze aus der personalisierten Medizin und Methoden aus der ‚Computational Psychiatry‘ wichtige Anhaltspunkte zur Optimierung von Effekten in der Psychotherapie. Im Kontext der Personalisierung werden bspw. klinische multivariable Prädiktionsmodelle entwickelt, welche durch Rückmeldeschleifen an Praktiker_innen kurzfristig ein evidenzbasiertes Outcome-Monitoring ermöglicht und langfristig das Praxis-Forschungsnetzwerk in Deutschland stärkt. Am Ende des Beitrags werden zukünftige Richtungen für die praxisorientierte Forschung im Sinne des ‘Precision Mental Health Care’ -Paradigmas abgeleitet und diskutiert.